Deutscher Exportstopp für die Saudis: Großbritannien warnt Deutschland vor Folgen (Nachtrag 20.2.)
In ungewöhnlich deutlicher Form hat die britische Regierung Deutschland aufgefordert, den deutschen Exportstopp für Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien dort auszusetzen, wo er Exporte Großbritanniens einschränke. Das deutsche Vorgehen verringere nicht nur den europäischen Einfluss auf das arabische Königreich, sondern gefährde auch die britische wie die europäische Verteidigungsindustrie, schrieb der britische Außenminister Jeremy Hunt an seinen deutschen Kollegen Heiko Maas. Deutschland erweise sich zudem als unzuverlässiger Partner in gemeinsamen Rüstungsprojekten.
Das Schreiben vom 7. Februar, über das zuerst Spiegel Online berichtet hatte, liegt Augen geradeaus! vor. Wenige Tage vor einem Besuch Hunts in Berlin in dieser Woche mahnte der Brite den deutschen Ressortchef, es sei zwingend erforderlich, dass die Bundesregierung große gemeinsame europäische Rüstungsprojekte von dem Exportverbot ausnehme – allein schon deswegen, weil alle Staaten bei solchen Gemeinschaftsprojekten Verpflichtungen eingegangen seien, die nicht einseitig aufgehoben werden könnten. Darüber hinaus sei eine unbeabsichtigte Folge, dass auch andere europäische Staaten bestimmte Waffensysteme wie den Luft-Luft-Lenkflugkörper Meteor vorerst nicht erhalten könnten.
Als Reaktion auf die Ermordung des saudischen Journalisten und Regimekritikers Jamal Kashoggi im Konsulat seines Landes in Istanbul im vergangenen Jahr hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oktober den Stopp von Rüstungslieferungen an das arabische Land angekündigt. Bereits vorher hatte sich die Koalition darauf verständigt, keine Waffen und Rüstungsgüter an Länder zu liefern, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Dieses Lieferverbot wurde nach dem Kashoggi-Mord auch auf bereits genehmigte Exporte ausgeweitet.
Der Streit mit Großbritannien hatte sich deswegen bereits abgezeichnet, weil das britische Unternehmen BAe Systems die Lieferung weiterer 48 Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter für rund neun Milliarden Pfund vereinbart hatte. Die Beschwerde des britischen Außenministers geht jedoch weit über dieses Problem hinaus.
Wesentliche Passagen aus Hunts Brief:
As you know, I attended the Stockholm talks on Yemen. (…) It is a critical time. I am therefore deeply concerned that your freeze on defence exports to Saudi Arabia will adversely impact our ability to influence key figures during the next few months in the cause of peace. I see a real risk that Saudi Arabia may turn to Russian or Chinese supplies in future, depriving us of influence on Saudi International Humanitarian Law compliance.
I am also deeply concerned by the impact the German government’s decision is having on the supply chains of both UK and European defence industry, and may ultimately have on Europe’s ability to fulfil its NATO commitments. (…)
It is imperative that you exclude major European defence projects, such as Eurofighter Typhoon and Panavia Tornado from the freeze on arms exports, for three reasons. First: these are significant, high profile multinational projects to which you have committed your Government politically, in Memoranda of Understanding (MOU) between the European Partner Nations. I appreciate that these are arguably not, formally speaking, „treaties“. But the use of MoUs in this context is a matter of pure form, driven by the need to keep the arrangements confidential. The form does not at all detract from the seriousness and constraint of your and our commitments to each other, and our mutual reliance on them, set out in these documents. Second: there is a wider point. If Germany is seeking to develop future defence capabilities with European partners in the future, the freeze on exports to Saudi Arabia will create a damaging lack of confidence in Germany’s reliability as a partner and willingness to export jointly to third countries. And third, there must be a risk of litigation and associated legal liability arising from the impact of your actions on the European commercial operators affected. It is surely in all our interests to avoid that.
I understand one unintended consequence of the freeze is the impact in the delivery of Meteor Air-to-Air missiles to European Partner Nations. This is because Saudi Arabia is one of the destinations on the overall license, but the German government has frozen the license. My UK Defence Ministry counterpart told me the deliveries of 260 missiles to the Royal Air Force are delayed as well as to France, Spain, Italy and Sweden. As this is now an operational missile, such delays can have operational consequences, including, potentially, our readiness to fulfil NATO commitments at a time of increasing scrutiny of Allies’s resolve. (…)
I understand seven German suppliers have valid licenses but are not shipping to Saudi Arabia; the freeze is costing German defence suppliers €2.3bn over the next seven years.
Nachtrag: Zu diesem Thema eine interessante Einschätzung der Washington Post:
The far more consequential question is which approach will prevail: Germany’s responsiveness to human rights criticism — or the more lucrative alternative pursued by Britain, France and others.
Nachtrag 20. Februar: Das Thema kam auch in der Bundespressekonferenz zur Sprache; die Sprecherin des Auswärtigen Amtes wollte dabei noch nicht einmal die Existenz des Briefes bestätigen. Außer ihr dazu noch die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer und Tanja Alemany vom Bundeswirtschaftsministerium:
Frage: Mir geht es um die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Das Thema wurde jetzt ein bisschen kontrovers diskutiert, auch mit Großbritannien, siehe den Hunt-Brief. Vielleicht könnten uns das Wirtschaftsministerium und das Außenministerium sagen, wie es mit dem Waffenembargo gegen Saudi-Arabien weitergehen soll und ob, wie es die Briten fordern, Gemeinschaftsprojekte davon ausgenommen werden sollen.
Alemany: Die Haltung der Bundesregierung ist klar, und dazu gibt es auch keinen neuen Stand. Sprich, derzeit ist keine Basis für weitere Genehmigungen gegeben.
Adebahr: Was eine mögliche Kommunikation zwischen dem britischen Außenminister und dem deutschen angeht, so besprechen wir solche vertraulichen Kommunikationen nicht hier in der Bundespressekonferenz. Außenminister Hunt kommt um drei Uhr zu Herrn Maas. Sicherlich werden dabei viele Fragen besprochen. Womöglich wird es auch um das Thema europäischer Rüstungsexporte gehen.
Zusatzfrage: Frau Adebahr, die Forderung, Gemeinschaftsprojekte auszunehmen, wurde ja sehr offen erhoben. Dieser Brief ist jetzt weitgehend offen. Verhalten Sie sich dazu nicht irgendwie?
Adebahr: Den Brief, wenn er denn existieren würde, würde ich von hier aus nicht kommentieren. Es bleibt ja trotzdem eine vertrauliche Kommunikation zwischen zwei Außenministern.
Frage: Unter anderem die Grünen fordern, den Vertrag über die künftige deutsch-französische Zusammenarbeit im Rüstungsbereich offenzulegen. Können Sie das tun?
SRSin Demmer: Dazu hat Herr Seibert am Montag schon gesagt, dass es derzeit gar kein Geheimpapier gibt, sondern dass derzeit an einem Papier gearbeitet wird, in dem eine förmliche Vereinbarung mit den Franzosen getroffen wird. Das ist ein Prozess, der jetzt in Gang gekommen ist, den Herr Seibert schon erklärt hat. Da gibt es kein Geheimnis und auch nichts offenzulegen.
Zusatzfrage: Werden wir das Papier einsehen können, nachdem der Prozess abgeschlossen ist und das Papier existiert?
SRSin Demmer: Es wird an einer gemeinsamen Vereinbarung gearbeitet. Diese wird dann natürlich transparent sein.
… und aus einer Meldung nach dem Treffen von Maas und Hunt in Berlin (gezielt zu diesem Thema habe ich das nur bei Politico Europe gefunden):
The German government will not resume arms sales to Saudi Arabia despite British diplomatic pressure to do so, Foreign Minister Heiko Maas told his British counterpart Wednesday.
„The attitude of the federal government is that we are not supplying arms to Saudi Arabia currently. We will take future decisions dependent on developments in the Yemen conflict,“ Maas said while hosting the U.K.’s Jeremy Hunt.
(Archivbild 2014: Eurofighter Typhoon der Royal Air Force über Litauen – Cpl Neil Bryden RAF/UK MOD/Crown Copyright/Open Government License)
@Zimdarsen | 24. Februar 2019 – 10:41
„und noch ist Deutschland souverän.“
Stimmt. Aber Souveränität bedeutet nicht, dass man keine rechtlichen und/oder politischen Verpflichtungen eingegangen ist. Souveränität bedeutet auch nicht, dass man keine (außen-/sicherheits-/wirtschafts-)politische Verantwortung hat. Souveränität bedeutet auch nicht, dass keine wechselseitigen Abhänigigkeiten bestehen.
Die Houthis im Yemen haben aktuell eine von Saudi-Arabien eingesetzte Drohne deutscher Produktion präsentiert; also den Beweis, daß von Deutschland an Saudi-Arabien geliefertes Militärmaterial tatsächlich im Yemen-Krieg eingesetzt wird.
Das wäre doch wohl nach deutschem Verständnis ein hinreichender Grund, weitere Waffenexporte bzw. Zulieferungen für Waffenexporte nach Saudi-Arabien zu unterbinden, oder?
[Den Hinweis auf diese Drohne gab es vor ca. einer Woche, es wurden Fotos einer Luna präsentiert. Allerdings ist bislang ziemlich unklar, wie die dahin gekommen ist. Ein Merkposten also auf jeden Fall, ob das in dem von Ihnen geschilderten Sinne ausreicht, muss mal geklärt werden… T.W.]
@Koffer
Ja, so ist es und die Priorisierung und Einbindung in unsere Politik obliegt der Regierung.
Deutsches und europäisches Rüstungsmaterial wird im Jemen eingesetzt und wenn unsere Regierung feststellt, dass dies gegen Vereinbarungen verstößt, dann muss die Regierung handeln.
@Zimdarsen | 28. Februar 2019 – 9:25
„Deutsches und europäisches Rüstungsmaterial wird im Jemen eingesetzt und wenn unsere Regierung feststellt, dass dies gegen Vereinbarungen verstößt, dann muss die Regierung handeln.“
Stimmt. Aber was gegen Vereinbarungen an einer Stelle verstößt, dass kann an anderer Stelle Vereinbarungen einhalten.
Außen- und Sicherheitspolitik arbeitet halt in der vielschichtigen und komplexen, realen Welt.
DEU Verlässlichkeit im Rahmen von Rüstungsprojekten ist halt auch vereinbart…