Patriot in die Türkei: „Genau der Auftrag, für den wir ausgebildet sind“

    In der „Friedensausbildungsstellung Warbelow“, im Hintergrund ein PAC-2-Launcher des Patriot-Flugabwehrsystems

Die Flugabwehr der Bundeswehr bereitet sich auf ihren ersten originären Auslandseinsatz vor: Das ist genau der Auftrag, für den wir ausgebildet sind, sagte Oberstleutnant Frank Schulz, Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 21 aus Sanitz, bei der Vorstellung des Patriot-Flugabwehrsystems am Dienstag in Warbelow in Mecklenburg-Vorpommern. Soldaten der Flugabwehrtruppe waren natürlich auch bisher schon in Auslandseinsätzen – aber in ganz anderen Rollen, zum Beispiel als Sicherungsoldaten.

Die bevorstehende NATO-Mission in der Türkei dient dagegen ausschließlich der Flugabwehr, auf Wunsch des Bündnispartners und zusammen mit Patriot-Staffeln aus den USA und den Niederlanden. Der genaue Stationierungsort für die Deutschen sei zwar noch nicht entschieden, sagte Oberst Marcus Ellermann, der Kommandeur des ersten Türkei-Kontingents. Wenn NATO und Gastland Türkei zustimmten, werde es voraussichtlich (und wie schon bekannt) die Halbmillionenstadt Kahramanmaras, rund 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Die Niederlande planen eine Stationierung nahe der Millionenstadt Adana in ungefähr gleicher Entfernung vom Bürgerkriegsland Syrien.

Die von der Türkei angeführte mögliche Bedrohung durch Raketen aus dem Nachbarland war der Grund für das Bündnis, der Bitte aus Ankara nachzukommen und die Entscheidung für eine Patriot-Stationierung unter NATO-Kommando zu beschließen. Wie real die Gefahr tatsächlich ist, kann derzeit vermutlich niemand wirklich einschätzen. NATO-Oberbefehlshaber James Stavridis hatte in den vergangenen Tagen darauf verwiesen, dass Kurzstreckenraketen der syrischen Streitkräfte nahe der türkischen Grenze eingeschlagen seien, wenn auch auf syrischem Gebiet. Zudem ist zwar bekannt, dass Syrien über chemische Waffen verfügt – allerdings weiß auch hier niemand, ob das Regime tatsächlich bereit ist, sie auch einzusetzen.

Die geplante Stationierung der insgesamt sechs Patriot-Batterien (nur in Deutschland: Staffeln) aus den drei Ländern rund 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt dient dem – punktuellen – Schutz von türkischen Bevölkerungszentren, sagten die Flugabwehr-Fachleute heute in Warbelow. Damit werde auch sichergestellt, dass nur ballistische Raketen abgefangen würden, die auf Ziele in der Türkei gerichtet seien. Denn eine Verwicklung in den syrischen Bürgerkrieg soll auf jeden Fall ausgeschlossen werden.

Die Bundeswehr wird mit ihren zwei Kampfstaffeln sowohl Flugkörper des moderneren Typs PAC-3 als auch der älteren PAC-2 in die Türkei schicken – und das nicht nur, weil die Luftwaffe nur über 24 PAC-3-Abfangraketen verfügt. Die PAC-3- Flugkörper sind zwar für die Bekämpfung von Raketen optimiert, während die PAC-2 vorrangig gegen Fluzgzeuge und nur begrenzt gegen ballistische Raketen eingesetzt werden. Allerdings sind die älteren Flugkörper auch günstiger als die PAC-3, bei denen jeder Schuss in die Millionen geht.

Die Patriot-Einheiten der drei Nationen unterstehen direkt der NATO, genauer dem NATO-Kommando auf der Luftwaffenbasis Ramstein. Ist das System aber scharf geschaltet, entscheidet über einen Abschuss der Abfangrakete der Computer – wenn es um die Raketenabwehr geht: Dann, sagt Kommandeur Ellermann, muss die Entscheidung zum Abschuss, anders als bei der Bekämpfung eines feindlichen Flugzeugs, innerhalb von Sekunden getroffen werden. Der Soldat gibt nicht den Feuerbefehl, sondern kann höchstens die Abschuss-Automatik unterbrechen.

Die Weihnachtsfeiertage werden die 170 Soldatinnen und Soldaten der Flugabwehrtruppe und ihre fast genau so vielen Unterstützer noch bei ihren Familien verbringen können: Die Patriot-Systeme sollen zwar so schnell wie möglich in den Einsatz gehen. Doch der Seetransport der Laster mit den Gesamtsystemen wird wohl Anfang Januar kommenden Jahres beginnen und etwa zwei bis drei Wochen dauern, gefolgt vom Straßentransport nach Kahramanmaras. Die erste vorläufige Einsatzbereitschaft erwartet Ellermann für Ende Januar oder Anfang Februar.