Verteidigungsministerium bestätigt: Haenel soll neues Sturmgewehr für die Bundeswehr liefern (m. Ergänzungen)

Das Verteidigungsministerium hat offiziell bestätigt, dass die Firma C.G.Haenel in Suhl das neue Sturmgewehr der Bundeswehr liefern soll. Das Unternehmen sei aus der Ausschreibung als Sieger hervorgegangen. Vorsorglich wies das Ressort darauf hin, dass unterlegenen Bietern immer der Rechtsweg offenstehe. Der Oberndorfer Hersteller Heckler&Koch, der nicht zum Zuge kam, kündigte bereits an, er werde alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.

Die Entscheidung über den Lieferanten des Systems Sturmgewehr als Nachfolger der seit 1995 genutzten Standardwaffe, des G36 von Heckler&Koch, war bereits am (gestrigen) Montagabend bekannt geworden. Am Dienstag bestätigte das Ministerium diese Meldungen, allerdings ohne auf Einzelheiten der ausgewählten Waffe einzugehen:

Das Vergabeverfahren „Sturmgewehr“ ist einen weiteren großen Schritt vorangekommen. Aus der nun abgeschlossen Auswertung der Angebote durch die Vergabestelle des Beschaffungsamtes in Koblenz ist mit der Firma C.G. Haenel GmbH ein Ausschreibungssieger hervorgegangen.
Am 14. Mai 2020 wurden die im Vergabeverfahren System Sturmgewehr Basiswaffe verbliebenen Bieter zur Abgabe eines Best And Final Offer (BAFO) aufgefordert. Die Frist zur Angebotsabgabe endete am 22. Juni 2020*. Die eingegangenen Angebote der Bieter wurden durch die Vergabestelle zwischenzeitlich ausgewertet.
Aus dieser Auswertung ist die C.G. Haenel GmbH als Ausschreibungssieger hervorgegangen. Das Ergebnis der Auswertung ist noch nicht rechtswirksam. Unterlegenen Bietern steht immer der Rechtsweg offen.
Die Entscheidung der Vergabestelle ist zudem noch vorbehaltlich der parlamentarischen Billigung im Rahmen der 25 Mio. € Vorlage.
Die dafür benötigten Unterlagen werden derzeit vorbereitet, mit dem Ziel einer parlamentarischen Befassung Ende 2020.

Das Wehrressort machte zunächst keine Angaben, welche Waffe genau und vor allem aus welchen Entscheidungsgründen ausgewählt wurde. Bei dem Angebot von Haenel für das System Sturmgewehr handelt es sich nach Medienberichten um den MK556 (Maschinenkarabiner im Kaliber 5,56mm). Die Waffe ist in der halbautomatischen Version als CR223 unter anderem bereits bei der Polizei in Sachsen im Einsatz. Für die Bundeswehr liefert das Unternehmen aus Suhl, traditionell ein Sitz der deutschen Handwaffenindustrie, bereits das Scharfschützengewehr G29.

Ergänzung: In einem Schreiben an die Obleute der Fraktionen im Bundestags-Verteidigungsausschuss machte der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber ebenfalls keine weitergehenden Angaben zu der ausgewählten Waffe. Allerdings gibt es eine Aussage darin, die in der öffentlichen Mitteilung weggelassen wurde:

Das siegreiche Angebot hat alle Bewertungskriterien erfüllt und weist über die Lebensdauer die höchste Wirtschaftlichkeit aller Angebote auf.

Nach dem bisherigen Zeitplan  sollte die Vorlage des Ministeriums für das 1. Los der Basiswaffe mit Zubehör des neuen Systems  in der letzten Oktoberwoche dem Haushaltsausschuss zur Billigung vorgelegt werden. Eine weitere Vorlage für das 2. bis 4. Los, das Laserlichtmodul und Visiere war für Mitte Dezember in der letzten Sitzungswoche des Bundestages in diesem Jahr vorgesehen. Nunmehr ist nach den Angaben gegenüber dem Parlament die Befassung im November dieses Jahres vorgesehen.

Allerdings dürfte der Zeitplan aufgrund der nunmehr ankündigten rechtlichen Schritte des unterlegenen Konkurrenten ins Rutschen kommen. Entsprechende Beispiele hatte es in jüngster Zeit beim Mehrzweckkampfschiff 180 (MKS180) der Marine gegeben.

Nun ist der Auftrag für ein neues Sturmgewehr, rüstungspolitisch gesehen, im Umfang eher unbedeutend: Allein die kürzliche Nachbestellung von 75 Lenkflugkörpern für die Korvetten der Deutschen Marine kostet mit 285 Millionen Euro mehr als der ausgeschriebene Auftrag für die neue Standardwaffe, der in der Ausschreibung mit 245 Millionen Euro plus Mehrwertsteuer geschätzt wurde.. Allerdings ist, das hat sich schon in den jahrelangen Debatten über das bisherige Standardgewehr G36 gezeigt, das Gewehr des Soldaten eine emotional ungleich mehr aufgeladene Sache: Ein Gewehr hat jeder und jede Soldatin und Soldat schon mal in der Hand gehabt und genutzt; mit Panzern, Kriegsschiffen und Kampfjets hantieren ungleich weniger.

Deshalb wird die Entscheidung, das zeichnet sich bereits ab, keineswegs nur als sachliche Frage gesehen, ob ein Unternehmen die bestellten Waffen auch in der geforderten Qualität und zur vereinbarten Zeit liefern kann. In der Debatte wird voraussichtlich auch der Hintergrund der Firmen, sowohl von Haenel wie seines unterlegenen Konkurrenten, eine Rolle spielen.

Einen Vorgeschmack darauf gab es am (heutigen) Dienstag: Während die Welt (Link aus bekannten Gründen nicht) ihren Bericht überschrieb Arabischer Staatskonzern soll Bundeswehr-Sturmgewehr liefern, meldete sich auch der frühere Mehrheitsaktionär von Heckler& Koch zu Wort. Nachdem die
Compagnie de Développement De L’Eau S.A (CDE) mit Sitz in Luxemburg mit Genehmigung des Bundeswirtschaftsministeriums die Mehrheit an dem Waffenhersteller übernommen hatte, sei eines erst später bekannt geworden, listete Andreas Heeschen genüßlich auf: Diese Gesellschaft wird aber – was erst am 25. August 2020 öffentlich bekannt wurde – von der Sofi Kapital Ltd., mit Sitz in Christ Church auf Barbados (Karibik) kontrolliert. Die Auseinandersetzung über dieses Thema wird vermutlich die Debatte mehr bestimmen als technische Gesichtspunkte.

Heckler&Koch stellte unterdessen rechtliche Schritte gegen die Entscheidung in Aussicht. In einer Pressemitteilung des Unternehmens heißt es unter anderem:

Das von Heckler&Koch unterbreitete Angebot für das neue Sturmgewehr der Bundeswehr basierte auf den breiten Erfahrungen des Unternehmens mit Aufträgen dieser Größe, auf einer realistischen und gewissenhaften Kostenkalkulation für ein Hightech-Produkt und auf der Verantwortung der Firma für den Erhalt von 950 Arbeitsplätzen am Standort Oberndorf. (…)
Für die Bundeswehr-Ausschreibung hat Heckler&Koch das ohnehin technisch schon hoch entwickelte HK416 nochmals verbessert und nachweislich alle Ausschreibungsbedingungen erfüllt. Dieses Gewehr hat sich seit seiner Markteinführung zum europäischen Sturmgewehr gemausert. Es befindet sich in zahlreichen Nato-Ländern im Einsatz, zum einen als Standardwaffe in Norwegen, Frankreich und im US Marine Corps, sowie als Sturmgewehr neben vielen anderen bei den Spezialkräften der USA, Polens und Großbritanniens. Derzeit führen auch das Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr (KSK) sowie die Kampfschwimmer diese Waffe als G95k ein.
„Wir werden die Entscheidung nun juristisch ausführlich prüfen und alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, sagt Vorstandschef Jens Bodo Koch.

Die komplette Pressemitteilung:
20200915_PM_HecklerKoch_Bw-Sturmgewehr-Entscheidung

*Korrektur: Das BMVg hat seine usprüngliche Angabe berichtigt: Die Frist zur Angebotsabgabe endete am 22. Juni 2020 und nicht am 15. Juni 2020.

(Foto: Screenshot der Haenel-Webseite mit dem MK556)