Merkel und Macrons Interventions-Initiative: Vorsichtige Annäherung?

Bei seiner viel beachteten Rede an der Sorbonne im September vergangenen Jahres hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron etliche Vorschläge für den weiteren Weg Europas vorgelegt. Darunter auch einen zur Verteidigungspolitik, den Macron selbst als European Intervention Initiative bezeichnete. Aus deutscher Sicht schien das immer ein bisschen nachrangig gegenüber den Bemühungen der EU für eine Verteidigungsunion (die unter dem etwas sperrigen Begriff PESCO bekannt sind). Vielleicht hing und hängt das auch damit zusammen, dass der Begriff Intervention hierzulande ungern gebraucht wird.

In einem Interview mit der Sonntagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nun auch zu dieser European Intervention Initiative geäußert – und das wird als vorsichtige Annäherung an Macrons Vorstellungen verstanden.

Ob das wirklich so ist? Genauer werden wir das erst wissen, wenn voraussichtlich noch im Juni ein Letter of Intent zu dieser Initiative auch von Deutschland unterzeichnet wird. Bis dahin bleibt nur ein Blick darauf, was die beiden eigentlich genau gesagt haben.

Aus der Macron- Rede am 26. September 2017 (in der veröffentlichten englischsprachigen Fassung):

In the area of defence, our aim needs to be ensuring Europe’s autonomous operating capabilities, in complement to NATO. The basis for this autonomy has been laid, with historic progress in recent months. In June, we laid the foundations of Defence Europe: Permanent Structured Cooperation, enabling us to make enhanced commitments, to progress together and to better coordinate ourselves; and also a European Defence Fund to fund our capacities and research. We are in the process of giving this essential framework content, through discussions between the various member states who wish to move forward in this area.
But we need to go further. What Europe, Defence Europe, lacks most today is a common strategic culture. Our inability to work together convincingly undermines our credibility as Europeans. We do not have the same cultures, be they parliamentary, historical or political, or the same sensitivities. And that cannot be changed in one day. But I propose trying, straight away, to build that common culture, by proposing a European intervention initiative aimed at developing a shared strategic culture.
To create this convergence, we need deep-rooted change. I thus propose to our partners that we host in our national armed forces – and I am opening this initiative in the French forces – service members from all European countries desiring to participate, as far upstream as possible, in our operational anticipation, intelligence, planning and support. At the beginning of the next decade, Europe needs to establish a common intervention force, a common defence budget and a common doctrine for action.

Und dazu dann die Aussagen der Kanzlerin im FAZ-Interview:

Frage: Sie haben Sicherheit als weitere Priorität genannt. Präsident Macron will außerhalb der EU-Strukturen eine Interventionstruppe für anspruchsvolle Auslandseinsätze aufbauen. Im Koalitionsvertrag steht dazu nichts. Was antworten Sie ihm?
Merkel: Ich stehe Präsident Macrons Vorschlag einer Interventionsinitiative positiv gegenüber. Eine solche Interventionstruppe mit einer gemeinsamen militärstrategischen Kultur muss aber in die Struktur der verteidigungspolitischen Zusammenarbeit eingepasst sein. Die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verteidigung ist sehr wichtig. (…) Die muss dann durch gemeinsames strategisches Handeln im Einsatz ergänzt werden. Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im EU-Rahmen und eine gemeinsame militärstrategische Kultur in Europa gehören für mich daher eng zusammen. Wir können ja eine solche Initiative für ein Land wie Großbritannien zusätzlich öffnen.

Das ist schon ein etwas anderer Schwerpunkt. Macron hatte ja in seiner Rede die strukturierte europäische Zusammenarbeit genannt – und dann betont, dass seine Initiative darüber hinausgehe. Für Merkel ist dagegen offensichtlich PESCO die Grundlage, die durch gemeinsames strategisches Handeln im Einsatz ergänzt werden kann. Mir scheint, da passt mehr als ein Blatt Papier zwischen.

Das Gleiche gilt für die von Frankreich angestrebte Zusammenarbeit mit Großbritannien in der Interventionsinitiative, auch wenn nach dem Brexit dieses Land nicht mehr zur EU gehört. Denn die französische Sicht wirkt, pardon und sehr vereinfacht gesagt, ein bisschen so: Mit den Briten gerne zusammen, weil sie wie wir zu Interventionen bereit sind, mit den Deutschen gerne zusammen, weil sie die wirtschaftliche Power haben. Dagegen ist Merkels Aussage Wir können ja eine solche Initiative für ein Land wie Großbritannien zusätzlich öffnen schon sehr zurückhaltend.

Ähnlich, nun, differenziert sieht die Kanzlerin die Frage der Finanzierung:

An wie viel Personal denken Sie? Wie viel darf die Sache kosten?
Jetzt geht es erst einmal um die Grundsatzentscheidung.
Im deutschen Verteidigungshaushalt ist dafür nichts eingeplant. Was nutzt eine Interventionsinitiative, wenn die Bundeswehr dafür gar nicht ausgerüstet ist?
Es gibt für die Zusammenarbeit im europäischen Rahmen einen Verteidigungsfonds. Der könnte auch für solche Einsätze genutzt werden.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sich Macron das so vorgestellt hat.

(Archivbild: Handshake zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel  und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei dessen Antrittsbesuch in Berlin am 15.05.2017 – Florian Gaertner/ photothek.net)