SPD will Beginn des Afghanistan-Abzugs 2011
Die Verlängerung des deutschen Afghanistan-Mandats im Januar kommenden Jahres dürfte wohl nicht mit Zustimmung der Sozialdemokraten geschehen. Drei Tage vor der Afghanistan-Konferenz der SPD am kommenden Dienstag hat die Oppositionspartei klare Bedingungen gestellt: Die so genannte flexible Reserve von 350 Soldaten, die derzeit zusätzlich zur geltenden Bundeswehr-Obergrenze von 5.000 Mann für den ISAF-Einsatz bereitstehen, müsse abgebaut werden. Außerdem müsse bereits 2011 das deutsche Kontingent am Hindukusch reduziert werden. Die Forderungen kommen vom europäischen SPD-Spitzenmann Martin Schulz, der sie der FAZ diktierte.
Wir haben im Einklang mit amerikanischen Abzugsplänen darauf gedrängt, dass auch die Bundesregierung 2011 mit dem Abzug beginnt, wird Schulz zitiert. Zudem müsse mit jedem Schritt der Übergabe von Verantwortung an die Afghanen in einzelnen Provinzen auch die Zahl deutscher Soldaten reduziert werden. Außenminister Guido Westerwelle hatte dagegen vor kurzem von einem Beginn einer deutschen Reduzierung im Jahr 2012 gesprochen.
Sollte Schulz damit die Position der gesamten Partei widergeben (die sich ja auf ihrer Konferenz erst darauf verständigen will) und seine Voraussetzungen tatsächlich Bedingungen für eine Zustimmung zur Mandatsverlängerung werden, schert die SPD aus der bislang von allen Parteien außer der Linken getragenen Unterstützung des ISAF-Einsatzes aus. Irgendwie habe ich auch den einstigen SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier im Ohr, der vor der Wahl davon gesprochen hatte, die Weichen für den Abzug bis 2013 zu stellen…
Aus Sicht der Truppe kommt eine Reduzierung kaum infrage – schon jetzt werden Funktionsdienstposten darauf durchgekämmt, ob sie nicht in irgendeiner Form verzichtbar sind, damit die Zahl der Soldaten in den Kampfeinheiten aufgestockt werden kann. Offiziell ist zwar von Ausbildungs- und Schutzbataillonen die Rede, die gemeinsam mit der afghanischen Armee im Partnering die Ausbildung der einheimischen Soldaten vorantreiben sollen. De facto geht es aber um einen Kampfeinsatz gegen Aufständische, wie ihn auch ISAF-Kommandeur David Petraeus kürzlich lobte.
Und ein Beginn des deutschen Abzugs im Einklang mit amerikanischen Abzugsplänen klingt zwar vordergründig gut. Aber selbst wenn die USA 5.000 Soldaten abziehen, wäre das nur ein geringer Teil ihrer gesamten Streitmacht am Hindukusch. Aus deutscher Sicht wären schon ein paar hundert Mann eine entscheidende Schwächung.
Aber vielleicht bauen Schulz und die SPD-Genossen ja auch darauf, dass Verhandlungen Truppen überflüssig machen. Wie die Afghanistan-Experten, die sich in einem offenen Brief an US-Präsident Barack Obama gewandt haben. Ob das allerdings so schnell funktioniert, dass die sozialdemokratische Forderung nach einem Beginn des Abzugs 2011 erfüllt werden kann, wage ich zu bezweifeln.
Das ist so unglaublich hirnrissig….
Da erschafft man endlich die Option, flexibler in der Operationsführung zu sein, zieht die nicht mehr benötigten Tornados ab, stellt ASB auf, um im Partnering besser zu werden – und bevor die sich überhaupt eingearbeitet haben, kommen die Genossen und plärren: „Abzug sofort!!“ Populistischer geht es wirklich nicht mehr…
Nicht nur, das diese Partei uns überhaupt erst in die Schei…. reingeritten hat, nein, jetzt reißt sie auch noch mit dem Arsch ein, was vor Kurzem mit den Händen aufgebaut wurde – um es mal auf Westfälisch zu formulieren.
Aber Aktionismus ersetzt anscheinend funktionierendes Konzept. Ein Armutszeugnis und vernichtendes Signal an die Afghanen.
Vielleicht ist mir da was entgangen, aber ISAF beziffert den deutschen Beitrag auf 4341 Soldaten – das Mandat würde also derzeit schon bei weitem nicht ausgereizt.
Entsprechend wäre der Beschluss der SPD bei allem Aktionismus und außenpolitischem Schaden eine Luftnummer: Man könnte dem Wahlvol einen „Abzug“ von Soldaten verkaufen die eh nicht vor Ort sind, während die Mission an sich weiterläuft wie gehabt (ob dass so gut ist sei mal dahingestellt).
Wobei ich mich ja da wirklich frage, ob mir angesichts der ISAF-Zahlen, der Mandatsgrenze und der „Vollauslastung“ der Bundeswehr nicht irgendwas entgangen ist. Selbst nach den Zahlen der Bundeswehr (4595) bleibt ein nicht unbeträchtlicher Abstand zur Mandatsobergrenze. (Nebenbei: Wie erklärt sich der Unterschied zwischen Bundeswehr- und ISAF-Zahlen?)
@J.R.
Nach letztem Stand waren es vergangene Woche 4.656 Soldaten, wobei die Zahl immer schwankt, u.a. wg. Kontingentwechsel. Höchster Stand in diesem Jahr waren 5.012 Soldaten.
Der Unterschied zwischen ISAF- und Bundeswehr-Zahlen erklärt sich unter anderem daraus, dass nicht alle eingesetzten deutschen Soldaten auch ISAF unterstellt sind – Abweichungen gibt es da unter anderem bei National Support Elements, in der Vergangenheit auch bei National Intelligence Cells (bei letzterem bin ich allerdings nicht sicher, in welchem Umfang das noch gilt).
@ T.Wiegold
Wobei die Kontingentswechsel ja ausdrücklich nicht zur Mandatsobergrenze zählen, von wegen „Während Kontingentwechseln darf die Personalobergrenze vorübergehend überschritten werden.“
Ohne die Details zu den Zahlen zu kennen (Kontingentswechsel, befristete Aufstockung etwa zu den Parlamentswahlen) wirkt das auf mich so, als wären zu jedem Zeitpunkt mindestens 350 „unbefristete Mandatsplätze“ unbesetzt. Da das etwa dem gesamten OMLT-Engagement der Bundeswehr, bzw. einem halben Ausbildungs- und Schuztbataillon entspricht, erscheint mir das schon ’ne Menge.
Na ich denke mal, das ist Augenwischerei. Sowas kann man wie beschrieben ja einfach fordern ohne dabei auf militärischen Gegenwind stoßen, da die Obergrenze momentan eh nicht ausgereizt ist und durch den Abzug der RECCE haben wir ab Januar eh noch Spielraum.
Und überhaupt: Für ne oppositionelle Forderung ist das doch echt weich formuliert.
Allerdings muss man anmerken dass es sich hierbei um Aussagen des Herrn Schulz handelt. Und wem er nicht geläufig ist, kann sich die Äußerungen, das Auftreten und den Gehalt des Mannes im Europaparlement ausreichend auf einschlägigen Videoplattformen angucken. Aufgemerkt!!: Fremdschämalarm…
@T.W.
Also die SPD ist nun auch in dieser Frage in der Opposition angekommen.
Laut dieser Quelle ist das, was der Schulz da so fordert, längst Beschlußlage der SPD-Spitze
Quelle :http://de.reuters.com/article/domesticNews/idDEBEE6B80GP20101209
Vizefraktionschef Gernot Erler machte die Zustimmung der SPD-Abgeordneten zur Verlängerung des Einsatzes davon abhängig, dass noch 2011 die ersten deutschen Soldaten vom Hindukusch abgezogen würden. „Wenn die Bundesregierung Wert auf die Zustimmung der SPD legt, sollte sie klipp und klar zusagen, das Bundeswehr-Kontingent schon im nächsten Jahr zu verkleinern“,
Und das pis.. mich wirklich an, es geht nicht um die Sache an sich, ob es in der aktuellen Situation Sinn macht oder nicht, sondern um kleinkariertes politisches Tagesgeschäft. Um den Gegner mit allen Mitteln politisch zu schädigen, koste es was es wolle und sei es die Bündnissfähigkeit.
War nicht anders zu erwarten, ich bin schon mal auf die „Marktplatzreden“ der Genossen gespannt.
@StFwdR
Komisch, der Beschluss der SPD vom 22. Februar liest sich ganz anders. Da begrüßt der SPD-Parteivorstand,
Mit dem jetzt in den Deutschen Bundestag eingebrachten Vorschlag für ein neues Afghanistan-Mandat ist die Bundesregierung den SPD-Forderungen sehr weit entgegengekommen:
* Keine neuen deutschen Kampftruppen.
* Eine deutliche Aufstockung der zivilen Mittel.
* Mehr Ausbildung für afghanische Sicherheitskräfte.
* Beginn des Abzugs der deutschen Truppen ab 2011.
Also haben wir alle alles falsch verstanden und die Bundesregierung will 2011 mit dem Abzug beginnen.
Die Pressemitteilung dazu hier
Ich freue mich schon auf die Bundestagsdebatte. Wird bestimmt wieder eine Sternstunde der Realsatire…
Jepp, das verpass ich auch auf keinen Fall.
(Von der SPD) begonnene Arbeit nicht zu Ende bringen? Was sei das denn für eine Art?