DroneWatch: SPD-Verteidigungspolitiker wirft im innerparteilichen Streit um bewaffnete Drohnen hin
Wenn der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion sein Amt niederlegt, ist das üblicherweise nur für einen überschaubaren Kreis von Interesse. Dass der Abgeordnete Fritz Felgentreu diesen Sprecherposten aufgab, nachdem es in der Fraktion eine Debatte über die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr gab, zeigt die Spaltung – und auch die Verschiebung – der Sozialdemokraten in dieser Frage. Die eigentlich geplante Beschaffungsentscheidung in diesem Jahr wird es, so wie es aussieht, ohnehin nicht mehr geben.
Die SPD-Fraktion hatte das umstrittene Thema am (heutigen) Dienstag in ihrer letzten Sitzung des Jahres debattiert – formal aus einem Grund, der mit der eigentlichen Beschaffungsentscheidung wenig zu tun hat: Am kommenden Donnerstag steht im Parlament ein Antrag der Linken zur Debatte, die Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen grundsätzlich abzulehnen. Im Zuge der Besprechung der anstehenden Abstimmungen in dieser Sitzungswoche war das dann Thema, wie andere anstehende Debatten auch – aber nicht Gegenstand einer förmlichen Befassung der Sozialdemokraten mit dieser Drohnendebatte.
In der Fraktionssitzung wurde dann allerdings unter dem Aspekt darüber diskutiert, den der SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans vergangene Woche recht überraschend in die Debatte eingebracht hatte: Auch nach Jahren der Diskussion über dieses Thema sei es noch nicht ausreichend erörtert worden. Dieser Ansicht folgte die Mehrheit der Abgeordneten, wie der Verteidigungspolitiker Felgentreu via Twitter mitteilte – als Folge legte er den Sprecherposten nieder:
Aus seiner Ansicht, dass die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen ausgestattet werden sollte, hatte Felgentreu nie einen Hehl gemacht – zuletzt in einem Beitrag für die SPD-Parteizeitung Vorwärts Anfang Dezember. Mit seinem Schritt hat der Abgeordnete, der bereits zuvor davon unabhängig den Verzicht auf eine Bundestagskandidatur im kommenden Jahr erklärt hatte, die eigentliche Debatte in der Fraktion allerdings vorweggenommen: Eine Entscheidung im Parlament über die Drohnenbewaffnung wird aller Voraussicht nach in diesem Jahr nicht mehr kommen.
Denn die war für den (morgigen) Mittwoch im Verteidigungs- und insbesondere im zuständigen Haushaltsausschuss des Parlaments erwartet worden. Die entsprechende Beschaffungsvorlage, die das Verteidigungsministerium nach den Worten von Ressortchefin Annegret Kramp-Karrenbauer am 10. November an das Bundesfinanzministerium gegeben hatte, war bis zum heutigen Dienstag nicht in den Parlamentsausschüssen angekommen.
Auch das deutet auf eine unübliche Art des Umgangs mit dem umstrittenen Thema innerhalb der Koalition aus Union und SPD hin: Üblicherweise prüft das Finanzministerium diese Rüstungs-Vorlagen auf Vereinbarkeit mit Haushaltsrecht und -plan, nicht auf Vereinbarkeit mit der politischen Haltung der Koalitionspartner.
Nachtrag 16. Dezember: Neue verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion ist Siemtje Möller, Abgeordnete für den Wahlkreis Friesland-Wilhelmshaven-Wittmund:
Nägel mit Köpfen: Die AG Sicherheit und Verteidigung der @spdbt hat heute einen neuen Vorstand gewählt. Sprecherin ist @SiemtjeMdB, ihre Stellvertreter sind Dirk #Vöpel und Eberhard #Brecht – ein klasse Team. Ich wünsche viel Erfolg und freue mich auf unsere gemeinsame Arbeit!
— Fritz Felgentreu (@fritzfelgentreu) December 16, 2020
(Archivbild Februar 2020 -Martin Rulsch, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, 2020-02-13 Wikipedia-Bundestagsprojekt 2020 – Fritz Felgentreu (Martin Rulsch) 02, CC BY-SA 4.0)
Laut Tagesspiegel („SPD will nun doch keine bewaffneten Drohnen“) begründet Fraktionsvize Heinrich den Meinungsschwenk mit dem Krieg in Berg-Karabach. Dort seien Drohnen als Angriffswaffe eingesetzt worden und dies mache bisherige Annahmen obsolet.
Eine sehr simplifizierte Vorstellung von Krieg und Waffen (die Einteilung in defensive und offensive Waffen war schon immer Murks). Aber auch das BMVg wird nun von der eigenen verdrucksten Argumentation (nur Selbstschutz, nicht für Auftragserfüllung) eingeholt.
Die Debatte offenbart immer wieder wie grundlegend die Vorstellungen über militärische Mittel divergieren.
Weit über bewaffnete Drohnen hinaus.
Der Text:
„Am kommenden Donnerstag steht im Parlament ein Antrag der Linken zur Debatte, die Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen grundsätzlich abzulehnen. “
Der Wortlaut im Antrag des Bundestagsfraktion Die Linke ist ein anderer:
„Der Deutsche Bundestag lehnt,…eine Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen (RPAS/UAV) sowohl in Form einer Beschaffung einer bewaffneten Drohne als auch der Beschaffung von Munition für von der Bundeswehr genutzte Drohnen ab.“
Grundsätzlich bedeutet: „Wir lehnen grundsätzlich ab, aber können uns vorstellen…“
Die Linke ist ausnahmlos: „lehnt .. ab“ – also nicht grundsätzlich sondern ausnahmslos.
Oder klebe ich zu sehr an einem Wortlaut?
Ansonsten ist zu Drohen alles gesagt und muss in der Sache nicht (mehr) aufgerollt werden.
[Ich bin, wie Sie wissen, kein Jurist, deshalb verwende ich „grundsätzlich“ auch nicht in deren Sinne. T.W.]
Deutsche Sozialdemokratie, ich bin sprachlos, eine erschütternde Haltung aus wahltaktischen Erwägungen zulasten der Truppe!
Das „breit Ergebnisoffene “ wird im Frühsommer beginnend gepuscht werden?
Wer so handelt, benimmt sich verlogen und nimmt Gefallene in Kauf.
Großen Respekt vor der Entscheidung von Fritz Felgentreu, für das Altenteil ist er allerdings zu jung. Da muss noch was kommen.
@Memoria: Zustimmung.
Und da wundert sich die SPD, dass sie nach einem Jahr unter den neuen Vorsitzenden, die doch nach dieser Zeit die Umfragewerte verdoppelt haben wollten, immer noch bei 15 % herumkrebst. Wenn man sich soweit abseits der Mitte und ideologiegesteuert jenseits des gesunden Menschenverstands positioniert, wird sie es auch nicht mehr zurück zur Volkspartei schaffen. Der linke Rand ist schon besetzt. Was strebt man da eigentlich langfristig an – eine Fusion mit der Linken, um auf diese Weise dann auf 20 % zu kommen? Mehr wird’s so nicht werden, bei so einem Zusammenschluss springen immer bei beiden einige Anhänger ab.
Helmut Schmidt würde sich im Grabe umdrehen.
Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt:
15.12.2020 um 19:12 Uhr
„für das Altenteil ist er allerdings zu jung“
Egal wohin er geht, er tut es als Ehrenmann! Hut ab!
Lage ist dennoch, das Thema bewaffnete Drohne, auch KI und all diese Hybriden sind alles andere als vom Tisch. Ich hoffe nur er bleibt der SPD als Spezialist und realistische Stimme der SiPo erhalten, neben all den Soldaten…
Es geht voran, vielleicht:
https://www.heise.de/tp/features/Bundestag-soll-Beschaffung-von-EU-Kampfdrohnen-beschliessen-4990794.html?wt_mc=nl.tp-aktuell.taeglich
Interessant finde ich die beiden letzten Absätze, wurde aber vielleicht schon durch die Meldung oben @TW überholt.
Hier übrigens der zweite Teil des Interviews:
https://www.heise.de/tp/features/Statt-von-Kampfdrohnen-sollte-von-Killerdrohnen-gesprochen-werden-4989672.html?wt_mc=nl.tp-aktuell.taeglich
[Ich bin nicht geneigt, den Propagandakrieg hier mitzumachen – und die aktuelle Nicht-Beschaffungsentscheidung mit den für kommendes Jahr geplanten Schritten für eine Eurodrohne zu verknüpfen, ist genau das. Es wird schon genug durcheinandergeworfen; hier muss das nicht auch noch passieren. T.W.]
Feige. Einfach nur … feige.
(Die SPD. Nicht der Rücktritt)
Im Koalitionsvertrag steht: „Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der
Euro-Drohne weiterführen. Als Übergangslösung wird die Drohne HERON TP geleast. Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden. Hierzu wird die Bundesregierung eine gesonderte Vorlage erstellen und dem Deutschen Bundestag zuleiten.“
Die ausführliche Würdigung ist erfolgt und abgeschlossen. Die Vorlage wurde durch das zuständige Ressort erstellt und ist durch das Finanzministerium dem Parlament unverzüglich zur Entscheidung vorzulegen. Ein Zurückhalten im BMF aus politischen Gründen ist unzulässig.
Meines Erachtens bricht die SPD bricht damit den Koalitionsvertrag.
Ich vermute jedoch, dass sich die CDU/CSU das gefallen lässt.
Insgesamt ist die Entwicklung der SPD im Bereich der Verteidigungspolitik besorgniserregend.
@T.W, @Thomas Melber:
Es erscheint mir auch so, als dass die harten/ideologischen Drohnengegner (gerade um Die Linke) versuchen, auch eine Entscheidung „Eurodrohne“ durch Verbindung der Überschriften zu torpedieren. Den Kreml wird’s freuen.
Tatsache ist, dass politisch-realistisch (taktisch-realistisch ist das schon lange nicht mehr, was sich da abspielt) die öffentliche Debatte als Vorbereitung Eurodrohne das letzte Fenster sein könnte, wie wir V-Fall gebunden und per Gesetz geregelter Ausbildung/Beschaffenheit (Im Sinne der öffentlichen Debatte um die SPD) WaSys Eurodrohne in die Truppe bekommen.
Mustread: „Es ist kein zweites 1978 der Militärgeschichte, aber … !“
A Look at the Military Lessons of the Nagorno-Karabakh Conflict
December 14, 2020
Michael Kofman
https://russiamatters.org/analysis/look-military-lessons-nagorno-karabakh-conflict
Dann müsste die SPD konsequenterweise auch bestimmte gemeinsame europäische militärische Entwicklungen stoppen, bis eine “ breite gesellschaftliche Debatte“ darüber geführt wurde- oder welchen Vorwand die SPD sich sonst noch ausdenkt.
Ein Beispiel
Das Nachfolgesystem des Eurofighter, FCAS, ein gemeinsames europäisches Rüstungsprojekt, wird eine Kombination aus bemanntem Flugzeug und Drohnen. Man darf davon ausgehen, dass diese Drohnen bewaffnet sein werden .
Und nun, SPD ?
Und was hat dass jetzt für Konsequenzen? Wird die Entscheidung verschoben? Wird die Beschaffung komplett dauerhaft ausgeschlossen (oder nur bis zur Wahl)? Kann die Spd mit grade 15% zustimmung dass überhaupt blockieren. Muss nicht der gesamte Bundestag drüber abstimmen und nicht nur die spd?
Mal etwas ganz anderes, wenn wir es nicht schaffen ein paar Drohnen zu bewaffnen, wie soll dann das FCAS funktionieren. Dann ist dieses Konzept unmachbar.
Dass die SPD nicht aus ihren eigenen Fehlern lernt, geschenkt. Aber dass sie sogar die Gelegenheit vermeidet, aus den Fehlern anderer zu lernen? Labour hat in Großbritannien mit einem solchen Infantilisierungskurs erst vor einem Jahr krachend Schiffbruch erlitten; offenbar will das sozialdemokratische Führungsduo auf Teufel komm raus das Schicksal Jeremy Corbyns teilen.
Dieses Kasperle-Theater der SPD ist absolut heuchlerisch. Ignoranz sondergleichen: Dort, wo man Soldaten einsetzt (einsetzen muss/will), braucht es auch adäquate Ausstattung. Wird derzeit eigentlich nur übertroffen von der Ignoranz der Bildungsminister: oh, die Pandemie macht vor dem Schulen nicht halt. Na dann machen wir sie halt zu. Es lebe der Fernunterricht – mit privaten Rechnern von Schülern, Eltern und Lehrern, aber ohne erprobte Konzepte. Gepennt haben die seit dem Frühjahr!!!
Und so wird es kommen für die Soldaten: nach dem nächsten „Karfreitagsgefecht“ deutscher Soldaten irgendwo in Afrika oder Asien werden die Gefallenen und Verwundeten beklagt, aber Verantwortung wird weit von sich gewiesen. Daher mein Respekt für die Konsequenz von Herrn Felgentreu.
Und die Generalität fordere ich auf: Wenn keine bewaffneten Drohnen, dann eben bewaffnete Flugzeuge als dringender Sofortbedarf (A-29, Cessna oder wegen mir auch ne leicht bewaffnete Do228, die ist als Flugzeug in der Bw schon eingeführt). Alles besser als NIX.
Bewaffnete Drohnen sind insgesamt weniger relevant als eine ganzheitliche und teilstreitkräfteübergreifende Luftabwehr. Ähnlich der streitkräftegemeinsamen taktischen Feuerunterstützung benötigen wir zwingend eine streitkräfegemeinsames Luftverteidigungssystem. Und wenn man sich hier die aktuellen Entwicklungen ansieht (Stichwort TLVS), dann wird sofort offensichtlich, dass die Bundeswehr wesentlich größere Probleme hat als einen Mangel in der Luftaufklärung und Luftnahunterstützung. Diese kann man zumindest teilweise auch durch andere Systeme substituieren welche bereits vorhanden sind, die Luftverteidigung aber nicht.
Gerade weil in naher Zukunft bewaffnete Drohnen selbst von den rückständigsten Gegnern verwendet werden, ist die Verteidigung dagegen relevanter als die Fähigkeit selbst Drohnen einzusetzen. Und beides ist nicht in der verbliebenen (zu kurzen) Zeit realisierbar, geschweige denn finanzierbar.
Angesichts der Begrenztheit der Mittel und der Begrenztheit des Zeitraums bis die ersten Bundeswehrsoldaten durch Drohnenschwärme angegriffen und getötet werden muss hier ein Schwerpunkt gesetzt werden und der muss in der Luftabwehr liegen. Dieses sinnfreie Konzept maximaler Breite von Fähigkeiten mit jeweils unzureichender Tiefe derselben muss aufgegeben werden.
Aber auch in der Luftabwehr sind Drohnen meiner Ansicht nach zunehmend relevant und sollten integraler Bestandteil derselben sein. Weiter in die Zukunft gedacht werden Drohnen hier auch andere Drohnen bekämpfen und sind daher Entwicklungen in einen solchen Einsatz von Drohnen wesentlicher als irgendwo ein paar Bomben auf drittklassige Gegner in Entwicklungsländern abwerfen zu können.
Wär ich Soldat wäre ich auch extrem sauer. Drohnen werden immer wichtiger im Kriegsgeschehen, entweder wir gehen mit oder riskieren bei einer wichtigen Technologie außen vor zu geraten. Niemand will dass wir in Jemen rumbomben aber wir sollten durchaus in der Lage sein, schnell Luftnahunterstützung zu leisten und gegen hochverteidigte Ziele angehen zu können.
Diese verteidigungspolitische Unkenntnis aus der SPD und dem Grünen Spektrum ist einfach nur noch traurig – hier geht es um grundlegende Staatliche Aufgaben und wichtige Regierungsgeschäfte leiden unter einer schon tölpelhaften Unkenntnis gepaart mit einer übermoralischen Sicht auf sicherheitspolitische Dinge.
@MrDiversity
Immer langsam mit den jungen Pferden. Davon, dass wir „nix“ hätten, kann keine Rede sein; immerhin hat der UH Tiger bereits in Afghanistan Luftnahunterstützung geflogen. Überdies bietet Leonardo ein spottbilliges Missionspaket für die NH90 an, inkl. FZ 225-Werfern, Rafael Spike-Lenkraketen und M134D-Miniguns.
Sodann haben wir Eurofighter mit Lenkbomben. Ja, deren Flugstunden sind teuer, aber dieses Argument hat nicht einmal die am Staatsbankrott vorbeischrammenden Belgier davon abgehalten, ihre Vipers in Afghanistan Luftnahunterstützung fliegen zu lassen.
Neubeschaffungen sind nicht vonnöten. Die Bewaffnung der Herons wäre für die Bundeswehr von Vorteil, aber kein unerlässlicher Vorteil, der nicht qualitativ substituiert werden könnte. Doch was nützt es, die Mittel vorzuhalten, wenn sie aus innenpolitischen Rücksichten nicht eingesetzt werden dürfen?
Viele Foristen lassen dieses Problem außen vor. Die Drohnen-Debatte ist nur ein Symptom. Ohne einen nassforschen Verteidigungsminister á la Guttenberg – bereit, die Waffensysteme auch einzusetzen –, stellt sich die Frage überhaupt nicht, ob der Bundeswehr durch das Verhalten der SPD-Führung ein Nachteil entsteht.
Die Formulierung zu bewaffneten Drohnen im nächsten Koalitionsvertrag wird also voraussichtlich nicht viel anders als in den letzten 10 Jahren.
Den Deutschen gehört das Land der Träume ganz unbestritten (Heinrich Heine).
@muck
Die RW und FW assets sind i.d.R. auf stand by und haben auch eine eher geringe „time over target“. Der Vorteil von MALE UAS ist – für uns – insbesondere die Fähigkeit, Konvois oder Patrouillen zu begleiten.
[Hinweis für die Leser*innen: Dieser Kommentator meint Hubschrauber (Rotary Wing) und Flugzeuge (Fixed Wing). Gern geschehen. T.W.]
Ich denke, wir sehen gerade weiter dabei zu, wie sich die Machtverteilung in der SPD, die mit der Wahl von Esken & Walter-Borjans an die Spitze klar zugunsten des „linken“ Fluegels innerhalb der SPD gewichtet wurde, immer staerker in der Bundestagsfraktion manifestiert. Muetzenich Vorsitzender, in der Frage WB Kahrs weg, Bartels durch Hoegl ersetzt, jetzt ist der naechste „Verteidiger“ dran. Geschickt gemacht, denn wie @muck dargestellt hat, ist diese Drohnen-Debatte und deren Ergebnis nicht wirklich kriegsentscheidend auf der strategischen Ebene. Bewaffnete Drohne: Nice to have. Aber es gibt wahrlich drueckendere Faehigkeitsluecken, siehe @Ulrich Reinhardt.
Man gibt sich seitens der SPD also in der Drohnendebatte als Friedensengel, ohne dass das im Buendnis irgendwen wirklich kratzt, waehrend das Gros der wichtigen Beschaffungsvorhaben in der GroKo bisher ohne grossen Terz durchgegangen ist.
Im Summenzug koennte man als Benefit mitnehmen, dass mit einem klaren Durchmarsch eines Fluegels nun auch die schizophrene Kommunikation der SPD weniger wird (Vorsitzende(r): „Marsch“ – Obfrau/-mann: „Halt“) und in Zukunft Klarheit herrscht: Wofuer steht diese Partei? Die Bruecke der BReg, ueber die vermeintlich jedes MdB haette gehen koennen, also „Schutz eigener Kraefte in Stabilisierungsoperationen“, als Hauptargument fuer bewaffnete Drohnen, kam 15 Jahre zu spaet, ich bin da mit @memoria. Passt nicht mehr in das strategische Umfeld, hat sich daher als „Bauernopfer“ zur Profilierung und in der innerparteilichen Auseinandersetzung angeboten.
OT: Vorsicht vor naschforschen Typen á la Baron zu Guttenberg, der hat mit einer Hand den Soldaten Zucker gegeben, mit der anderen im Sinne der damaligen Regierungskoalition („Haushaltskonsolidierung vor Landes- und Buendnisverteidigung“) die Faehigkeit der deutschen Streitkraefte zur Operation verbundener Kraefte wegadministriert. Provokant formuliert: Die von TzG gerissene Luecke in Sachen mobiler bodengebundener Luftabwehr des deutschen Heeres hat fuer den Kreml den Krieg in der Ukraine erst fuehrbar gemacht.
@Muck
Schönes Wunschdenken: Welche Tiger stehen denn derzeit in Mali zur Verfügung? Stattdessen kleine Zivilhubschrauber (Hughes 500) mit MG und ungelenkten Raketen. Welche Eurofighter fliegen über unseren Patrouillen? Keine.
Spottbillig und NH 90 passen wohl eher nicht zusammen… Außerdem ist relevant was die Truppe hat und nutzen kann, nicht was der Hersteller in seinen Brochüren präsentiert (und man evtl. kaufen könnte). Anders ausgedrückt: Die Drohnen wären eine Betriebsflotte von Golf, Astra oder Focus, die täglich genutzt werden können. Stattdessen haben wir nur ein paar Ferrari und Porsche: toll auf dem Hockenheimring, aber unbrauchbar nach einer Stunde Fahrt auf einer Buckelpiste südlich der Sahara oder am Hindukusch.
Und so eine A-29 könnte sowohl Drohnen in der Luft bekämpfen als auch deren Bediener am Boden, falls nötig. Zu einem Preis, der in halbwegs vernünftiger Relation zum Ergebnis steht. Ist natürlich kein vollwertiger Ersatz für eine vernünftige Flieger-/Drohnenabwehr. In Mitteleuropa haben wir zum Schutz aus der Luft die Eurofighter – im Einsatz dann nur Hilfe der Alliierten. Oder eben NIX.
Wir sollten uns mal langsam von der Idee einer Europäischen Armee verabschieden und über eine Fusion der Bundeswehr mit dem THW und dem Roten Kreuz nachdenken. Dann decken wir die Fähigkeiten ab, die politisch noch gewünscht sind. Auch das Zusammenwirken mit anderen Nationen wird dann einfacher. Und wenn wir einmal nicht einer Meinung sind, können wir uns ja auf der Krim oder in Berg-Karabach erkundigen wie man das Problem lösen kann.
Armes Deutschland.
Mit den Linken, der SPD und den Grünen wird eine Ausstattung der Bundeswehr zur vollen Auftragserfüllung nicht möglich sein. CDU und FDP haben keine Mehrheit. Die AFD ist gaga. (Hab ich schon vor längerer Zeit geschrieben).
Damit zurück zu meinem obigen Vorschlag.
Respekt Herr Felgentreu.
In der öffentlichen Debatte hierzu wurde nicht (genügend) darauf hingewiesen, dass der Joker „..erst öffentliche Debatte vor Entscheidung..“ in den letzten Jahren bereits wiederholt gezogen wurde.
Leider weist auch Herr Felgentreu in seinem obigen Tweet nicht darauf hin (ein zusätzliches „erneut“ oder „wieder“ wäre angebracht gewesen).
Somit wird dem nicht sicherheitspolitisch interessierten Otto Normalverbraucher *nicht* ersichtlich, dass es sich hier nur um eine wiederholte Ausrede der SPD handelt – zweckdienliche Kommunikation von Seiten der SPD-Führung, schlechte Kommunikation von Seiten sicherheitsinteressierter Kreise, befördert vom sicherheitspolitischen Desinteresse von Seiten der Medien (die selbstdefinierte Kernkompetenz „Einordnung von Sachverhalten“ findet hier kaum statt).
@J10
„… ist diese Drohnen-Debatte und deren Ergebnis nicht wirklich kriegsentscheidend auf der strategischen Ebene.“
Doch, für eine glaubwürdige Teilnahme an sog. Friedensmissionen ist der direkte Zugriff auf eine bewaffnete UAS-Fähigkeit quasi unabdingbar. Auch den Kunduz-Zwischenfall hätte man in dieser Auswirkung so nicht gehabt.
Und selbst in dissymetrischen, ggf. auch noch in symmetrischen Konflikten tun MALE UAS noch gute Dienste.
Als nächstes beschliesst die SPD-Fraktion aus der Nato auszutreten, womit sie endlich mal mit Präsident Trump einer Meinung wäre und verkündet den Ausbruch des ewigen Friedens.
Interessant, der Drohnenkrieg. Zumindest für die Abwehr niedrig fliegender Gerätschaften hat Katar eben 15 Geparden zum Schnäpchenpreis von 31,4 Mio Euro geordert (Spiegel online 7.12.). Dieses System scheint ja doch noch leistungsfähig zu sein und einige stehen anscheinend irgendwo im Secondhand-Shop (K.-M. ?). Derweilen klempnert unsere Armee ohne Dach an diversen Goldrand-AAA-Lösungen – zeitlicher Rahmen offen.
@memorie:
„Eine sehr simplifizierte Vorstellung von Krieg und Waffen (die Einteilung in defensive und offensive Waffen war schon immer Murks).“
+1
Mal so allgemein gesprochen.
Einigen passt die Ausrichtung der SPD momentan nicht und schon geht das Parteienbashing los.
Die Entscheidungen für oder gegen bewaffnete Drohnen hat im Grunde genommen nichts mit richtiger und falscher Ausstattung zu tun,
Wenn man einen Bundeswehrkonvoi über Stunden oder Tage begleiten will, benötigt man ohne Drohnen „nur“ einfach mehr von anderen Luftfahrzeugen (Tiger, Eurofighter oder eine Art Hercules mit Lenkwaffen)
Hier geht es im Kern um eine ganz andere Frage und die dreht sich nicht um „besten Schutz“ der Soldaten, sondern um eine andere Art der Kriegsführung und damit um ein ethisches Thema.
So schwer es auch klingen mag, aber Verwundung und Tod gehört zu einer Armee dazu.
Natürlich muss man das Risiko verringern wo möglich und angebracht, aber nicht um jeden Preis.
Damit ist nicht nur der finanzielle Preis gemeint, sondern auch der ethische Preis und um diesen geht es hier im Kern.
Niemand in Deutschland wird gezwungen den Beruf des Soldaten zu ergreifen und es wird sogar niemand gezwungen in den Auslandseinsatz zu gehen (also befohlen ja, aber man kommt auch recht schnell raus ohne ganz große Folgen).
Wenn man den bestmöglichen Schutz zu JEDEM Preis bei einer Armee will, dürften Soldaten überhaupt nicht mehr absitzen vom Schützenpanzer und die Schützenpanzer müssten 80 Tonnen wiegen und eigentlich dürfte jeder bewaffnete Auslandseinsatz überhaupt nicht stattfinden.
Vornehm ausgedrückt. Mit solchen Herleitungen hätte man auch längst die USA mit ihren gezielten Tötungen und andere Staaten als abschreckendes Totschlagarument anbringen können.
Ich empfinde es generell als Beleidigung für die Kompetenz der Truppe davon auszugehen, dass Distanzwaffen und Distanz zum Gegner zu einem vorschnellen Einsatz von Wirkmitteln ‚verleitet‘. Da stellt sich jemand das ‚Mausrustchen‘ etwas zu sehr wie in einem Computerspiel vor.
Auch die ‚öffentliche Debatte‘ ist eine perfide Nebelkerze. Totgeredet wurde das Thema bereits. Und indirekt impliziert man, der Öffentlichkeit würden hier wichtige Informationen vorenthalten. Vielmehr befeuert die SPD mit ihrer populistischen Herangehensweise eine unsauber infomierte Teil-Öffentlichkeit, für die Drohnan abstrakt anrüchig sind („weil da so andere Staaten Schindluder mit treiben“).
Bahner sagt:16.12.2020 um 13:47 Uhr
„Wenn man den bestmöglichen Schutz zu JEDEM Preis bei einer Armee will, dürften Soldaten überhaupt nicht mehr absitzen vom Schützenpanzer und die Schützenpanzer müssten 80 Tonnen wiegen und eigentlich dürfte jeder bewaffnete Auslandseinsatz überhaupt nicht stattfinden.“
Im Panzer ist man auch nicht mehr sicher … wegen der feindlichen Drohnen.
Was hätte man davon einen „ethischen Preis“ in Form von verlorenen Menschenleben aufgrund von mangelndem (Drohnen-)Schutz zu zahlen? Anerkennende Blicke stolzer Stammeskrieger im Nahkampf?
Die Ethik kommt über Völkerrecht, ROE und geächtete Waffen ins Spiel. Drohnen sind schlichtweg Plattformen für längst bekannte und bewährte Waffen. Die genannten Alternativen (Tiger, Eurofighter, Gunship) kosten ein Vielfaches und werten die ethischen Komponenten inwiefern auf? Wäre im Umkehrschluss der Luftschlag von Oberst Klein anders zu bewerten gewesen, wenn er über eine Drohne erfolgt wäre?
Die SPD läuft mit der Nicht-Entscheidung, die vom Wunsch der Nicht-Beschaffung geleitet ist, mal wieder in ihr traditionelles Dilemma: Kanzlerkandidat und Programm (bzw. Kampagne) passen nicht zusammen.
Wie soll sich Olaf Scholz als „konservativer“ Sozialdemokrat präsentieren, wenn er im Wahlkampf eine Drohnenbewaffnung ablehnen soll, die von der Bundeswehr, seinen eigenen Fachpolitikern und der (eigenen) Wehrbeauftragten befürwortet wird?
Darüber hinaus verengt sich die SPD vollkommen unnötig auf eine politische Schiene, die von Grünen und Linken schon mehr als genug besetzt ist. Nicht dass Verteidigungspolitik das zentrale Feld wäre, auf denen Wahlen gewonnen werden. Aber wer als Soldat*in (oder aktiver Reservist*) „links“ wählen will und früher sein Kreuz bei der SPD setzte, kann jetzt auch gleich grün ankreuzen. Mit Cem und Tobias als Oberleutnante sind die Anknüpfungspunkte auch nicht viel kleiner als mit der Mützenich/Nowabo/Esken-SPD.
Interessant, dass derartige Fragen der strategischen Positionierung bei innerparteilichen Diskussionen anscheinend kaum eine Rolle spielen.
Zur Erklärung von Cem und Tobias: https://augengeradeaus.net/2019/06/fuers-protokoll-zwei-gruene-bei-der-bundeswehr/
@Bahner
Das ist so nicht korrekt. Wenn man z.B. 100km von der Base aus operiert, wie viel Zeit zur Spähtrupp- / Konvoibegleitung oder „Aufklärung voraus“ bleibt denn dann noch für den Heli?
Hätten wir funktionierende Kampfhubschrauber und eine Luftwaffe, die den Namen verdient, dann könnte man vielleicht auf bewaffnete Drohnen verzichten. Aber warum sollte man dies tun? Geringere Kosten, geringeres Risiko für die Soldaten und längere Stehzeit im Einsatzraum.
Die SPD macht sich selbst überflüssig. Mit einem rationalen Verhalten zum Wohle der Bundesrepublik Deutschland und der Bundeswehr hat das doch nichts mehr zu tun.
Willy Brandt und Helmut Schmidt würden sich schämen.
Die Entscheidung von Herrn Felgentreu verdient Respekt und Anerkennung,
@Bahner
„Einigen passt die Ausrichtung der SPD momentan nicht und schon geht das Parteienbashing los.“
Mumpitz. Das Basching richtet sich gegen das feige Wegducken der SPD vor dieser Frage vor der Wahl – entgegen anderslautenden Zusagen im Koalitionsvortrag. Andere haben oben ausgeführt, dass sich diese Debatte schon eine gute Dekade hinzieht. Alle Argumente sind ausgetauscht. Jetzt zu behaupten, es bedürfe noch mehr Diskussion, ist ein schlechter Scherz – vor allem, nachdem die SPD Fraktion erst dieses Jahr dem FCAS Programm zugestimmt hat, dass zentral auf bewaffnete Dronen setzt.
„Die Entscheidungen für oder gegen bewaffnete Drohnen hat im Grunde genommen nichts mit richtiger und falscher Ausstattung zu tun. Wenn man einen Bundeswehrkonvoi über Stunden oder Tage begleiten will, benötigt man ohne Drohnen „nur“ einfach mehr von anderen Luftfahrzeugen (Tiger, Eurofighter oder eine Art Hercules mit Lenkwaffen)“
Ist das ein schlechter Scherz? Sie wissen schon, dass die SPD über Jahrzehnte daran mitgewirkt hat, die Luftwaffe klein zu sparen? Und auch keinen Gegenvorschlag (etwa Anschaffung von 2 Dutzend Super Tucano) vorgelegt hat? Statt dessen wird die Truppe im Regen stehen lassen, während man großmäulig davon schwafelt, man wolle die bestmögliche Ausstattung für eben diese Truppe.
„Hier geht es im Kern um eine ganz andere Frage und die dreht sich nicht um „besten Schutz“ der Soldaten, sondern um eine andere Art der Kriegsführung und damit um ein ethisches Thema … Damit ist nicht nur der finanzielle Preis gemeint, sondern auch der ethische Preis“
Welcher ethische Preis denn, um Himmels willen?? Wo soll bitte der ethische Unterschied liegen, ob ich eine Lenkwaffe per „Joystick“ aus einem Eurofightercockpit aus 20km abfeure, oder eine Lenkwaffe von einer Heron, gesteuert von einer Bodenstation aus 100km Entfernung? Toter Taliban ist toter Taliban. Ob er wirklich ein Talib ist, müssen die Jäger am Boden entscheiden, bevor sie Unterstützungsfeuer überhaupt anfordern. Oder auch der jew Kommandeur, der bekannten Talibs per Drone zu einem Versammlungsort gefolgt ist. An der ethischen Frage ändert sich absolut nichts dadurch, dass da im Cockpit ein Mensch sitzt (anders bei autonomen Systemen, aber davon reden wir hier ja nicht).
Und es ist ja nicht so als ob man mit einer unbewaffneten Drone und einer PzH nicht genauso blindlings drauflos ballern könnte. Mehr sogar, da Artilleriegranaten sehr viel billiger sind. Tut die BW aber nicht, weil sie entsprechende Einsatzregeln hat und es operativ auch nicht viel bringt.
Dass die SPD der BW implizit unterstellt, dass dies bei bewaffneten Dronen anders wäre, ist sowohl eine Frechheit als auch (angesichts der relativen Kosten) schiere Dummheit.
Nein, es geht darum ob die SPD überhaupt kapiert, was „Krieg führen“ bedeutet.
Sie will die BW de facto auf bewaffnete Entwicklungshilfe reduzieren, die nur in Selbstverteidigung zur Waffe greift.
Das funktioniert nicht. In einem Bürgerkrieg nicht, und schon gar nicht in einem echten Krieg (FCAS). Aber darüber kann man streiten. Über das feige Wegducken der SPD nicht.
Da ja deutlich wird, und die Drohnengegner das Symbol „Killerdrohne“ etablieren wollen, sollte man denen, vor dem Hintergrund dieses Fadens, erläutern, was Drohnen für Soldaten auf Patrouille sind: SCHUTZENGEL
@all
Siehe Nachtrag oben: Die Abgeordnete Siemtje Möller ist die neue verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.
@Thomas Melber
Sie schrieben: „Die RW und FW assets sind i.d.R. auf stand by und haben auch eine eher geringe ‚time over target‘. Der Vorteil von MALE UAS ist – für uns – insbesondere die Fähigkeit, Konvois oder Patrouillen zu begleiten.“
— „Für uns“? Wird die Bundeswehr denn auf absehbare Zeit unilateral in den Einsatz gehen? Und standen denn nicht in Afghanistan Thunderbolts, Apaches, Eagles, Vipers und Hornets in Hülle und Fülle zur Verfügung, in der Regel rund um die Uhr und mit geringer Wartezeit?
Damit wir uns nicht falsch verstehen; mir sind die Vorteile der langen Verweildauer von unbemannten Fluggeräten bewusst. Ich weise lediglich darauf hin, dass die kafkaeske Endlosigkeit dieser Debatte nicht allein im deutschen Moralismus begründet liegt.
Als hinderlich erweist sich auch, dass die Befürworter der Anschaffung bewaffneter UAS kein militärisches Desaster vorweisen können, das man etwa in den Medien dem Bundestag öffentlichkeitswirksam um die Ohren hauen könnte.
Wir sicherheitspolitisch Interessierte wissen um die Vorteile und können uns denken, was eine bewaffnete Heron etwa am Karfreitag 2010 alles hätte bewirken mögen. Und trotzdem werden wir keine schlagenden Argumente vorzuweisen haben, wenn man uns entgegnet: Bisher ging’s doch auch ohne?
Ob es uns gefällt oder nicht: Auf die Öffentlichkeit wirken die Absichten der Bundeswehr wie ein Luxusproblem, wie der Wunsch, technisch in der Oberliga mitzuspielen. (Weiter im Folgenden.)
@Mr. Diversity
Sie schrieben: „Schönes Wunschdenken: Welche Tiger stehen denn derzeit in Mali zur Verfügung? […] Welche Eurofighter fliegen über unseren Patrouillen?“
— Was das anlangt, bin ich ganz bei @J10. Die Drohnen-Debatte ist bloß der prominenteste Auswuchs eines grundsätzlichen Problems: die schizophrene Haltung der deutschen Politik gegenüber dem Einsatz militärischer Gewalt.
Heer und Luftwaffe *sind* prinzipiell dazu in der Lage, eigene Kräfte aus der Luft zu schützen. Tiger und NH90 *haben* ihre Feuertaufe bestanden, übrigens mit daheim in Deutschland unerreichter Verfügbarkeit – was zeigt, was alles möglich ist, wenn nur Geld in die Hand genommen wird.
Dass diese Waffensysteme nicht permanent im Einsatz sind, ist keinesfalls nur (und nicht einmal vorrangig) den finanziellen Belastungen oder Problemen bei der Erhaltung der Einsatzbereitschaft geschuldet.
In Anbetracht der kompromisslosen Ausrichtung der Bundeswehr auf den Afghanistan-Krieg während der Jahre 2008 bis 2012, und angesichts der beträchtlichen Aufwendungen für jenen Einsatz, bezweifle ich nicht: Es ginge, wenn man nur wollte. Man will aber nicht.
Man will keine Bilder in der Tagesschau von Afghanen oder Maliern, die anklagend auf die Bundeswehr zeigen, derweil sie ihre getöteten Verwandten verscharren. Man will solche Bilder sogar noch weniger als die von weinenden Soldatenwitwen zuhause in Castrop-Rauxel.
Wir können nicht ernsthaft annehmen, dass die Bewaffnung der Heron-Drohne zu einem Paradigmenwechsel führen wird, wenn schon die (aus deutscher Sicht) weniger ethisch fragwürdigen bemannten Systeme kaum jemals zum Einsatz kommen.
Und gewisse Kreise werden leider auch hellhörig, wenn man verkündet, bewaffnete Drohnen seien nötig, um unsere Soldaten im Ausland besser zu schützen. Schrumpft nämlich die Gefahr, dass sie in Zinksärgen heimkehren, so könnte auch die Hemmschwelle für die Regierung sinken, einen Auslandseinsatz zu beginnen.
Deswegen würde ich mir keine Gedanken um irgendwelche Ersatzbeschaffungen machen, schon gar nicht derart detaillierte. Was dieses Thema angeht, scheint mir überhaupt der Aufbau einer schlagkräftigen Drohnenabwehr wesentlich wichtiger zu sein. Denn sie können wir *nicht* substituieren.
@muck
„Bisher ging’s doch auch ohne?“
Sicher, es geht auch ohne SK4-Weste und ohne geschützte Fahrzeuge. Aber wenn man „den besten Schutz“ will sollte man nicht beim passiven Schutz stehen bleiben.
Gerade am Karfreitagsgefecht sollte aufgezeigt werden, wie die Bw hier mit Zugriff auf ein (eigenes) UAS hätte agieren können.
Fritz Felgentreu hat seinen Rücktritt damit begründet, dass es ein Glaubwürdigkeitsproblem gibt, wenn er als verteidigungspolitischer Sprecher eine andere Meinung zur Drohnenbewaffnung hat als die Fraktionsmehrheit.
Siemtje Möller hat auch eine andere Meinung zur Drohnenbewaffnung als die Fraktionsmehrheit, sieht aber offensichtlich kein Glaubwürdigkeitsproblem.
Dann lassen wir uns also mal überraschen, wie sie mit diesem Konflikt umgehen wird.
Tweet von Siemtje Müller pro Drohnenbewaffnung: https://twitter.com/SiemtjeMdB/status/1338959446152802308
@Pham Nuwen
„Drohnen sind schlichtweg Plattformen für längst bekannte und bewährte Waffen.“
Nein.
Sie haben das ethische Problem von unbemannten bewaffneten Drohnen einfach noch nicht greifen können.
Einfach mal in vorangegangen Artikel auf AG.net nachlesen.
Ganz kurz:
> Bei Drohneneinsatz wird kein Pilot (Soldat, Staatsbürger) gefährdet
>> Gesamtgefährdung von Soldaten sinkt (Verluste, Verletzte – Piloten müssen nicht mehr gerettet werden)
>>> politisch werden damit Einsätze „leichter“ gegenüber der eigenen Bevölkerung, weil weniger Menschenleben gefährdert oder irgendwann (wenn nur noch Drohnen – zu Land/See/Luft) keine Menschenleben gefährdet werden (der eigenen Bevölkerung)
>>>> Konflikte oder Kriege werden nur noch von der technisch überlegenen Partei und damit von der wirtschaftlich stärksten Partei gewonnen
>>>>> alle (!) armen Staaten (die zwar gewillt sind dem Angreifer ihr Leben entgegen zu setzen) werden sich dann nicht mehr verteidigen können, weil nur sie (!) im Konflikt Menschenleben riskieren und beim Gegner es eine rein wirtschaftliche Überlegung ist (wie schnell man wie viele Maschinen/Drohnen herstellen kann).
Unbemannte bewaffnete Flugdrohnen (ferngesteuert) sind ja nur der Türöffner – am Ende hat man eine Fregatte und Panzer komplett ferngesteuert aus X-Stadt aber im Einsatzgebiet Orange-Land.
„Wo soll bitte der ethische Unterschied liegen, ob ich eine Lenkwaffe per „Joystick“ aus einem Eurofightercockpit aus 20km abfeure, oder eine Lenkwaffe von einer Heron, gesteuert von einer Bodenstation aus 100km Entfernung?“
Ganz einfach – bei einem Einsatz eines Piloten gefährde ich immer sein Leben. Natürlich sinkt die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung gegen einen Gegner ohne Luftabwehr oder wenn der Eurofighter weit genug weg ist.
Aber auch Flugzeuge stürzen ab und im Notfall stirbt mein (!) Pilot oder er muss über feindlichen Gebiet mit Fallschirm abspringen (Gefährdung steigt bis Rettung kommt)
P.S.
1. Es sind nicht alle Gegner so wie die Taliban und ohne Luftabwehr und die zukünftigen Gegner kennt man auch noch nicht.
2. Wer weiß, ob nicht in naher Zukunft die Bodenstation dann in Köln steht.
@Thomas Melber
Dann muss man entweder eine andere Art der Unterstüzung nehmen (Eurofighter oder andere bemannte „Langstreckenwirkmittelträger“) oder man riskiert den Konvoieinsatz ohne Unterstützung oder lässt den Einsatz eben ganz bleiben (macht man ja auch mit Drohnen – Abwägung Risiko).
Die SPD ist eine zutiefst rückwärtsgewandte Partei. Der Wähler sieht’s genauso. Eine schlechtausgerüstete Armee ist immer ein teures Versäumnis. Klar ist: es geht hier gar nicht mehr um den „klassischen“ Drohnenkrieg, sondern um eine Revolutionierung der hochintensiven Kriegsführung. Wer das versäumt, reitet im Ernstfall wie die Polen 1939 mit Kavallerie gegen Panzer. Es ist schlichtweg unmöglich, ein 100 Mio teures Kampfflugzeug oder einen 40 Mio teuren Kampfhubschrauber in der Luftnahunterstützung zu riskieren, wenn das auch ein paar billige Drohnen übernehmen können.
Die SPD muss sich überlegen, ob sie eine Bundeswehr will, die in ein paar Jahren noch zur Bündnisverteidigung fähig ist.
@Bahner: Um Ihren Bedenken Würdigung zukommen zu lassen, würden Sie zustimmen, wenn bewaffnete Drohnen nur zur Verteidigung eine Position eines „organischen“ Soldaten verwendet werden würde bzw. im rückwärtigen Raum?
Weil das kann man gesetzlich vorschreiben?
Die Argumente der SPD werden immer verzweifelter. Man sieht keine wirkliche Auswirkung durch eine weitere Debatte, da die Fähigkeit ja eh erst 2022 zur Verfügung stehen würde (https://m.dw.com/de/debatte-um-kampfdrohnen-f%C3%BCr-die-bundeswehr/a-55963588).
Dabei wird schlichtweg übersehen, dass es sich dabei um eine normale Zeitplanung mit Beauftragung (t0) und Lieferung und Ausbildung (t0+12 Monate) handelt.
Diese Beauftragung erfolgt nun aber nicht und damit wäre eine Realisierung frühestens 2023 möglich (halt t0+12 Monate). Realistischer ist aufgrund der neuen politischen Meinungsfindung frühestens 2024.
Ganz einfach, wenn man an Fakten interessiert ist.
@Bahner:
Folgt man ihren Argumenten zur technischen Überlegenheit mit dem Anspruch, dass Deutschland Kriege gewinnen soll, dann ist eine schnelle Beschaffung die logische Folge.
Die ethischen Pseudoargumente zum ritterlichen Kampf in der Duellsituation ist seit mehr als 100 Jahren (Artillerie im indirekten Richten) überholt.
Wurde hier auch schon oft genug diskutiert.
@AOR
„würden Sie zustimmen, wenn bewaffnete Drohnen nur zur Verteidigung eine Position eines „organischen“ Soldaten verwendet werden würde bzw. im rückwärtigen Raum?“
Nein.
Eine bewaffnete Drohne ist unbemannt ein ethisches Problem. Egal wann und wo.
Da keine Waffe der Welt nur zur Verteidigung eingesetzt werden kann, sondern auch zum Angriff oder auch um die Angriffstruppen als Defensivwaffe zu unterstützen.
Man könnte es ja niemals garantieren und der/die Gegner könnte/n sich auch niemals auf die Garantie verlassen.
Das hat Memoria ganz gut erfasst.
@Memoria
„Die ethischen Pseudoargumente zum ritterlichen Kampf in der Duellsituation ist seit mehr als 100 Jahren (Artillerie im indirekten Richten) überholt.“
Das ist doch ein ganz schlechter Vergleich und hat auch nichts mit Ritterlichkeit zu tun, sondern mit der Entmenschlichung von bewaffneten Konflikten.
Viel Spaß in so einer Welt – da werden dann logischerweise auch Giftgas, Streumunition, Napalm und biologische Waffen nicht mehr geächtet und ohne ethische Fragestellungen eingesetzt.
Eine Artillerie wurde aber immer von Menschen bedient und taugt deshalb hier überhaupt nicht!
Eine unbemannte ferngesteuererte Artillerie wäre ebenso ethisch falsch.
Erkennen Sie bitte den Unterschied zwischen Wirkmittel und Waffenträger.
Eine Drohne ist kein Wirkmittel, sondern Waffenträger.
Der Waffenträger muss sich immer in Gefahr begeben um dieses ethische Dilemma aufzulösen.
Also abgeschossen zu werden bei Eurofighter, zerschossen zu werden bei Panzer, verwundet zu werden bei Infanterie (Gewehr ist hier das Trägermedium und die Patrone das Wirkmittel) oder versenkt werden bei einer Fregatte/U-Boot oder eben der Artilleriesoldat wird selbst von gegnerischer Artillerie beschossen. Ein Roboter mit Gewehr, ferngesteuert aus der Kommandozentrale auf einem anderen Kontinent ist auch ein ethisches Problem.
Natürlich sind manche Waffenträger oft weit weg von der Front, aber weil die Wehrtechnik kein Geheimnis ist, begeben sich auch diese Waffenträger in die Reichweite der gegnerischen Waffenträger und sind damit bedroht. (ein MARS kann von einem gegnerischen MARS angegriffen werden)
Einzelne Flugabwehrraktenstarter (Wirkmittel Flugkörper) zum Beispiel sind oft unbemannt, aber der Feuerleitstand oder das Radar sind dann doch bemannt und in unmittelbarer Nähe und diese Soldaten begeben sich damit in Gefahr – kein ethisches Problem.
Deshalb sind auch Marschflugkörper mit 4 stelligen Kilometerreichweiten ein sehr großes ethisches Problem, aber immerhin oft abgeschossen von bemannten Waffenträgern.
„Folgt man ihren Argumenten zur technischen Überlegenheit mit dem Anspruch, dass Deutschland Kriege gewinnen soll, dann ist eine schnelle Beschaffung die logische Folge.“
Genau DAS ist doch das Problem.
Ein Wettrüsten wäre die Folge.
Weil es eben nur noch um maschinellen Einsatz und finanziellen Einsatz geht und nicht um menschlichen Einsatz.
Diese ganze Diskussion hätte man schon viel früher und weltweit führen müssen und ähnlich wie Atom- und Chemiewaffen und Streumunition müsste man auch unbemannte ferngesteuerte Waffenträger weltweit ächten und sich freiwillig gegen sie entscheiden.
Das Thema wird uns nämlich in den nächsten Jahrzehnten dann mächtig um die Ohren fliegen,
@AoR sagt: 16.12.2020 um 18:37 Uhr
„Um Ihren Bedenken Würdigung zukommen zu lassen, würden Sie zustimmen, wenn bewaffnete Drohnen nur zur Verteidigung eine Position eines „organischen“ Soldaten verwendet werden würde bzw. im rückwärtigen Raum?
Weil das kann man gesetzlich vorschreiben?“
Da hätte ich Zweifel. Ich denke eine solche Einschränkung dürfte in den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der Exekutive eingreifen.
Was wir beschaffen kann das Parlament über das Haushaltsrecht kontrollieren. Wie wir es einsetzen ist Zuständigkeit der Exekutive (soweit wir es für rechtlich zulässige Zwecke verwenden).
/idealismus an!
vielleicht hat die spd einfach zu ende gedacht, was es bedeutet überwachungsdrohnen
zu bewaffen – Kampfdrohne ist eine Killerdrohe, hier ist dann der schritt zur einer
autonomen Killerdrohe nicht mehr weit (und unsichtbar mit software jederzeit ladbar).
der nächste rüstungswettlauf ist da vorprogrammiert wg. AI / autonome software aka SKYNET.
drohen sind zu billig und das einsparen eines echten piloten senkt die kosten noch weiter.
wisst Ihr noch, 3D-drucker, die haben bissl software drin, dies soll verhindern dass jemand
schusswaffen „druckt“ – weil dann viel z billig und nicht nachverfolgbar sei (mit 1-2 schuss sind
manche „attentäter“ auch schon zufrieden…) druckpläne im internet werden auch konsequent
gelöscht/verboten.
eine technologie zu verbieten wäre ratsam, dual use/missbrauch sind hier vorprogrammiert.
/idealismus aus
ist die spd vielleicht nur schlau geworden: die grünen sollen dies mal in der zukunft entscheiden :)
@Bahner:
„Der Waffenträger muss sich immer in Gefahr begeben um dieses ethische Dilemma aufzulösen.“
Sie hatten ja selbst schon Mittel- und Langstreckenraketen angesprochen.
Die Tornado-Besatzung, die auf mehrere hundert Kilometer vor dem Ziel ausserhalb gegnerischer Bedrohung eine KEPD 350 Taurus auslöst handelt also unethisch? Und auch u.a. die SPD die diese Beschaffung vor rund 20 Jahren (!) befürwortet hat?
Und Artillerie darf nur dann schießen, wenn gegnerische Artillerie bereits die Feuerzusammenfassung vorbereitet?
Seltsame Vorstellungen.
Zumal der von ihnen propagierte ethische Imperativ sich weder aus dem humanitären Völkerrecht noch aus verschiedenen philosophischen oder ethischen Grundsätzen ableiten lässt.
Mag ja ihre Meinung sein, hat aber mit Krieg wenig zu tun.
Die Befürchtung durch unbemannte Systeme würde in Deutschland die Hemmschwelle zur Kriegsführung gesenkt verkennt völlig den politischen und rechtlichen Kontext und die Einsatzrealität der letzten 20 Jahre.
Im Kern geht es um die Frage, ob man Streitkräfte zur Gewaltandrohung und -anwendung einsetzen will.
In welchem Grad das eigene Personal gefährdet wird kommt deutlich später.
@Bahner
„Eine bewaffnete Drohne ist unbemannt ein ethisches Problem.“
Einen Operator / Waffensystemoffizier gibt es immer. Nur die Steuerung erfolgt „remote“.
@Bahner: Ihre Bedenken gegen ein Drohnen-Wettrüsten in allen Ehren – diese Geschichte wird von ganz anderen Playern abgehandelt. Der dt. Streber in der Ecke mit dem erhobenen Zeigefinger tangiert da peripher. Ich fürchte der Export kluger Ratschläge für die Verbündeten am kinetischen Ende erschöpft sich so langsam.
Derweil die Truppe unter politischen Fantasien einer vermeintlichen ethischen Überlegenheit leidet. Gegen Drohnen im mil. Besteckkasten lässt sich nur mit einer ungesunden Portion technologischem Heidentum argumentieren.
@Koffer, @Bahner: Gerade bei ethischen Fragen ist Charakter tragender als jedes Gesetz.
@Koffer: Auch nicht bei Mandatierung z. B im Rahmen COTS/RoE?
@Bahner: Eine Drohne ist langsamer als ein Fixed Wing mit Pilot, das schnell ist, um den Piloten zu schützen. Dafür ist die Drohne sehr ausdauernd. Der Abschuss einer Drohne ist zudem im Vergleich zum FW mit Pilot recht „egal“. Was sagt Kant dazu? Kann das oberstes Gesetz sein, die Maxime unbedingt auf Drohnen zu verzichten, um einen Dammbruch entgegenzuwirken, der international schon gebrochen ist? Ist es ethisch, dafür Soldaten erhöhtem Risiko auszusetzen?