EU-Einsatz im Mittelmeer: Die Bundeswehr mitten im Informationskrieg

Das Boarding-Team der deutschen Fregatte Hamburg hat ein Frachtschiff im Mittelmeer vor Libyen gestoppt, um es auf möglichen Waffenschmuggel nach Libyen zu untersuchen. Die Situation an Bord der  Roseline A* war zwar, so die deutsche Darstellung, kooperativ – aber nach wenigen Stunden widersprach die Türkei, unter deren Flagge der Containerfrachter fährt, der Untersuchung. Und schon ist die Bundeswehr mitten im Informationskrieg zwischen der Türkei und der EU.

Der Reihe nach: Offiziell meldete das Einsatzführungskommando der Bundeswehr  die Aktion am gestrigen Sonntag am (heutigen) Montagmorgen via Twitter:

Die interne Sofortmeldung nennt darüber hinaus als Standort des Schiffes beim Boarding eine Position rund 200 Kilometer nördlich der libyschen Hafenstadt Bengazi – und den Hinweis, dass die Besatzung des türkisch geflaggten Schiffes ausschließlich aus türkischen Staatsbürgern besteht. Nach dem Widerspruch des Flaggenstaates gegen die Untersuchung verließen die deutschen Soldaten dann ja auch das Schiff.

Die Anweisung an die Hamburg zur Untersuchung der Rosaline A kam vom Kommandeur der EU-Operation Irini – und das ist seit dem 19. Oktober der griechische Commodore Theodoros Mikropoulos. Angesichts der ohnehin angespannten Situation zwischen der EU und der Türkei und des immer wieder erhobenen Vorwurfs, die Türkei verletze mit Waffenlieferungen das UN-Embargo gegen Libyen, ist das noch ein zusätzliches Problem: Die Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland machen diese Lage noch etwas komplizierter.

In türkischen Medien wurde dann auch sofort der Vorwurf erhoben, ein griechischer Militär habe die Deutschen dazu benutzt, rechtswidrig gegen ein türkisches Schiff vorzugehen – das darüber hinaus humanitäre Hilfe für Libyen an Bord habe. Der Außenpolitik-Redakteur des türkischen Senders TRT via Twitter:

TRT hat auch Videomaterial von Bord des Frachters bekommen, das die Deutschen beim Anlanden per SeaLynx-Hubschrauber zeigt (Foto oben). Aber auch beim Vorgehen auf der Brücke, wo sich dann die Frage stellt: Wenn ein Besatzungsmitglied mit erhobenen Händen abgeführt wird, nennt das die Deutsche Marine kooperatives Vorgehen? Interessanterweise findet sich übrigens nirgendwo der Hinweis, dass der Master des Frachtschiffes dem Boarding und der Durchsuchung zugestimmt habe – kooperativ ist da ein sehr unbestimmter Begriff.

Und damit ist die Deutsche Marine mitten im Informationskrieg zwischen der Türkei und Griechenland, aber auch zwischen der Türkei und der EU angekommen. Ein paar hundert Kilometer weiter östlich ist übrigens die Marine bei ihrer Ägäis-Mission mit der Fregatte Brandenburg wiederum auf die Kooperation der Türkei angewiesen. Mal sehen, ob und wie das Auswirkungen hat.

Nachtrag: Die Bundeswehr verwies zum Unterschied der verschiedenen Arten des Boardings auf einen Grundsatzartikel vom September auf ihrer Webseite; hier dürfte einschlägig sein:

Das Unopposed Boarding stellt die unterste Stufe der Boardingarten dar. Sofern das Hailing Verdachtsmomente eines Verstoßes gegen das vom VN-Sicherheitsrat gegen Libyen verhängte Waffenembargo ergibt, kann die EU-Operationsführung eines ihrer im Operationsgebiet stehenden Schiffe mit einem Boarding beauftragen. Hierfür müssen grundsätzlich sowohl das Einverständnis des zivilen Kapitäns, als auch die Zustimmung des Flaggenstaats vorliegen. Die Besatzung verhält sich kooperativ und Widerstand ist weder erkennbar, noch zu erwarten. Üblich ist das Ausbringen einer Lotsenleiter bei Transfer über Speedboot und die Abholung des Teamleiters durch den Ersten Offizier des Schiffes. Nach Anbordgehen wird das Schiff unter Eigensicherung durch das Boardingteam in Kooperation mit der Besatzung intensiv durchsucht. Die Besatzungsmitglieder werden fotografiert und identifiziert. Ergänzend werden sämtliche Papiere und Dokumente gesichtet und ausgewertet. Zur Sicherheit des Boardingteams wird der Besatzung ein gemeinsamer Aufenthaltsort zugewiesen.

*KORREKTUR: Das Schiff heißt offensichtlich Roseline A (nicht Rosaline A und auch nicht Roselina A):
https://www.marinetraffic.com/en/ais/home/shipid:339833/zoom:10

(Wird ggf. mit Stellungnahme EUNAVFOR MED Irini ergänzt)

(Fotos: Screenshots aus dem Video von Bord des türkischen Frachters, veröffentlicht vom türkischen Sender TRT)