Fregatte ‚Hamburg‘ geht in Irini-Einsatz der EU
Fürs Archiv: Wie bereits im Mandat geplant, wird die Bundeswehr sich demnächst mit einem Kriegsschiff an der EU-Mission Irini beteiligen, die im Mittelmeer das UN-Waffenembargo gegen Libyen überwachen soll. Die Fregatte Hamburg werde in der kommenden Woche in diesen Einsatz auslaufen, bestätigte ein Sprecher der Marine.Zuvor hatte die Deutsche Presse-Agentur von der geplanten Mission der Hamburg berichtet. Die Bundesregierung hatte in ihrem Mandatsentwurf für die deutsche Beteiligung an Irini im April angekündigt, dass eine Beteiligung mit einer seehgehenden Einheit ist spätestens ab August 2020 geplant werde.
Irini löst in dieser Aufgabe die vorherige EU-Mission Sophia ab, die am Streit der Mitgliedsstaaten über den Umgang mit aus Seenot geretteten Migranten und Flüchtlingen zerbrochen war. Die neue Mission soll faktisch durch die zugeteilte Region im Mittelmeer die Aussicht auf solche Rettungen minimieren, obwohl – auch nach dem deutschen Mandat – diese Aufgabe grundsätzlich bleibt: Die völkerrechtliche Verpflichtung zur Rettung von in Seenot geratenen Personen bleibe bestehen; eventuell aufgenommene Personen sollten in Griechenland an Land gehen, verweist die Bundesregierung in der Mandatsbegründung auf die EU-Vereinbarung.
Bereits seit Anfang Juni ist immer wieder ein Seefernaufklärer der Marine vom Typ P-3C Orion in diesem Einsatz. Die Maschine bleibt allerdings in Nordholz in Niedersachsen stationiert und wird – mit Zwischenlandung zum Auftanken – für jeweils dreistündige Überwachungsmissionen ins Mittelmeer vor die Küste Libyens geflogen.
Der Erfolg der EU-Mission Irini gilt allerdings als fraglich – nicht zuletzt, weil offensichtlich zum Teil auch Frachtschiffe unter dem Schutz des türkischen Militärs Waffen in das nordafrikanische Land bringen. Dabei kam es bereits zur Konfrontation eines türkischen mit einem französischen Kriegsschiff, bei der die Zielerfassungsradare des türkischen Schiffes auf die französische Einheit gerichtet waren. Die Situation wird allein zur See zusätzlich dadurch noch komplizierter, dass in der NATO-Seeraumüberwachungsmission auch die Türkei mit Kriegsschiffen vertreten ist – diese Mission aber auch mit Irini zusammenarbeiten soll.
Nachtrag 30. Juni: Die Hamburg wird am 4. August auslaufen; ihr Kommandant Jan Fitschen zu diesem Einsatz:
„Wir stehen vor einem Einsatz, der in mehrfacher Hinsicht Schiff und Besatzung vor bisher unbekannte Herausforderungen stellen wird. Fregatte ‚Hamburg‘ wird die erste deutsche seegehende Einheit in der Operation EUNAVFOR MED ‚Irini‘ sein und sicherlich hier und dort auf schwierigem politischen und operativen Terrain Pionierarbeit leisten müssen. Neben der Stammbesatzung laufen wir mit einem breiten Portfolio an eingeschifften Fähigkeiten aus, etwa mit zwei Bordhubschraubern und einer Boardingkomponente des Seebataillons. Diese Teileinheiten gilt es an Bord zu integrieren und zu einem schlagkräftigen Gesamtsystem zu formen. Nicht zuletzt werden wir die Auswirkungen der Corona-Krise spüren, die Transitzeiten, Hafenplanungen und Landgangsbestimmungen beeinflussen werden. Allen Widrigkeiten in der Einsatzvorbereitung zum Trotz bin ich sicher, dass wir einen wirksamen Beitrag zur Operation leisten können und freue mich auf die kommenden viereinhalb Monate“, sagt der Kommandant, Fregattenkapitän Jan Fitschen (42), mit Blick auf die bevorstehende Aufgabe.
(Archivbild: Die Fregatte Hamburg im Januar 2011 im Atalanta-Einsatz vor der Küste Somalias – PIZ Marine/Bundeswehr)
Ab wann sind denn eigentlich die F125 einsatzbereit, die hierfür perfekt geeignet wären und die „Hochwerteinheiten“ (auch wenn sich dies auf Grund des Preises einer F125 ein wenig merkwürdig anhören mag..) wie die „Hamburg“ entlasten können?
Und kann jemand die Überlegung hinter der Einsatzplanung der P3 erläutern?
„Bereits seit Anfang Juni ist immer wieder ein Seefernaufklärer der Marine vom Typ P-3C Orion in diesem Einsatz. Die Maschine bleibt allerdings in Nordholz in Niedersachsen stationiert und wird – mit Zwischenlandung zum Auftanken – für jeweils dreistündige Überwachungsmissionen ins Mittelmeer vor die Küste Libyens geflogen.“
Von Nordholz aus zum 3 stündigen Einsatz vor der Küste Libyens? In welcher Frequenz finden solche Einsätze denn statt?
Die türkisch-französiche Konfrontation und die Frankreich nicht genehme nachfolgende Beurteilung durch die NATO sollen ja der Grund gewesen sein, daß sich Frankreich schlagartig aus der Mission zurückgezogen hat. Die Türkei wird jedenfalls ihre Interessen in Libyen weiterhin militärisch unterstützen, mit Hilfe ihrer weißen und grauen Marine, auch gegen die EU. Mal sehen, wie sich die deutsche Marine so schlägt, ob das Engament überhaupt einen Einfluß auf die Lage in Libyen hat und welche Kröten man deutscherseits zu schlucken bereit ist…
Und dann bleibt da immer noch die Frage offen, wie die Transportwege zu Lande und in der Luft überwacht und kontrolliert werden. Ansonsten ist das reine Ressourcenverschwendung.
Das mit den Türken ist natürlich der Pferdefuß. Ich bin gespannt wie dass im Zweifel kommuniziert wird wenn es heißt „die Türken lassen uns ihre Frachter nicht kontrollieren und wir können nur zugucken und winken“.
Stoerfang sagt:
28.07.2020 um 22:44 Uhr
Ab wann sind denn eigentlich die F125 einsatzbereit…
Der erste Einsatz für F-125 ist in 2021 geplant.
Stoerfang sagt:
28.07.2020 um 22:52 Uhr
Und kann jemand die Überlegung hinter der Einsatzplanung der P3 erläutern?
Der Einsatz erfolgt auf der Grundlage der UN-Resolution UNSCR 1970 (2011) und nachfolgender Resolutionen zum Waffenembargo gegen Libyen des Sicherheitsrates der VN, einschließlich UNSCR 2292 (2016) und UNSCR 2473 (2019).
[Ich bitte um Verständnis, dass ich den eher werblichen Link zur Webseite entfernt habe. T.W.]
@Dante:
ich vermute, man wird einer harten Konfrontation mit den Türken weiträumig aus dem Wege gehen.
Und sich darauf beschränken, eine Strichliste zu führen, wieviele verdächtige Schiffe unter türkischem Geleitschutz unterwegs waren (OK, ob man dafür eine Fregatte braucht, ist eine andere Frage).
Diese Strichliste wird man dann nach Berlin tragen, wo sie säuberlich gelocht und abgeheftet werden wird.
Und dann? Na, nix vermutlich…
(BTW: wurde der „Berliner Prozess“ eigentlich schon offiziell beerdigt, oder gibt es den noch?)
In meinen Augen ist der Einsatz der Hamburg absolut überflüssig denn die Türkei unterstützt bzw. finanziert den Waffenschmuggel und lässt die Schmuggelschiffe durch ihre Kriegsschiffe begleiten. Somit ist eine Kontrolle dieser Schiffe gar nicht möglich es sei denn ein Kommandant geht aufs ganze und lässt es auf einen Schußwaffengebrauch ankommen. Aber diese Möglichkeit ist bei der Hamburg schon aus politischen Gründen ausgeschlossen. Also nichts weiter als ein Alibieinsatz den ein Tender oder eine 125 genau so gut durchführen könnte,
„Stoerfang sagt:
28.07.2020 um 22:52 Uhr
Und kann jemand die Überlegung hinter der Einsatzplanung der P3 erläutern?
Der Einsatz erfolgt auf der Grundlage der UN-Resolution UNSCR 1970 (2011) und nachfolgender Resolutionen zum Waffenembargo gegen Libyen des Sicherheitsrates der VN, einschließlich UNSCR 2292 (2016) und UNSCR 2473 (2019).“
Meine Frage bezog sich weniger auf die rechtlichen Grundlagen, sondern auf die praktischen Aspekte. Von Nordholz aus mit Zwischenlandung ins Einsatzgebiet, Verweildauer dort dann ~3 Stunden. Wieso werden in den Einsatzphasen denn keine Basen in Süddeutschland bzw. den südlichen NATO Partnern genutzt, um das Verhältnis zwischen „Weg zum Einsatz“ und „Einsatz im Zielgebiet“ zu optimieren? Liegt das bezüglich eigener Basen im Süden Deutschlands z.B. an nicht ausreichend vorhandener technischer Infrastruktur (Wartung…) oder aber lohnt eine solche temporäre Verlegung überhaupt nicht, da die Einsätze z.B. nur in sehr niedriger Frequenz geflogen werden? Bei einer potentiellen Nutzung von Auslandsbasen nahe dem Einsatzort könnte Corona aktuell eine Rolle spielen?
@f28 Also wieder eine Alibiveranstaltung. Ist eigendlich Personalrotation angedacht? Dann hätte das zumimdest als Ausbildungsmission einen gewissen Wert.
@Stoerfang: Ottone schreibt am 04.06. um 21:12, dass Corona der Grund für das Einsatzregime ist:
https://augengeradeaus.net/2020/06/erster-einsatzflug-der-marine-fuer-ueberwachung-des-waffenembargos-gegen-libyen/
ggf. wird/wurde durch die gleiche P3 auch der Einsatz bei BALTOPS abgesichert.
@aussenstehender:
Danke für’s raussuchen der Info! Das macht ja durchaus Sinn. Süddeutsche Standorte sind nicht interessant zur Nutzung, da es sich nicht lohnt Wartungskapazitäten etc. aus Nordholz zu verlegen wegen jeweils ~1h Flugzeitersparnis?
@Stoerfang
Die dreistündigen „Rundflüge“ der P3 über dem Einsatzgebiet von IRINI waren reine Symbolpolitik, um zu zeigen, DEU macht bei dieser Mission mit.
Dass sie keinen Erfolg haben kann, ist spätestens nach dem Zwischenfall FRA/TUR allen klar, die einigen miltärpolitischen Sachverstand besitzen.
Insofern stimme ich @Pio-Fritz voll und ganz zu, hier wird einfach nur Steuergeld verbrannt!
@sailor Das Steuergeld wird nicht verbrannt solange es im deu Wirtschaftskreislauf bleibt. Also sich alle beteiligten davon nen Golf kaufen.
@Dante
Mit dieser Argumentation kann man sich dann auch die Instandsetzung der GORCH FOCK für „nur“ 135 Mio. schönreden.
By the way, auch für die Besatzung der HAMBURG, ist es mental belastend, wenn man in einen Einsatz geschickt wird, wo die Erreichung des Missionszieles mehr als fragwürdig ist.
Habe das selbst erlebt, als DEU 1992 mit der damaligen Standing Naval Force Mediterranean die Embargooperation gegen Restjugoslawien gestartet hat. Wir waren das einzige Kriegschiff dieses NATO-Verbands, das kaum zum Missionsziel beitragen konnte, da wir seinerzeit verdächtige Handelsschiffe nicht inspizieren (boarden) durften.
Für unsere politische Führung war auch damal lediglich wichtig, dass DEU „Flaggenstock zeigt“!
@Lucky.Sailor
Wie heißt es doch: das Geld ist nicht weg, es hat nur jemand anders.
@Dante 29.07.2020 um 15:16 Uhr.
Was auch immer von IRINI gehalten werden darf, wie flach geht es noch?
@Lucky.Sailor:
Seit Anfang der 90er Jahre hat sich daran nichts geändert (siehe OEF, ATALANTA, UNIFIL). Das wirkliche Problem für die Marineführung – neben der angesprochenen Attraktivität – ist die fehlende Professionalisierung der Besatzungen für LV/BV. Dafür fehlt bei der hohen Einsatzbelastung schlichtweg die Zeit.
Das AA interessiert sich aber deutlich mehr für Präsenz in Marinemissionen als um Einsatzbereitschaft. Das ist ja grundsätzlich nachvollziehbar, aber das BMVg scheint im Kanzleramt zu wenig Gehör zu finden, um eine gute Balance zu erreichen. Die Marineführung ist bei dem Thema sehr klar und deutlich – wenn man zuhören will.
@Memoria
Stimmt leider, was Sie hier sagen.
Neben dem Gefühl, bei diesen Missionen keinen wirklichen Beitrag zu deren Gelingen leisten zu können, kommt hinzu, dass die maritimen „warfare skills“ wie Ubootjagd und Konvoischutz, Flugabwehr und Überwasserseekrieg nicht mehr so ausgebildet werden (können), wie es zur glaubhaften Vorbereitung auf LV/BV erforderlich wäre.
Wenn es aber einer „Marineführung“ über 30 Jahre nicht gelingt, sich gegenüber dem AA wenigstens ab und zu mal durchzusetzen, dann sitzen dort die falschen Leute.
Immer stromlinienförmig alles mitmachen, was die politische Führung fordert, dient zwar sicherlich der eigenen Karriere, führt aber dazu, dass diese Teilstreitkraft weiter verzwergt und sich am Ende überflüssig macht.
Mit dem Zulauf der F125er sollten wir ja in wenigen Jahren dauerhaft 1 – 2 dieser Fregatten für Überwachungsmissionen oder ähnliches einsetzen können. Das sollte dann die anderen Fregatten entlasten. Für die U-Boote gibst es meines Wissens nach keine Einschränkungen sich auf LV/BV vorzubereiten. Das wird in dieser Diskussion gerne vergessen.
Was mir auffällt ist, dass die Hamburg deutlich anders ausgestattet in den Einsatz fährt, als die bei „Sophia“ beteiligten Schiffe. Die waren ja für die humanitären Rettungsaktionen mit medizinischem Personal und Material bis hin zum Dach über dem Flugdeck bestückt. Dafür aber ohne Bordhubschrauber-Einsatz. Die Hamburg geht aber mit voller Hubschrauberkapazität und zusätzlichen Anteilen des Seebataillions in den Einsatz. Damit ist sie ja offensichtlich sehr wohl für Boarding-Einsätze optimiert auf die Reise geschickt worden.
In der Tat aber dürfen wir sehr gespannt sein, wie sich die „Pionierarbeit auf schwierigem politischen und operativen Terrain“ entwickeln wird. Von Ihrem Durchsetzungspotential ist die Hamburg natürlich das Beste, was unsere Marine mit einem einzelnen Schiff derzeit zu bieten hat. Spannend auch wie sich das Zusammenwirken mit anderen Einheiten – der San Giorgio und den Flugzeugen – ergeben wird.