Festnahme in Kundus – mit deutschen Spezialkräften
Nachdem dieses Foto bereits am vergangenen Samstag im Internet kursierte, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Meldungen über einen Erfolg des Kommandos Spezialkräfte (KSK) kommen würden…
Das Bild entstand offensichtlich im Zusammenhang mit der Operation, bei der am späten Freitagabend (19. Oktober) der Schattengouverneur der Taliban in der Provinz Kundus, Mullah Abdul Rahman, festgenommen wurde.
Details dieses Einsatzes berichtet jetzt die Bild-Zeitung (Link aus den bekannten Gründen nicht): Afghanische und deutsche Spezialkräfte hätten mit den CH53-Hubschraubern der Bundeswehr, geschützt von US-Kampfhubschraubern, ein Dorf in der Provinz Kundus angesteuert (nach afghanischen Angaben handelte es sich um die Ortschaft Ghondi im Distrikt Char Darrah, nahe der Provinzhauptstadt) und dort den Taliban-Führer festgenommen. Abdul Rahman soll auch Hintermann der Entführung von Tanklastern im September 2009 gewesen sein, die zu dem folgenschweren Luftschlag gegen die auf einer Sandbank im Kundus-Fluss feststeckenden Tanker führte.
Nach meinen Informationen war allerdings auch am (gestrigen) Montag noch nicht endgültig bestätigt, dass es sich tatsächlich um den seit langem gesuchten Abdul Rahman handelt – auch wenn sich die Beteiligten wohl recht sicher sind.
Nachtrag: Inzwischen, so höre ich, ist die Identität des Festgenommenen bestätigt.
Nachtrag 2: Die offizielle Bestätigung von ISAF:
KABUL, Afghanistan (Oct. 24, 2012) — Afghan and coalition forces yesterday confirmed the arrest of Taliban leader Mullah Abdul Rahman in Kunduz province Oct. 19.
He is accused of being the planner and coordinator behind several high-profile attacks in northern Afghanistan, including the hijacking of fuel trucks in Kunduz in 2009 and the killing of several ISAF soldiers in 2010.
@ Orontes
Wäre das internationale Engagement politisch stark, dann würde ein Waffenstillstand auf das Besiegen der Insurgents hinauslaufen. Dass die Bundeswehr (und das restliche deutsche Engagement) weder militärisch noch politisch stark ist, ist doch die Crux an der ganzen Sache. (Wobei die Sache in Bezug auf die deutschen Akteure wohl deutlich trivialer ist: Da ist schlicht niemand dafür verantwortlich eine politische Lösung zu erreichen, also hält man auch keine politischen Kanäle offen.)
An dieser grundlegenden Schwäche ändert auch so ne defensive Maßnahme wie das Abarbeiten von Tötungslisten nichts. Damit kauft man sich Zeit, und die kann vor dem Hintergrund des angekündigten Abzugs derzeit weder ISAF noch die internationale Gemeinschaft nutzen.
Wie die tatsächliche Lage im RC Nord ist – auch im Kunduz-Baghlan-Korridor – ist derzeit alles andere als nachvollziehbar. Nachdem man die Aufständischen im Süden von Kunduz erstmal zum abtauchen kriegen konnte ist die Lage mittlerweile wieder völlig unklar. Was so durchgesickert deutet eher darauf hin, dass die BW sich in ihre Lager zurückgezogen hat um auch ja Zwischenfälle und schlechte Presse daheim zu vermeiden.
Wenn eins klar wird, dass die BW immer noch kein nachhaltiges Konzept hat, und die Milizen schon jetzt einfach machen läßt.
„dass die Probleme der Aufständischen im Norden nach ISAF erst richtig losgehen werden, wenn deren Bekämpfung nach ganz anderen Regeln erfolgen wird als es jetzt noch der Fall ist.“
Ich denke mit der Einschätzung liegen Sie daneben.
@zog
Warum sollten sich die durch ISAF aufgerüsteten und militärisch halbwegs ausgebildeten Nordethnien denn nach dem Ende von ISAF gegenüber der paschtunischen Minderheit im Norden anders verhalten als sie es bis 2001 getan haben? Einige Leute in den ANSF wirkten auf mich sehr ungeduldig und meinten, das sie das Problem besser in den Griff kriegen würden als ISAF, wenn man sie ließe. Diese Leute wirkten auf mich nicht so, als hätten sie Konzepte wie „Minimierung ziviler Kollateralschäden“ so verinnerlicht wie es innerhalb von ISAF üblich ist.
Ich bin ein wenig traurig, denn in der Berichterstattung wird mal wieder – selbst durch den Wehrbeauftragten- KSK und die SOF Hubschrauberkräfte des Heeres in einen Topf geworfen und nur KSK erwähnt, obwohl dessen Beteiligung lediglich „nicht dementiert“ wird. Aber sicher hat die Bundeswehr kein Interesse daran herauszustellen wie professionell die SOF Hubschrauberkräfte des Heeres funktionieren.
@ Roman
Ja, ein neuer LUH wäre dafür auch geeignet, man hätte aber für diese Operation im Vergleich zur CH 53 GS die 4-fache Anzahl an Hubschraubern benötigt.
Wie standen denn diese Leute vor 2001 da, als es keine Unterstützung durch westliche Militärmächte gab? Wenn ISAF erst einmal vorbei ist, rollt da wieder was durchs Land, und dass die Nichtpashtunen im Norden gerne früher als später losschlagen wollen, liegt wohl daran, dass sie jetzt noch Rückendeckung durch ISAF haben. Ohne diese wird das wieder ein traditionelles Abschlachten nach lokalen Traditionen. Das mit der „Minimierung ziviler Kollateralschäden“ nach hiesiger Art praktiziert in der Regel keine der zahlreichen Konfliktparteien in Afghanistan, insofern trifft da gleich auf gleich.
Tut mir Leid, wenn ich hier nochmals OT reingrätschen muss (die Diskussion hat erfreulicherweise ja an Substanz gewonnen), ich möchte aber den Beitrag von Sun Tzu weiter oben nicht unbeantwortet lassen.
-Sun Tzu | 23. Oktober 2012 – 18:20
„Nun, da ich Herrn Wiegold für vertrauensvoll halte und er versprochen hat, die Anonymität seiner Nutzer zu wahren, werde ich ihn nicht fragen.“
Sie müssen Herrn Wiegold nicht nach meiner Identität fragen. Wenn Sie der Meinung sind, dass mein Beitrag eine Straftat darstellt, dann stellt Ihnen unser Rechtsstaat eine Bandbreite von Möglichkeiten zur Verfügung, den Beitrag des Users „Eric Feeble“ polizeilich zur Anzeige zu bringen und eine Identifikation des Nutzers zu erreichen. Ich kann Ihnen nur anraten, davon Gebrauch zu machen.
@ zog
Wenn ISAF erst einmal vorbei ist, rollt da wieder was durchs Land, und dass die Nichtpashtunen im Norden gerne früher als später losschlagen wollen, liegt wohl daran, dass sie jetzt noch Rückendeckung durch ISAF haben.
Ist dem so?
– Derzeit spielt ISAF im Norden bei der Aufstandsbekämpfung weitgehend keine Rolle. In den meisten Gebieten ist man gar nicht vertreten, und anderen durch Eigenschutzmaßnahmen praktisch handlungsunfähig.
– Ich sehe derzeit nicht, wo ISAF irgendwelche „regierungstreuen“ Afghanen von irgendwas abschreckt. Sobald Milizen als „regierungstreu“ kategorisiert sind dürfen sie schon jetzt machen was sie wollen. Egal ob Raub, Vergewaltigung oder Kleinkriege zwischen Milizen mit mehreren Toten (siehe Khanabad) – ISAF greift jetzt schon nicht ein.
Von daher bin ich mir nicht sicher, ob sich für die Afghanen im Norden mit dem Abzug von ISAF wirklich soviel ändert – vom Wegfall einer wichtigen Geldquelle abgesehe.
Und ja, ich bin mir der beiden Massaker von Mazar-e Sharif und der Ermordung von Kriegsgefangenen durch Dostums Leute bewußt. Aber wenn man sich die ISAF-Handlungsmöglichkeiten bei Zwischenfällen wie dem Mob-Angriff auf das UN-Büro in Mazar und dergleichen anschaut: ISAF würde sowas erst ewig später mitkriegen. Und dann doch nichts tun können.
Von daher halte ich die Annahme, die ISAF wäre der letzte Pfeiler der Ordnung in Nordafghanistan, für unbegründet.
@Eric
Ich hatte schon mal drum gebeten, den OT hier nicht weiter auszuwalzen.
Jetzt dazu aufzurufen, da möge doch jemand via Justiz hier auf Userdaten zugreifen, ist allerdings so ziemlich das Letzte. Ich verkneife mir jetzt mal die eigentlich gebotenen deutlichen Worte.
@zog
„Wie standen denn diese Leute vor 2001 da, als es keine Unterstützung durch westliche Militärmächte gab? Wenn ISAF erst einmal vorbei ist, rollt da wieder was durchs Land, und dass die Nichtpashtunen im Norden gerne früher als später losschlagen wollen, liegt wohl daran, dass sie jetzt noch Rückendeckung durch ISAF haben. “
Tadschiken scheinen in der ANA ein deutliches Übergewicht zu haben und sind dort v.a. unter Offizieren, aber auch unter Mannschaften deutlich über ihren Bevölkerungsanteil hinaus vertreten. In einem möglichen Bürgerkrieg wäre deren Ausgangslage daher m.E. wesentlich günstiger als sie es 2001 war. Zudem wirken einige US-amerikanische Entscheidungen (z.B. Errichtung größerer Infrastruktur in Mazar) so, als plane man dort eine längere Präsenz bzw. dauerhafte Unterstützung der Nordleute mit Spezialkräften. 2001 hat das alleine (zusammen mit Luftunterstützung) schon ausgereicht, damit diese Kräfte den Taliban deutlich überlegen waren.
@J.R. | 24. Oktober 2012 – 8:01:
Sie scheinen meinen Standpunkt missverstanden zu haben.
Die „regierungstreuen“ Milizen können zwar noch nicht machen was sie wollen, haben aber mehr oder weniger freie Hand, wenn es um das Bekämpfen der INS nebst zugehöriger Bevölkerungsgruppe geht, und müssen im Gegensatz zu den INS weder CAS noch night raids fürchten. Wozu auch, kämpft man doch auf der „richtigen“ Seite. Dass sich das dann, wie zuletzt auch hier im Blog thematisiert, an der ein oder anderen Strafexpedition ins nächste Dorf äußert, ist nur Vorbote dessen, was noch kommen wird, wenn ISAF und damit das internationale Interesse abgezogen ist.
@Orontes: Einen Teil der Antwort ist ja schon in dem an J.R. gerichteten Teil enthalten.
Auch vor 2001 waren die als Nordallianz bekannten Gruppierungen nicht so schlecht ausgerüstet, wie oftmals vermutet wird. Und angesichts der Logistik-und Instandsetzungsleistungen der ANA wäre ich überrascht, wenn 3/4 der Ausrüstung länger als zwei Jahre nach dem ISAF-Abzug noch funktionieren würde.
Zudem: Der Gefechtswert von ANA und ANP/ALP sollte bekannt sein. Wie denken Sie, hätte sich eine ANA-Einheit in dem als Karfreitagsgefecht bekannten TIC geschlagen?
Die Gefechtsbilanz der ANA, wenn sie auf sich alleine gestellt ist, ist mit durchwachsen noch wohlwollend beschrieben.
Der Vergleich mit der Offensive der USA 2001 ist nicht sonderlich hilfreich. Zu dem Zeitpunkt war den Taliban ein Feind mit Luftunterstützung nahezu unbekannt, und sie gingen i. d. R. regulär, d. h. mit relativ großen, hierarisch strukturierte Kampfeinheiten im offenen Gefecht, vor. Atomziel wäre wohl der passende Begriff. Auch wenn sie in dieser Hinsicht langsam gelernt haben (Helmand 2006), sind diese Zeiten längst vorbei.
SOF/SF mit CAS & Drohnen sind mittlerweile Alltag für die INS. In dieser Hinsicht sollten Sie sich nicht zu große Hoffnungen machen.
@ zog
Ihr Annahme ist weiterhin, dass es ISAF ist, die die bewaffneten afghanischen Truppen im Zaum hält (sowohl auf „Regierungsseite“, als auch auf „Auständischenseite“). Dazu fehlen mir schlicht die Belege.
Zudem: Der Gefechtswert von ANA und ANP/ALP sollte bekannt sein. Wie denken Sie, hätte sich eine ANA-Einheit in dem als Karfreitagsgefecht bekannten TIC geschlagen?
Um an der Stelle mal einzuhaken: Wären Einheimische überhaupt in so einen Hinterhalt getappt?
Sie reden hier vom „Gefechtswert“ einzelner Soldaten. Das ist ja schön und gut, ist aber fast bedeutungslos. In der Praxis bedeutet es lediglich, dass deutsche mit geringen eigenen Verlusten (in absoluten Menschenleben) auf Angriffe gegen sie reagieren können.
Auf den Machtkampf, um den es ja eigentlich geht, hat das so gut wie keinen Einfluss.
Der „Gefechtswert“ der Bundeswehr-Soldaten stärkt weder den Einfluss der internationalen Gemeinschaft, noch hält er ihre Feinde davon ab ihren Einfluss geltend zu machen.
Wenn man jetzt noch den den Overhead westlicher Armeen berücksichtigt, dann kommt ein simpler afghanischer Milizionär auf ein Vielfaches an Wirkung eines westlichen Soldaten.
Kilcullens Überschlagsrechnung zu dem Thema geht in etwa so:
– Ausländische Truppen im Land sind nur zu 40% Kampftruppen, 60% sind „Overhead“
– Die Kampftruppen stehen wegen Regenerationszeiten bestenfalls die Hälfte der Zeit für Einsätze zur Verfügung, während ein Milizionär jederzeit seine Leute verteidigen wird.
– Ein ausländischer Soldat wirkt sich auf die Rekrutierungsbasis des Feindes nicht aus, ein einheimischer Kämpfer schon. (Umso mehr, wenn seine Familie mit im Boot ist.)
Damit kommt man grob auf ein Kräfteverhältnis von etwa 10:1 zugunsten der einheimischen Kämpfer (wenn man den gesellschaftlich-familiären Anhang eines Einheimischen hinzunimmt wohl noch mehr). Und für die Bundeswehr kurz vor dem Abzug düften die Zahlen noch schlechter ausfallen.
Das ist etwas, was Petraeus und McChrystal verstanden hatten. (Und ich glaube, die waren sich auch der Probleme diese Ansatzes bewußt, auch wenn sie die oft nicht unter Kontrolle gekriegt haben.)
Auf Bundeswehrseite scheint man (von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen) noch nichtmal die fast schon zwingende Logik hinter diesem Ansatz begriffen zu haben. Vom Vorantreiben einer zielführenden Umsetzung ganz abgesehen…
Da kann man noch so sehr Schützenpanzer auf Hügel stellen um die Landschaft zu überblicken. Auch wenn die dann praktisch uneinnehmbar sind: gewonnen ist damit so gut wie nix.
@J.R.:
Ihr Annahme ist weiterhin, dass es ISAF ist, die die bewaffneten afghanischen Truppen im Zaum hält (sowohl auf “Regierungsseite”, als auch auf “Auständischenseite”). Dazu fehlen mir schlicht die Belege.
Schauen Sie sich doch an, wie Konflikte in Afghanistan vor ISAF ausgetragen wurden, bspw. Kabul Anfang der 90er. Oder woher Mullah Dadullah seinen Spitznamen hatte. Oder auch das bereits angesprochene Massaker an Taliban-Kämpfern durch Dostums Leute.
Dass es so etwas in diesem Ausmaß bisher nicht mehr gab, ist meiner Meinung nach Beleg genug.
Um an der Stelle mal einzuhaken: Wären Einheimische überhaupt in so einen Hinterhalt getappt?
Die tappen noch in ganz andere Hinterhalte: http://www.longwarjournal.org/archives/2010/08/taliban_al_qaeda_for.php
Ihre Ausführung über den Gefechtswert der afghanischen Truppen ist ja sehr schön, aber wenn man ihre Argumente umdreht, wird ein Schuh daraus.
Was bringt es, wenn ein ANA-Soldat Ihrer Rechnung nach den zehnfachen Gefechtswert eines ausländischen Soldaten hat, wenn dafür aber ein Zug der ausländischen Soldaten das schafft, was die ANA mit zwei Kompanien nicht hinbekommt?
Was bringt es, wenn 80% (die Zahl ist willkürlich gewählt) der ANA „Kampftruppen“ sind, wenn diese zu großen Teilen unwillig und/oder unfähig sind, etwas zu bewirken (schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet, Drogenprobleme, die bekannte Palette halt)?
Was bringt es, wenn die Familie eines ANA-Soldaten auf Seiten der Regierung steht, wenn gleichzeitig die INS die Familie als Druckmittel gegen die ANA-Soldaten nutzen können?
Auf welche Rekrutierungsbasis soll sich die Rekrutierung in die ANA denn auswirken? Wer für beide Seiten kämpfen würde, tut dies in der Regel aus finanziellem Anreiz, und so jemand wird in aller erster Linie dafür sorgen, dass er seinen Sold auch ausgeben kann. Zahlt eine andere Gruppe besser, ist er weg. Wird es gefährlich, ist er weg.
Das sind keine Truppen mit Gefechtswert, sondern bewaffnete Parkwächter.
Dass die ANA aufgrund ihrer sehr unproportionalen ethnischen Besetzung in den pashtunischen Teilen Afghanistans als genau so ausländisch wie ISAF wahrgenommen wird, kommt noch dazu. Da wird den INS niemand wegrekrutiert, im Gegenteil.
ISAF hat bis auf Ausnahmegebiete mit dem „Clear“ (aus Clear, Hold, (Re)build) keine wirklichen Probleme. Die ANA eben schon. Und auch wenn Hold und Build nicht mehr so ganz en vogue sind, wenn es am Clear schon scheitert, kann das nichts werden.
@ zog
Und woran machen sie es fest, dass das Ausbleiben von Massakern nicht auf eine Post-Taliban-Gesellschaft zurückzuführen ist? Selbst im RC Nord gab es zu jederzeit Gebiete, in denen ISAF bestenfalls nominell vertreten war (etwa Taloqan und alles östlich davon).
Was ihre Ausführungen zur ANA angeht: Da haben sie durchaus im Detail recht. Ein Großteil der Probleme liegt aber auch schlicht darin begründet, dass man versucht hat eine Armee mit NATO-typischen Strukturen und mit NATO-typischen Einsatzmustern aufzubauen, welche vor allem einer wenig inspirierenden Zentralregierung verpflichtet ist. Und die dann mit ihrem unmotivierten FOB-Zentrismus, der Unkenntnis der Region und dem Commute-to-fight-Ansatz fast die gleichen Probleme wie NATO-Truppen haben. (Wobei das nichtmal ein afghanisches Problem ist. Die paktistanische Armee hat in den Stammesgebieten genau die gleichen Schwierigkeiten.)
Ob sie mit ihrer Einschätzung als „Bewaffnete Parkwächter“ so recht haben sei mal dahingestellt. Von den Afghanen werden mit deutlich schlechterer Ausrüstung und deutlich schlechterer Unterstützung fast schon „Heldentaten“ erwartet, die sich viele ISAF-Truppen selbst mir ihrer Ausrüstung nicht trauen. (Das schon x-mal zitierte Schicksal der übergelaufenen Miliz bei Pul-i-Khumri ist da ja ein Beispiel. Aber sie können da auch jede afghanische Straßensperre heranziehen.) Auf jeden der sich in der FOB auf den Sold konzentriert scheint halt auch bei Afghanen einer zu kommen der über sich hinauswächst wenn’s drauf ankommt – welch Wunder, sind ja auch nur Menschen.
Wie gesagt, ich will da gar nichts schönreden. Und mit durchdachter internationaler Ünterstützung ließe sich aus da ein Vielfaches an Wirkung herausholen. Aber bereits jetzt sind es eben „die Afghanen“, die den Großteil der Arbeit stemmen, während ISAF mit Nabelschau beschäftigt ist. Und letztlich sind es die Afghanen, die nicht zuletzt wegen dieser Ineffizienz einen Blutzoll zahlen, bei dem die BW schon dreimal aus Afghanistan abgehauen wäre. (Denn gerade bei ISAF ist doch die Bereitschaft, notfalls für Afghanistan zu sterben, doch noch geringer als bei der ANA.)
Ganz davon ab: ich würde vermuten, dass Sie mit ihrer Einschätzung der Bundeswehr-Fähigkeiten zum „Clear“ deutlich daneben liegen.
Zum einen hat es das gesamte Bundeswehrkontingent „gerade mal“ geschafft, sich in einen, vielleicht zwei umkämpfte Distrikte reinzukämpfen (Teile von Char Darah und nach der Verstärkung durch die Amerikaner auch noch in Distriken im Norden Baghlans).
Ob sie wirklich ein „Clear“, also das Abspalten der Aufständischen von der Bevölkerung, hingekriegt hat bleibt weiterhin offen. Oder ist die Situation dort mittlerweile so stabil, dass man sie guten Gewissens einer „Polizeitruppe“ überlassen kann?
@J.R.: Das Massakrieren der Gegenseite hat in Afghanistan schon lange Tradition, das ist von den Taliban komplett unabhängig.
Zu Ihrer Einschätzung der ANA will ich mich nicht weiter einlassen, ich denke da stimmen wir im Großen und Ganzen überein.
Zum Zustand der afghanischen Sicherheitskräfte im Sommer 2012:
„In 2012, 7% of army units and 9% of police units were rated “independent with advisors,” the new highest level of capability.
In other words, even by at lower standards, less than 10% of the force that has cost $50 billion U.S taxpayer dollars can operate semi-independently.“
http://www.afghanistanstudygroup.org/2012/08/07/pentagon-lowers-the-standard-for-afghan-forces/
Weniger als 10% der aller afghanischen Sicherheitskräfte sind in der Lage, unabhängig, aber immer noch mit Beratern, zu operieren. Das dürften dann die SF sein.
Bezugnehmend auf Ihren Beitrag muss man natürlich ergänzen: Im Sinne der von ISAF gewünschten Vorgehensweise. Nutzlos sind die längst nicht alle.
Womit wir auch bei den „bewaffneten Parkwächtern“ wären. Wenn Sie den entsprechenden Absatz erneut lesen, sollte deutlich werden, dass ich das nur auf die bezog, die möglichst ungefährdet ihren Sold einstreichen wollen und nur aus finanziellen Anreizen Mitglied der ASF geworden sind, nicht auf die afghanischen Sicherheitskräfte im Allgemeinen.
Zum Blutzoll: http://www.isaf.nato.int/article/isaf-releases/isaf-factsheet-on-current-ansf-status.html
Allerdings legen die Afghanen auch nicht so viel Wert auf ein Leben wie ISAF. Ohne das jetzt wertend beurteilen zu wollen.
Das Problem liegt doch aber weniger an den Fähigkeiten der Bundeswehr als am politischen (Un-)Willen, diese auch einzusetzen. War zumindest mein Eindruck.