Keine Überraschung: Zunehmende Warnung vor Konfrontation mit Russland (m. Nachtrag)

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Der Kommandeur der US-Armee in Europa, Ben Hodges, und der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, haben sich an diesem Wochenende in recht düsteren Worten zum Verhältnis zu Russland geäußert – und die Gefahr einer militärischen Eskalation nicht ausgeschlossen. Vor allem Hodges‘ Interview in der Londoner Times hat zu alarmierten Schlagzeilen in Deutschland geführt. Dabei, das sollte nicht übersehen werden, sind die Aussagen des Generalleutnants inzwischen nicht wirklich überraschend, denn das hat er schon mehrfach auch deutlich gesagt. (Erlers Äußerungen scheinen mir dagegen härter als zuvor, siehe unten).

Zur Erinnerung einige Aussagen von Hodges Anfang des Monats:

Rotational forces, including heavy armored and aviation brigades, in addition to the storage of massive amounts of equipment at strategic sites, will be a big emphasis next year to help America and its European allies keep Russia at bay, according to the general who oversees the U.S. Army’s mission in Europe.

„This is all about deterrence,“ said Lt. Gen. Ben Hodges, commander of U.S Army Europe, during the Association of U.S. Army’s annual meeting and exposition, Oct. 3.
„To deter, you have to have real capability and demonstrate the will to use that capability,“ he said. „And part of that will is demonstrated by the money that the Army is spending and bringing over rotational forces to help us do our job.“
With signals of a recent shift in strategy from assurance to deterrence to stem Russian aggression, the Army plans to send the 3rd Armored Brigade Combat Team, 4th Infantry Division, to Europe in mid-January for a nine-month rotation, while the 10th Mountain Division’s Combat Aviation Brigade is also expected to head over in March to bolster the Army’s presence. (…)
Preparing for the worst, the Army will also look into stockpiling static equipment in Germany, Netherlands and Belgium over the next three-plus years to have a contingency to equip Soldiers responding to a crisis.
„It’s going to go into storage,“ Hodges said of the equipment, being left by other rotational units. „We’re going to have all that equipment stored in those places.“
Due to the outcome of July’s NATO summit in Warsaw, Poland, the Army will also have an enhanced forward presence as part of a multinational effort to strengthen the defenses of Estonia, Latvia, Lithuania and Poland. About 800 cavalrymen from 2nd Squadron, 2nd Cavalry Regiment, out of Vilseck, Germany, will move into northeast Poland early next year for six months before being replaced by the regiment’s 3rd Squadron for another six-month rotation, according to the general.
„All of those forces are intended to be able to slow down or stop a potential (Russian) incursion,“ Hodges said.(…)
„We’re working hard to re-establish the necessary level of capability to ensure deterrence,“ he continued. „We haven’t lost it, but we are having to rebuild some of that to make it more relevant.“
With only about 30,000 Soldiers in Europe to counter Russia’s actions today compared to roughly 300,000 against the Soviet Union in the Cold War days, Hodges said that the additions next year will allow his region to be more prepared.

Bereits seit einiger Zeit arbeiten die US-Streitkräfte daran, (wieder) schweres Gerät in Europa vorauszustationieren. Im April 2013 waren die letzten amerikanischen Kampfpanzer aus Europa abgezogen worden, aber schon Anfang 2015 hatte Hodges die Rückkehr dieser Gefechtsfahrzeuge angekündigt. Und im März dieses Jahres wurde offiziell die US-Absicht erklärt, eine rotierende Kampfbrigade nach Osteuropa zu schicken – noch vor dem Beschluss des NATO-Gipfels im Juli, nach dem mehrere Bündnispartner, darunter auch Deutschland, rotierend je ein Kampfbataillon in die baltischen Länder und nach Polen entsenden.

Wenn Hodges‘ Äußerungen sich mit dem decken, was der General als Einschätzung einer Bedrohung durch Russland vor allem für Estland, Lettland und Litauen schon lange sagt – sieht das beim SPD-Politiker Erler anders aus. Seine Aussagen am (heutigen) Sonntag im ZDF halte ich für ein wenig Besorgnis erregender:

„Wir haben eine tiefe Entfremdung zwischen Russland und dem Westen und das wird immer gefährlicher“, sagt Erler der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. In den USA werde momentan ernsthaft ein militärisches Eingreifen in den Syrienkonflikt diskutiert. Zeitgleich betone Russland, Luftabwehrkräfte in die syrischen Kampfgebiete verlegt zu haben. „Dann ist völlig klar, was das heißt: Wir können einen militärischen Zusammenstoß zwischen den Vereinigten Staaten und der Russischen Föderation nicht mehr ausschließen.“
An diesem Punkt sei man inzwischen tatsächlich angekommen. Für die verfahrene Lage machte Erler insbesondere eine russische Doppelstrategie verantwortlich. Einerseits signalisiere Moskau Gesprächsbereitschaft, andererseits fliege man Luftangriffe in Syrien. „Das widerspricht sich total“, so Erler. Das mache Russland als Partner geradezu unberechenbar. „Russland nimmt keine Rücksicht mehr.“ Moskau ziehe die eigenen politischen Strategien, die auf Konfrontation gerichtet seien, durch.

Dass die USA schon längst mit der Vorausstationierung ihres Materials im Osten des Bündnisgebiets begonnen haben, ist hierzulande allerdings nur recht wenig wahrgenommen worden. Diese Vorausstationierung wird auch Orte in Deutschland betreffen. Zum Beispiel Dülmen in Westfalen.

Nachtrag: Die oben zitierten Aussagen Erlers wurden vom ZDF zwar auf der Webseite veröffentlicht, wurden aber in der heutigen Sendung von Berlin direkt nicht ausgestrahlt.

(Foto: Armored equipment from the European Activity Set is staged in a motor pool at Tapa Training Area, Estonia September 20, 2016. – U.S. Army/Staff Sgt. Syreetta Watts)