Großbritannien und Deutschland vereinbaren engere militärische Zusammenarbeit – der nächste Stolperstein ist schon in Sicht

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr britischer Kollege Gavin Williamson haben am (heutigen) Freitag eine Vereinbarung zur engeren militärischen Kooperation beider Länder unterzeichnet. Das so genannte Joint Vision Statement sieht in allen Bereichen des Militärs, aber auch in der Rüstung ein engeres Zusammengehen vor.

In dem Dokument wird zwar der Brexit, das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU, nicht erwähnt – aber die deutsch-britische Erklärung reiht sich ein in mehrere bilaterale verteidigungspolitische Abkommen, die das Vereinigte Königreich derzeit mit anderen europäischen Ländern anstrebt oder abschließt. Allerdings zeichnet sich im deutsch-britischen Zusammengehen bereits ein Problem ab: In der Frage der Rüstungsexporte.

Aus dem Joint Vision Statement, das Leyen und Williamson auf dem Gelände des britischen Truppenübungsplatzes Sennelager in Nordrhein-Westfalen unterzeichneten, der auch nach dem weitgehenden Abzug britischer Truppen aus Deutschland als Übungsgebiet für die britische Armee dienen soll:

Germany and the UK face similar challenges. We resolve to work together, wherever possible, to address them. NATO remains the cornerstone of European security. We will continue to strengthen the European pillar of NATO, contribute to European security and enhance Europe’s resilience against all security threats. We already contribute to the Global Counter-Daesh Coalition and to multi-national military operations that promote international stability and the security of our citizens at home. Other important areas where we will work to achieve more include: tackling terrorist threats and the dangers posed by radicalisation and extremism; and capacity building missions and training outside of Europe.
To succeed, we will need to enhance the effectiveness and interoperability of our Armed Forces, building on our long-standing history of successful collaboration in delivering military capabilities. In future we will further energise cooperation in the maritime, land, air and cyber sectors. We will also drive cooperation in developing innovative solutions to our future capability needs to maximise interoperability, reduce acquisition and support costs, leverage commonality where appropriate and avoid duplication. This will require a collaborative, robust and competitive defence industrial sector.

Die beiden Minister besichtigten dabei auch ein Beispiel praktischer Zusammenarbeit der Soldaten beider Länder: In Minden sind deutsche und britische Pioniereinheiten mit M3-Amphibienfahrzeugen stationiert, die in einer gemeinsamen Einheit  für die NATO Schwimmbrücken zur Überquerung von Gewässern bereitstellen. Die Einheit ist allerdings schon jetzt stark gefordert, weil sie die einzige Fähigkeit dieser Art der Allianz in Europa bereitstellt.

Was sich in den offiziellen Aussagen bei der Unterzeichnung in Minden nicht wiederfindet, ist ein absehbares Problem, das Deutschland und Großbritannien in absehbarer Zeit beim Rüstungsexport haben dürften. Gemeinsam mit Spanien und Italien betreiben die beiden Länder das Eurofighter-Programm, dass für alle vier Nationen diese Kampfflugzeuge bereitstellt. Dabei ist vereinbart, dass jede beteiligte Nation für den Export in bestimmte Regionen eigenverantwortlich ist – so liefern zum Beispiel die Italiener diese Jets an Kuwait.

Großbritannien ist für den Verkauf von Eurofightern an Saudi-Arabien zuständig und hat dem Königreich bereits in der Vergangenheit solche Kampfjets geliefert. Und hier zeichnet sich ein Problem mit der deutschen Rüstungsexportpolitik ab: Zum einen, weil für diese Jets die Lieferung von Ersatzteilen ansteht. Und zum anderen, weil die Briten im März mit den Saudis die Lieferung weiterer 48 Eurofighter vereinbart haben, wie unter anderem aus einer Pflichtmitteilung des britischen Rüstungskonzern und Eurofighter-Partner BAe Systems an die Londoner Börse hervorgeht (dazu gab es auch eine Meldung des Informationsdienstes Jane’s).

Nun hat aber die Berliner Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass keine Rüstungsgüter an Staaten geliefert werden sollen, die am Jemen-Krieg beteiligt sind – und Saudi-Arabien steht da an erster Stelle. Schon die kürzlich genehmigte Lieferung von Artillerieradaren an die Saudis sorgte für Protest. Eine Zustimmung zur Lieferung von neuen Eurofightern an Saudi-Arabien, deren Teile unter anderem aus Deutschland stammen und die deshalb vom Bundesicherheitsrat genehmigt werden müssen, dürfte diesen Protest noch verschärfen – und auf der anderen Seite können sich die Briten darauf berufen, dass die Vereinbarungen für das Eurofighter-Programm jedem Land da freie Hand lassen.

Der Ärger ist programmiert.

(Foto: von der Leyen und ihr britischer Kollege Gavin Williamson nach der Unterzeichnung des gemeinsamen „Joint Vision Statement“ in Sennelager – Army Sgt Jonathan Lee van Zyl/UK MOD/Crown Copyright/MOD News License)