Abzugsdatum, Haushalt, Bundeswehr

In diesen vorweihnachtlichen Tagen sollte man nicht alzuviel in irgendwas hineingeheimnissen. Nach dieser Übersicht und dieser Übersicht und dieser Übersicht deshalb zur Dokumentation: Aus der heutigen Bundespressekonferenz zu den Themen Afghanistan-Abzugsdatum für die Bundeswehr und Verteidigungshaushalt. Wie zuvor treten auf: Der stellvertrende Sprecher des Verteidigungsministeriums, Kapitän zur See Christian Dienst; der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kreienbaum. Außerdem der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans und der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke.

SRS DR. STEEGMANS: Ich möchte zu drei Themen einige Bemerkungen machen. Bevor es nachher im Aufbruch untergeht, wünschen wir Ihnen von dieser Seite aus alle ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein schönes Wiedersehen nach den Feiertagen!

Zu zwei Dingen möchte ich praktisch präventiv bzw. reaktiv Stellung nehmen, weil ich bereits mehrere Anfragen dazu erhalten hatte und es für richtig halte, dass ich das dann allen Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stelle.

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Das Zweite, das ich kurz anmerken wollte, weil ich in der Medienberichterstattung heute einen gewissen Widerspruch entdeckt habe, betrifft die Frage eines möglichen Abzugs von Bundeswehrkontingenten oder „capabilities“, wie es im Fachenglisch heißt. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass der Bundesaußenminister in seiner Regierungserklärung in der vergangenen Woche, die ja im Namen aller Kabinettsmitglieder ergangen war und die auch ausdrücklich, bis ins Kleinste hinein, vorher natürlich mit allen Kabinettsmitgliedern vor allen Dingen mit den betroffenen im Wortlaut abgestimmt worden war, ausdrücklich gesagt hat: „Wir werden jeden Spielraum nutzen, um damit so früh zu beginnen, wie es die Lage erlaubt und es vor allem unsere verbliebenen Truppen nicht gefährdet.“ Möglicherweise ist dieser Passus unter dem Eindruck des vorangegangenen Satzes bei dem einen oder anderen etwas in den Hintergrund getreten, aber er war natürlich mit Bedacht gewählt.

Wenn man sich dann vor Augen führt, wie der Fortschrittsbericht der Bundesregierung im Wortlaut abgefasst ist, in dem es nämlich heißt „nicht mehr benötigte Fähigkeiten, soweit die Lage dies erlaubt, ab Ende 2011/2012 zu reduzieren“, und wenn man dann noch die Äußerung der Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch in Afghanistan hinzuzieht „Das setzt voraus, dass die Lage auch so ist, dass man das verantworten kann“ , dann wird man bei einer Exegese oder Synopse relativ bald feststellen, dass alle Beteiligten ausdrücklich auf die Lagebeurteilung als Voraussetzung abstellen. Ich glaube, dass wir an dieser Stelle dann auch jegliche Unklarheit, die möglicherweise bei dem einen oder anderen aufgekommen ist, aus dem Weg geräumt haben, zumal übrigens, wenn ich es richtig weiß, die gestern in den Agenturen erschienenen Äußerungen des Bundesverteidigungsministers noch vor der Regierungserklärung getätigt worden waren. Das ist möglicherweise dem einen oder anderen nicht so klar gewesen. Aber ich glaube, damit haben wir Fragen, die aufgeworfen wurden, an dieser Stelle hinreichend beantwortet.

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FRAGE: Ich möchte nur noch einmal nachfragen, um sicherzustellen, dass ich das richtig verstanden habe. Herr Steegmans, Herr Dienst, die Äußerungen von Herrn zu Guttenberg, die gestern über die Agenturen gelaufen sind und es ist nicht zu übersehen auch in unserer Zeitung Niederschlag gefunden haben, stammen also aus einer Zeit vor der Regierungserklärung. Ist das richtig?

DIENST: Das ist richtig. Dieses Interview mit Werner Sonne ist auf dem Rückflug aus Afghanistan am Montag letzter Woche aufgezeichnet worden.

FRAGE: Die Aussage, man mache es von der Lage abhängig, ist natürlich eine rein nichtssagende Aussage, weil die Lagebeurteilung natürlich wieder etwas ganz anderes ist. Ist das damit eine Aussage, die man schlicht und einfach vergessen kann?

SRS DR. STEEGMANS: Nein. Zuversicht und Augenmaß sind zwei Seiten derselben Medaille.

FRAGE: Die „Wirtschaftswoche“ berichtet, dass die Kosten für den Afghanistan-Einsatz um fast 50 Prozent gegenüber 2009 gestiegen seien. Herr Dienst, was ist an der ganzen Sache dran? Es heißt: 1,54 Milliarden Euro allein in diesem Jahr, nicht nur Verteidigungsministerium, sondern auch Auswärtiges Amt und Ähnliches mehr. Das Verteidigungsministerium ist mit 1,04 Milliarden Euro gelistet. Korrekt?

DIENST: Ja. Das sind die prognostizierten Ausgaben für den Einsatz, und die treffen auch so zu. Das sind eben die einsatzbedingten Zusatzausgaben. Es ist, darf ich einmal sagen, auch kein Wunder, dass die Kosten steigen, wenn wir stetig das Kontingent erhöhen und wenn wir gerade im Bereich des Materials und der Ausrüstung über den Titel „Einsatzbedingter Sofortbedarf“ dringenden Forderungen aus dem Parlament, seitens des Wehrbeauftragten, seitens der Truppe und seitens der Erkenntnisse, die im Bereich der Weiterentwicklung liegen, nachkommen. Wenn wir ständig neues Material zuführen, dann kostet das eben auch Geld.

ZUSATZFRAGE: In diesem Zusammenhang habe ich noch eine Frage zum Schutz der Soldaten vor Sprengfallen. Der „Mini MineWolf“ soll Ende 2011 eingeführt werden. Gibt es schon Vorstellungen dazu, was das kosten wird und inwieweit diese Einführung zeitgerecht erfolgen wird?

DIENST: Auch diese Einführung läuft über den Titel „Einsatzbedingter Sofortbedarf“. Die genauen Kosten greifen Sie bitte bei den Fachsprechern meines Hauses ab. Aber auch das ist eine Maßnahme, die unter Hochdruck umgesetzt wird. Wenn man eine Maßnahme derartiger Qualität innerhalb eines Jahres umsetzt, dann geschieht der schon mit Hochdruck, weil ich wiederhole mich an dieser Stelle es sozusagen leider kein Einsatzkaufhaus gibt, in das man gehen und genau das Material erwerben könnte, das man für die deutschen Qualifikationen im Einsatz benötigt.

PESCHKE: Sie hatten auch nach den zivilen Ausgaben gefragt. Ausgaben für die zivile Unterstützung für Afghanistan wurden ausdrücklich erhöht. Das ist einer der wenigen Posten im Bundeshaushalt, die nicht nur nicht zurückgefahren werden mussten, sondern die gestiegen sind. Das ist mit ganz ausdrücklicher Absicht geschehen. Das entspricht dem Afghanistan-Konzept der Bundesregierung vom Anfang dieses Jahres, in dem zur Flankierung der politischen Lösung und zur Flankierung der Anstrengungen im Sicherheitsbereich auch ganz ausdrücklich gesagt wurde: Wir wollen die zivile Unterstützung für Afghanistan hochfahren. Wir führen eine Wiederaufbauoffensive durch. Wir wollen ein Bildungspaket schnüren, um den Menschen in Afghanistan eine bessere zivile Perspektive zu geben.

Das ist ganz ausdrücklich Teil unseres politischen Ansatzes und auch der von der Bundesregierung so ins Auge gefassten Strategie. Das ist jetzt auch in den Haushaltsberatungen entsprechend umgesetzt worden und wird jetzt unter Zugriff auf die verschiedenen Töpfen entsprechend durchgeführt.

FRAGE: Es gibt heute Meldungen darüber, dass die Kanzlerin dem Verteidigungsminister zugesagt habe, dass er nur die Hälfte seiner Sparvolumens erbringen müsse, um die Bundeswehrreform zu finanzieren. Was ist da dran?

SRS DR. STEEGMANS: Ich kenne diese Meldungen nicht. Aber wenn es sie gäbe, hätte Staatssekretär Seibert die Frage bereits am Montag beantwortet, weil sämtliche Fragen dazu, was die Finanzierung vor uns liegender Aufgaben angeht, jeweils in den Haushaltsberatungen beantwortet werden.

Ich kann grundsätzlich noch einmal bekräftigen, wie es auch mein Kollege Seibert bereits mehrfach getan hat, dass die mittelfristige Finanzplanung so steht, wie sie verabschiedet worden ist. Wir wollen die Bundeswehrreform so sparsam wie möglich gestalten, aber wir werden auch keine Sicherheitspolitik nach Kassenlage machen. Konkrete Entscheidungen werden immer Schritt für Schritt gefällt. Das sind die vier Parameter, nach denen wir vorgehen.

DIENST: Ich hatte das schon am Montag unter Bezug auf den Montag davor beantwortet. Aber bevor sich der Schirm hier nun wieder entspannt: Die Eckpunkte sind unsererseits, dass die Formulierung „bis zu 185.000“ bewusst gewählt worden ist. Streitkräfte jedweder Größe müssen finanziell ausreichend unterlegt werden. Wie im Grundgesetz geregelt, bestimmt das Parlament über das Haushaltsgesetz den Umfang der Streitkräfte. Minister zu Guttenberg sieht sich nach wie vor dem Sparen auch und vor allem im Hinblick auf die Schuldenbremse verpflichtet. Wie ich Ihnen bereits vor zehn Tagen gesagt habe, werden wir alles auf den Kopf stellen, um Mittel im eigenen Bereich freizusetzen, und die dann disponiblen Mittel werden kreativ und effektiv neu verteilt, um somit Nachforderungen aus eigenem Versäumnis heraus zu vermeiden. Das ist die Essenz.

FRAGE: Herr Dienst, ich möchte es noch einmal auf zwei Zahlen herunterbrechen, nämlich auf diese 8,3 Milliarden Euro, die vorgegeben worden waren und auf die sich die beiden Minister Schäuble und zu Guttenberg wohl mehr oder weniger geeinigt hatten, und eben auf das Jahr 2014. Glaubt Ihr Minister, das noch erreichen zu können? Das waren Zahlen, die dann mit 163.000 Soldaten und mit 7.500 Freiwilligen vermengt wurden. Es ist ja nachvollziehbar, dass das Ganze teurer wird, aber das wurde halt noch nicht eingestanden. Wird möglicherweise gestreckt, wird das Finanzministerium um einen Nachlass gebeten, oder wird wirklich die Chefin um eine Halbierung angegangen?

DIENST: Der Minister hat sich selbst in seinen O-Tönen dazu eingelassen. Die sind nicht zu kommentieren. Die können Sie nachrecherchieren. Ich werde die hier auch nicht replizieren.

Alles, was zum Thema der Finanzen aus unserer Sicht zu sagen ist, ist am Montag vergangener Woche, am Montag dieser Woche und jetzt eben gesagt worden. Mehr ist darüber hinaus nicht dazu zu sagen. Ich kann Sie auch noch einmal an den einen Satz erinnern, den ich schon ausgeführt habe: Zu Gesprächen hinter verschlossenen Türen sei es, dass sie stattgefunden haben, oder sei es, dass sie nicht stattgefunden haben sagen wir nichts. Es gilt der gleiche Satz, den Herr Dr. Steegmans im Hinblick auf den ungarischen Ministerpräsidenten gewählt hat.

ZUSATZFRAGE: Wird denn möglicherweise im Sinne des Substituts im Rüstungsbereich hier und dort ein Fragezeichen gesetzt, um vielleicht das, was für die Rekrutierung von Freiwilligen etc. mehr ausgegeben werden muss, zu kappen?

DIENST: Ich habe Ihnen eben gesagt: Es wird alles auf den Kopf gestellt, und die Mittel, die dann herausfallen und frei disponibel sind, werden erst einmal entsprechend neu verteilt, bevor man überhaupt darüber redet, dass man gegenüber den Sparvorgaben mehr Geld braucht. Alles andere wird sich dann im Laufe der Haushaltsgesetzgebung ergeben.

FRAGE: Herr Dienst, wenn Sie sagen, der Minister sehe sich dem Sparen und der Schuldenbremse verpflichtet, bezieht sich das dann auf das Sparen als solches – 4 Milliarden Euro anstatt 8 Milliarden Euro sind ja auch eine Einsparung oder auf das Sparziel in Höhe von 8,3 Milliarden Euro?

Herr Kreienbaum, inwieweit treffen Berichte darüber zu, dass die 4 Milliarden Euro, die Herr zu Guttenberg laut Medienberichten erlassen bekommen soll, auf andere Ministerien verteilt werden?

DIENST: Wir können uns nun in taktischer oder fachlicher Semantik darüber ergehen, welches Wort wie zu deuten ist. Es ist so, dass die Schuldenbremse allein darin angelegt ist, wie Herr Kreienbaum es auch an dieser Stelle ausgeführt hat, dass der nächste Haushalt im berühmt-berüchtigten so wird es einmal kommen, nehme ich an Top-down-Ansatz angegangen werden wird. Das heißt, wie ich es verstehe, es wird eine gedeckelte Obergrenze geben, und unter der müssen sich dann letztlich alle wiederfinden. Das zielt ja auf die Schuldenbremse, und dementsprechend fühlt sich auch Minister zu Guttenberg der Schuldenbremse verpflichtet. Genauso fühlt er sich auch dem Sparen als Grundsatz wirtschaftlichen Handelns verpflichtet.

Es ist so, wie ich ich muss mich immer wieder wiederholen es Ihnen schon vor zehn Tagen ausgeführt habe: Alle „hobby horses“, die in unserem Haus unter Umständen noch gepflegt werden, werden erst einmal stillgelegt. Dann erwirtschaftet man daraus Mittel, die man frei verteilen kann, und irgendwo kommt man dann in einer neuen Struktur der Bundeswehr natürlich auch zu einem neuen Ansatz. Man wird sehen, wie das in der Haushaltsgesetzgebung letztendlich ausgehen wird.

KREIENBAUM: Auch ich kann mich nur wiederholen und Ihnen noch einmal das sagen, was ich vor zehn Tagen schon gesagt habe, wenn es hilft: Ich hatte mich schon zur Gültigkeit der mittelfristigen Finanzplanung geäußert, die weiterhin für den Gesamthaushalt und auch weiterhin für die Einzelpläne gilt.

ZUSATZFRAGE: Herr Kreienbaum, ist der Medienbericht also falsch, in dem steht „soll nur die Hälfte der Summe aufbringen; der Rest soll auf die übrigen Ministerien aufgeteilt werden“?

KREIENBAUM: Mir ist das völlig unbekannt.

FRAGE: Hat sich denn, Herr Kreienbaum, auch der Gemütszustand Ihres Ministers in den letzten zehn Tagen nicht geändert? Wiegt der sich nach wie vor sozusagen in der vorweihnachtlichen Zuversicht, dass sich an dieser Zielvision „8,3 Milliarden Euro bis 2014“ nichts ändert, oder hat er wie einige Abgeordnete begonnen, Zweifel zu hegen?

KREIENBAUM: Nein, auch der Minister geht weiterhin davon aus, dass die mittelfristige Finanzplanung weiterhin bestehen bleibt.

FRAGE: Ich wollte nur einmal daran erinnern, dass der Grund dafür, dass das hier zum dritten Mal innerhalb von zehn Tagen Thema ist, darin liegt, dass sich die Haushälter der Koalition zu Wort gemeldet haben. Wenn es so ist, dass alles zu diesem Thema gesagt worden ist, wie Sie hier unterstrichen haben, dann fragt man sich natürlich: Haben Sie diese Botschaft auch an die Haushälter vermittelt? Die haben nämlich ganz offenkundig Zweifel. Sonst hätten sie die ja nicht abermals geäußert.

KREIENBAUM: Wenn die Frage an mich gerichtet ist, kann ich nur sagen, dass mir kein neuer Sachstand dazu vorliegt.