‚Werra‘ stoppt mit Warnschüssen verdächtiges Boot vor Libyen
Die Besatzung des Tenders Werra im EU-Einsatz im Mittelmeer hat vor der Küste Libyens ein verdächtiges Boot mit Warnschüssen gestoppt. Das Schlauchboot hatte sich am (heutigen) Freitagvormittag schnell dem deutschen Kriegsschiff genähert, bestätigte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr Informationen von Augen geradeaus!. Erst nach mehreren Schüssen mit Signal- und Schallmessmunition und vor allem nach Aufforderung über Lautsprecher habe das verdächtige Boot angehalten. An Bord waren laut Bundeswehr drei Personen, die nach eigenen Angaben vor Kämpfen in der libyschen Küstenstadt Sabrata nach Italien fliehen wollten. Sie wurden an Bord des Tenders genommen.
Der Vorfall ereignete sich neun Seemeilen außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer. Die Werra ist als Teil der EU-Mission Sophia, im Rahmen der European Naval Forces Mediterranean (EUNAVFOR MED) zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität und des Menschenschmuggels von Migranten aus Libyen nach Europa eingesetzt, faktisch auch zur Rettung von Flüchtlingen aus Seenot. Im Juli hatte ein finnisches Boardingteam, das auf dem deutschen Tender eingeschifft war, in der Region bereits mußtmaßliche Schleuser festgenommen.
Dass bei Annäherung verdächtiger Boote an ein Kriegsschiff Warnschüsse – und gegebenenfalls auch scharfe Schüsse – abgegeben werden, ist seit dem Anschlag auf den US-Zerstörer Cole im Jahr 2000 übliche Praxis. Die Besatzung der Werra habe sich gemäß der Vorschriften verhalten, sagte der Bundeswehrsprecher.
Der Hintergrund der an Bord genommenen Personen ist noch unklar; zunächst wird der Vorfall von EUNAVFOR MED als Seenotfall behandelt. Die Insassen des Bootes gaben laut Bundeswehr an, dass sie Probleme mit dem Außenbordmotor gehabt hätten. Allerdings ist es nicht nur ungewöhnlich, dass sich ein Schlauchboot mit Migranten auf dem Weg nach Europa schnell einem Kriegsschiff nähert und auch nach Warnschüssen zunächst nicht stoppt. Ebenso ungewöhnlich ist es, dass ein solches Boot nur mit drei Personen besetzt ist – üblicherweise sind diese Boote bis an die Kapazitätsgrenze gefüllt.
Nachtrag: Die Mitteilung der Bundeswehr vom Samstag dazu:
Operation Sophia: Tender Werra rettet drei Personen aus einem Schlauchboot
Berlin, 20.08.2016, Einstellzeit: 17.08 Uhr.
Am 19. August um 12.24 Mitteleuropäischer Sommerzeit entdeckte der Tender Werra circa 157 Kilometer nordwestlich von Tripolis (Libyen) ein Schlauchboot, das sich schnell annäherte. Auf dem Schlauchboot befanden sich drei Personen, die nach eigener Aussage vor Kämpfen in Libyen nach Italien fliehen wollten.
Das Schlauchboot näherte sich trotz Ausweichmanöver, Warnung über Funk und Warnschüssen mit Signal- und Schallmessmunition zuerst weiter an und konnte schließlich durch direkte Ansprache mit der Lautsprecheranlage zum Halten gebracht werden.
Auf dem Schlauchboot befanden sich drei Personen, die nach eigener Aussage vor Kämpfen in Libyen nach Italien fliehen wollten.
Nach Rücksprache mit dem Force Headquarter (FHQ) und dem Italian Maritime Rescue Coordination Center ROM (IMRCC) wurden die drei Personen und das Schlauchboot an Bord der Werra genommen.
Übergabe am Folgetag
Am 20. August um 7.58 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit verlegte die Werra auf Weisung des FHQ zu den Nichtregierungsorganisationsschiffen Astral und Aquarius, die sich 92 Kilometer nordwestlich von Tripolis (Libyen) befanden, um im Rahmen einer Seenotrettung zu unterstützen.
Dort zerstörte die Werra ein im Seegebiet treibendes leeres Schlauchboot, das als Hindernis für die Schifffahrt eingestuft wurde.
Die drei noch an Bord der Werra befindlichen Personen wurden auf Weisung des FHQ an das italienische Schiff Sirio übergeben.
Nach Abschluss aller Maßnahmen setzt die Werra ihren Patrouillenauftrag fort.
Seit dem 7. Mai 2015 haben Soldaten der Deutschen Marine im Zentralen Mittelmeer 17.543 Menschen aus Seenot gerettet.
(Archivbild: Die Werra vor Sizilien im Juli 2015)
@T.W:
Haben Sie eine Quelle von dem Vorfall mit der „Werra“ ? Oder hat das Einsatzführungskommando der Bundeswehr Sie darüber informiert?^^
TW hat bestimmt den Newsletter „Sofortmeldungen“ abonniert.
Nähern sich schnell, aber haben Probleme mit dem Außenborder? Seenot – überladen war das Boot ja wohl nicht,.
Und bis auf welche Entfernung darf man sich annähern, bis Wirkungsfeuer einsetzt? Waren die Waffenstationen besetzt? Wurde die WERRA „aufgerüstet“ (cal. 50, u.a.)?
Ich erwarte natürlich keine Antworten hier, aber das sind durchaus berechtigte Fragen.
@Thomas Melber
Ja, die Werra hat MG3, .50 und auch zwei MLG (zu finden am Bug, waren vorher mal 20mm handbedient bis zur Einführung MLG) im normalen Ausrüstungssoll. Also keine „Aufrüstung“.
Ich verstehe noch immer nicht warum
ein Tender dort auf „Schleuserjagd“ ist ? Ich dachte immer deren Auftrag sei Unterstützung bzw Versorgung ?
Entschuldigt meine Unwissenheit :-)
Waren wahrscheinlich Walfänger, der Kutter sieht irgendwie aus wie ein Blauwal. Den hätte ich auch nicht für ein „Kriegsschiff“ gehalten … .
@NMWC
Danke für die Info. Die MLG / 20mm wären wohl auch etwas überdimensioniert und vom Richtbereich (Höhe, negativ) eher nicht geeignet.
Frage: Kann man Signal – oder Schallmessmunition als Warnschuss werten – da spritzt nicht mal Wasser ? Aber gut.
Nach Warnschüssen nicht aufgestoppt ?
Dann haben die drei Insassen ja mal Glück gehabt, dass sie keinem „normalen“ Kriegsschiff zu nahe kamen.
Wie so etwas bei einem franz. oder US-amerikanischen Schiff ausgegangen wäre, ist uns wohl allen klar.
@Thoimas Melber
Zu dem MLG:
Kaliber 27 mm, Kadenz 1700 Schuss/min, Reichweite 2000 m
Schwenkbereich (wiki) −15° / + 60°
@Phillip Runge
Verstehe Ihre Frage nicht? Als Journalist habe ich bisweilen Informationen, die ich dann überprüfe/verifiziere; wie in diesem Fall. Und aufgrund der offiziellen Angaben des Einsatzführungskommandos habe ich dann diesen Beitrag geschrieben.
@mwk
Wenn ihnen das erste mal eine Schallmess vor dem Bug explodiert, dann merken sie, dass es besser als Warnschuss geeignet ist, als ein MG.
Die wird sogar im heimischen Revier eingesetzt gegen hartnäckige Segler, die eine Auffrischung bei dem Thema KVR brauchen.
@T.W. Alles gut…hat sich aufgeklärt ;) Habe die Info´s ebenfalls vom Einsatzführungskommando nachträglich erhalten !!
B.Z. Weiter machen !!! ;)
@ Brommy | 20. August 2016 – 17:28
Ich (ehemals Heer) kenne nur die Schallmesspatrone für die SigPi. Flog max. 30m weit bzw. hoch. Die kann doch wohl nicht gemeint sein. Was wurde da also „vor den Bug“ geschossen.
Hans Schommer
Nachtrag: Da gab es – meine ich zu erinnern – auch noch so eine Patrone, die man aus der Hand abgefeuert hat. Die reichte aber auch nicht viel weiter.
Hans Schommer
rebel4life | 19. August 2016 – 23:00:
„Waren wahrscheinlich Walfänger, der Kutter sieht irgendwie aus wie ein Blauwal. Den hätte ich auch nicht für ein “Kriegsschiff” gehalten … .“
Es gab mal eine Vorgängerklasse von Versorgungsschiffen. Die waren bewaffnet wie ein Zerstörer. Das war das esrte Schiff der Bundesmarine, das ich als Bub mit meinem Vater in Wilhelmshafen besichtigen durfte. Wir waren da in Horumersiel im Urlaub – das muss so um 1972 gewesen sein. Die hatten damals schon 105 ? mm drauf.
Hans Schommer
Habe bei Wiki was gefunden und muss mich korrigieren: Es gab mal Tender der Klasse 401, und die hatten Kanonen im Kaliber 100 mm.
Hans Schommer
Schallmess (Blitzknall) aus der ueblichen, doppellaeufigen Marine-Signalpistole verschossen fliegt ueber 100m weit. Und in einem Schlauchboot in dessen Feuer hinein zu fahren erfordert mehr als Mut – .
@ Hans Schommer | 20. August 2016 – 19:06
Klasse 401 (SBoot)hatte 1x 100mm und 4x 40mm als Ari,
Klasse 402 (Minensuch) gab es auch, kann mich nicht an die Ari erinnern.
Klasse 403 (Uboot) hatte 4x40mm Doppelafette
@ Hans Schommer: In der Tat, die Klasse 401 sieht schon mehr danach aus :-). Danke für den Hinweis!
@Brommy @Hans Schommer
Diese mit der SigPi verschossenen Knallkörper kamen mir eben auch in den Sinn. Sie wurden (werden?) bei den BeoBat der Artillerie zum Einstellen der Messgeräte eingesetzt? Sind vergleichbar mit einem etwas gtösseren Starenschreck bei den Weinbauern. Vielleicht sind bei der Marine andere Kaliber im Einsatz ;)
Die alten Tender sahen schon wegen sichtbaren Hauptbewaffnung fast aus wir eine Fregatte – die Werra mit ihren sichtbaren Containern und schwer auszumachenden Kanonen, ist da schon eher Richtung Frachter/Trawler.
@MikeMotto
So eindrucksvoll scheinen die Knallblitze ja nicht zu sein, da mehrere Schüsse nötig waren, doch erst die Lautsprecherdurchsage Wirkung zeigte
@MikeMolto
Soll das heißen, das Boot hat sich zunächst bis auf 100m (+) annähern können?
Man kann die Bundeswehrmeldung so verstehen, dass Personen „aus Seenot gerettet“ werden, die sich objektiv gar nicht in einer solchen Lage befinden. Daraus ergibt sich die Frage, ob es ggf. eine Weisung der Führung gibt, Personen ohne Vorliegen einer solchen Lage trotzdem entsprechend zu behandeln, denn wenn die Soldaten an Bord dies ohne eine solche Lage und ohne Weisung getan hätten, hätten sie ggf.u.a. eine Straftat nach § 96 Aufenthaltsgesetz begangen. Schon um deutsche Soldaten von einem entsprechenden Verdacht zu entlasten und Rechtssicherheit zu schaffen, würde ich mir hier Klarheit wünschen.
mwk | 20. August 2016 – 20:36
So eindrucksvoll scheinen die Knallblitze ja nicht zu sein
Oje, demnächst kommt noch einer und sagt: MG3 sei nicht eindrucksvoll, da mehrere Schüsse nötig seien …
@Rumorist:
Ein Schiff auf hoher See ist nicht Bundesgebiet.
@kato
Das rechtliche Problem wäre in diesem Fall eine Verbringung in den Schengenraum bzw. dass die Bundeswehr eine Einreise in den Schengenraum unter Umgehung des rechtlich vorgeschriebenen Ablaufs unterstützt hätte.
Das gleiche rechtliche Problem liegt übrigens auch bei den „Rettungseinsätzen“ vor, auch wenn diese sich stärker in der rechtlichen Grauzone bewegen und es noch keine Klage gibt. Wenn aber Strukturen der Organisierten Kriminalität gezielt solche Situationen schaffen, um Personen zur illegalen Einreise in den Schengenraum zu verhelfen, und die Bundeswehr diesen Ablauf unterstützt, ist das rechtlich doch sehr heikel und dürfte eines der Themen sein, dass die CSU ggf. noch aufgreifen könnte, wenn sie ihre angedrohte Klage noch einreichen sollte. Es wäre auch im Interesse der Soldaten hier rechtlich Klarheit zu schaffen.
Wenn jetzt die vor mehr als einem Jahr schon geführten Debatten hier noch mal geführt werden sollen, und zwar ab Null, dann grätsche ich rein, und zwar hart.
@T. Wiegold
Eine sehr befremdliche Diskussionskultur, die auf sachliche und begründete Bemerkungen mit Androhung eines „harten Reingrätschens“ reagiert. Ein etwas weniger aggressiver Ton hätte es m.E. auch getan.
@Rumorist
Eine weniger sinnlose Ankündigung, die Debatten der vergangenen zwölf Monate neu beginnen zu wollen, und das auch noch mit erkennbarem Ziel, hätte es auch getan. Es gibt Versuche, auf die ich nur hart reagieren kann.
@T.Wiegold | 22. August 2016 – 12:58
„die vor mehr als einem Jahr schon geführten Debatten “
Aber:
Rumorist | 20. August 2016 – 21:25
„Man kann die Bundeswehrmeldung so verstehen, dass Personen “aus Seenot gerettet” werden, die sich objektiv gar nicht in einer solchen Lage befinden. Daraus ergibt sich die Frage, ob es ggf. eine Weisung der Führung gib…“
Fragen um dieses Thema werden sich – zu Recht – immer wieder ergeben.
Die Rechtslage und damit auch die Debatte ist virulent ungeklärt und durchaus politisch.
Zweifellos kann hier keine Klärung erfolgen; der Hinweis darauf sollte jedoch möglich sein.
@ Thomas Melber | 20. August 2016 – 21:16
Mit dem ‚Schallmess‘ versucht man Aufmerksamkeit zu erregen und dies gelingt in der Regel auch auf doppelte Distanz der Flugbahn.
Wir haben in ‚alter‘ Zeit oefter mal zivile Einzelfahrer, die einem Mininsuchverband zu nahe kamen, auf ca 150m damit spontan zum Abdrehen bewogen.
Hier, im vorliegenden Falle, ist der Inhalt der Meldung zu duenn um Genaueres sagen zu koennen…
Herzlichen Glückwunsch zu dieser beeeindruckenden Waffentat.
Ein vermeintlicher Schlauchboot-Angriff mit immerhin drei Personen wurde abgewehrt wobei diese anschließend als Gäste an Bord willkommen geheißen wurden.
Wer das absurde an derlei Nachrichten nicht erspürt dem ist nicht mehr zu helfen.
@Mayer-Gronau
Zynismus können auch andere: Glückwunsch zur sicheren Einschätzung! Die div. Marinen sollten Sie als Berater engagieren, z.B. für den Umgang mit den Hinterbliebenen der 17 Toten beim Angriff auf die Cole.
(Damit dürfte dieser OT erledigt sein, oder?)