Kartellamt bestätigt Stopp der Vergabe für schweren Transporthubschrauber – auch wenn’s rechtswidrig war

Erneut ist das Verteidigungsministerium in einem Vergabeverfahren auf eine juristische Klippe gelaufen: Die Ausschreibung für den künftigen schweren Transporthubschrauber der Bundeswehr durfte gestoppt werden – auch wenn dieser Stopp rechtswidrig war. Zu dieser Entscheidung kam die Vergabekammer des Bundeskartellamts. Die Auswirkungen auf dieses – und möglicherweise auch andere – Vergabeverfahren sind noch unklar.

Seit Jahren plant das Ministerium, den seit Anfang der 1970-er Jahre genutzten und inzwischen anfälligen Transporthubschrauber CH-53G in verschiedenen Varianten durch ein neues Modell zu ersetzen. Dafür waren bereits grundsätzlich die beiden US-Helikopter CH-53K von Sikorsky (Foto oben), einer Tochter des weltgrößten Rüstungskonzerns Lockheed Martin, und die CH-47 von Boeing ausgesucht worden.

Im September vergangenen Jahres stoppten Verteidigungsministerium und das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) jedoch das Verfahren, weil angesichts der deutschen Forderungen an die Maschinen die Angebote der Unternehmen deutlich über den geplanten Kosten lagen.

Gegen diesen Stopp des Verfahrens hatte Lockheed Martin den Rechtsweg beschritten. Mit der Entscheidung des Kartellamts bekam das Unternehmen zwar prinzipiell Recht, auf die Vergabe wirkt sich das allerdings nicht aus. Aus der Pressemitteilung des Kartellamts* vom (heutigen) Dienstag:

Das im Februar 2019 eingeleitete Vergabeverfahren, an dem sich als Bieter nur die beiden US-amerikanischen Unternehmen Lockheed-Martin und Boeing beteiligt hatten, war im September letzten Jahres aufgehoben worden, da die Angebotspreises der Bieter deutlich über den im Bundeshaushalt für die Beschaffung veranschlagten Kosten lagen. Lockheed-Martin wandte sich daraufhin mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer des Bundes und beantragte, die Bundeswehr zur Fortsetzung des Vergabeverfahrens zu verpflichten oder zumindest hilfsweise auszusprechen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war.
Die Vergabekammer des Bundes hat in ihrem Beschluss die Wirksamkeit der Aufhebungsentscheidung bestätigt und damit der Fortsetzung des Vergabeverfahrens eine Absage erteilt. Gleichzeitig wurde in dem Beschluss der Vergabekammer aber die Rechtswidrigkeit der Aufhebungsentscheidung festgestellt. Grund für die Feststellung war, dass die durch die Bundeswehr vorgenommene Schätzung der Beschaffungskosten für die Hubschrauber, die Grundlage für die Beantragung der Haushaltsmittel bildeten, nicht nachvollziehbar dokumentiert waren.

Der Sprecher des Kartellamts war zunächst für Nachfragen nicht erreichbar.

Damit ergibt sich das Bild, dass Ministerium und BAAINBw zwar das zuvor gestoppte Vergabeverfahren nicht fortsetzen müssen – aber die Unternehmen dagegen klagen können und möglicherweise auch Schadenersatz für die Kosten des Angebots geltend machen können. Ob das in diesem Fall praktische Auswirkungen hat, hängt sicherlich vom weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens ab.

Denn die Bundeswehr ist weiterhin dringend auf diese Helikopter angewiesen. Nach dem Stopp des Verfahrens hatte das Ministerium deshalb bei der US-Regierung Anfragen nach einer möglichen Beschaffung über das so genannte Foreign Military Sales-Verfahren (FMS) gestellt. Damit würden die Hubschrauber nicht mehr direkt bei einem der Unternehmen eingekauft; allerdings entfallen damit auch etliche Möglichkeiten einer auf deutsche Anforderungen zugeschnittenen Ausstattung der Maschinen. Über die bisherigen Ergebnisse des FMS-Verfahrens gab es vom Ministerium noch keine Angaben.

Ein Sprecher von Lockheed Martin sagte, das Unternehmen habe noch nicht entschieden, wie es nach der Entscheidung der Vergabekammer weiter vorgehen wolle. Das ist nicht überraschend – weiterhin ist der Konzern ja vor allem daran interessiert, der Bundeswehr seinen Hubschrauber zu verkaufen. Nachdem sich kürzlich die israelischen Streitkräfte als erster internationaler Kunde für den Sikorsky CH53-K entschieden haben, hofft die Firma natürlich auf Rückenwind für eine Auswahl ihres Modells vor dem Boeing-Hubschrauber.

Neben dem aktuellen Fall des schweren Transporthubschraubers werden sich die (Vergabe)Juristen aber auch genau anschauen müssen, was die Entscheidung der Vergabekammer für Rüstungsprojekte insgesamt bedeutet. Die Aussage Kostenschätzungen für öffentliche Beschaffungen [sollten] stets nachvollziehbar dokumentiert werden ist schon, wie man bei der Bundeswehr sagen würde, ein Deutschuss auch für andere Vorhaben.

*Fürs Archiv die Pressemitteilung des Kartellamts als Sicherungskopie:
20210309_Kartellamt_schwerer_Tansporthubschrauber

(Archivbild 2016: CH-53K – Lockheed Martin Werksfoto)