Macron will „echte europäische Armee“ – und Berlin ist skeptisch

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat (erneut) für gemeinsame europäische Streitkräfte im Rahmen einer stärkeren Autonomie Europas geworben. Wir werden die Europäer nicht schützen, wenn wir uns nicht für eine echte europäische Armee entscheiden, sagte Macron am (heutigen) Dienstag in einem Interview des französischen Senders Europe1. Allerdings stoßen die Überlegungen Frankreichs für gemeinsame militärische Aktionen der Europäer nicht zuletzt in Deutschland zum Teil auf Skepsis.

Macrons Aussagen in dem Interview, in dem es um etliche, vor allem innerfranzösische Themen ging:

Wir werden die Europäer nicht schützen, wenn wir uns nicht für eine echte europäische Armee entscheiden. Angesichts Russlands, das an unseren Grenzen liegt und gezeigt hat, dass es bedrohlich sein kann (….), brauchen wir ein Europa, das sich mehr allein verteidigt, das nicht nur von den Vereinigten Staaten abhängig und zudem souveräner ist. (…) Auch anderswo ist die Welt, in der wir leben, gefährlich: „Wenn ich sehe, dass Präsident Trump vor einigen Wochen ankündigt, dass er aus einem großen Abrüstungsvertrag hervorgeht, der nach der Euro-Raketenkrise Mitte der 80er Jahre verabschiedet wurde, wer ist das Hauptopfer? Europa und seine Sicherheit.
(Übersetzung mit Hilfe von deepl.com)

Die Aussagen des französischen Präsidenten liegen nicht nur auf der Linie, über die viele Europäer zunehmend nachdenken. Sie schreiben auch fort, was er bereits vor mehr als einem Jahr in seiner viel beachteten Rede vor der Sorbonne vertreten hat. Darin hatte er für eine gemeinsame strategische Kultur der Europäer geworben, es allerdings nicht im Allgemeinen gelassen: Konkret sprach sich Macron für eine European Intervention Initiative aus und beschrieb auch deren Ziel klar: At the beginning of the next decade, Europe needs to establish a common intervention force, a common defence budget and a common doctrine for action. (Wortlaut nach der veröffentlichten englischen Redefassung)

Nun hat zwar Deutschland im Juni gemeinsam mit anderen europäischen Ländern eine Absichtserklärung zu dieser französischen Initiative unterzeichnet. Berlin hatte aber von vorherein einen offensichtlich etwas anderen Ansatz als Paris in dieser Frage – aus deutscher Sicht steht, vereinfacht gesagt, die Entwicklung einer gemeinsamen strategischen Kultur im Vordergrund, aus französischer Sicht, ebenso vereinfacht gesagt, eine einsatzfähige Interventionstruppe.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mahnte denn auch in einer ersten Reaktion auf Macrons Aussagen, laut Reuters, eine europäische Armee müsse innerhalb der Europäischen Union aufgestellt werden und nicht außerhalb. Dafür haben wir vor einem Jahr die Europäische Verteidigungsunion geschaffen.

Die verschiedenen Sichtweisen, manche sagen auch Streit, hat die Kollegin Sabine Siebold von Reuters nachgezeichnet:

In Berlin wächst das Misstrauen, welches Ziel die Regierung in Paris mit dem Zusammenschluss außerhalb der Strukturen von EU und Nato tatsächlich verfolgt. Vor allem im deutschen Militär wird die Warnung lauter, Frankreich gehe es ausschließlich um eigene Interessen. Die Regierung in Paris halte sich nicht an Absprachen und wolle Deutschland in einen Kampfeinsatz in Afrika hineinziehen. “Frankreich geht es ganz klar um Afrika, um den Sahel, und eine Entlastung der Franzosen dort”, heißt es in Militärkreisen. “Es geht um Operationen, die vornehmlich französischen Interessen dienen und weniger europäischen, ganz zu schweigen von deutschen Interessen.”

Diese verschiedenen Sichtweisen werden vermutlich nicht bei dem von Reuters genannten Treffen zur Europäischen Interventionsinitiative am Mittwoch geklärt werden können, zumal das nicht besonders hochrangig angesetzt ist. Aber am Wochenende treffen sich, aus Anlass der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Ende des Ersten Weltkrieges, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Macron. Da dürfte dann auch die Vision des französischen Präsidenten eine wichtige Rolle spielen.

(Foto: Scharfschützen der 3. Kompanie des Panzergrenadierlehrbataillons 92 der Bundeswehr und des französischen 3e régiment d’infanterie de marine bei der NATO-Großübung Trident Juncture auf dem Übungsplatz Rødsmoen bei Rena in Norwegen am 25. Oktober 2018 – Sgt Marc-André Gaudreault/NATO Joint Forces Command Brunssum)