Macrons Aufruf zur Erneuerung Europas: Auch bei der Verteidigung (Nachtrag: Regierungssprecher)

Der Aufruf zu einer Erneuerung Europas, mit dem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am (heutigen) Dienstag in zahlreichen europäischen Zeitungen eine Debatte anstoßen will, betrifft praktisch alle Felder der Politik der Länder auf dem Kontinent. Weil hier die Verteidigungspolitik interessiert, der gezielte Blick auf die Passage in der bereits gestern vom Elysee-Palast veröffentlichten Fassung:

Die Europäische Union wurde für die Aussöhnung innerhalb ihrer Grenzen geschaffen und hat darüber die Realitäten der Welt aus den Augen verloren. Aber ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft kann nur entstehen, wenn diese Grenzen hat, die sie beschützt. (…)
Die gleichen Anforderungen müssen an die Verteidigung gestellt werden. Dort wurden seit zwei Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, aber wir müssen ein klares Ziel setzen.

Wir müssen unsere unentbehrlichen Verpflichtungen in einem Vertrag über Verteidigung und Sicherheit festlegen, im Einklang mit der NATO und unseren europäischen Verbündeten: Erhöhung der Militärausgaben, Anwendungsfähigkeit der Klausel über die gegenseitige Verteidigung, Europäischer Sicherheitsrat unter Einbeziehung Großbritanniens zur Vorbereitung unserer gemeinsamen Entscheidungen.

Das ist im Einklang mit den Forderungen, die Macron schon lange an Europa stellt, und die vor allem in seiner viel beachteten Rede an der Sorbonne im September 2017 angelegt waren. In Deutschland wird zwar europäische Gemeinsamkeit von fast allen politischen Richtungen immer wieder verlangt und gelobt – beim Thema Verteidigung wird es dann hierzulande aber meist schwierig.

Der Vorstoß des französischen Präsidenten für eine echte europäische Armee im vergangenen Jahr  war in Deutschland schon mit gewisser Skepsis aufgenommen worden. Nach der Unterzeichnung des Aachener Vertrags beider Länder im Januar stießen die recht weit gehenden verteidigungspolitischen  Festlegungen nicht nur auf Zustimmung. Und die aktuelle Debatte, um nicht zu sagen den Streit über die Regeln für gemeinsame Rüstungsexporte müssen Deutschland und Frankreich auch noch lösen.

Vermutlich werden deshalb Macrons Forderungen da kein Problem sein, wo es um politische Rahmenbedingungen geht. Einem Europäischen Sicherheitsrat zur Vorbereitung von Entscheidungen werden sich wohl in Deutschland nicht viele entgegen stellen. Aber Erhöhung der Militärausgaben und Anwendungsfähigkeit der Klausel über die gegenseitige Verteidigung – da wird die Debatte hierzulande spannend und vermutlich kontrovers.

Nachtrag 6. März: Am Tag nach der Veröffentlichung von Macrons Aufruf hat Regierungssprecher Steffen Seibert vor der Bundespressekonferenz dazu Stellung genommen. Auszugsweise die Aussagen zum Punkt Verteidigung:

(…) Ganz grundsätzlich: Frankreich ist unser engster Partner, und wir spüren eine gemeinsame deutsch-französische Verantwortung dafür, die europäische Integration voranzubringen. Deswegen begrüßen wir, dass der französische Präsident vor der Europawahl erneut seine Vorstellungen dargelegt hat. Wir haben ja mit dem Präsidenten und seiner Regierung eine permanente Zusammenarbeit, wie wir sie in dieser Intensität wohl mit keinem anderen europäischen Land haben. Der gerade geschlossene Vertrag von Aachen zeigt das ja deutlich. (…)

Es gibt eine ganze Reihe von Punkten im Text des französischen Präsidenten, die die Bundesregierung vollkommen unterstützt: die Zusammenarbeit in der Verteidigung, die wir europäisch stärken, die wir europäisch ausbauen wollen; die Überlegungen zum Schengen-Raum, der natürlich ein gemeinsames Verständnis der Asyl- und Migrationspolitik braucht; die Betonung der Innovationsfähigkeit als Voraussetzung unseres künftigen Wohlstands.

Ich darf vielleicht an die Rede der Bundeskanzlerin bei der Münchner Sicherheitskonferenz erinnern, bei der sie den Schwerpunkt auf die außenpolitischen Notwendigkeiten Europas gelegt hat, auf die strategische Notwendigkeit, dass wir Europäer geeinter, verantwortungsbewusster, engagierter in der Welt auftreten. Daraus hatte sie im vergangenen Jahr schon den Gedanken eines europäischen Sicherheitsrats entwickelt, der ja nun auch bei Präsident Macron auftaucht.

(Archivbild: Macron mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Unterzeichnung des Aachner Vertrags am 22. Januar 2019 – Florian Gaertner/ photothek.net)