Der schwierige Verbündete Türkei
Deutschland und die Türkei sind zwar NATO-Partner, aber die Zusammenarbeit ist, nun, bisweilen doch ein wenig mit Friktionen behaftet. Das zeigte sich beim Einsatz der deutschen Patriot-Flugabwehrstaffeln im Süden des Landes, das scheint aber auch für die Kooperation beim Abzug, pardon: der Rückverlegung aus Afghanistan zu gelten…
Für diese Rückverlegung will die Bundeswehr im türkischen Schwarzmeerhafen Trabzon (Foto oben) ihre Hauptumschlagbasis errichten. Da gibt es bei den Absprachen Probleme, wie tagesschau.de berichtet:
Die Türkei will offenbar nicht zulassen, dass Waffen der Bundeswehr im Rahmen des Abzuges aus Afghanistan über einen Umschlagplatz auf türkischem Territorium umgeladen werden. Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios beharrt die türkische Regierung darauf, dass nur Container oder unbewaffnete Fahrzeuge über den Hafen Trabzon in der Nordtürkei abgewickelt werden dürfen. (…)
Die Modalitäten der Nutzung von Trabzon für den Rückzug aus Afghanistan sollen in einem Abkommen am 15. März festgeschrieben werden. Die türkische Seite soll nach ARD-Informationen von der Bundeswehr auch verlangt haben, dass die deutschen Logistik-Experten in Trabzon nur in ziviler Kleidung tätig werden dürfen. Diese Restriktion sei aber inzwischen vom Tisch, heißt es aus der Bundeswehr.
Auf Nachfrage betont das Verteidigungsministerium, das treffe so nicht zu: Es sei ohnehin nicht geplant gewesen, Waffen und anderes sicherheitssensibles Material über diesen Hafen zu transportieren. So sei klar, dass zum Beispiel die Dingos nach Trabzon geflogen würden – die zuvor abmontierte Waffenstation aber direkt auf dem Luftweg zurück nach Deutschland komme.
Ich habe daraufhin noch mal den Kollegen Christian Thiels, den Autor des Berichts auf tagesschau.de, gefragt – er bleibt dabei, dass nach seinen Informationen zunächst geplant gewesen sei, auch Waffen und Großgerät wie Schützenpanzer über Trabzon auszufliegen und erst an der Schwarzmeerküste auf ein Schiff mit Ziel Deutschland zu laden.
(Am Rande, weil bisher noch nicht gezeigt: In Trabzon gibt es nicht nur den Hafen, sondern, naheliegend, auch eine Airbase, über die das Material aus Masar-i-Scharif eingeflogen werden kann:
Bei dem anderen Problem, dem sich die Patriot-Einheiten gegenübersehen, sind jetzt Vermittlungsversuche im Gange. Unter anderem führte der stellvertretende Chef des Einsatzführungskommandos, Konteradmiral Rainer Brinkmann, Gespräche mit den Türken, wie Ministeriumssprecher Stefan Paris heute vor der Bundespressekonferenz mitteilte:
FRAGE: Zwei Fragen an Herrn Paris im Zusammenhang mit den Vorgängen in der Türkei, nachdem sich der Wehrbeauftragte heute erneut geäußert hat: Läuft mittlerweile eine Untersuchung der Vorgänge mit der Feldjägerin und dem türkischen General? In diesem Zusammenhang heißt es aus den türkischen Militärkreisen, es habe eine deutsche Entschuldigung für das Vorgehen der Feldjägerin gegeben. Stimmt das?
PARIS: Ich habe bereits am Montag, wenn ich mich recht erinnere, sehr ausführlich zu diesem Thema vorgetragen. Die Gespräche in der Türkei haben stattgefunden, sie finden statt und sie sind auf einem sehr positiven Wege. Es hat auch Gespräche bzw. ein klärendes Gespräch vor Ort zu dem Ereignis, das Sie angesprochen haben, gegeben. Ich gehe davon aus, dass wir jetzt die Probleme, die geschildert worden sind, durch die gute und lösungsorientierte Zusammenarbeit mit den Türken werden lösen können, sodass dann der Einsatz weiter fortgeführt werden kann. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.
ZUSATZFRAGE: Aber ich habe dazu noch etwas zu fragen, Herr Paris: Hat sich in diese Gespräche auch der Minister eingeschaltet? War in diese Gespräche auch die Feldjägerin involviert bzw. gab es ein Gespräch, an dem sie auch teilgenommen hat? Gibt es da eine neue Entwicklung?
PARIS: Ich kann Ihnen wirklich beim besten Willen gar nicht sagen weil ich es nicht weiß , auf welchen Ebenen vor Ort gesprochen worden ist. Es ist bei den Einsätzen üblicherweise so, dass der Kontingentführer der oberste Ansprechpartner ist. Es ist in dieser Woche auch so gewesen, dass der stellvertretende Leiter des Einsatzführungskommandos, Herr Admiral Brinkmann, noch einmal vor Ort gewesen ist. Er wird sich sicherlich auch noch einmal in die Gespräche eingebracht haben, sicherlich auch mit der türkischen Generalität. Der Minister selbst das wissen Sie ist diese Woche auf Reisen in Afghanistan und in Pakistan gewesen.
Im Übrigen das habe ich, glaube ich, auch am Montag zum Ausdruck gebracht ist es so, dass unsere Soldaten im Einsatz und auch die hier zuständigen Kräfte sehr eigenständig und eigenverantwortlich ihre Aufgaben wahrnehmen können und auch müssen. Diese Verantwortlichkeiten liegen vor Ort auch mit der türkischen Seite vor Ort und liegen hier in Deutschland klassischerweise beim Einsatzführungskommando.
ZUSATZFRAGE: Nun hätte es ja auch die Möglichkeit moderner Kommunikationsmittel also des Telefons oder wie auch immer für den Minister gegeben. Es gab also definitiv keine Äußerungen des Ministers oder kein Telefongespräch des Ministers mit seinem türkischen Amtskollegen?
Die zweite Frage ist auch offengeblieben: Eine Entschuldigung der deutschen Seite gegenüber den Türken gab es nicht, oder gab es sie?
PARIS: Es hat ein klärendes Gespräch in Bezug auf diesen Sachverhalt gegeben. Im Übrigen ist es nicht meine Aufgabe, alle Telefonate, die der Minister führt, hier auch öffentlich darzulegen. Ich habe Ihnen das gesagt, was ich zu dem Thema zu sagen habe.
(Foto oben: Archivbild September 2011 – Betramz via Wikimedia Commons unter CC-BY-SA-Lizenz; Foto Airbase: Archivbild Juni 2007 – Erkan Karakas via Wikimedia Commons unter GNU Free Documentation License)
also: an einem Ende will der afghanische Zoll für jedes Rohr gestempelte Papiere oder Bakschisch und am anderen Ende auch ??
Hm, alles nur ein Kulturproblem………….
„In diesem Zusammenhang heißt es aus den türkischen Militärkreisen, es habe eine deutsche Entschuldigung für das Vorgehen der Feldjägerin gegeben. Stimmt das?“
Das wäre ein starkes Stück, andererseits wie stichhaltig Informationen aus „türkischen Militärkreisen“ dann letztlich sind….
Interessieren würde mich, warum die Türkei keine deutschen „Waffen“ in Trabzon haben will. Bin mir jetzt nicht sicher, aber wird Trabzon nicht überwiegend von Kurden bewohnt? Ist das der Grund?
Also deutsche Waffen die von Afghanistan nach Deutschland verlegt werden dürfen nicht durch die Türkei. MANPADs, Panzer, Muniton und Jihadis dürfen aber von überall her durch die Türkei nach Syrien um mit Gewalt einen säkularen Staat in eine islamistisches Kalifat zu verwandeln. Man sollte sich das mit der NATO mit dieser Erdogan Türkei vielleicht noch einmal überlegen.
@b
Erdogan ist ein astreiner Europäer genau wie Putin ein astreiner Demokrat ist…..!
Ich bin mir sicher, dass das Verbot, Waffen dort umzuschlagen, genauso wie die Regelung des einsatzes in Zivil ersteinmal Forderungen für die Verhandlungen sind.
DEU braucht einen Hafen, der sicher ist und näher an MeS liegt als….. Rostock….
Und wenn jemand etwas braucht und er Verhandlungspartner weiss das nunmal, stellt er nunmal horrende Forderungen, um am schluss viel in Verhandlungen zu erreichen.
Da die Türkei weiss, dass wir eben auf komische Forderungen eingehen (TERMEZ als Stichwort), wären Sie saudumm, nicht hoch zu pokern.
Und ich bin mir Sicher, dass sich ein türkischer General niemals für das Verhalten gegenüber einer deutschen Frau in Uniform (bewusst so geschrieben) in der öffentlichkeit rechtfertigen würde.
Zumindest ist das meine Erfahrung von Austauschprogrammen (PfiFF) sowie den Erfahrungen aus div. Einsätzen.
Naja, das Ergebnis sehen wir ja jetzt grade.
Passiert halt auch nur wenn man eben nicht auf Augenhöhe verhandelt bzw. dem anderen Partner klar ist, dass man eben nur bluffen kann und nicht konsequent spielt.
armer Rainer. Eigentlich ist er für EU und UN-Einsätze zuständig.
Hm, der Lw-Einsterner in Potsdam hat leeeeeeider nur einen Stern und somit keine türkische Augenhöhe, und
der 3 Sterner hat ja eh keine Zeit, denn er konferiert ja den ganzen Tag mit seinen Rechtsberatern in Sachen cover my three star ass……HALLO, BMVg S/E ….
Es ist zu allererst ein Kulturproblem. Die Türken sind halt beinharte Nationalisten, des kennen wir hier nur vom rechten bis sehr rechten Rand. Deshalb auch das Problem mit den dt. Fahnen im Lager, das stösst denen sauer auf. Dazu kommt der oftmals vorhandene türkische Machismo und der Rangunterschied: Für den Hr. General war es als Mann, als Türke und als Generel aus seiner Sicht wahrscheinlich eine Frechheit, in „seiner“ Kaserne und „seinem“ Land von einer dt. Feldjägerin (wahrscheinlich noch blond und zierlich) sich irgendwas sagen zu lassen. Dann gibt ein Wort das andere und der Herr setzt sich körperlich durch. Noch so ein Ding wo unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen, schlagen sie mal als Uffz einen Mannschafter, das gibt direkt einen riesen Aufstand. In anderen Armeen der Welt sind „kleinere körperliche Aufmunterungen“ noch wesentlich weiter verbreitet.
Mal abgesehen davon haben uns nicht „die Türken“ eingeladen sondern ihre Regierung. Ob das der Generalität geschmeckt hat steht auf einem ganz anderen Blatt. Wahrscheinlich wollten die es ehr weniger, ist ja auch ein Zeichen dafür das man einige Dinge eben nicht selbst hinbekommt, sowas kratzt am Selbstbewusstsein und das spielt nahtlos mit dem zusammen was ich oben schon genannt habe. Ehr ist davon auszugehen das Big Boss Erdogan zu seinen Mannen meinte Ich will es so, und die Armeespitze sich fügen musste. Blieb ihr ja auch nix über, eben mal putschen wie früher geht halt nicht mehr.. Und was die anderen Mängel angeht: ich war in den letzten 3,4 Jahren in einigen Ländern des Nahen Ostens, von Tunesien bis hin zur den kurdischen Gebieten im Nordirak und wenn mir ein Negativaspekt bis heute im Gedächnis blieb dann waren es Hygiene und Sanitäranlagen. Wer z.B. die öffentliche Toilette neben der Omayaden-Moschee in Damaskus benutzen will der braucht einen verdammt starken Magen oder sollte sich besser vorher im Hostel erleichtern. Da war gefühltermassen seit Lawrence die gesamte arabische Welt schon scheißen und geputzt wurde wohl seit 1914 auch nicht mehr ; )
@TW
Die 20mm Kanone des SPz Marder ist natürlich vollständig ausbaubar. Das ist Bestandteil jeder Richtschützenausbildung. Von daher kann man die 200kg MK20 auf dem Luftweg versenden und die 40to Altmetall können über Trabzon gehen.
Mal am Rande: Welchen Sinn hat die Rückverlegung der Marder? Die werden hier doch direkt im Anschluss ausser Dienst gestellt um für die Puma Platz zu machen. Hätte man die nicht einfach vor Ort sprengen können?
pi
@pi:
Nur weil die ersten SPz Puma geliefert werden, sind nicht sofort alle SPz Marder unnütz.
Schon gar nicht die SPz Marder 1A5A1 (bald 1A5A2 mit Brandunterdrückung, besserer Verstauung und Nachtfahrsystem).
Der Marder soll bei derzeitiger Planung bis 2019 im Dienst bleiben. Daher braucht man gerade die modernsten Fz noch ne Weile.
Und selbst wenn nicht: International gibt es hieran genug Interesse (im Gegensatz zum Puma).
Der Puma wird zudem frühestens 2017 voll einsatzbereit (MELLS, etc.) sein – auch dann sicher noch mit Kinderkrankheiten.
Aber nicht nur Sie schreiben den Marder viel zu früh ab…
@Memoria
bewährtes muß abgeschrieben werden um „alternativlos“ unbewährtes zu beschaffen ;-)
10. kommentar? check … ;)
FNU SNU | 08. März 2013 – 18:03
Horrende Forderungen, Verhandlungen, Bluffs, Poker, Druckmittel,…
Verhalten wir uns gegenüber unseren Verbündeten eigentlich auch so asozial oder ist das schon wieder der kulturelle Unterschied?
Auf der einen Seite geht die Türkei natürlich mit Maximalforderungen in die Verhandlungen.
Auf der anderen Seite aber versucht man so vielleicht auch, Druck auf die Beitrittsverhandlungen der EU auszuüben.
Ich als Pragmat würde der Türkei Gleiches mit Gleichem vergelten und für jede Frechheit hier auf deutscher Seite ähnliche Konsequenzen ziehen.
Natürlich ist ein solches „Wettrüsten“ keine Lösung, D darf sich aber auch nicht ständig in die Ecke drängen lassen.
Die Türken wollen uns doch nicht an der syrischen Grenze: Gut, wir fahren nach Hause (oder drohen es zumindest an).
Wir dürfen nur bestimmte Güter und nur in Zivil aus Trabzon verschiffen? Sicherlich findet man etliche Zugeständnisse an oder Unterstützungen für die türkische Armee oder die hier lebende türkische Gemeinde, die man kritisch überprüfen könnte.
Ist natürlich kindisch, aber immer nur die andere Wange hinhalten führt auch nicht zum Endziel.
Gibt es denn zur Türkei absolut keine Alternativen? Georgien, Ukraine, Rumänien, Bulgarien?
@b: Belege?
@Maggus: Trabzon überwiegend von Kurden bewohnt? Der Fussballverein von Trabzon ist für seine kurdenfeindlichen Fans bekannt… die Stadt ist traditionell ultranational.
Wie machen es eigentlich die anderen Länder? bzw welchen weg zum Material Transport haben die Franzosen zb. genommen?
@ politisch inkorrekt:
wenn Sie wüssten, was da unten grad so verschrottet wird, damit man sich den Rückverlegezirkus spart… Heulen könnte man.
Es ist seit langem bekannt, dass alle Waffen auf dem Luftweg Afghanistan verlassen sollen: http://www.dw.de/umstrittene-zusammenarbeit-mit-usbekistan/a-16407448
@ Klabautermann zu HALLO BMVg SE: Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Bei einem anderen Selbstverständnis wären der GI oder der AL SE seit Tagen in Ankara. Dass sich der Kontingentführer zu der Stellungnahme des türkischen Generalstabs exponieren muss, ist so kläglich.
@Maggus: Der Kontingentführer hat der Stellungnahme des türkischen Generalstabs widersprochen. Es gab also keine Entschuldigung und der Vorfall hat so stattgefunden.
@Memoria
Ist es wirklich günstiger die durchgepeitschten SPz teuer wieder zurück nach Deutschland zu verlegen um sie für einen neuen Einsatz noch 5-10 Jahre bereitzuhalten oder wäre es doch günstiger die SPz zu verschrotten und bei Bedarf einfach in Deutschland nochmal welche durch KMW nachzurüsten? Ich gebe gern zu es nicht wissen. Aber ich würde es gern mal vorgerechnet bekommen.
@Thomsen
Passt schon. Bloß nicht sentimental werden. Die Gretchenfrage für mich ist, ob wir das Material, was wichtig aber zu teuer in der Rückführung ist, wieder in Deutschland neu beschaffen. Nicht das wir am Ende unser gutes Afghanistan-Heer verschrotten und wieder bei fast null dastehen.
pi
„wenn Sie wüssten, was da unten grad so verschrottet wird, damit man sich den Rückverlegezirkus spart… Heulen könnte man.“
Zum Beispiel?
Patrioteinsatz: Also wenn man bedenkt, daß die deutsche Patrioteinheit auf türkischen Wunsch dort ist, ist es doch wiederum gleichgültig, welche Türken nun dafür sind oder dagegen. Wenn man dort im Lande nun feststellt, daß die Verhältnisse so sind, daß das Gast/ Anfordererland sich wenig gastfreundlich zeigt, dann sollte man so schnell gehen, wie man gekommen ist. Und wenn Erdogan ein bißchen Gesicht dabei verliert – so what?
Rücktransport: Angesichts der Kosten für den gesamten AFG- Einsatz wäre nicht auch ein Transfer über Griechenland oder vielleicht Israel denkbar? Zu weit? Wenn mir persönlich jemand deutlich macht, daß er mir einen Gefallen nur widerwillig tut, dann setze ich alles ein, um ohne ihn auskommen zu können. Es gibt nichts ärgerlicheres und für das eigene Ansehen schädlicheres, als für einen ungern gewährten Gefallen auch noch dankbar sein zu müssen. Vor allem, wenn man für jeden rostigen Nagel auch einzeln bezahlen müsste. Nee, lieber teuer aber aus eigener Kraft.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Welche Aussenwirkung hat es, wenn Deutschland seine Beteiligung zurückzieht, die anderen Nationen aber bleiben?
Ja und? Einführung der Visumspflicht für Germanen auf dem Weg nach Antalya? Was passiert denn, wenn wir bleiben, obwohl das keine Zusammenarbeit ist, sondern eine widerwillige Duldung? Steigt dann unser Ansehen bei irgendwem oder verfestigt sich vielleicht weiter der Gedanke, daß die Deutschen eh kein Rückgrat mehr haben?
@iltis:
Wie Herr Wiegold schon schrieb. Weder die Niederländer noch die Amerikaner haben ähnliche Erfahrungen gemacht wie wir (bisher?). Was glauben Sie, wie viel Verständnis die dann aufbringen würden?
Durch einen m.E. übereilten Abzug würde sich Deutschland kommunikativ ins Abseits stellen, weil wir dann erklären und uns verteidigen müssten, warum wir schon wieder (wie in Libyen) nicht mit machen.
Also, lieber verlasse ich mich auf die langsamen Mühlen der Diplomatie. Wenn ich Herrn Paris‘ beredetes Schweigen oben richtig deute, ist hinter den Kulissen vieles im Gange. Es wird sich also zeigen, was passiert. Ich bin ehrlich gespannt.
Vielen Dank, Herr Wiegold, dass Sie uns auf dem Laufenden halten!
@iltis: Daniel ist mir ja schon zurvorgekommen. Am wahrscheinlichsten wäre in meinen Augen, dass sich der Eindruck der unzuverlässigen Deutschen (und schlimmer noch, ihr Mangel an Durchhaltewillen) weiter verstärkt. Im Vergleich mit dem Einsatz deutlich kleinerer Nationen (Dänemark, Niederlande, …) in Afghanistan steht Deutschland sowieso schon seit Jahren nicht gut da. Aktuell Mali, davor Libyen … alles keine ruhmreichen Momente deutsche Diplomatie- oder Militärfähigkeiten.
Wenn Deutschland keine Waffen über das Territorium des „NATO-Partners Türkei“ transportieren darf, dann ist die Türkei kein NATO-Partner Deutschlands, sondern eher ein Gegner der uns das Leben schwer macht. Dann sollten die deutschen Patriot-Waffen schnellstens von dort abgezogen werden. Da sind ja die Russen kooperativer bezüglich des Abzuges aus Afghanistan.
Die Türken sind immer und überall so. Ich war im Kosovo Einsatz in einem Kloster eingesetzt. Als die Türken uns abgelöst haben und wir vier Tage später wieder übernommen hatten, sah es in dem Kloster aus wie Sau. Die benehmen sich wie die letzten Menschen. Genauso ist auch ihre Politik. Finde es traurig dass ausgerechnet diese Nation, dann auch noch den Anspruch stellt in die EU zu kommen. So wird dass auf jeden Fall nichts mit nem EU Beitritt.
@Alex
Es wäre schön, wenn wir von so pauschalen Urteilen wie „Die Türken sind immer und überall so“ wegkommen könnten. Sind sie nämlich nicht, genau so wenig wie die Deutschen „immer und überall“ ein bestimmtes Verhalten zeigen. Und die Kollegen von Hürriyet, die auf dem gleichen Flur wie ich ihr Büro haben, wären zu Recht zutiefst beleidigt.
Unterm Strich: Nee, nicht dieser Ton.
Vielleicht sollte man das Beleidigtsein mal in Kauf nehmen.
Dann ändert sich vielleicht was.
Für mich sieht das so aus, als hätte sich die NATO entschlossen, aufgrund der immens wichtigen geographischen Lage seit 60 Jahren so zu tun, als wäre die Türkei ein Verbündeter und läßt ihr deswegen vieles durchgehen.
Die Philippica gegen „die“ Türken ist nicht nur verfehlt, sondern auch ziemlich unklug. Sie widerspricht weniger den türkischen, sondern in erster Linie unseren eigenen Interessen. So wie die Türkei in den Zeiten des Kalten Krieges der entscheidende Eckpfeiler an der Südostflanke der NATO war, so ist ihre strategische Bedeutung auch heute ungebrochen. Man denke nur an ihre Vermittlerfunktion zwischen Ost und West, zwischen Europa und Asien, zwischen der islamischen und der christlichen Welt, in der hochbrisanten Iranfrage usw. – von der geo-strategisch zentralen Position für unsere Rohstoff- und Energieversorgung und auch von der verbesserungswürdigen Integrationslage in unserem eigenen Land ganz zu schweigen.
Wenn die Türkei diese Vermittlerfunktion nicht immer so ausübt, wie wir uns das wünschen, so sollte uns das zu denken geben. Wir müssen auch nicht alles klaglos hinnehmen. Aber vielleicht trifft uns auch selbst ein Teil der Schuld für eine Entwicklung, die nicht gerade erfreulich verläuft. Jedenfalls müssen wir uns anstrengen, die beidseitige Zusammenarbeit zu verbessern. Das Kind mit dem Bade auszuschütten und beleidigt in der Ecke zu schmollen, das hilft niemandem weiter – uns schon gar nicht. Vielleicht bewirken die unschönen jüngsten Vorfälle, den einen oder anderen latenten Konfliktbereich offenzulegen und letztlich die Kooperation auf eine bessere Grundlage zu stellen. Ich vermute, dies ist trotz allen merkwürdigen Muskelspiels auch ein türkisches Anliegen.
@KeLaBe
Diese Argumentation ist in etwa die einer Frau, die sich selbst die Schuld gibt daß ihr Mann sie schlägt
Ich liebe ihn nicht genug ;)
Kann es nicht eher sein, dass im Staate Türkei etwas grundlegend nicht stimmt und dass ein aggressives, entweder religiös oder völkisch-nationalistisch geprägtes Selbstverständnis mit dem heutigen Europa einfach nicht zusammenpassen?
@ JCR
Tut mir leid, aber Sie haben nicht viel verstanden von staatlicher Interessenpolitik.
Die Frage ist doch vielmehr, nützt es unseren Interessen noch was wir da treiben?
Oder züchten wir uns da etwas heran was uns irgendwann über den Kopf wächst?
Eine Seite setzt hier immer knallhart ihre Interessen durch und das sind nicht wir
Was die geostrategischen Interessen angeht, mit allen Antagonisten des „Westens“/NATO ist die Türkei mehr oder weniger befreundet, vor allem mit dem Iran.
Lediglich die Sperrfunktion gegen Russland übt sie nach wie vor aus, wobei Russland selbst nur noch einen kleinen Teil der Schwarzmeerküste kontrolliert und wohl kaum ein neuer russischer Marsch auf die Dardanellen zu erwarten ist.
Das mit der Vermittlerfunktion ist Wunschdenken und das Opfern langfristiger Interessen für kurzfristige „Ruhe“
@ JCR 11:58
Da Sie gerade Ihren zweiten Absatz nachgeschoben haben: Selbst wenn Sie Recht hätten (was m.E. noch lange nicht gesagt ist, auch wenn es zugegebenermaßen gewisse Indizien gibt), sollte uns das nicht zu einem worst case-Denken verleiten. Frei nach dem Bush’schen Motto: Bist du nicht unser Freund, dann bist du unser Feind. So kann man letztlich nur verlieren.
@KeLaBe
Ich kann Ihrer Argumentation viel abgewinnen, dann sollte aber Berlin/Potsdam unsere Mädels und Jungs besser und umfänglicher ausgestattet und unterstützt in die Türkei schicken….zZt sieht es für mich eher danach aus, dass man das Kontingent mit dem ein oder anderen eigentlich in Deutschland verursachten Problem ziemlich im Regen stehen lässt.
@ klabautermann
Kein Widerspruch! (Auch wenn ich aufgrund mangelnder eigener Infos nur ungern Schuldzuweisungen unterschreibe. Aber Sie haben vermutlich Recht.)
PS: Haben Sie ein Feindbild Potsdam? Wo liegt da das Problem?
Das Feindbild Potsdam ist aus meiner Sicht nicht unangebracht, ist man dort doch eben nicht nur verlängerter Arm von BMVg SE, sondern auch mit einem gehörigen eigenen Handlungsspielraum ausgestattet. Deshalb fand ich auch den Kommentar zum dortigen Dreisterner herrlich, der seit Jahren auf der Verantwortungsebene Oberst Minus operiert und sich bei jedem Spatengang rechtlich und formalistisch absichert. Könnte ja jemand kommen und das anders sehen. Etwas so wächsernes habe ich noch nie erlebt.
Entschlossenheit, Selbstbewusstsein, zügiger Antritt haben bei Friktionen noch nie geschadet – freilich, solange man nicht stur ist und auch bereit ist, von eigenen Positionen abzurücken und Kompromisse zu machen, wenn es der Sache dient. Hier dient es eher dem Besitzstand, dem Kommandostander und der eigenen Arroganz.
Wenn man weiß, dass die türkischen Partner auf Sterne stehen, dann trete ich hält hochrangig an. Und nicht in Salamitaktik. Aber Initiative war noch nie die Stärke im BMVg und auch Potsdam hat sich nach Riechmann stufenweise immer mehr Bürokratisierung. Viereck ist ja dann auch weggelobt und das große Trauma von Glatz ist, dass er den auf seinen Schulterklappen eng zusammengesteckten drei Sternen nie den vierten wird hinzufügen können. Absicherungsdenken ist eben nicht gleichzusetzen mit Perspektiveröffnung. Wenigstens eine Konsequenz.
Ob das mit dem Nachfolger besser wird, zumal mit Kneip dann als Abteilungsleiter SE, darüber mag man gar nicht nachdenken.
Wahrscheinlich wird der jetzt in der Verantwortung stehende Oberst Ellermann nach seiner Rückkehr für alles verantwortlich gemacht und als Dezernatsleiter auf einen Scheinflugplatz versetzt. Das zeigt die Erfahrung.
@KeLaBe
ich habe kein Feinbild, aber meine Erfahrungen ;-)
Will mal so sagen: Wir schicken unsere Mädels und Jungs mit allerlei (öffentlich verkündeten) politischen und (nicht-öffentlich verkündeten) operativen caveats aus nicht immer ganz so stringenten politischen Gründen bewaffnet in Einsätze, verlangen von Ihnen, dass Sie die deutsche Strassenverkehrs-und Beschilderungs- und Fahnenordnung als erstes im geleasten oder geliehenen Feldlager am Einsatzstandort ausrollen – ob das der host nation passt oder nicht -, damit sich dann die politischen VIP aus Deutschland quasi wie zu Hause fühlen können, wenn sie mit der Journalistenmeute aus Berlin 4 Wochen später aufschlagen…..soll ich mehr schreiben ;-))
@klabautermann
Ohne einen OT aufzumachen, aber for the record: Den Begriff Journalistenmeute aus Berlin weise ich natürlich mit Abscheu und Empörung zurück.
@T.W.
wenn Du dabei bist, dann ist das natürlich keine Meute ;-))
@zog & Daniel: Wenn Sie der Meinung sind, daß wir Durchhaltewillen und -fähigkeit zeigen müssten statt zu schmollen, könnte ich das unterstützen, wenn wir uns darauf verlassen könnten, daß dieser kranke Einsatz dann als Vorlage für das nächste Mal genommen würde: So schlecht vorbereitet nie wieder.
Das ganze riecht deutlich nach Feigheit vor dem Freunde. Daß bloß keiner auf den Gedanken kommt, daß das Hinhalten der jeweils anderen Wange irgend einen positiven Eindruck auf das Gegenüber macht. Vor allem, wenn es sich um Leute aus machistisch geprägten Gesellschaften handelt.
Aus all dem hier nachzulesenden kann man den Eindruck gewinnen, daß alle mit ein paar Sternen nur noch weichgespülten Kram von sich geben, weil sie fürchten, daß die Bürokratie nur darum hinter ihnen steht, damit sie ihnen besser in den Hintern treten kann. Das ist doch wieder eine schöne Volte in Richtung Führungskulktur.
„Die Frage ist doch vielmehr, nützt es unseren Interessen noch was wir da treiben?“
Dazu müssten die Deutschen Politiker erst einmal wissen, was denn nun in unserem Interesse ist. Solange viele Politiker immer noch der Ansicht sind, dass wir im Prinzip keine eigennützigen Interessen haben dürfen, weil wir a) ja die bösen Deutschen sind und b) sowieso die Insel der seligen Pazifisten und Friedensstifter sind, wird es schwierig da eine klare Linie zu finden.
@ Maggus
Die meisten (und vor allem die verantwortlichen) deutschen Politiker wissen sehr wohl, wo unsere Interessen liegen. Allerdings: Sie trauen sich leider nur selten, offen darüber zu sprechen und zu ihnen zu stehen. Es könnte sich ja eine unbequeme Diskussion daraus entwickeln. Das ist der eigentliche Mangel, der Deutschland verdächtig und die Bevölkerung ratlos macht.
@iltis
Führungskultur in der Bundeswehr hört auf der Kompaniechefebene auf. Je höher die Offiziere steigen, desto gestreamlined werden sie. Erst wenn die Stabsoffiziere dann den Enddienstgrad erreicht haben, erlauben sie sich auch wieder Widerspruch. Ham ja dann ix mehr zu gewinnen/zu verlieren. In die Ebene B6 kommt man nur, wenn man vorab sein Rückgrat abgegeben hat. Oberstleutnante und Oberste mit praktischem Können und anerkannten Menschenführungseigenschaften werden bei der Personalauswahl seltener bis gar nicht betrachtet. Um zu höheren Weihen zu gelangen muss man nämlich ein Garant für political correctness sein und da hindern Ecken und Kanten nur. Unbequeme Untergebene sprechen nämlich zu oft die Wahrheit aus. War im Fall des Türkeieinsatzes auch so, deshalb teile ich das bashing auf das EinsFüBw nicht. „Die“ kamen nur damit nicht „durch“ weil die Patriot Verlegung (mal im Ernst, das ist doch kein Einsatz…) politisch gewollt und von der klar-zeigenden Luftwaffenführung gepushed wurde (im übrigen auch entgegen dem Ratschlag aus der sog. Arbeitsebene -was nimmt man nicht alles in Kauf, um endlich mal wieder etwas gefühlte Relevanz zu erleben.)
Fazit: je höher „man“ kommen will, desto mehr Ecken und Kanten muss man bereit sein, „zu schleifen“.
@D.Deimel: Mußten Sie Sie mir denn auch die letzte Illusion rauben? Gut, wenn das so ist, wie Sie sagen und es spricht nicht wenig dafür, ist dieser Blog hier sinnlos. Es sei denn, den Finger immer wieder in die Wunde zu legen und auch Salz hineinzureiben brächte die Verantwortlichen wenigstens zur Selbstreflektion.
Vielleicht lernen die jungen Politiker heute nicht mehr das richtige Handwerkszeug zum Führen. Eigentlich sehen wir gerade auf den Grund eines gesamtgesellschaftlichen Problems. Durch immer schnelleres Schleusen durch Schule und Ausbildung haben wir keine Zeit mehr, auf etwas anderes zu schauen als auf den kurzfristigen Erfolg. Dieses durchzieht mittlerweile alle Bereiche und jeder, der in einem Großunternehmen arbeitet, kennt das auch. Arbeiten Sie mal in einem Projekt und sagen Sie, daß der Erfolg bedroht ist, weil Ressourcen, Randbedingungen oder sonstwas ungenügend sind. Dann erleben Sie das Gleiche.
Ein Spruch, den ein früherer Chef von mir sagte, bevor er gegangen wurde: „Schwache Chefs können keine starken Untergebenen gebrauchen“. Den Rest erledigt das Peter- Prinzip.
@TW
Journalisten sollten die Meute als Kompliment nehmen, denn genau das sollten sie sein.
Nicht eine brave Schafsherde, geführt von Pressesprechern.
@ iltis
Der Zeit-Artikel „Der Krieg der anderen“ von 2008 (nicht von 2013) gibt da einige interessante Einblicke.
Knackpunkt ist aber generell: Mit vernünftiger Sicherheitspolitik läßt sich keine Wahl gewinnen, erst recht nicht mit Prävention. (Die kostet ja, und im Idealfall gibt’s nichts zu sehen. ;) )
Deshalb gibts dann entweder billige Symbolpolitik à la Merkel, deutsche Mittelstandsförderung à la Niebel, das Bedienen von Vorurteilen à la Friedrich oder moralisch verlogener Sofapazifismus à la Westerwelle (in der besten Tradition der Partei Die Linke).
Das Problem ist das Volk, das eben genau sowas hören will.
Deutsche investieren, damit es anderen besser geht? Wo käme man da hin. Alles faule, gierige, unmoralische, brutale Säcke, außer dem deutschen Michel…
@iltis
…liest ausser (ehemaligen) Soldaten etwa noch irgendwer diesen Blog ?
Gibt es überhaupt so etwas wie eine deutsche sicherheitspolitische Elite?
Da tendiere ich eher zu J.R.: mit der Diskussion von sicherheitspolitischen Themen ist in Deutschland kein H… (Tiere, die von Afghanistan auf Staatskosten nach „Hause verlegt“ werden und in der bekannten türkischen Kaserne erschossen werden [nicht von „unseren“] und am Wegesrand vergammeln) hinter´m Ofen vor zu holen.
Schönrednerei und ja-nicht-festlegen hilft der politischen Karriere viel mehr. Selbst wenn man aktiv versucht, in der Parteiarbeit Fuss zu fassen, stösst man mit „klaren Ansagen“ (auch wenn sie sehr diplomatisch vorgebracht werden, als „Ehemaliger“ Truppenführer weiss man ja inzwischen, dass die zivile Welt anders tickt) sehr schnell auf Unverständnis. Wahrheit tut nämlich manchmal weh.
Im übrigen muss die Schmerzschwelle beim ehemals hoch geachteten VgMin auch deutlich abgeschmolzen sein…
Sicherheitspolitische Elite?
Frau (ex Dr.) Margitta Mathiopoulos zum Beispiel?
;)
Btw was die Türkei und Afghanistan angeht, was macht eigentlich das türkische ISAF-Kontingent?
Die sind zwar in Wardak stationiert, wo es regelmäßig zu Gefechten kommt, scheinen aber nie daran beteiligt zu sein.