Europäische Interventionsinitiative: Deutschland tritt Macrons Idee bei (Neufassung, mit LoI)
Am Rande des Treffens der Außen- und Verteidigungsminister der EU haben die Chefs der Wehrressorts aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Portugal und Spanien am (heutigen) Montag in Brüssel Luxemburg die Absichtserklärung für eine Europäische Interventionsinitiative unterzeichnet. Das hatte sich ja eine Weile verzögert, formal aus dem Grund, dass in Spanien eine neue Regierung abgewartet werden musste. Die Unterzeichnung teilte das deutsche Ministerium (zunächst) nur recht kurz in einem Satz auf seiner Webseite mit.
Diese Absicht, eine gemeinsame strategische Kultur zu erreichen und bis zum Beginn des kommenden Jahrzehnts (das ist in zwei Jahren!) eine gemeinsame Interventionsstreitmacht (so die Formulierung in der ursprünglichen Idee des französischen Präsidenten Emmanuel Macron; die genaue Bedeutung dürfte auch noch Definitionssache sein) zu schaffen, ist aus mindestens zwei Gründen bedeutsam: Zum einen läuft sie außerhalb der EU-Strukturen und erlaubt damit die Mitarbeit Großbritanniens, das ja bald nicht mehr EU-Mitglied sein wird (und übrigens auch Dänemarks, das als EU-Mitglied die gemeinsamen Verteidigungsbemühungen der Union nicht mitmacht).
Und zum anderen lässt sich damit Deutschland nicht nur auf den hierzulande verpönten Begriff Intervention ein, sondern akzeptiert auch vorsichtig, dass es europäische Verteidigungsanstrengungen eben außerhalb der EU-Mechanismen im Verteidigungsbereich, der so genannten ständigen strukturierten Zusammenarbeit (nach dem englischen Begriff PESCO genannt) geben wird.
Die Absichtserklärung, der Letter of Intent, ist allerdings so gefasst, dass zunächst jeder beteiligte Staat seine Interpretation einbringen kann:
EI2 is a flexible, non-binding forum of European participating states which are able and willing to engage their military capabilities and forces when and where necessary to protect European security interests, without prejudice to the chosen institutional framework (the EU, NATO, the UN or ad hoc coalitions).
The ultimate objective of EI2 is to develop a shared strategic culture, which will enhance our ability, as European states, to carry out military missions and operations under the framework of the EU, NATO, the UN and/or ad hoc coalition. Intensifying and deepening contacts between EI2 participating states will facilitate future military engagements, which remain fully subject to sovereign national decisions in accordance with each state’s respective constitutional processes.
In particular, EI2 will enable better links and closer cooperation between the armed forces of European states that are willing and able to carry out international military missions and operations, throughout the spectrum of crises.
Die komplette Absichtserklärung hier:
LETTER OF INTENT CONCERNING THE DEVELOPMENT OF THE EUROPEAN INTERVENTION INITIATIVE (EI2)
Aus deutscher Sicht ist dieses non-binding forum eng verbunden mit der europäischen Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte noch Anfang Juni den engen Zusammenhang dieser Interventionsinititiave mit PESCO betont:
Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im EU-Rahmen und eine gemeinsame militärstrategische Kultur in Europa gehören für mich daher eng zusammen. Wir können ja eine solche Initiative für ein Land wie Großbritannien zusätzlich öffnen.
Und in der gemeinsamen Erklärung nach dem deutsch-französischen Ministerrat in Meseberg am 19. Juni dieses Jahres heißt es dazu:
Im Lichte dessen haben Frankreich und Deutschland heute in Meseberg beschlossen: (…)
– zu unterstreichen, wie wichtig es ist, die Herausbildung einer gemeinsamen strategischen Kultur durch die Europäische Interventionsinitiative weiterzuentwickeln, die so eng wie möglich mit der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit verknüpft wird.
Die Initiative hatte Macron in seiner Sorbonne-Rede im September vergangenen Jahres angestoßen:
What Europe, Defence Europe, lacks most today is a common strategic culture. Our inability to work together convincingly undermines our credibility as Europeans. We do not have the same cultures, be they parliamentary, historical or political, or the same sensitivities. And that cannot be changed in one day. But I propose trying, straight away, to build that common culture, by proposing a European intervention initiative aimed at developing a shared strategic culture.
To create this convergence, we need deep-rooted change. I thus propose to our partners that we host in our national armed forces – and I am opening this initiative in the French forces – service members from all European countries desiring to participate, as far upstream as possible, in our operational anticipation, intelligence, planning and support. At the beginning of the next decade, Europe needs to establish a common intervention force, a common defence budget and a common doctrine for action.
Ein bisschen mehr Einordnung dieser Europäischen Interventionsinitiative von Claudia Major und Christian Mölling bei der DGAP:
Warum mitmachen für Deutschland die richtige Entscheidung ist
Wer die Unterzeichnungszeremonie gerne anschauen möchte:
(Archivbild Oktober 2012: The Principle Warfare Officer of HMS Illustrious (left) is pictured working with a French naval officer on loan to the Royal Navy in the ship’s operations room – Dean Nixon/Royal Navy/Crown Copyright under MoD News License)
*Polemik
Deutschlands Beitrag zur Entwicklung einer gemeinsamen strategischen Kultur besteht dann vermutlich aus:
– Zentrum Innere Führung
– Think Tank der Führungsakademie
– Das Amt des Wehrbeauftragten des deutschen Bundestages
– Die Monstranz der Parlamentsarmee
-regelmäßig stattfindende gemeinsame Sitzungen der Verteidigungsauschüsse der nationalen Parlamente
… und wenn richtig All-In gehen wollen auch noch eine Wanderausstellung „Wozu Streitkräfte?“
pi
Mit Verlaub, aber was bitte hat die IBUK denn da geraucht? „Gemeinsame strategische Kultur“? Hierzulande traut sich ja nicht mal einer das Thema Militär auch nur offen und ehrlich anzusprechen, alles ist in verharmlosende Relativierungen und Wortakrobatik verpackt und da möchte Frau von der Leyen die ganz dicken Bretter bohren? Wo die Gesellschaft in Mehrheit ihr nicht mal den Bohrer dazu reichen würde?
Dieser unglaublich legere Umgang mit Absichtserklärungen und Ankündigungen auf internationalem Parkett wird langsam nicht mehr nur peinlich sondern schon geradezu ärgerlich. Man möchte ihr am liebsten zurufen endlich mal daheim den Mund aufzumachen und nicht nur wohlfeile und politisch korrekt ausformulierte Reden zu schwingen. Irgendwann wird ihr das Delta zwischen Großspurigkeit und heimischen Realitäten mal um die Ohren fliegen.
Das sicherheitspolitische Heft des Handelns befindet sich eineindeutig im Élysée.
Macron ist Ideen- und Taktgeber, der Rest, unter Berliner Führung, zottelt zaudernd hinterher. Sein Ziel der Entwicklung einer europäischen strategischen Kultur erfordert zumindest eine strategische Vorstellung beim deutschen Partner.
Da in der Bundesregierung offenbar außer „wir sind die Softpower“ keine SiPo-Ambition abgebildet ist, war es ein Leichtes für Macron diese Lücke zu besetzen.
Die schon 2017 auf den Weg gebrachte Europäische Inteventionsinitiative (EI2) erlebte aus Berlin bislang nur Verzögerungsgefechte. Ein aktuell gewünschtes Verbindungskommando im Pariser „joint staf for operations“, ggf aus bereits vorhandenem Personal, werden wir hinkriegen.
Macrons Ehrgeiz ist ein handlungsfähiges Format außerhalb der EU-Bürokratie, aktuelle und künftige Nicht-EU-Mitglieder, bzw bei GASP nicht Beteiligte, sind zur Teilhabe aufgefordert im Rahmen der „able and willing“ (klingt bekannt). Dies eröffnet die weitere Einbindung der Briten, die Paris allein als ebenbürtigen operativen Partner anerkennt.
Die Operationsfähigkeit jenseits von PESCO, CARD und EVF soll abgedeckt werden.
Mali als Modell zeigt Afrika im Zentrum der FRA Absichten, was angesichts der NATO-Beschränkung auf den nördlichen Wendekreis und der permanenten Terrorbedrohung aus Sahel und dem Magreb absolut Sinn macht.
Dass Macron auf sofortige Interventionsfähigkeit (noch) verzichtet hilft dem zögerlichen deutschen Partner. (Halb zog sie ihn, halb sank er hin – und ward nicht mehr gesehn; hoffentlich geht’s in Berlin nicht wie in Goethes Ballade zu, denn, nur das Tandem Paris-Berlin wird in gewünschtem Maße leistungsfähig sein können).
Das Sekretariat ist französisch besetzt und in Paris.
Da werden dann ja stets die erwünschten Themen weiterverfolgt werden.
Interessant ist der Formulierung „support of operations“.
Paris wird über EI2 noch stärker als bisher mehr europäische Partner für Barkhane zu bekommen.
Das ist dann auch wirklich eine Frage der politischen und strategischen Kultur in Europa.
Ist Deutschland bereit für eine Beteiligung an dieser europäischen „Operation Enduring Freedom“ – und dann auch mit kinetischen Fähigkeiten, entsprechenden Einsatzregeln, einsatzbereitem Material, voll ausgebildetem Personal und entsprechender Führung?
@KPK: +1*
@politisch inkorrekt
„Deutschlands Beitrag zur Entwicklung einer gemeinsamen strategischen Kultur besteht dann vermutlich aus:“
Wiso Polemik? Das sind Teile der Erfahrung und Schlussfolgerung, dass Krieg in Europa und unmenschlicher Umgang mit freien Bürgern von vorgestern ist und bleibt.
Wenn DE das beitragen könnte und die anderen Partner ihre Stärken, dann wäre es evtl erfolgreich.
Aber was wird geschehen? Alle fallen in alte Muster zurück und glauben dass das Militär so effektiv wie das von FR und GB werden muss, welche ja immer bewiesen hatten wie man zum Wohle der Bürger agiert.
@politisch inkorrekt
Sie könnten ja glatt so verstanden werden, dass die Bundeswehr doch besser da stünde, wenn sie auf das Zentrum Innere Führung, den Think Tank der Führungsakademie, das Amt des Wehrbeauftragten des deutschen Bundestages, die Betonung der Parlamentsarmee
und auf regelmäßig stattfindende gemeinsame Sitzungen der Verteidigungsauschüsse der nationalen Parlamente verzichten würde. Polemik soll ja auch erhellend sein, aber wenn Sie das alles für überflüssig halten, ist die Bundeswehr das dann auch und wir kehren gleich zum Muster der Streitkräfte früherer deutscher Staaten zurück?
Frankreich und Großbritanien haben ja bereits jemeinsame Erfahrungen bei der Europäischen Interventionsiniative.
Sie haben ja den Regime Change Feldzug, aka Luftkrieg über Libyen ein Jahr vorher in einem großen Manöver in Südfrankreich und über dem Mittelmeer geübt.
Was hat dieser Regime Change Luftkrieg gebracht ?
Eine afrikanische Flüchtlingswelle durch Libyen, jede Menge tote Migranten im Mittelmeer, eine Ausweitung des IS nach Bengasi, einen Anschlag auf die amerikanische Botschaft in Bengasi usw.
Sollten so die Vorbilder für die europäische Interventionsinitiative aussehen ?
Regime Change Operationen zugunsten französischer und englischer Ölkonzerne und die daraus resultierende Flüchtlingsproblematik soll dann hauptsächlich Deutschland ausbaden ?
Vielleicht sollte man bevor man Stabilisierungs- und Kampfmissionen in Afrika als gemeinsames europäische Initiative betreibt erst mal eine fundamentale Aufgabe jedes Staates, bzw. einer Staatengemeinschaft wie der EU sicherstellen:
Die wirkungsvolle Sicherung der Aussengrenzen !
Bis dahin sollte man auf militärische Abenteuer in Afrika verzichten und die Kräfte für die naheliegende und die systemimmanente Aufgabe eines jeden Staates konzentrieren.
@Zimdarsen
Europäische Aussöhnung und Frieden sind das wichtigste und wertvollste Gut des europäischen Einigungsprozesses. Sie haben aber Null Relevanz für die französische Initiative. Es geht um Unterstützung bei BARKHANE, wie Memoria bereits richtig sagte.
@TW
Nein. Tatsächlich glaube ich, dass viele Teile davon wertvolle Dienste für die Bundeswehr und Deutschland als Ganzes leisten.
… aber daran haben unsere Verbündeten bei dieser Initiative sicherlich kein Interesse. Es geht um einsatzbereite Zünd tatsächlich abrufbare militärische Kräfte.
Meine Aufzählung ist aus deutscher Sicht vermutlich realistisch. Er wird aber für Enttäuschung und Kopfschütteln bei unseren Nachbarn führen.
pi
@TW Man kann all diese Sachen doch wertschätzen und trotzdem darüber polemisieren, dass der deutsche Beitrag wahrscheinlich darin bestehen wird, den anderen Partnern unsere selbstzugeschriebene moralische Überlegenheit hinzureiben und damit die Abwesenheit substanzieller Kapazitäten zu entschuldigen.
Mal von der praktischen Unmöglichkeit (in Deutschland) abgesehen, hier irgendetwas bedeutungsvolles beizutragen: Ich vermisse hier die außenpolitische Komponente. Strategische Kultur, europäische Sicherheitsinteressen, schön und gut. Aber hat Herr Macron drüber nachgedacht, worin diese Sicherheitsinteressen genau bestehen? Oder sagen wir einfach: Jeder sucht sich seine – wörtlich – Interessensgebiete raus und guckt wer mitmarschiert?
@Felix
„(…), den anderen Partnern unsere selbstzugeschriebene moralische Überlegenheit hinzureiben und damit die Abwesenheit substanzieller Kapazitäten zu entschuldigen.“
100% Zustimmung.
Frankreich versucht seine konkreten nationalen Interessen zu sichern, auch durch Militär. Deutschlands Interessen sind auch klar beschrieben, diese liegen in einem gemeinsamen Europa. D.h. wir machen einfach mal überall mit. (Wie die Kanzlerin so redet – „einfach“ mal mitmachen).
@politisch inkorrekt
Es kann sein, dass es schon auch um die Unterstützung der Operation „BARKHANE“ geht (Das macht die Bw schon jetzt), jedoch geht es eher um eine strategisch, langfristige Entscheidung.
Es ist nicht wichtig wie ein Projekt beginnt, sondern wie es sich langfristig gestaltet und ob es trägt.
Die Europäer haben nicht viele Möglichkeit um zu bestehen und irgendwann muss man irgendwie beginnen. Dass jeder mit seiner Kultur und Priorisierung startet ist doch selbstverständlich. Der Rest ist ein Prozess.
P.S.: Wie viele Einsätze hat der Parlamentsvorbehalt verhindert?
Wie lange hat es gedauert von der Regierungsentscheidung an Counter Daesh teilzunehmen bis zu Verlegung und Einsatz der Tornados?
Ein Gremium oder Mensch muss immer entscheiden und bei uns ist es das Parlament und das ist gut so.
@Felix
Klar, die Sicherheitsinteressen sind doch klar. Es ist alles außer die Eroberung fremder Länder und Unterdrückung von Völkern (Im Gegensatz zu früher). Beim defensiven Einsatz von Streitkräften ergibt sich das strategische Interesse aus der Bedrohung und dem Schutz der Bürger, Handel und Territorium.
Ja, es geht um die Schnittmenge, denn für den Rest ist jeder wohl zu schwach. Denn wer keine Partner findet macht es in Zukunft nicht allein, sondern gar nicht.
PI: großartig, trifft nämlich des Pudels Kern. Bitter ist nur, dass ich angesichts diverser „strategischer“ Ankündigungen der VDL nur weiter das Gefühl habe, sie vermarktet sich Richtung Nato oder EU GS… In eigener Sache ist sie ja brillant, ueberzeugung für die Sache kann ich bei ihr nicht feststellen.
Ich verstehe nicht ganz, warum der Trend der letzten 30 Jahre nicht anerkannt wird. Ist ja nicht so, als ob sich das nicht fortsetzen würde. Der zunehmende Fokus auf Out-of-Area, Stabilisierungs- zuletzt auch kampfbetonte Einsätze zur Stabilisierung der internationalen Ordnung/Handelswege, bzw. Unterstützung von Koalitionen der Williigen wie über Syrien, da bewegt sich Deutschland doch deutlich auf die europäischen Partner und eine „gemeinsame strategische Kultur“ zu. Klar sind wir noch nicht da, aber die oft hervorgehobene Afghanistan-Connection dürfte kulturell jetzt nicht völlig auf einem anderen Stern sein.
Dass das Pendel gerade wieder in Richtung Bündnisverteidigung ausschlägt, soll ja dem interventionistischen Ansatz nicht schaden, in Bezug auf Ausrüstung dürfte es sich ja sogar positiv auswirken.
Selbst wenn man all dem kritisch gegenübersteht, sollte man es zur Kenntnis nehmen.
@pi und TW
Die „Monstranz der Parlamentsarmee“ ist schon hart an der Grenze nicht nur vom politisch korrekten. Das geht deutlich über „ich wollte mal drauf hinweisen, dass die anderen nicht drauf scharf sind“ hinaus. Gedanklich steht man mit dieser Herabwürdigung eines wesentlichen Werteankers meiner Meinung nach schon deutlich jenseits der Grenzen des Grundgesetzes. Inhaltlich das was @Zimdarsen sagt.
@Zimdarsen
Naja, aber das ist noch keine hinreichende Klarheit. Mit Regime Change-Interventionen sind wir hoffentlich durch, selbst Frankreich und GB werden das wohl nicht mehr unbedingt machen wollen. Aber wer weiß? Man kann Streitkräfte auf verschiedene Arten einsetzen. Es gab zB die Forderung europäische Streitkräfte an Stelle der Amerikaner in die Kurdengebiete Syriens zu schicken, einfach als Schutz und als Signal an Assad „Bis hierher und nicht weiter“, um künftige Fluchtwellen aus der Region zu verhindern. Das ist klar in unserem Interesse. Aber man braucht eine bestimmte Vorstellung (eben „strategische Kultur“) von der Art wie Streitkräfte eingesetzt werden, um sowas zu machen. Man müsste akzeptieren, dass Muskelspiele Teil der Außenpolitik sind. Und es gibt so viele ungeklärte außenpolitische Fragen. Iran, Israel, Türkei, Saudi Arabien … alles kandidaten gegenüber denen man sich positionieren muss (und zu ihren Entanglements mit RUS und USA).
Aber vielleicht (genau wie dieser komische dt-frz Hybrid-Panzer) ist es einfach ein Anfang. Ein Raum zum Experimentieren und sich Verständigen, und vielleicht entsteht so tatsächlich ein gemeinsames Verständnis. Gerade weil die Realität von Militäreinsätzen weniger geduldig ist als Papier.
Was ich wirklich wirklich gut finde, ist, dass das Ding explizit handlungsorientiert und nicht strukturorientiert ist (danke fürs Durchsetzen, Macron). Erst kommt der Handlungswunsch, dann die Suche nach dem passenden institutionellen Rahmen. Das ist für die regelverliebten Deutschen schwer (und uns erstmal mitziehen lassen ist wohl das vernünftigste was wir tun können). Aber für eine Welt, in der Regeln massenhaft umgeworfen und neu geschrieben werden, ist es die lange vermisste Selbstermächtigung der Europäer.
@ Felix
Zitat: „Aber für eine Welt, in der Regeln massenhaft umgeworfen und neu geschrieben werden, ist es die lange vermisste Selbstermächtigung der Europäer.“
Also nicht mehr Beschluss des UN-Sicherheitsrates als Grundlage für einen deutschen Streitkräfteeinsatz ?
@ Georg
„Also nicht mehr Beschluss des UN-Sicherheitsrates als Grundlage für einen deutschen Streitkräfteeinsatz“
Die Frage ist doch wie lange Europa und Deutschland seine vitalen Sicherheitsinteressen noch vom Plazet oder Veto seitens Putin,Xi, und Trump abhängig machen möchten?
Der Sicherheitsrat und die VN in Toto sind nur so gut wie die Summe ihrer Teile.
Wenn sich die Gewichte dort signifikant entgegen europäischer Interessen verschieben muss man überlegen ob die Selbstbindung an eine Zustimmung dieser Staaten noch haltbar ist.
Siehe ähnliche Debatte zum UN Menschenrechtsrat und.
(Mit r2p und den diversen unwilling/unable tatbeständden läuft diese Debatte ja auch schon)
@ Zimdarsen | 26. Juni 2018 – 8:10
„P.S.: Wie viele Einsätze hat der Parlamentsvorbehalt verhindert?
Wie lange hat es gedauert von der Regierungsentscheidung an Counter Daesh teilzunehmen bis zu Verlegung und Einsatz der Tornados?
Ein Gremium oder Mensch muss immer entscheiden und bei uns ist es das Parlament und das ist gut so.“
+1
Erstaunlich, dass jetzt sogar wieder von Parlamentariern (Roderich Kiesewetter) der Parlamentsvorbehalt in Frage gestellt wird. Und das obwohl sogar die Möglichkeit der nachträglichen Zustimmung zu einem Einsatz besteht.
Scheinbar ist der Parlamentsvorbehalt unwichtig genug, dass er abgeschafft werden kann.
(OT: Wo bleibt der Parlamentarier, der bei Beschaffungen die Anhebung der 25Mio-Grenze auf 100 Mio fordert, um Prozesse zu beschleunigen?)
Georg | 26. Juni 2018 – 12:49
„Also nicht mehr Beschluss des UN-Sicherheitsrates als Grundlage für einen deutschen Streitkräfteeinsatz ?“
Diese Frage sollte in der Tat ernsthaft und offen gestellt werden.
Diverse Szenarien (u.a. Balkan, Syrien) zeigen jedenfalls recht deutlich auf, dass der UN-Sicherheitsrat kein wirklich handlungsfähiges Gremium ist dank der Vetomächte und wir Europäer im Fall des Falls eher nicht davon ausgehen dürfen, dass wir einen Beschluss erhalten, der uns eine Durchsetzung unserer sicherheitspolitischen Interessen ermöglicht. Mit Blick auf die Zukunft: Wäre es denn z.B. in chinesischem oder russischen (und neuerdings wohl auch amerikanischem) Interesse, wenn europäische Staaten umfangreich in Afrika intervenierten mit dem Ziel, die sogenannte Flüchtlingskrise in den Griff zu kriegen?
Ich möchte die Relevanz der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrats aus Überzeugung eigentlich gar nicht infrage stellen, aber die tagtäglich durchgeführte weltpolitische Praxis auch solcher Nationen wie USA, Russland und China macht das von ganz allein, und dies wirft die Frage auf, wie „wir Europäer“ vor dem Hintergrund unserer eigenen Sicherheitsinteressen zukünftig damit umgehen können.
@Felix
Sie haben Recht, nur entscheidend ist nicht was man alles machen könnte (Einsatz von Streitkräften) sondern was hat Aussicht auf Erfolg (im Sinn von Frieden/Freiheit, nicht Geschäft) und das muss weiterentwickelt werden.
Neben den hierbei diskutierten berechtigten Grundsatzfragen wird aber früher oder später in den Mittelpunkt rücken was Deutschland bereit ist politisch mitzumachen (Kampfeinsatz) und was militärisch möglich ist (Einsatzbereitschaft).
Allein über die letzten Tage wurde erneut offenbar, dass bei allen milOrgBer eine Verbesserung nicht absehbar ist.
Der Marine fehlen nun auch die Tanker, der Luftwaffe fehlen weiter Ersatzteile, das Heer verschiebt weiter Material hin und her. Die SKB hofft auf Unterstützung aus der Wirtschaft.
Die sicherheitspolitische Lage und Dynamik wird also die Absichtserklärung Recht bald einholen. Dann wird es erneut interessant, da konkrete Entscheidungen getroffen werden müssen
Denn in Paris hat man deutlich weniger Interesse an Konzepten, Stabsgesprächen und Konferenzen als Selbstzweck als in Berlin.
Auch das ist ein wesentlicher Teil des kulturellen Unterschiedes.
Ob jemand noch ins Grundgesetz sieht – wann dürfen wir denn? Erinnert man sich an die „kausale Affinität“, unter der uns in den frühen 90ern für „Auslandseinsätze“ – hier entsprechend: für nicht von UN, NATO, EU oder OSZE mandatierte Interventionen – beinahe sogar das Denken verboten worden wäre?
Dass UvdL da mitmacht, ist nur logisch.
Nachedem die NATO auch nicht mehr so solidarisch ist und die USA sich als Garantie- und Schutzmacht zurückziehen wollen, ist es nur folgerichtig, sich an jedem militärischen „Bündnis“ zu beteiligen bzw. irgendwie dabei zu sein.
Leider habe ich mittlerweile das Gefühl, dass die Rolle Deutschlands die ist, die auch der „gute Kumpel mit den zwei linken Händen“ beim Umzug einnimmt:
Er ist zwar gerne dabei, aber wenn er zupackt, ist das wie, wenn 2 Leute loslassen.
Welche Fähigkeiten hat Deutschland denn noch, die wirklich militärisch nachgefragt werden (können)?
Die Marine ist de facto kaum seetüchtig, die Logistik schafft es nicht mal die eigenen Truppen von A nach B zu bringen und das San-Wesen ist nur noch für den hinteren Raum zu gebrauchen, denn CSAR-Fähigkeiten haben wir ja auch noch nicht.
Die KSK scheint ihre Sache gut zu machen, denn von der hört man sehr wenig…..
Also welchen Sinn haben diese „Initiativen“ für Deutschland und die Partner?
Wird auch hier im Forum wirklich an die vollmundigen europäischen Interessen geglaubt ?
Wird auch an die politischen Ziele geglaubt ?
Was haben wir denn auf der Haben-Seite nach ISAF/RSM oder KFOR/IFOR/SFOR ???
Die politische Vorgabe wird immer so allgemein gehalten, daß es nahezu jeden Weg zu beschreiten gibt … auch so von der UN …
Bleiben wir doch gerne bei Punkt 1) : was sind denn die europäischen Interessen ? Wer hat das mit wem vereinbart ?
Oder man erkläre mir das bitte am Beispiel Afghanistan oder Mali, ich lerne gerne dazu und höre auch gerne zu …
Hier ist ja schon wieder „ganz schön Stimmung in der Bude“…
Nun ja, muss auch mal sein:
@csThor: Vielen Dank für Ihr Eingangsstatement, trifft m.E.n sehr deutlich den Kern des Problems, in dessen Zusammenhang sich auch andere Wortmeldungen subsumieren lassen.
Damit @TW, hier vor allem aber explizit @sanjäger: Wesenskern auch der aktuellen deutschen Streitkräfte sollte doch in erster Linie sein, zum Kampfe in allen Intensitätsspektren befähigt zu sein, hence: Krieg führen zu können. Und ja, unter Einbeziehung von ZInFü, Parlamentsvorbehalt und von mir aus auch Gender. Aber bitte: Kernkompetenz ist die Befähigung zum Kampf. Dafür halt ich mir als Staat doch eine Armee, dafür ist sie aufgestellt, das ist das, was in der Verfassung steht, denn das ist mit Verteidigung gemeint. Und das geht nicht ohne gebotene Robustheit in Struktur, Wort und Tat.
Abgesehen davon halte ich es für schlechten Stil, jemandem zu unterstellen, er würde sich mit einer gezielt provokanten Bemerkung schon außerhalb der FDGO bewegen. Sollte hier keiner nötig haben, und so sehr ich den Parlamentsvorbehalt im Grundsatz für richtig halte, so sehr bezweifle ich seinen hier unterstellten Verfassungsrang.
Georg | 26. Juni 2018 – 12:49
„Also nicht mehr Beschluss des UN-Sicherheitsrates als Grundlage für einen deutschen Streitkräfteeinsatz ?“
Ganz böse Frage….
Man muss sich eventuell mal wieder in Erinnerung rufen, was der ursprüngliche Zweck des Sicherheitsrates war: er sollte den ganz großen Atomkrieg zwischen den damaligen Großmächten verhindern. Und immerhin, das hat er bis jetzt tatsächlich geschafft. Was ja nicht zu unterschätzen ist. Bei der Aufgabe, den weltweiten Kleinkram einzuhegen, versagt er allerdings weitgehend.
Im übrigen kommt mir D im Moment vor, wie ein Fußballspieler, der verblüfft feststellt, dass seine Kollegen nach und nach anfangen, während des Spieles auf andere Sportarten zu wechseln: Rugby, Football oder gar Ultimate Fighting. Staunend sieht er einem gegnerischen Spieler hinterher, der sich den Ball unter den Arm geklemmt hat und sich den Weg in Richtung Tor freiboxt. Frage jetzt: wird unser braver Fußballer vom Rest der Welt als ein leuchtendes Vorbild angesehen? Oder doch eher als jemand, der nicht rechtzeitig den Knall gehört hat? Spannende Zeiten….
@Sagittarius
Die Kernkompetenz ist unstrittig und die Ausstattung, zumindest hier im Blog, größtenteils auch. Strittig ist, wann und wofür man sie dann einsetzt.
@f28
Es ist ja nicht gerade so, dass es bisher keine nicht-UN-Interventionen gab oder dass diese Länder grundsätzlich dafür geächtet wurden. Innere Konflikte werden (theoretisch) nicht vom Sicherheitsrat behandelt. Einladungen von jeweiligen Regierungen erlauben Einsätze außerhalb von Resolutionen. Europa ist sogar überrepräsentiert. Das Grundgesetz wird durch die Initiative nicht außer Kraft gesetzt.
Ich denke nicht, dass wir dadurch tiefer als bisher in Interventionen gezogen werden.
Nicht mit dieser Luftwaffe, da erwartet Macron sicher zurecht Leistung.
Der neue InspLw GenLt Ingo Gerhartz zeichnet ein düsteres Bild der Einsatzbereitschaft seiner Kampfflugzeuge und Hubschrauber.
„Die Luftwaffe befindet sich an einem Tiefpunkt“, sagte er knapp einen Monat nach der Amtsübernahme am Mittwochabend in Berlin.
Kritik übte er auch an der Rüstungsindustrie. „Flugzeuge stehen wegen fehlender Ersatzteile oder sind gar nicht erst vor Ort, da sie zur Inspektion bei der Industrie sind.“ Eigentlich solle die Inspektion eines Eurofighter-Kampfflugzeuge nach 400 Flugstunden sieben Monate dauern. „Sie dauert aber derzeit circa 14 Monate, also doppelt so lange. Das ist nicht akzeptabel.“
FAZ.net
[Bisschen viel für ein Zitat. Zudem für ein nicht gekennzeichnetes. Habe es mal gekürzt. T.W.]