Erstes Boarding der ‚Hamburg‘ im EU-Einsatz vor Libyen: Tanker gestoppt
Die deutsche Fregatte Hamburg hat im Rahmen der EU-Mission Irini, die das UN-Embargo gegen Libyen durchsetzen soll, einen Öltanker im Mittelmeer gestoppt. Nach Angaben der Bundeswehr war es das erste Boarding durch die Hamburg in dieser Mission; zuvor waren die deutschen Soldaten nur im Rahmen eines friendly approach mit Zustimmung des jeweiligen Kapitäns an Bord von Handelsschiffen gegangen.
Die Royal Diamond 7, die unter der Flagge der Marshall-Inseln fährt, wurde wegen einer vermuteten Verletzung des Waffenembargos gestoppt: Sie soll auf dem Weg gewesen sein, Flugzeugtreibstoff nach Libyen zu transportieren.
Aus der Mitteilung von EUNAVFOR Mediterranean:
Operation EUNAVFOR MED Irini boarded and inspected the Merchant Vessel Royal Diamond 7 early in the morning for suspected violation ofthe UN arms embargo on Libya. The boarding team of an Irini ship boarded the vessel at 7 a.m. in international waters, 150 km north of the Libyan city of Derna (Cyrenaica).
The vessel departed from the port of Sharjah in the United Arab Emirates and was heading to Benghazi in Libya. MV Royal Diamond 7 was carrying a cargo of Jet fuel, likely to be used for military purposes. This fuel is considered as „military material“ by the UN and therefore UN Security Council Resolution 2292 (2016) and 2526 (2020) apply. The boarding operation was carried out by the German frigate FGS Hamburg with the support of the flagship of Operation Irini, the Italian frigate ITS Margottini. The Force Commander, Admiral Ettore Socci, conducted the operation from onboard the flagship and has denied MV Royal Diamond 7 access to Libyan territorial waters and is diverting the vessel to a port of the European Union for further investigation.
Die Hamburg war im August in die Irini-Mission entsandt worden; zuvor hatte sich die deutsche Marine mit einem Seefernaufklärer an diesem Einsatz beteiligt. Die vom Bundestag mandatierte europäischen Krisenbewältigungsoperation soll vor allem das UN-Embargo gegen Libyen überwachen; zugleich hatten einige EU-Staaten darauf gedrungen, dass Irini nicht wie die Vorgängermission Sophia Migranten auf dem Seeweg aus dem nordafrikanischen Land nach Europa aus Seenot rettet. Der neue Einsatz soll faktisch durch die zugeteilte Region im Mittelmeer die Aussicht auf solche Rettungen minimieren, obwohl – auch nach dem deutschen Mandat – diese Aufgabe grundsätzlich bleibt.
Die Aktion der Hamburg, bei der sowohl ein Speedboot der Fregatte als auch der SeaLynx-Bordhubschrauber eingesetzt wurden, war offensichtlich das erste Boarding dieser Art der Irini-Mission. Nach Angaben von EUNAVFOR MED hatte die Operationsführung zuvor vom UN Panel of Experts on Libya Hinweise auf die verdächtige Ladung der Royal Diamond 7 bekommen.
(Fotos: EUNAVFORMED Irini)
Was wäre denn passiert wenn die Leute auf dem Tanker die 23 mm. Zwillings Flak gezückt hätten und gesagt hätten “ Ihr kommt hier nicht rauf“?
[Wir sind hier nicht im Kinderfunk. Der Begriff Handelsschiff bzw. Öltanker ist eindeutig, oder? T.W.]
Dass hat mit Kinderfunk nichts zu tun. Sondern lediglich mit der Freiwilligkeit der Besatzung. Und die Leute sind teilweise im Kriegsmodus und überspannt. Und ist die Waffe da, ist die Waffe da.
[Ok, wenn in Ihrer Welt die Handelsschiffe mit Geschützen bestückt sind, ist das eben so. Mit Realität hat das ziemlich wenig zu tun. Die Waffe ist eben nicht da. T.W.]
Na – da hatte die Hamburg ja doch recht schnell und erfolgreich ihre Einsatzmöglichkeiten gezeigt. Kommt ja nicht so häufig vor, dass unsere Marine echte Boarding-Einsätze unternimmt. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann dies das letzte Mal der Fall war. Gut, dass alles geklappt hat.
In Benghazi wird inzwischen zweimal täglich der Strom abgeschaltet, weil Tripolis den Ölhahn zudreht. Das betrifft unmittelbar die Bevölkerung. Das angebliche Flugzeugbenzin hatte also eine andere Bestimmung. Hoffentlich ist die Hamburg auch so fleißig, wenn Erdogan seine Waffen und Söldner nach Tripolis schafft.
@Dante
a) Wissen wir nicht, ob zuerst vom Speedboot oder vom Lynx geboardet wurde.
b) Dürfte es ziemlich schwierig sein, mit einem manuell gerichtetem Geschütz einen Hubschrauber von einem Schiff aus zu treffen.
c) Ist ein Lynx im Tiefstflug über See erst sehr spät visuell erkennbar, da das Grau von oben als Tarnfarbe wirkt. Eigentlich ist der Hubschrauber erst zu sehen, wenn er auch direkt neben oder über dem Schiff steht (selbst erlebt).
d) Ich kenne die ROE nicht, aber mit dem M3M lässt sich so eine Zwillingsflak bei einer realistischen Kampfentfernung gut bekämpfen – stabilisierte Waffenplattform Lynx vs. unkontrolliert stampfendes und rollendes Schiff.
Das Foto des Fast Ropings auf Twitter sieht ziemlich entspannt aus, daher hat man die Lage wohl als ungefährlich eingeschätzt. Jedenfalls ist keine Rundumsicherung zu sehen.
Mir scheint, einige machen sich ein Späßchen draus, jetzt möglichst absurd zu diskutieren. Natürlich kann man die theoretische Frage aufwerfen, was denn wäre, wenn Frachter und Öltanker Geschütze an Bord hätten. Genauso stellt sich natürlich die Frage, ob Irini auch ein Alien-Raumschiff boarden könnte und welche Fähigkeiten dafür nötig wären. Oder ob das Holodeck der ‚Hamburg‘ genügend Trainingsmöglichkeiten bietet und der Traktorstrahl funktioniert. Wir lassen diese Debatte jetzt einfach.
@Muna
Ja, weil in Benghasi der Strom abgeschaltet wird kann der Flugzeugtreibstoff ja nur zur Stromerzeugung genutzt werden. Wir machen uns dann am Leid der Bevölkerung mitschuldig.
Militärischen Bedarf in Ost-LBY für Flugzeugtreibstoff darf es ja nach Ihrer Logik keinen geben…
Herr Wiegold, wann kommt der „gefällt mir“-Button unter ihre Beitrage ?
Ein weiteres Signal an Russland und seine MIG-29 & SU-35 in Lybien. Man bekommt immer mehr das Gefühl, dass die deutsche Aussenpolitik seit der PK der Kanzlerin zu Nawalny eine bislang unbekannte Raketenstufe gezündet haben könnte.
Unterstützt Frankreich nicht auch General Haftar? Haben die Franzosen ihre Politik nun geändert, um eine einheitliche Linie in der EU zu fahren oder könnte die Aktion die wiederentdeckte Freundschaft von Merkel und Macron belasten?
@D.F.: Frankreich hat sich nach dem „Feurleitradar Konflikt“ mit der Türkei aus IRINI zurückgezogen. Nur Italien und Deutschland stellen bislang Schiffe, jeder eines. Italien wird vermutlich auch wissen, warum man diese Aktion durch die Hamburg hat durchführen lassen und es nicht selbst mit dem Flaggschiff tat.
Korrektur: Frankreich zog sich aus Sea Guardian mit einer Fregatte zurück.
@Dante
Die Besatzung des Tankers wird den Teufel tun sich mit Kriegsschiffen anlegen…. die kommen aus Ländern wo das einem Todesurteil gleich kommt.
Ein Boarding wird dann auch so ausgeführt das ein maximales Überraschungsmoment erziehlt wird.
Ein SEK ruft auch nicht vorher an und Klingelt wenn die eine Wohnung stürmen… Da ist der Täter dann auch so überrascht das er keinen Wiederstand leistet….
Speedboot und Heli haben sich auch gegenseitig gedeckt. Wenn da jemand „Böses mit Waffe“ an Deck erscheint wird der WECH GEMACHT und zur Not Boardet man unter Feuer…. Ausrüstung und Ausbildung sind dann hoffentlich auf unserer Seite und man kann schnell feuerüberlegenheit erreichen…. als Ultimo Ratio schießt die OTO Melara Sperrfeuer.
So, können wir diese trigger-happy-Debatte jetzt beenden? Öltanker mit Zwillingsflak, und als ob Boarding nicht auch compliant stattfinden könnte. In dieser Welt muss nicht alles mit Schießereien passieren. Ihr guckt zu viel diese komischen Serien, oder?
@Ottone, danke für Ihre Antwort. Spielen Sie mit der Vermutung, dass der italienische Kommandeur die Deutschen das Boarding hat ausführen lassen, damit darauf an, dass es auch zwischen Frankreich und Italien Spannungen in der Lybien-Politik gab, und die Deutschen quasi als politische Stoßdämpfer fungieren sollten?
Frankreich hat wohl noch eine Fregatte in IRINI. Nicht sicher, wie sich das mit der Unterstützung Haftars deckt, der u.a. auch von den USA, GB und Russland unterstützt wird?
In jeden Fall eine verwirrende, uneinheitliche Haltung der EU im Bezug auf den Mittelmeerraum.
@D.F.
„Frankreich hat wohl noch eine Fregatte in IRINI.“
Nein, hat es nicht (mehr), denn die „FS Jean Beart“ war lediglich ganz zu Beginn der Op IRINI für einen reichlich begrenzten Zeitraum von einem knappen Monat unterstellt und ist mit Ablauf dieses Zeitraums aus dem „direct support“ (ohne FRA Nachfolge-Asset, was aber nicht weiter ungewöhnlich ist) wieder ausgeschieden.
Zwar wäre daneben noch ein „associated support“ einer gerade, die JOA durchlaufenden seegehenden Einheit (mit anderem Unterstellungsverhältnis zum OHQ) möglich, aber das ist bei FRA eher unüblich.
Nachdem dieses erste „boarding“ medial geschickt aufgebauscht wurde, um zu zeigen, wie sinnvoll der DEU Beitrag zu IRINI ist, wäre auch das Ergebnis wichtig.
War das nun ein böser Embargobrecher, oder doch nicht?
[Nun ja, die Usprungsmeldung kam ja von EUNAVFOR MED, insofern hätte ich schon gerne den Beleg dafür, dass es aus deutschem Interesse „medial geschickt aufgebauscht“ wurde. Vom italienischen Admiral? Unabhängig davon: In der Tat, das Ergebnis wäre interessant. T.W.]
@Lucky.Sailor
@T.W.
Über das Ergebnis dieses ersten und – wenn man die Vorgänger-Mission SOPHIA noch mit dazuzählt – insg. erst achten boardings (in fünf Jahren) wurde am 10. Sept. im Morning Update Briefing für den Ops Cdr (und OHQ staff) informiert; der Inhalt ist „EU-confidential“ (VS-V).
[Das kann EUNAVFOR MED natürlich so machen; zur Vertrauensbildung und positiven PR für Irini trägt das sicherlich nicht bei. T.W.]
@T.W.
Das macht EUNVAFOR MED immer so, denn die Veröffentlichung dieser Info liegt im Verantwortungsbereich des UN Panel of Experts on Libya, wohin die Meldung über das boarding a.d.D. auch ging.
Für mich ist nicht ganz klar, um welche Art des Boarding (https://www.bundeswehr.de/bw-de/einsaetze-bundeswehr/zentrales-mittelmeer-eunavfor-med-irini/irini-boarding-eunavfromed-libyen-2340954) es sich hierbei handelte.
Opposed war es wohl nicht, wohl eher unopposed.
[Ich glaube, die Marine sagt „compliant boarding“, oder? T.W.]
@T.W. :
Nach dem verlinkten Bericht der Marine (PAO Irini) unterscheidet man zwischen cooperative approach, non-opposed Boarding, Non-Cooperative Boarding, Opposed Boarding.
Der Artikel erklärt aus meiner Sicht sehr gut die Unterschiede.
Wäre interessant, ob opposed Boarding (mit SpezKr) rechtlich (RoE) und tatsächlich (Kräfte und Mittel) gemacht werden kann.
Gleiche Diskussionen seit knapp 20 Jahren bei OEF, ATALANTA und nun Irini.
Die jeweilige Kategorisierung mag variieren, im Kern bleibt aber immer die Frage:
Wie passen Auftrag, Handlungsrahmen, Kräfte und Mittel zusammen?
Ja, opposed würde m.W. auch nur von Spezialkräften ausgeführt. Kann natürlich sein das welche an Bord sind, glaube ich aber eher nicht.
@Memoria
„Der Artikel erklärt aus meiner Sicht sehr gut die Unterschiede.“
Sorry klares Nein. Ich hoffe keiner nimmt sich diese Erklärung all zu Herzen, da sie weder operativ noch rechtlich zutrifft. Auch ist sie so nicht deckungsgleich mit dem ROE Set ATALANTA, SOPHIA oder IRINI.
Die Zustimmung des Flaggenstaates ist eine (völker)rechtliche Hürde und losgelöst vom eigentlichen Kontakt, seiner Besatzung, deren Verhalten oder Ladung zu sehen.
Hier ist das UNCLOS (UN Seerechtsübereinkommen) maßgebend. Hier gilt immer(!), dass die Zustimmung einzuholen ist, außer es wurde direkt durch UN Beschlüsse/Resolutionen etwas anderes festgelegt, oder (best practice) eine Zeit nach offizieller Anfrage an den Flaggenstaat verstreicht unbeantwortet. (Diese Lösung ist aber eher eine tolerierte Grauzone). Bei einer Ablehnung des Flaggenstaates findet erstmal nichts statt. Dann wird aus einem militärischen Problem schnell ein diplomatisches. Führt man trotzdem ein Boarding durch muss man sich eben sicher sein, dass internationales Recht (UNCLOS oder eben UN Resolutionen) auf seiner Seite waren.
Im UNCLOS sind bereits ein paar „Dauerfreigaben“ definiert:
– Schiffe die der Piraterie verdächtig sind
– Schiffe die des Sklavenhandels verdächtig sind
– Schiffe die einer illegalen Sendertätigkeit (im Sinne von Funk und Fernsehen) verdächtig sind
– Schiffe ohne Flagge
– Schiffe der gleichen Flagge wie das Kriegsschiff
Für alles andere braucht es prinzipiell erstmal die Zustimmung des Flaggenstaates. Alternativ können UN Resolutionen Abweichungen enthalten, tun dies aber nur äußerst selten.
Denn schließlich ist Flaggenstaat und Embargostaat selten deckungsgleich. Und unpräzise Persilscheine gibt’s im maritime law eher selten.
Zu den Definitionen:
Diese sind für die deutsche Marine in ihren eigenen Vorschriften festgelegt, welche aber nur eine Übersetzung/Abschrift aus der NATO ATP 71 ist. Die EU verweist (wie so oft) mangels eigener Vorschriften auf die NATO Vorschrift. Die NATO Vorschrift ist praktischerweise unclassified.
Unopposed/compliant Boarding: Aufklärung/Intel gibt keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Boardingteams. Kapitän des zu boardenden Kontaktes stimmt zu, keine passiven oder aktiven Gegenmaßnahmen der Besatzung, bestmögliche Unterstützung der zu boardenden Einheit. (Kurs, Fahrt, Lotsenleiter etc.)
non compliant/non cooperative Boarding: Hier fehlt dem PAO IRINI die Schärfe in seiner Darstellung – aber sie ist wichtig:
Intel/Aufklärung gibt keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Boardingteams. Passive Maßnahmen wie Zäune oder Gitter (häufig auf Frachtern zur Piratenabwehr verbaut) können eben notfalls durch Bolzenschneider etc. überwunden werden, aber gefährden(!) das Boardingteam nicht. Non compliant/non cooperative liegt dann vor, wenn der Kapitän des zu boardenden Kontaktes nicht antwortet oder zwar grundsätzlich dem Boarding zustimmt, aber dann erschwert oder durch sein Verhalten (Kurs und Fahrt) nicht ermöglicht. Das ist ein entscheidendes (juristisches) Detail. LEHNT er das Boarding AB sind wir IMMER beim Opposed Boarding. Sollte er wirklich einfach nicht antworten auf alle Funksprüche etc. und dann dem Boardingteam nach dem Betreten an Board verbal „befehlen“ sein Schiff zu verlassen, wechselt man hier auch sofort von einem non cooperative zu einem Opposed Boarding, wenn man diesem nicht nachkommt. Das ist immer noch sein Schiff und die Hohe See. Also muss planerisch von vorneherein die Kräftewahl und das ROE Set passen.
Opposed Boarding
Aufklärung/Intel geht von einer möglichen Gefährdung des Boardingteams aus. Der Kapitän sagt „nein“. Passive Maßnahmen sind offensichtlich für eine Gefährdung oder Abwehr des Boardingteams gedacht. (Riesige Stacheldrahtkonstrukte, freilaufende Wachhunde etc.)
Im Übrigen muss jeweils immer nur eine der Bedingungen für den jeweiligen Fall erfüllt sein.
Die Einlassungen zu „intensiv durchsuchen und die Besatzung dokumentieren“ sind ebenfalls so pauschal als kritisch zu sehen. Ein Boarding zu erlauben, heißt noch lange nicht auch zu erlauben das Schiff intensiv zu durchsuchen. Im UN Recht ist lediglich das Vorzeigen der „Papiere“ verankert. Da wird noch keine einzige Tür oder Kiste geöffnet. Und die Besatzung dokumentieren oder gar Fingerabdrücke etc. nehmen ist noch ne ganz andere Nummer. Da klingelt der Datenschutz vor allen anderen. Man ist hier wirklich auf die Kooperation der Einheiten angewiesen. Auch die UN Resolutionen geben einem Initial wenig Spielraum. Erst wenn man genug Indizien/Beweise (freiwillig) gewonnen hat, die einen Embargobruch nahelegen, kann man Zwangsmaßnahmen wie „intensive Durchsuchung“ oder eben Umleitung in einen anderen Zielhafen zur Durchsuchung anordnen. Deswegen ist bereits die Intel vorher und das Hailing so wichtig. Aber das regelt eben das ROE Set.
Embargokontrollen durch Marinen sind in 99% aller Fälle ein kooperatives Manöver auf See zwischen zivilen Handelsschiffen und dem Militär. Ohne Gefechtsgefahr und ohne Risiko für die Besatzung und das Boardingteam. Deshalb ist „normales“ Boarding auch Auftrag und Fähigkeit fast aller Marineeinheiten ab einer gewissen Größe. Oftmals eben einfach durch zusätzlich ausgebildetes Besatzungspersonal. Die Deutsche Marine geht hier mittlerweile einen Sonderweg, die Fähigkeit zum normalen Boarding nicht mehr auf den Schiffen und Booten abzubilden sondern dafür zusätzliche Kräfte im Seebataillon vorzuhalten, die dann eingeschifft werden. Die Kräfte bringen dann Fähigkeiten der Force Protection und eben Boarding mit. Ob man das als etwas ineffektiv bewerten mag, sei dahin gestellt, die Marine will das eben so.
Leider kommt aber in jüngerer Vergangenheit der Zungenschlag rein, die Kräfte aus dem Seebataillon seien zu allen Arten der Boardingoperationen befähigt. Das liegt zum einem an ihrer sehr guten Ausrüstung und zum anderen an ihrem guten Marketing. (Siehe die Bilder). Das ist soweit aus Gründen der Werbung auch legitim, leider vermischt sich das immer weiter mit der „Fach“- Meinung. Da helfen auch solche unscharfen Erklärungen wie in dem Artikel nicht.
Bilder in denen Soldaten mit gezogener Waffe auf die Brücke stürmen und erstmal allen Besatzungsangehörigen Kabelbinder anlegen, sehen zwar „toll“ aus, wecken aber in der Öffentlichkeit falsche Eindrücke und bei den „Darstellern“ falsche Berufsvorstellung.
Denn wenn planerisch schon der Einsatz von Waffen oder Zwangsmitteln vorhersehbar ist, dann sind wir bei Boarding Operationen nicht mehr im Bereich konventioneller Kräfte. Dann von „keiner Gefährdung“ zu sprechen ist … seltsam. Diese Definitionen hat sich ja keiner als Jux ausgedacht, sondern wurden durch harten Blutzoll (man darf googlen) vieler Nationen in den letzten 40 Jahren erarbeitet.
Zu ihren Fragen der Realisierbarkeit:
Ja die Bundeswehr hält ausreichend Spezialkräfte vor. Ob man die Notwendigkeit für den dauerhaften Einsatz dieser Kr jeweils als gegeben bewertet ist aber eine andere Frage. Für IRINI oder SOPHIA ist es eben die Frage ob ein (nichtsahnender) Frachter gerade Embargobruch begeht, weil seine Ladung, die er nicht 100% selbst überprüft hat (z.B. klassischer Container) dagegen verstößt oder ob bewaffnete Kriminelle/Terroristen/Gegner an Bord gezielt einen Transport durchführen.
Aber dafür hat man eben sein Intel, die dem Missionsführer/Kontingentführer/Kommandanten dann berät welche Einheit man für welches Boarding einsetzt. Schlecht ist nur immer wenn in einem Einsatzverband die eskalierendere Option (SpezKr) gar nicht dabei ist und/oder man nicht in der Lage ist diese in engen Zeitfenstern strategisch zu verlegen/nachzuführen. Dann bleibt der Mission eben nur low risk / low probality.
Aber das ist dann schnell eine politische Entscheidung, welchen Effekt man sich eben wirklich erhofft.
Zum oben genannten Boarding: Die Diamond wurde ja zuerst in Richtung eines italienischen Hafens befohlen. Bis heute ist sie da nicht eingelaufen. Scheint so, als ob es doch eine reguläre Erklärung für das Kerosin gibt. Mag ja am zivilen Flugbetrieb in Benghazi liegen – aber wer weiß das schon.
@Wiegold
ich hatte meine Antwort eigentlich schön formatiert – jetzt wird sie mir als Lauftext angezeigt, kann ich das ändern? ist ja grässlich.
[Hm, mir wird er nach Freischaltung sauber mit Absätzen angezeigt… T.W.]
Spezialkräfte kann man bei Bedarf im Mittelmeer auch gut einfliegen, die müssen nicht permanent eingeschifft sein.