Die Rekord-Piraten
Die regelmäßigen Leser von Augen geradeaus! wird das kaum überraschen: Die Piraterie weitet sich immer mehr aus – und die Seeräuber am Horn von Afrika haben den weltweit größten Anteil daran. Im vergangenen Jahr gerieten mehr Seeleute in die Hand von Piraten als je seit Beginn regelmäßiger Statistiken, und 92 Prozent (!) aller gekaperten Schiffe weltweit wurden in den Gewässern vor Somalia entführt. Das sind die erschreckenden Zahlen, die das International Maritime Bureau und der Direktor seines Piracy Reporting Centre, Pottengal Mukundan, heute vorgelegt haben.
Blieb denn der massive Einsatz der Kriegsschiffe von EU, NATO, den Combined Maritime Forces unter US-Führung und anderer Nationen wie Russland und China erfolglos? Das zwar nicht, sagt Mukundan: Im Golf von Aden ging die Zahl der Piratenangriffe deutlich zurück. Dafür agieren die Seeräuber immer weiter draußen auf hoher See – und nutzen zunehmend gekaperte Frachter und Tanker als Mutterschiffe, die ihnen große Reichweite und lange Stehzeiten im Indischen Ozean ermöglichen.
Und ein erfolgversprechender Weg dagegen? Da sagt der Piratenkenner das, was eigentlich alle sagen: Die Lösung liegt an Land, in Somalia. In Strukturen der Stabilität für das kriegs- und krisengeschüttelte Land. Aber da geht irgendwie keiner richtig ran.
Dieses Foto ist mehr als ein Jahr alt – und mittlerweile nutzen die Piraten deutlich größere Mutterschiffe:
GULF OF ADEN (Nov. 12, 2009) Members of a visit, board, search and seizure team from the guided-missile cruiser USS Chosin (CG 65) keep watch over the crew of a suspected pirate dhow as fellow teammates conduct a search for weapons and other gear. The boarding was conducted as part of counter-piracy operations in the Gulf of Aden. Chosin is the flagship for Combined Joint Task Force 151, a multinational task force established to conduct counter-piracy operations off the coast of Somalia. (U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 1st Class Scott Taylor/Released) 091112-N-9500T-170
@T. Wiegold
„Die Lösung liegt an Land, in Somalia. In Strukturen der Stabilität für das kriegs- und krisengeschüttelte Land.“
Das ist das, was Medienvertreter in der Tat von deutschen „Experten“ zu hören bekommten. Eine „Lösung“ stellt das jedoch nicht dar, sondern eher eine Utopie. Wenn man unter „Strukturen der Stablität“ mehr meint als mit den Piraten konkurrierende Warlords, dann wird es so etwas in den kommenden Jahrzehnten im Großteil Somalias nicht geben. Und es gibt absolut niemanden, der dazu in der Lage wäre, dies zu ändern. Die Erfahrungen im Irak und in Afghanistan haben die Diskussion über „Stabilisierungseinsätze“, „Nation Building“ etc. in den relevanten Kreisen praktisch beendet.
„Piraterieexperten“, die anderes behaupten, erinnern mich an die „Terrorismusexperten“, die 2001 behauptet haben, dass die Lösung des Terrorismusproblems nicht etwa naheliegend in der Bekämpfung des Terroristen läge, sondern in „Strukturen der Stabilität für das kriegs- und krisengeschüttelte Afghanistan“. Mancher „Piraterieexperte“ ist so wie die Masse der „Terrorismusexperten“ nämlich eher Experte für das, was unsere Politiker und öffentliche Geldgeber hören wollen als Experte für die unschöne Realität.
„….experte“ wieso erinnert mich das immer an Volker Pispers ;-)
@StFwdR:
Um fair zu bleiben: Ich habe auch Experten erlebt, bei denen diese Bezeichnung nicht sarkastisch klingt. Diesen Typus gibt es m.E. in Deutschland aber (was harte sicherheitspolitische Themen angeht) meist nur noch hinter verschlossenen Türen. Ja, es gibt sogar nicht wenige Experten (z.B. im universitären Bereich), die sorgsam darauf achten, ihre Kompetenz nur im ganz kleinen Kreise durchscheinen zu lassen. Nach Außen sagen sie aber immer brav ihre friedenspolitischen Sprüchlein auf. Wer einmal den Ruf erlangt hat, sich ohne die nötige Empörung und die erforderlichen Kniefälle an die korrekte Ideologie mit militärischen Fragen zu beschäftigen, der wird rasch feststellen, das unser Land nicht ganz so frei ist, wie manche vielleicht noch meinen. Dann doch lieber über die Lösung des Piratenproblems durch Frieden, Gerechtigkeit und geschlechtergerechten nachhaltigen Klimaschutz fabulieren und seine Ruhe haben.
Zwischen Madagaskar und der Südspitze Indiens liegt eine Strecke von etwa 3.500 km.
Wenn nun zwei Flugzeugträger innerhalb dieser Strecke kreuzen, kann die maximale Distanz von jedem Träger innerhalb dieser Länge auf weniger als 1.500km reduziert werden.
Wäre es nicht viel praktikabler, die Mutterschiffe zu versenken und mit zwei patroullierenden Flugzeugträgern eine Luftunterstützung bereit zu halten, die innerhalb von 45 Minuten Flugreisezeit den Großteil des Gebietes abdecken?
Sobald die Interessenten in Somalia wissen, dass keine Gefangenen gemacht werden, werden berufliche Perspektiven an Land viel attraktiver. Schließlich haben sie es vorher doch auch verstanden, an Land übereinander und nicht über unseren Welthandel herzufallen :-)
Und wer hätte ein Interesse daran, zivile Schiffe zu versenken? Die Weltöffentlichkeit nicht, die Piraten nicht, die als Geiseln genommenen Matrosen nicht, und die Reeder und Schiffseigner auch nicht.
Der wirschaftliche Schaden ist schlicht so gering, dass sich niemand groß bemüßigt fühlt was zu unternehmen. Und der europäischen Öffentlichkeit sind ein paar hundert gefangene Matrosen aus irgendwelchen Drittstaaten schlicht schnuppe.
Man schaue sich das Desinteresse zur Situation in Afghanistan oder Somalia an – da fallen ein so ein paar Geiseln schlicht nicht ins Gewicht. Außer man bringt sie um – denn das wäre ja aktiv böse, und das geht ja nicht…
Davon ab: Soviele Flugzeugträger hat es schlicht nicht. Und für die USA ist der Frachtverkehr zwischen Asien und Europa jetzt glaub nicht von nationalem Interesse, als dass sie gut ein Fünftel ihrer Flugzeugträgerflotte dafür abstellen würden. Ob sich bei den europäischen Flugzeugträger-Staaten einer findet, der seinen Flugzeugträger dafür abstellt, darf ebenfalls bezweifelt werden – von der notwendigen europäischen Zusammenarbeit, um ständig zwei im Einsatz zu haben mal ganz abgesehen.
Ganz klar, die fehlende Relevanz für die Amerikaner ist natürlich ein Hindernis.
Solange die Route über das Polarmeer nicht ständig befahrbar ist, dürften aber zuminest die Russen ein Interesse haben, wenn sie nicht alles aus Asien über den kostspieligen Landweg in den europäischen Teil des Landes einführen wollen.
Aber nachdem sich sogar Briten und Franzosen auf je einen halben Träger auf See geeinigt haben, wird es natürlich eng ;-)
Wenn der wirtschaftliche Schaden in den Augen der europäischen Öffentlichkeit zu gering für ein Eingreifen ist, spricht das ja sogar einmal für die Öffentlichkeit. Allerdings sollte man sich darum kümmern über Ressourcen zu verfügen, die ein Eingreifen zu einem späteren Zeitpunkt ermöglichen.
Zum einen zum Experten: Mukundan ist der Leiter des Piracy Reporting Centre und sicherlich nicht an die deutsche innenpolitische Debatte gebunden…
Zum anderen: Die an den Anti-Piraterie-Missionen beteiligten Staaten haben, aus verschiedenen Gründen, das Ganze ein Stadium erreichen lassen, wo schon die Bekämpfung aktueller Piraterie fast unmöglich wird (vom grundsätzlichen Angehen der Probleme gar nicht zu reden). Einen gekaperten Frachter, der außer Piraten auch noch 20 oder mehr Geiseln an Bord hat, gezielt zu versenken, kommt in der europäischen Öffentlichkeit gar nicht gut an. Auch wenn hier zu Lande die mehr als 600 Drittwelt-Seeleute in der Regel nicht interessieren (merkwürdigerweise auch der deutsche Kapitän des Flüssiggastankers York nicht).
Und zum dritten: wie groß der wirtschaftliche Schaden ist, ist ja umstritten bzw. nie genau beziffert. Wie wirken sich die gestiegenen Versicherungsprämien aus? Auffallen wird das in Deutschland vermutlich erst, wenn die günstige Elektroware aus China im Geiz-Markt das Doppelte kostet…
Ich bin nicht so sicher, ob das heute noch so einen großen Proteststurm auslösen würde, gerade wenn keine Europäer an Bord sind.
Mittlerweile dürfte durchgedrungen sein, dass ständige Lösegeldzahlungen die Problematik nur anheizen.
Natürlich wären auch die diplomatischen Verwicklungen mit Drittstaaten unverhältnismäßig, in die man sich durch ein Durchgreifen begibt.
Aber die Boote und Schiffe, welche sich allein in Piratenhand befinden zu versenken, wäre schon mal ein Anfang. Danach kann man sich immer noch überlegen, ob man die anderen aufwändig erstürmt oder einfachere Methoden anwendet. Vielleicht ergibt sich auch die eine oder andere Besatzung, wenn sich eine rauere Umgangsform erst einmal herumgesprochen hat.
Pardon, habe ich das jetzt richtig verstanden: Piraten-Mutterschiffe versenken, auch wenn Geiseln an Bord sind – sind ja keine Europäer? Und leider kann man das nicht machen, wg. der diplomatischen Verwicklung mit Drittstaaten?
@T. Wiegold
„Mukundan ist der Leiter des Piracy Reporting Centre und sicherlich nicht an die deutsche innenpolitische Debatte gebunden…“
Ich hatte Ihre Berufung auf „Experten“ als allgemeinen Bezug verstanden, halte meinen Einwand aber auch im speziallen Fall aufrecht.
Wir Deutschen machen alles immer 110%-ig, auch die politische Korrektheit. Das bedeutet nicht, dass es diese woanders nicht auch gäbe. Dass es neben Schaffung von „Strukturen der Stabilität“ möglicherweise auch noch andere, naheliegendere Optionen an Land gibt (die Mukundan nicht erwähnen will), und dass keiner der relevanten Staaten und schon gar nicht die VN irgendetwas an der Instabilität in Somalia ändern kann und auch (mit Ausnahme der VN) nicht real beansprucht zu können, sollte man m.E. zumindest zur Kenntnis nehmen.
Mukundans institutionelles Interesse, nicht als Befürworter einer militärisch durchgesetzten Globalisierung erscheinen zu wollen, kann ich nachvollziehen. Ich glaube eben nur nicht, dass er hier als objektiver „Experte“ gesprochen hat, sondern als jemand, der zuweilen eben auch PR betreiben muss.
.
In seinen konkreten Äußerungen finde ich nichts anderes als das Vokabular sicherheitspolitischer Sonntagsreden: “It is vital that governments and the United Nations devote resources to developing workable administrative infrastructures to prevent criminals from exploiting the vacuum left from years of failed local government.”
Das wäre ja alles eigentlich ein absoluter Nebenaspekt, wenn deutsche „Experten“ mit Masse diese hier im Rahmen von PR geäußerten Positionen nicht als Produkt wissenschaftlicher Objektivität darstellen würden.
Um meinen Einwand anhand eines anderen Beispiels zu verdeutlichen: Ich erlebte jüngst eine Diskussion, bei es um deutsche Interessen in Afrika ging. Man redete in den öffentlichen Äußerungen v.a. über Menschenrechte und Umweltschutz. Beim Büffet hingegen sprach man über Rohstoffe und China. Ich finde es gefährlich, wenn die reale Diskussion nicht mehr offen stattfinden kann und bloße Rhetorik mit Expertise verwechselt wird.
@T. Wiegold
„Pardon, habe ich das jetzt richtig verstanden: Piraten-Mutterschiffe versenken, auch wenn Geiseln an Bord sind – sind ja keine Europäer?“
Genau diese Diskussionen jenseits der deutschen Nachkriegsmoral müssen geführt werden, wenn man in einer Welt agieren will, die diese Moral nicht teilt und nicht nach ihren Regeln funktioniert.
Eine politische Kultur, die alles stets auf die moralische Ebene herunterziehen muss, führt genau zu der passiven Hilflosigkeit, welche die internationalen Marinekräfte derzeit am Horn von Afrika demonstrieren.
Zymes Bemerkung ist etwas zugespitzt, geht aber in die richtige Richtung: Wäre Deutschland noch erpressbar, wenn man in einigen wenigen Fällen nicht auf den Erpressungsversuch eingehen und statt dessen die Risiken für die Piraten erhöhen würde? Ich kenne die Antwort nicht, und niemand wird die Antwort je kennen, solange diese Tabus bestehen.
Es geht nicht einfach um Tabus.
Nur mal als Denkmodell: Die USA befreien einen ihrer Frachter mit Waffengewalt und nehmen achselzuckend in Kauf, dass dabei etliche deutsche Besatzungsmitglieder eben mal mit umgelegt werden. Sind ja keine Amerikaner.
Mit einem solchen Muster jenseits der deutschen Nachkriegsmoral würden wir in die Denke einer früheren Zeit zurückfallen. Was unserem Land nicht gut täte.
Ob der Weg weg von Staatlichkeit hin zum Naturzustand mehr Sicherheit schafft darf dann doch bezweifelt werden. Oder überspitzter: Mehr Sicherheit durch das Ausbreiten somalischer Verhältnisse? I’m not convinced.
Der Knackpunkt ist doch eher, dass die Bereitschaft langfristig in Staatlichkeit zu investieren eher am Abnehmen ist.
Da werden dann halbgare Konzepte wie das „Kleinbomben“ wieder salonfähig – wo hätte das denn je in der Geschichte funktioniert? Aber rein militärische Lösungen scheinen halt generell mehr sexy zu sein als komplizierte und langwierige militärisch-politische Kooperationen. So Sachen wie Kosten und Wirkung scheinen da nebensächlich.
Eben deswegen dümpeln ja jetzt auch die diversen Kriegsmarinen ohne Konzept vor Somalia.
Aber um die Geisel-Gedankenspiele mal weiterzudenken:
1) Reductio ad absurdum:
– Wenn ein Staat über das Leben anderer Staatsbürger entscheiden darf/soll/kann, warum dann nur wenn diese in der Hand von Piraten sind?
– Wenn ich mir das Recht nehme fremde Schiffe zu versenken, warum sollte es moralisch verwerflicher sein sie zu entführen?
=> Gesetzlosigkeit ist keine Lösung.
2) Juristen würden an der Stelle wohl nach dem Gut fragen, dass bei Geisel-Versenkungen geschützt wird. Viel Spass das zu definieren. ;)
Aber Realismus und Zynismus liegen leider in der Tat nah beieinander. Nur ist das ein Problem und kein Freibrief…
Übrigens, zu den finanziellen Auswirkungen: eine nette Übersicht, die gCaptain da gefunden hat.
@T. Wiegold
„Mit einem solchen Muster jenseits der deutschen Nachkriegsmoral würden wir in die Denke einer früheren Zeit zurückfallen.“
Man müsste nicht zurückgehen. Es gibt auch einen Weg nach vorne, wobei ich aber z.B. im Realismus eines Bismarck nichts Negatives sehe und auch nicht glaube, dass er Deutschland geschadet hat.
Es gehört m.E. zu den problematischsten Schwächen des moralistischen sicherheitspolitischen Diskurses, dass er so tut, als würden alle Alternativen zu ihm zwangsläufig zu einem bestimmten Ausschnitt der deutschen Vergangenheit zurückführen.
„Nur mal als Denkmodell: Die USA befreien einen ihrer Frachter mit Waffengewalt und nehmen achselzuckend in Kauf, dass dabei etliche deutsche Besatzungsmitglieder eben mal mit umgelegt werden. Sind ja keine Amerikaner.“
Ähnliche Abwägungen erfolgen in anderen Regionen der Welt auch mit deutscher Beteiligung oder Billigung jeden Tag und sind sogar im humanitären Völkerrecht geregelt.
In Ihrem Beispiel wären dafür die politischen Kosten bzw. Folgeschäden wohl zu hoch, weshalb so vermutlich nicht gehandelt würde. Wenn der abzuwendende Schaden aber größer wäre, dann würden die Amerikaner selbstverständlich so handeln (von Islamisten entführtes deutsches Passagierflugzeug im Anflug auf New York?) und den eventuellen politischen Schaden akzeptieren. Täten sie es nicht, wäre der Schaden nur noch größer.
Umgekehrt gilt das gleiche: Sollte es jemals einen solchen Anschlag in Deutschland geben, dann dürften die Verhinderer des Luftsicherheitsgesetzes unabhängig vom moralischen Wert ihrer Position unter enormen Rechtfertigungszwang geraten.
So wie es in Zentralasien aktuell durchaus Situationen gibt, in denen die Inkaufnahme des Todes von Zivilisten wegen der akzeptablen politischen Folgeschäden in Kauf genommen wird, würde ich nicht grundsätzlich ausschließen, dass der Tod z.B. einiger philippinischer Seeleute weniger politische Schaden erzeugen könnte als eine Befreiungsaktion sicherheitspolitischen Nutzen bringen würde. Wer bereits diese Möglichkeit leugnet und nicht darüber diskutieren will, schafft dadurch m.E. keine bessere Welt, sondern erwirbt sein reines Gewissen ggf. für den Preis eines reduzierten Risikos für die Piraten. Man kann der Logik dieser Welt eben nicht entkommen.
Nachtrag: Zwei Punkte sind dann doch noch seperate Kommentare wert
1) Eine politische Kultur, die alles stets auf die moralische Ebene herunterziehen muss, führt genau zu der passiven Hilflosigkeit, welche die internationalen Marinekräfte derzeit am Horn von Afrika demonstrieren.
Nein. Das Problem ist, dass dieser (oft pseudo-)moralischen Argumentation keine moralische Argumentation entgegengesetzt wird. Oder wer Argumentiert den Atalanta wirklich von den gefangenen Seeleuten her? Oder ISAF von den Afghanen? Wer führt denn wirklich aus, das Sicherheit weniger Leid bedeutet, und mißt das dann auch an den getroffenen Maßnahmen? Wenn man fies oder zynisch wäre: „Sicherheitpolitik“ ist doch mittlerweile zu einem Euphemismus für „Militäraktionismus“ verkommen.
2) Wäre Deutschland noch erpressbar, wenn man in einigen wenigen Fällen nicht auf den Erpressungsversuch eingehen und statt dessen die Risiken für die Piraten erhöhen würde?
Um das an der Stelle mal ganz klar zu sagen: Deutschland wird nicht erpresst. Es werden keinerlei Forderungen an den deutschen Staat gestellt.
Um es sehr überspitzt für die Mehrheit der Fälle zu sagen: Es werden Fahrzeuge, die nichtmal zur deutschen Handelsflotte gehören, ohne deutsche Besatzungsmitglieder, in internationalen Gewässern aufgebracht. Das einzige deutsche an den meisten Schiffen ist der Absatzmarkt und evtl. das reingesteckte Kapital. Mit dem Argument kann ich dann aber auch Krieg um Adidas-Sweatshops in Bangladesh oder Shell-Bohrungen im Niger-Delta führen. Die Bundeswehr als international tätiger Werksschutz für deutsche Shareholder? Oder warum nicht gleich eine Invasion Boliviens wegen des dortigen Lithiums?
@J.R.
„Das Problem ist, dass dieser (oft pseudo-)moralischen Argumentation keine moralische Argumentation entgegengesetzt wird. Oder wer Argumentiert den Atalanta wirklich von den gefangenen Seeleuten her? Oder ISAF von den Afghanen?“
Die Position, dass die Welt des Politischen keiner moralischen Logik folgt bzw. von anderen Gesetzmäßigkeiten bestimmt wird, ist doch letztlich auch eine moralische Position. So wie umgekehrt die Position, dass das Gesetz der Schwerkraft unmoralisch sei, irgendwie auch eine naturwissenschaftliche Position wäre.
„Mit dem Argument kann ich dann aber auch Krieg um Adidas-Sweatshops in Bangladesh oder Shell-Bohrungen im Niger-Delta führen……warum nicht gleich eine Invasion Boliviens wegen des dortigen Lithiums?“
Und tatsächlich führen Staaten Krieg, wenn es um von ihnen als vital angesehene wirtschaftliche Interessen geht. Ihre Beispiele sind ja absichtlich so gewählt, dass dies als lächerlich erscheint.
ein Nachtrag: Wer – wie ich – die Dokumentation Piraten vor Somalia auf arte versäumt hat, kann sie hier anschauen: http://videos.arte.tv/de/videos/piraten_vor_somalia-3643822.html
Wie bereits ausgeführt wurde empfielt es sich für einen Staat, will er soweit als möglich Herr der Lage bleiben, in derlei strategischen Fragen abzuwägen und keine Optionen pauschal zur Seite zu legen.
Daher ist eine Abwägung des diplomatischen Schadens eines Angriffs mit den wirtschaftlichen und strategischen Beeinträchtigungen des Nichthandelns in jedem Fall vorzunehmen. Diese kann im Ergebnis dann von Fall zu Fall anders ausfallen. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, dass nicht wenige Staaten in der Dritten Welt für ihre Staatsbürger nur ein sehr übersichtliches Maß an Fürsorge mitbringen.
Natürlich empfielt sich eine Konsultation der dortigen Führung wenn sich Bürger anderer Nationen auf den entführten Schiffen befinden.
Gleichzeitig darf man sich aber nicht zur Geisel anderer Nationen machen. Führt die Konsultation nicht zu einem konstruktiven Mitwirken, muss das Heft des Handelns wieder in die eigene Hand genommen werden.
Immerhin sind wir eine der größten Handelsnationen auf diesem Globus. Wenn nicht einmal wir unserem Standpunkt Nachdruck verleihen, ist der Welthandel in kritischen Regionen dem Verderb ausgeliefert.
Ja natürlich sind die absichtlich so gewählt, um zu zeigen was für ein nichtssagender Gummibegriff „vitale wirtschaftliche Interessen“ ist. ;)
Ich tue mich wirklich sehr sehr schwer, mir irgendwelche wirtschaftlichen Szenarien auszumalen, bei dem das Überleben des deutschen Staates oder der deutschen Bevölkerung auf dem Spiel steht. Was heißt also „vital“? Und noch weniger Szenarien fallen mir ein, bei dem sich solche Szenarien mit Militärgewalt entschärfen ließen. Im Gegensatz etwa zu gesunder Resourcen- und Haushaltspolitik…
Davon ab: Dass sich die Staaten der Welt nicht zu sehr und erst recht zu öffentlich von der „Goldene Regel“ („Gleiches Recht für alle“ oder „Was du nicht willst..:“ oder ähnliches) zu entfernen wagen hat letztlich auch sehr pragmatische Gründe. Die Welt ist eben kein Nullsummenspiel: Gemeinsamer Friede bringt mehr als Krieg untereinander.
Gerade die Endlos-Kosten des Militäreinsatzes in und um Somalia unterstreichen doch was so ein Dauer“krieg“ kostet, und was man im Falle von Frieden an Friedensdividende einstreichen würde.
Oder um beide Punkte mal (wieder überspitzt) zu vereinen: Solange die Staatengemeinschaft zu faul/geizig ist sich aufzuraffen und eine dauerhafte Lösung anzustreben, solange sind die erlittenen Schäden schlicht nicht vital.
@J.R.
„Was heißt also “vital”? Und noch weniger Szenarien fallen mir ein, bei dem sich solche Szenarien mit Militärgewalt entschärfen ließen.“
Nur ein Beispiel von vielen: Eine solche Situation gab es für Deutschland z.B. in den 80er Jahren, als die Sowjetunion im Zuge ihrer Offensive im südlichen Afrika kurz davor stand, ein quasi-Monopol bei bestimmten Industriemetallen zu erlangen. Die Bundesregierung unterstützte daher Südafrika. Hätten die Sowjets vor ihrem Ende ihre ANC-Verbündeten dort an die Macht gebracht, wäre nicht nur Deutschland durch ein sowjetisches Rohstoffkartell erpressbar geworden. Der Krieg war zwar nur ein Stellvertreterkrieg, aber er wurde dennoch auch mit deutscher Unterstützung geführt, und zwar zum Nutzen Deutschlands.
„Dass sich die Staaten der Welt nicht zu sehr und erst recht zu öffentlich von der “Goldene Regel” (“Gleiches Recht für alle” oder “Was du nicht willst..:” oder ähnliches) zu entfernen wagen hat letztlich auch sehr pragmatische Gründe. “
Es gibt unter Staaten kein „gleiches Recht für alle“, nicht einmal auf dem Papier. Es gibt noch nicht einmal ein Recht unter Staaten im strengen Sinne des Wortes. Das „Völkerrecht“ ist mangels einer globalen Macht, dies es garantieren kann, kein solches. Faktisch gilt das Recht des Stärkeren, welche die Regeln festlegen, nach belieben ignorieren oder zu ihren Gunsten interpretieren. Dies kam Deutschland zeitweise zu Gute, weil es mit den Stärksten verbündet war bzw. ist. Allerdings ändern sich die Machtverhältnisse gerade. Würde z.B. Gambia das „Völkerrecht“ in Wirtschaftsfragen laufend so brechen wie es die Chinesen tun, hätte man das Land längst durch harte Sanktionen zum Einlenken gebracht. Die Chinesen verfügen aber über ausreichend Macht, um sich das leisten zu können, und niemand außer ein noch wesentlich mächtigerer könnte sie dazu zwingen, die kraftlosen Absichtserklärungen des „Völkerrechts“ einzuhalten. Das gleiche gilt umgekehrt für die USA, z.B. in der Frage der Irak-Intervention. Soviel zum „gleichen Recht für alle“!
Wer Piraterie mit Kriegschiffen (mit Harpoon und Co.) bekämpfen will, der muß auch bereit sein auf Piraten zu schießen. Oder haben diese Kriegsschiffe eher die Aufgabe Staaten wie Iran oder China einzudämmen und die Piraten dienen nur als Vorwand? Diese Frage drängt sich mir auf. Man beachte auch die Ausbreitungsrichtungen der Piraterie. Das passt irgendwie.
„Es gibt unter Staaten kein “gleiches Recht für alle”, nicht einmal auf dem Papier. Es gibt noch nicht einmal ein Recht unter Staaten im strengen Sinne des Wortes. Das “Völkerrecht” ist mangels einer globalen Macht, dies es garantieren kann, kein solches. Faktisch gilt das Recht des Stärkeren, welche die Regeln festlegen, nach belieben ignorieren oder zu ihren Gunsten interpretieren. Dies kam Deutschland zeitweise zu Gute, weil es mit den Stärksten verbündet war bzw. ist.“
Absolut so muss das Zusammenspiel mit wachen Augen gesehen werden, will man sich nicht vom Idealismus blenden lassen.
Da die Amerikaner sich umorientieren und seit der Wende unsere Interessen nicht mehr weitreichend deckungsgleich sind, sind wir in der Verantwortung unsere Vorstellungen und Interessen selbst durchzusetzen.
Immerhin geben wir im Jahr über 30 Mrd. € für unsere Truppe aus. Da dürfen Bürger und Unternehmen zu Recht erwarten, dass diese Investition auch eine nutzbringende Verwendung findet. Sonst können wir die Finanzmittel gleich einsparen.
Hier zunächst ein kleiner Lesetipp zur Diskussion aus der Sendung Streitkräfte und Strategien des NDRInfo. Interview mit Ralf Nagle Hauptgeschäftsführer des VDR.
http://www.ndr.de/info/programm/sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraeftesendemanuskript241.pdf
Und dann mal der Blick auf eine Diskussion beim Blog des US Naval Institute. Diese ist, wie ich finde, auch recht informativ bei der Kenntnis über die Sichtweise von größtenteils Angehörigen USN und USMC.
http://blog.usni.org/2011/01/16/task-force-indifferent/
Zur Diskussion hier:
@T.Wiegold: Danke für die Übersicht zur finanziellen Auswirkung der Piraterie.
Ich finde die Summen ehrlich gesagt nicht unbedingt unerheblich. Natürlich, gemessen am Gesamtvolumen wie bereits festgestellt „peanuts“, aber für den ein oder anderen Reeder ein nicht gerade zu unterschätzender Posten. Und was sind denn in dieser Aufstellung die großen Posten für die Beteiligten? Das Rerouting ist sehr intensiv. Das kostet Zeit und vor allem Treibstoff. Und das wird sich mit Sicherheit über kurz oder lang irgendwo (geiz ist geil shop war ein guter Hinweis…) wiederfinden. Und für die Nationen die sich dort militärisch mit einem Show of Force beteiligen ist das Ganze sehr teuer. Der militärische Beitrag in der derzeitigen Form hängt aber m.E. unter anderem mit der öffentlichen Wirksamkeit für die Begründung von Marineschiffen zusammen.
Versicherungssummen und Sicherheitsmaterial werden aber auch nicht weniger werden. Vor allem der Bereich der Technischen Lösungen ist eine tolle Einnahmequelle für Anbieter von Sicherheitstechnik die solche „Solutions“ im Portfolio haben. Und genau da geht es los. Diesen Firmen ist durchaus daran gelegen, dass Piraterie diese Aufmerksamtkeit erfährt. Denn mit ihrem eigentlichen Betätigungsfeld (Hafensicherheit Infrastruktur und Sicherheit für Schiffe im Hafen und auf Reeden) erzielt man nur eingeschränkte Aufmerksamkeit.
Dies bringt mich zu meiner eigentlichen These:
Piraterie ist nur ein ganz kleiner Aspekt für Maritime Security. Auch wenn es sich medial wunderbar ausarbeiten lässt und der Einsatz von Marineschiffen manch einem gefallen mag. Maritime Security und Maritime Domain Awareness ist deutlich mehr als nur der Blick auf das örtliche Piratenproblem. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Häfen und ihre Sicherheit eine viel wichtigere Rolle spielen. Es mag in Deutschland kaum einen interessieren, was passiert wenn Hamburg für zwei Wochen nicht mehr zu nutzen ist (teilweise ja noch nicht mal die eigenen Hafen- und Sicherheitsbehörden, wenn ich aus eigener Erfahrung nur den Aspekt des Wissens über das „Unterwasserlagebild“ bewerte). Welche Auswirkungen so ein Schliessen eines Hafens hätte, haben die USA während den Folgen des „Hurricanes Katrina“ intensiv erfahren können. Als New Orleans, als großer Hafen erheblich beinträchtigt worden ist, gab es konkrete Berechnungen. Ja die USA waren sogar noch viel dreister, haben sie doch tatsächlich im Rahmen der Bewertung ihrer Nationalen Sicherheit und Geostrategischen Ausrichtung Analysen und SZENARIEN erstellt und diese bewertet. Und die Zahlen der Ölkatastrophe werden hier bestimmt auch noch einige interessante Inhalte liefern (Anm. am Rande: Als 1984 aufgrund von Treibminen das Rote Meer fast dicht gemacht wurde, hat das auch erhebliche Kosten verursacht. Aber Minen?pffhh…wo gibt es denn sowas? Ein Kühlschrank voll mit Sprengstoff in der Elbe??wer denkt sich denn so einen Quatsch aus…Ihr wollt euch doch nur wichtig machen ihr Strategen…oder besser gesagt EXPERTEN..). Dann gibt es noch die anderen Themen des Bereiches Martimime Security die sich zum Beispiel mit den Sea Lines of Communication beschäftigen. Und auch dort spielt Piraterie nur eine untergeordnete Rolle.
Nun ist aber Schluss mit meinem Runtermachen der Bedeutung der Piraterie, denn schliesslich löst Herr Wiegold in diesem Blog dadurch auch schöne Diskussionen mit maritimem Hintergrund aus ;-)
Da ist mir als altem Seebären doch durchaus dran gelegen. No offense to our Army and Air Force Representatives!
Von einer Staaten-Anarchie ist die Welt weit entfernt. Bei international agierenden Staaten gibt es gibt gegenseitige Abkommen und ein Netz von Abhängigkeiten, nicht zuletzt diverse überstaatliche Akteuren wie dem IWF oder der Weltbank. Dazu dann die ganzen Blöcke/Föderationen/Netzwerke/Staatenverbünde, von EU, OPEC, ASEAN, AU bis NATO. Nennen sie es von mir aus Proto-Recht oder Vorstaatlichkeit.
Dass innerhalb dieses Geflechts um Einfluss geschachert wird braucht man wohl nicht lange zu diskutieren. Aber der Spielraum für Rambo-Aktionen hat abgenommen. Es gibt mittlerweile Spielregeln. Die kann man zwar brechen, aber das kostet.
Wie sehr das Verhältnis von Staaten mittlerweile von „Vertrauen“/gegenseitigen Interessen bestimmt wird sieht man am Beispiel Deutschlands ja sehr gut an der Nutzung von russischem Erdgas und chinesischer Arbeitskraft.
Tatsächlich ist die Souveränität der europäischen Staaten nicht mehr militärisch bedroht, sondern am ehesten noch durch zu starke/einseitige Abhängigkeit von einzelnen Rohstofflieferanten oder Geldgebern.
Dagegen aber eine militärische Drohkulisse aufbauen zu wollen ist schlicht … anachronistisch.
(Erschreckend ist hier viel mehr, wie schwach Europa da wirtschaftlich-politisch immer noch aufgestellt ist. Sowohl was die wirtschaftliche Stabilität angeht, als auch die Möglichkeit zu wirtschaftlichen Sanktionen. Aber Wirtschaft taucht in der sicherheitspolitischen Debatte ja fast nur auf wenn es um Militäreinsätze geht. Diese Scheuklappen spiegeln sich ja auch in den Begrifflichkeiten wieder, wo man fein zwischen langweiliger Ordnungspolitik und interessanter Sicherheitspolitik unterscheidet. Das eine ist was für Buchhalter und Verwaltungsangestellte, das andere was für Wohnzimmergeneräle…)
Das obige Modell hat nur ein Problem: Es greift schlicht nicht bei Nicht-Staaten und nur bedingt bei ideologischen Regimes, bei denen das Wohl der Bevölkerung nachrangig ist. Das ist für diese Staaten zwar meist ein enormer Schaden (siehe Nordkorea, Taliban-Afghanistan oder eben Somalia), aber das wird wohl von den „Herrschenden“ in Kauf genommen.
Das Dumme ist nur: Die Bundeswehr beeindruckt solche (Nicht-)Staaten erst recht nicht. Gerade zu Failed States gibt es in Deutschland (oder auch in Europa) schlicht noch kein Konzept. Letztlich wird das Problem wohl als zu gering eingestuft, hier wirklich die entsprechenden Mittel zu entwickeln. Statt auf den langwierigen und unübersichtlichen Aufbau von Staatlichkeit setzt man lieber auf langwierige und im Fall von Failed States ineffiziente militärische Eindämmung.
Und warum? Man gibt halt 30 Mrd. € für eine Truppe aus, die an den Anforderungen einer globalisierten Welt vorbeikonstruiert ist. Für irgendwas muss die ja gut sein – und Piraten aufzulesen kriegt sie gerade noch so hin. Miltitäraktionismus aus Trägheit um eine Anpassung der Politik zu vermeiden…
Gerade an der Frage, wo und wie 30 Mrd. € für die Sicherheit Deutschlands am besten eingesetzt wären, hat der derzeit existierende Bundeswehr-Apparat doch am wenigsten ein Interesse.
@ Orontes
Welchen Krieg meinen sie da konkret? Mir würde da aus dem Stegreif nur die Buschkriege in Rhodesien in den späten Siebzigern einfallen (jetzt Simbabwe unter Mugabe). Ohne genaueres zu wissen: Deren wirtschaftliche Relevanz scheint mir schlicht sehr gering. Im Gegensatz zu den beiden Ölkrisen, die sich ebenfalls in den Siebzigern ereigneten und nicht militärisch beantwortet wurden. Das zeigt meiner bescheidenen Meinung nach sehr gut, welchen wirtschaftlichen Schaden Deutschland wegstecken kann.
@J.R.
„Welchen Krieg meinen sie da konkret? Mir würde da aus dem Stegreif nur die Buschkriege in Rhodesien in den späten Siebzigern einfallen (jetzt Simbabwe unter Mugabe). Ohne genaueres zu wissen: Deren wirtschaftliche Relevanz scheint mir schlicht sehr gering.“
Hier ist ein Artikel von 1980, der das Problem aus amerikanischer Sicht schildert:
http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,952561,00.html
In den 70er Jahren hatten die Sowjets eine Offensive im südlichen Afrika begonnen, die sich auf diverse Stellvertreter u.a. in Angola, Mosambik, Südafrika und dem damaligen Rhodesien sowie Südwestafrika stützte. Diese Offensive lief sehr erfolgreich an und hätte dazu führen können, dass ein Großteil der für Industrieproduktion zwingend notwendigen Metalle in kommunistisch kontrollierten Staaten gefördert worden wäre. Dies hätte den Sowjets die Möglichkeit gegeben, Rohstoffe als Waffe einzusetzen.
Interessante Geschichte am Rande: Naive westliche Aktivisten unterstützten die sowjetische Offensive, weil sie der Sowjetpropaganda glaubten, die diese Offensive als Kampf gegen „Rassismus“ oder „Kolonialismus“ darstellte. Eine nicht unwesentliche Rolle bei der Unterstützung kommunistischer Guerillas aus deutschen Kirchensteuergeldern spielte in den 80ern übrigens eine sehr bekannte spätere Bischöfin, Weinliebhaberin und Friedensaktivistin, die damals Funktionärin des ÖRK war, über den ein wichtiges Unterstützungsprogramm für kommunistische Kämpfer lief. Aber das ist eine andere Geschichte.
Auf jeden Fall standen westliche Regierungen damals vor der Entscheidung, wie sie mit dem durch psychologische Kriegführung der Sowjets erfolgreich diskreditierten strategischen Rohstofflieferanten Südafrika umgehen würden. Die Südafrikaner standen in den 80ern an mehreren Schauplätzen im offenen oder verdeckten Krieg gegen die Kommunisten, u.a. im eigenen Land, in Angola, Südwestafrika und Mosambik. Um es kurz zu machen: Der tatsächliche Druck auf Südafrika durch westliche Regierungen war nicht so weitreichend, wie es die politische Rhetorik vielleicht vermuten ließ. Dies trug dazu bei, dass die Sowjets der Kontrolle dieser strategischen wichtigen Region vor ihrem Untergang nicht mehr erreichten.
Leider werden in unserer defekten sicherheitspolitischen Kultur jene dämonisiert, die durch pragmatisches Denken und Handeln damals deutsche Interessen schützten, während jene, die aus Naivität oder ideologischer Verblendung alles taten um deutschen Interessen zu schaden, als moralische Lichtgestalten dastehen.
Sie sprachen noch die Ölkrise an, die „nicht militärisch beantwortet worden sei“. Tatsächlich spielte die Sorge, dass die Sowjets über Afghanistan zum Persischen Golf vorstoßen könnten, eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung zur umfangreichen Unterstützung der afghanischen Widerstandsbewegung. Umgekehrt setzten die USA den Erdölpreis in Koordination mit den Saudis in den 80ern gezielt als Waffe gegen die Sowjets ein. Aktuell ist die Sorge bzgl. der Bildung eines feindlichen Kartells unter der Führung des Irans (im Vergleich zur relativ kooperativen OPEC) eine wesentliche Motivation der Eindämmungspolitik gegenüber dem Iran. Auch wo nicht direkt geschossen wird, bleibt die Logik des Krieges stets präsent.
Meine Güte, ein JaBoG und die tollen neuen MRTT nach Djibouti, und das Problem könnte in einer Woche gelöst werden. Gleichzeitig könnten die Entsorgungskosten für die MW-1 gespart werden, falls noch welche im Bestand sein sollten. Aber das ist ja nicht gewollt.
Das Piracy-Issue soll doch gar nicht gelöst werden. So zögerlich und unentschlossen wie die Staatengemeinschaft die Piraterie und die gesamte Situation in Somalia angehen, muss dahinter ein strategisches Interesse an einem Contained War liegen. Unbekannte Akteure beeinflussen mit relativ kleinen Beträgen die Situation potentiel gravierend (siehe z.B. hier , eine Privatarmee für 10 Mio$). Dazu die fehlende internationale Anerkennung der autonomen Gebiete in Somalia, Gerüchte über Einsätze auf dem Land gegen Islamisten ( Source ), aber nicht gegen Piraten und eine unangreifbare Rechtfertigung für Flotteneinsatz und -modernisierung. Es stinkt im Staat Somalia…