US-Panzer in den Osten: Mehr Präsenz für die Abschreckung, kein neues Kräfteverhältnis

A United States Army Abrams M1A2 Main Battle Tank leads the charge during a battle demonstration along with two Lithuanian Land Forces M113 Armored Personnel Carriers during the final day of Saber Strike 2015 at the Great Lithuanian Hetman Jonusas Radvila Training Regiment, June 18, 2015. Saber Strike is a long-standing U.S. Army Europe-led cooperative training exercise. This year’s exercise objectives facilitate cooperation amongst the U.S., Estonia, Latvia, Lithuania, and Poland to improve joint operational capability in a range of missions as well as preparing the participating nations and units to support multinational contingency operations. There are more than 6,000 participants from 13 different nations. (U.S. Army Photo by Sgt. James Avery, 16th Mobile Public Affairs Detachment)

Mit meiner Meldung am (gestrigen) Mittwoch über die geplante Truppenaufstockung der USA im Osten Europas war ich wohl etwas zu früh – die deutsche (mediale) Aufmerksamkeit für den Plan, eine zusätzliche Panzerbrigade durch die osteuropäischen NATO-Mitgliedsländer zu schicken, hat das Thema erst heute erreicht. Deshalb noch mal im Überblick, einschließlich eines Blicks auf die russische Seite:

• Die USA gaben am Mittwoch bekannt, dass ab Februar eine Panzerbrigade der US-Armee rotierend auf Übungen vor allem in Osteuropa geschickt werden soll. Damit erhöhen die US-Streitkräfte ihre ständige Heerespräsenz in Europa auf drei Kampfbrigaden – bereits jetzt ist ein Brigade Combat Team mit Stryker-Schützenpanzern in Bayern und eine Infanteriebrigade in Italien stationiert. Zusätzlich wird schwere Ausrüstung bis hin zum Kampfpanzer in Europa vorausstationiert – voraussichtlich ein großer Teil auch in Deutschland.

• Die Erläuterungen aus dem US-Europakommando sind eine Präzisierung vorangegangener Ankündigungen, aber nichts grundsätzlich Neues. Nachdem 2013 die letzten US-Kampfpanzer aus Europa abgezogen worden waren, hatte der Befehlshaber der U.S. Army Europe, Generalleutnant Ben Hodges, schon vor gut einem Jahr die Rückkehr dieser Gefechtsfahrzeuge nach Europa angekündigt – und übrigens bereits damals schon die Absicht, eine Panzerbrigade durch Osteuropa rotieren zu lassen. In den vergangenen Monaten hatten die USA zudem erklärt, sie wollten ihre militärische Präsenz in Europa vor allem zur Unterstützung der osteuropäischen NATO-Partner in der so genannten European Reassurance Initiative verstärken. Dafür beantragte das Pentagon für den nächsten Verteidigungshaushalt eine Vervierfachung der entsprechenden Mittel auf 3,4 Milliarden US-Dollar.

• Auch wenn die USA ihre Aufstockung mit dem aggressiven Verhalten Russlands begründen – zumindest formal halten sie sich an die so genannte NATO-Russland-Grundakte, die Vereinbarung zwischen der Allianz und Russland aus dem Jahr 1997. Die sieht unter anderem vor, dass die NATO darauf verzichtet, substanzielle Kampftruppen in den osteuropäischen Mitgliedsländern zu stationieren. Die zusätzliche Brigade soll deshalb nur rotierend auf Übungen dorthin geschickt werden. Allerdings ist wohl auch die Vorausstationierung von Gerät und Material dort vorgesehen – nicht anders als bei der NATO selbst, die in allen osteuropäischen Bündnisländern so genannte NATO Force Integration Units (NFIUs) eingerichtet hat, die den gleichen Zweck haben: Material vorhalten und organisatorisch Vorsorge zu treffen für eine schnelle Verstärkung mit Truppen aus anderen Ländern der Allianz.

• Russland reagierte zwar auf die gestrige Ankündigung mit harschen Worten, der russische NATO-Botschafter Alexander Gruschko kündigte eine asymmetrische Antwort an:

„We are not passive observers, we consistently take all the military measures we consider necessary in order to counterbalance this reinforced presence that is not justified by anything,“ the official said. „Certainly, we’ll respond totally asymmetrically.“
Das wiederum dürfte die Befürchtungen vor allem in den baltischen Ländern verstärken – unter einer asymmetrischen Antwort verstehen die Staaten an der Ostflanke der NATO Mittel der aus der Ukraine bekannten hybriden Kriegsführung. Also grüne Männchen, Soldaten ohne klare Kennzeichnung ihrer Zugehörigkeit, die die Stabilität eines Landes unterminieren sollen.
• Die US-Ankündigung dürfte allerdings für Russland nicht überraschend gekommens ein (siehe die vorherigen US-Aussagen oben), zudem hatte auch die Regierung in Moskau selbst schon eine Aufrüstung an ihrer Westgrenze seit Monaten angekündigt. Im Januar hatte Verteidigungsminister Sergei Schoigu von drei nach Westen orientierten Divisionen gesprochen, die in diesem Jahr aufgestellt werden sollten. Vor einer Woche erneuerte Schoigu diese Ankündigung: Das sei angesichts der NATO-Aufrüstung an den Grenzen Russlands unumgänglich.
• Ob die zusätzliche US-Brigade eine massive Aufrüstung in Europa ist, ist natürlich eine Frage des jeweiligen Standpunktes. Aus Sicht der baltischen Länder und Polens sind knapp 4.500 Soldaten mit wohl bis zu 250 Kampfpanzern, die rotierend an der Ostflanke unterwegs sind, viel zu wenig – Polen hatte mehrfach deutlich gemacht, dass es allein im eigenen Land eine solche Brigade dauerhaft stationiert sehen wolle. Aus russischer Sicht, siehe oben, wird das zwar als Aufrüstung gesehen. Allerdings ist die Zahl der zusätzlichen US-Truppen kein wirkliches Gegengewicht gegen die Fähigkeiten der russischen Streitkräfte, die bei einem Manöver auch schon mal innerhalb weniger Tage 20.000 oder mehr Soldaten bewegen können (wofür die NATO bislang einen ziemlichen Vorlauf braucht).
• Unterm Strich: Die gesteigerte US-Präsenz ist ein politischer Akt, der signalisieren soll, dass die USA sehr wohl an der Ostflanke der NATO vertreten sind und damit den Abschreckungswillen deutlich machen. Außerdem geht damit einher, dass die US-Truppen jeweils modernes Gerät mitbringen (und dann zum Teil auch in Europa belassen). Die grundsätzlichen Kräfteverhältnisse ändert das kaum – von den Zeiten des Kalten Krieges, als allein die US-Streitkräfte mit mehr als 300.000 Soldaten in Europa präsent waren, ist das weit entfernt. Derzeit ist es etwa ein Zehntel davon, und daran wird auch die zusätzliche Brigade so viel nicht ändern.
• Was bei dem Blick auf die Panzerbrigade bislang unbeachtet blieb: Planmäßig verstärken die USA zum 1. April auch ihre Luftstreitkräfte in Europa – wie bisher mit rotierenden Theater Support Packages; aktuell in den Niederlanden und in Island:
Twelve F-15C Eagles and approximately 350 Airmen and support equipment from the 131st Fighter Squadron, Barnes Air National Guard Base, Massachusetts, and the 194th Fighter Squadron, Fresno Air National Guard Base, California, will deploy to the European theater beginning April 1, 2016.
The arrival of these F-15s marks the latest iteration of a Theater Security Package to come to the European theater in support of Operation Atlantic Resolve.
Units will conduct training alongside NATO allies and partners as part of OAR to strengthen interoperability, demonstrate the U.S. commitment to a Europe that is whole, free, at peace, secure, and prosperous and to deter further Russian aggression.
Upon arrival in Europe, the F-15s will head to two separate locations to simultaneously support the NATO air surveillance mission in Iceland and conduct flying training at Leeuwarden Air Base, Netherlands.
During their six months in theater, the TSP will also forward deploy to other NATO and partner nations to include Bulgaria, Estonia and Romania.

(Foto: A United States Army Abrams M1A2 Main Battle Tank leads the charge during a battle demonstration along with two Lithuanian Land Forces M113 Armored Personnel Carriers during the final day of Saber Strike 2015 at the Great Lithuanian Hetman Jonusas Radvila Training Regiment, June 18, 2015 – U.S. Army Photo by Sgt. James Avery, 16th Mobile Public Affairs Detachment)