Türkei verlangt direkten Zugang zu deutschen Luftbildern im Anti-ISIS-Kampf

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Wenige Tage vor der für den kommenden Donnerstag geplanten Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Türkei mehren sich die Hinweise, dass es in der militärischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem NATO-Partner Türkei gewaltig knirschen könnte. Nach Informationen von Spiegel Online, die Augen geradeaus! bestätigt wurden, verbindet die Türkei die Genehmigung für Bauvorhaben des Bundeswehrkontingents auf dem türkischen Flugplatz Incirlik mit direktem Zugang zu den Aufklärungsergebnissen der dort stationierten Tornado-Flugzeuge. Darüber hinaus läuft eine Überprüfung der NATO-Aktivität in der Ägäis, die das Übersetzen von Flüchtlingen nach Griechenland unterbinden soll und von einem deutschen Admiral geführt wird.

Seit Anfang vergangenen Jahres starten deutsche Tornado-Aufklärer von Incirlik aus zu Flügen über Irak und Syrien, um Daten für den Einsatz der internationalen Koalition gegen die ISIS-Terrormiliz in beiden Ländern zur Verfügung zu stellen. Die Forderung der Türkei, diese Aufklärungsergebnisse direkt zu erhalten, verlangt nach Informationen von Augen geradeaus! eine Abkehr von den bisherigen Informationswegen der internationalen Koalition: Bisher erhält keine der daran beteiligten Nationen diese Daten direkt. Sie werden an das Koalitions-Hauptquartier in Al Udeid weitergegeben und dort für die Steuerung des Einsatzes, also vor allem für Luftangriffe, genutzt. Ein deutscher Offizier hat als Red Card Holder ein Einspruchsrecht für die Weitergabe der Luftaufnahmen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Türkei diese Bilder für den Kampf gegen Kurden nutzen will.

Damit pocht die Türkei auf den Zugang zu Informationen, die selbst die direkt an Luftangriffen auf ISIS-Stellungen beteiligten Nationen so nicht erhalten. Das lehnte das deutsche Verteidigungsministerium inzwischen offiziell ab: Wir fliegen mandatskonform und stellen unsere Aufklärungsergebnisse allein der Koalition im Kampf gegen den IS zur Verfügung, sagte ein Ministeriumsprecher der Nachrichtenagentur Reuters. Im zuletzt Ende vergangenen Jahres verlängerten Mandat heißt es dazu, Aufgabe der Bundeswehr sei Austausch und Abgleich gewonnener Lageinformationen mit weiteren Akteuren der internationalen Anti-IS-Koalition im Rahmen des Auftrags, der allein die Bekämpfung von ISIS vorsieht.

Laut Spiegel Online berichtete die deutsche Botschaft in Ankara, dass das türkische Militär am 20. Januar die Forderung nach den Luftbildern mit der Genehmigung der deutschen Baumaßnahmen in Incirlik verknüpft habe. Auf der Luftwaffenbasis sind Bauarbeiten und die Errichtung eines mobilen Gefechtsstandes im Wert von zusammen rund 60 Millionen Euro geplant. Allerdings waren diese Infrastukturmaßnahmen schon bisher wegen Problemen in der türkisch-deutschen Zusammenarbeit belastet.

Auf einem weiteren Feld zeichnen sich ebenfalls Probleme ab: Die NATO-Aktivität in der Ägäis, an der unter deutscher Führung Kriegsschiffe aus der Türkei, Griechenland und weiteren Ländern der Allianz beteiligt sind, ist zunächst bis Ende März befristet. Derzeit läuft ein 90-Tage-Review, in dem entschieden werden soll, ob diese Mission fortgesetzt wird. Auf deutscher Seite gibt es Zweifel, dass die Türkei einer Fortsetzung zustimmt.

Und nicht zuletzt dürfte dabei auch eine Rolle spielen, dass türkische NATO-Offiziere in Deutschland politisches Asyl beantragt haben – während die Türkei wegen einer angeblichen Verstrickung in den Putschversuch im vergangenen Jahr eine Auslieferung fordert.

(Archivbild: Techniker bereiten am 8. Januar 2016 im Rahmen des Einsatzes Counter DAESH den ersten Einsatzflug zweier Recce Tornados auf der Air Base in Incirlik vor, am 08.01.2016 – Bundeswehr/Falk Bärwald)