Suche nach G36-Nachfolger: Dauert ein bisschen länger

Die Bundeswehr muss vermutlich länger als geplant auf eine neue Standardwaffe als Ersatz für das seit mehr als 20 Jahren genutzte Sturmgewehr G36 des Schwarzwälder Herstellers Heckler&Koch warten. Bei der Erprobung der bislang von der Industrie angebotenen neuen Sturmgewehre seien die Forderungen an eine neue Waffe nicht erfüllt worden, berichtet die Welt am Sonntag (WamS) unter Berufung auf ein Schreiben aus dem Bundesamt für Beschaffung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) an das Verteidigungsministerium. Die Beschaffung neuer Gewehre verzögere sich deshab um rund acht Monate.

Den Auftrag für ein System Sturmgewehr als G36-Nachfolger mit 120.000 Gewehren hatte das BAAINBw im April 2017 europaweit ausgeschrieben. Grund dafür war die Entscheidung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, nach Bekanntwerden von Treffproblemen mit der bisherigen Standardwaffe ein neues System zu beschaffen. Im September vergangenen Jahres wurden die Hersteller zu konkreten Angeboten aufgefordert, danach begannen die Erprobungen.

Aus der Vorabmeldung der WamS:

Eine Vergleichserprobung habe ergeben, „dass keines der angebotenen Produkte alle durch den öffentlichen Auftraggeber zwingend geforderten Leistungen erfüllt“, heißt es in einem vertraulichen Schreiben des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) an das Verteidigungsministerium.(…)
Im September 2017 wurden Rüstungsunternehmen aufgefordert, Angebote abzugeben. Im Februar 2018 endete die Angebotsfrist. Seitdem wurden sogenannte „vorvertragliche Vergleichserprobungen“ der angebotenen Gewehre durchgeführt. Dabei „stellte sich wider Erwarten heraus, dass die Erfüllung einzelner Muss-Forderungen durch die vorgestellten Sturmgewehre nicht erbracht werden konnte“, heißt es nun im Schreiben des Beschaffungsamtes. Den Unternehmen wurde eine Frist bis zum 15. Februar 2019 eingeräumt, um die Mängel zu beseitigen. Anschließend müssen die Gewehre erneut geprüft werden. Dadurch verzögere sich „das Projekt um etwa acht Monate“, teilt die Behörde mit.

Bislang ist nicht offiziell bekannt, welche Unternehmen der Bundeswehr neue Sturmgewehre angeboten haben. Als sicher gilt, dass Heckler&Koch mit einer Waffe beteiligt ist. Die beiden anderen deutschen Unternehmen, die zunächst Interesse an dieser Ausschreibung hatten, zogen ihre Angebote wieder zurück: Sowohl SigSauer als auch Rheinmetall in Zusammenarbeit mit der österreichischen Firma Steyr Mannlicher verzichteten auf eine Beteiligung. Unklar bleibt, wie viele ausländische Unternehmen mit Sturmgewehren beteiligt sind.

Darüber hinaus scheint auch die alte Grundsatzdiskussion über das Kaliber der künftigen Standardwaffe der Bundeswehr wieder aufzubrechen. In der Ausschreibung wurde offen gelassen, ob das künftige Sturmgewehr wie das G36 im NATO-Standardkaliber 5,56 Millimeter oder aber wie das – vor dem G36 genutzte – Sturmgewehr G3 mit dem Kaliber 7,62 Millimeter beschafft werden soll. Laut WamS wurden bislang ausschließlich Waffen mit dem kleineren Kaliber angeboten:

Darüber hinaus bezweifelt der Bundesrechnungshof, dass die in der Ausschreibung geforderte Durchschlagsleistung der Gewehre grundsätzlich den Anforderungen der Bundeswehr genügt. Die Rechnungsprüfer begründen ihre Zweifel mit einer „Studie des Heeres“ und „Forderungen“ der Streitkräftebasis, wie es im Schreiben des BAAINBw heißt. Die Unternehmen hätten ausschließlich Angebote für Gewehre mit dem Kaliber 5,56 Millimeter vorgelegt. Einige Teilstreitkräfte forderten dagegen eine zumindest teilweise Ausstattung mit dem größeren Kaliber 7,62 Millimeter. Dem Rechnungshof sei zugesichert worden, schreibt das Beschaffungsamt an das Ministerium, „mittels gesonderter Untersuchungen die Durchschlagsleistung zu verifizieren“, um die Bedenken auszuräumen. Die Ergebnisse sollen dann durch das Planungsamt der Bundeswehr bewertet werden. Bei einer negativen Bewertung „wäre das Vergabeverfahren abzubrechen“, heißt es weiter. Käme es soweit, müsste die Bundeswehr noch viele weitere Jahre auf ein neues Sturmgewehr warten.

Das Verteidigungsministerium wollte am Sonntag, wenig überraschend, zu dem Bericht des Blattes grundsätzlich nicht Stellung nehmen. Ein Ministeriumssprecher erklärte lediglich:

Die Bundeswehr beabsichtigt das Sturmgewehr G36 durch eine neue Waffe zu ersetzen. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens ist die Einsatzfähigkeit des Sturmgewehrs G36 uneingeschränkt sichergestellt.
Ich bitte um Verständnis, dass aufgrund des Umstandes, dass es sich hier um ein laufendes Vergabeverfahren handelt, keine weiteren Auskünfte zum Vorgang erteilt werden können.

(Foto: Fallschirmjäger mit G36 bei der Übung „Schneller Adler“ im September 2018 auf dem Übungsplatz Lehnin südlich von Berlin)