Die Bundeswehr und ihre Reserve-Not: Bürokratie-Alarm
Generalleutnant André Bodemann, stellvertretender Chef des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr, gestand zuletzt am (heutigen) Montag bei einer Podiumsdiskussion mit Finnen und Schweden ein: Von den beiden nordischen Ländern könne Deutschland viel lernen, wenn es um den Aufbau einer Reserve gehe – denn von diesen Reservisten sei nicht zuletzt im Ernstfall der Operationsplan Deutschland abhängig. Das ZDF-Magazin frontal hat einen Blick darauf geworfen, wie es um diese Reserve steht: Bürokratie-Alarm.
Der frontal-Beitrag wird am (heutigen) Montagabend im linearen Fernsehen des ZDF ausgestrahlt, ist aber bereits seit ein paar Tagen auf Youtube verfügbar:
Die Aussagen darin werden die regelmäßigen Leser*innen hier nicht überraschen. Interessant sind denn auch vor allem die inzwischen mehr als 700 Kommentare, die erkennen lassen: Wenn die militärische Führung über eine Stärkung der Reserve spricht, muss das praktisch noch lange nichts bedeuten.
(Foto: Screenshot aus dem Beitrag)
@Stubenviech
„Können solche Aufgaben denn nicht seit über einem Jahrzehnt durch einen Bot, bzw. neuerdings durch KI übernommen werden?“
Dieser Gedanke wird jetzt wohl noch öfter und lauter geäußert werden. Aber bitte nicht. KI kann den Menschen gut unterstützen, und es gibt sicher einiges, was sich weiter automatisieren lässt. Aber ansonsten sind KIs (im Sinne von was sie vermutlich meinen) weit entfernt davon zuverlässig zu arbeiten. Also kann man natürlich machen, kann man viel Personal einsparen, aber dann werden die zukünftigen Erlebnisberichte wohl eher noch absurder als sie es jetzt schon sind. Denn dann wäre noch mehr blackbox. Also das System hat irgendwas entschieden, viel Spaß dann dabei herauszufinden warum oder gar die Entscheidung anzufechten, wenn sie offensichtlich Unsinn ist.
@Jagdaufseher
„Romeo- und Venus-Fallen sind nach wie vor aktuelle und wirksame Spionage-Methoden. Es grenzt schon an pubertäre Naivität, wenn jemand meint, das könnte ihm selbst nicht passieren.“
Konkret bitte, was kann passieren?
Erpressung durch Sexfotos?
Nur wirksam bei konventionell Verheirateten.
Herstellen einer pseudoromantischen Verbindung mit dem Ziel den Partner Geheimnisse herauszulocken und vlt noch mehr?
Ja, das gibt es und ist aber jederzeit bei jedem potentiell möglich.
Jemand der aber schon viele Partner hatte, ist hier meines Erachtens vermutlich eher weniger Naiv, als der verzweifelte langjährige Single, der eher der jungen hübschen Natascha auf dem Leim geht, „die Einzige die wundervollerweise endlich hinter seine Mauern geblickt hat und sich in sein wundervolles wahres Wesen verliebt hat“.
Und das Ganze vielleicht auch noch online only, komplett mit KI generierter Natascha.
Scamming funktioniert, wenn die Opfer daran glauben wollen. (Gibt es da in der BW eigentlich Schulungen zum Thema, oder noch besser regelmäßige testattacken? Wie einfach lässt sich ein Stabsgefreiter scammen und zum versehentlichen Geheimnisverrat verleiten? Ich vermute nicht.)
Und Sicherheitsüberprüfungen können natürlich helfen, aber sind kein Allheilmittel. Hier scheint mir aber der Fokus mit alten Moralvorstellungen vermischt.
Moin,
@Lukan: Ich will, dass die Personaler von allen vermeidbaren Aufgaben entlastet werden, um sich so ausschließlich wie möglich um das Personal und nicht um die Bürokratie kümmern zu müssen.
@lukan
Ich war im privatwirtschaftlichen Kontext über einige Jahre für die hier angesprochen Themen zuständig und stieß dabei regelmäßig auf ein Problem, das zu Unverständnis gegenüber Sicherheitsüberprüfungen und Vorgaben zu Sicherheit, Compliance und Integrität etc. führt, und das möglicherweise auch hier vorliegt. Vor allem bei jüngeren Kollegen gab es dieses Unverständnis häufig, weil diese meinten, dass hier unangemessen in ihre Privatsphäre eingegriffen würde, Man habe ein Recht zu bestimmtem Verhalten, und konnte es sich nur durch überholte Moralvorstellungen etc. erklären, dass das Unternehmen bei bestimmten Auslandstätigkeiten Vorgaben und Empfehlungen machte. Allen gravierenden Problemen (Erpressung, unerwünschter Informationsabfluss, Reputationsrisiken etc.) ging aber ein Verstoß gegen diese Vorgaben oder Empfehlungen voraus. Ich könnte dabei allein zum hier diskutierten Thema mehrere Seiten mit Beispielen füllen: Erpressung des Mitarbeiters durch die lokale OK, die damit drohte, seiner lokalen Freundin etwas anzutun; Erpressung der Freundin, die Informationen der Firma beschaffen oder Straftaten unterstützen sollte; Drohung der Familie der Freundin mit „Ehrenmord“; Drohung der Familie gegen die Firma und den Mitarbeiter falls dieser die Freundin nicht heirate; negative Wahrnehmung der Firma wegen Verstoß der Mitarbeiter gegen lokale kulturelle Normen; Erpressung des Mitarbeiters durch die Freundin die nun behauptete minderjährig zu sein etc. Und dabei sprechen wir noch nicht einmal von Nachrichtendiensten. Fazit: In Sicherheitsüberprüfungen spätestens bei höheren Führungskräften auf einen soliden Lebenswandel zu achten, erspart diesen und ihren Arbeitgebern bei Tätigkeiten in Risikoumfeldern einige Probleme. Nur die eigenen Rechte zu sehen, aber keine Pflichten anzuerkennen, schafft hingegen Probleme. Solche Leute lässt man daher am besten zu Hause. Zu einer professionellen Haltung gehört es, die eigenen Bedürfnisse ggf. dem Auftrag unterzuordnen. Das gilt natürlich auch für Reservisten. „Wir nehmen jeden“ sollte nicht zum Motto der Bundeswehr werden.
@ lukan/Miles:
Unbestritten gibt es Probleme mit Kompromat und dass eine Sensibilisierung zu dem Themenkomplex stattfinden soll und muss ist eigentlich unstrittig.
Strittig sind meiner Erfahrung nach eher die Methoden und teilweise auch die Kompetenz der beauftragten Dienststellen und auch der Personen. Kurzum, es dauert vieles zu lange und OIG/ Backgroundchecks auch. Das Problem ist daher nicht nur ein Einstellungshindernis beim Aufwuchs der Reserve (wenn man an die vielen Problematiken der letzten 20 Jahre denkt was v.a. den Bereich Rechtsextremismus/Reichsbürger/Islamismus betrifft, dann gibt es ja Problemfälle in allen Verwendungen und daher muss näher geprüft werden). Nur was und wie ist halt … viel Aufwand für wenig Ertrag und kann zumindest bei der Ü1 automatisiert geschehen (ok, die Datenbanken sind untereinander nicht kompatibel, aber Transcodierung ist kein Hexenwerk). Das würde den Stapel massiv abarbeiten und Zeit für Grauzonenfälle geben. Aber es wird sich halt gern hinter Datenschutz o.ä. versteckt. Mit dem Druck der hybriden Kriegsführung ggen Deutschland kommt schon Bewegung in die Sache, aber methodisch-didaktisch ist man weit in der Vergangenheit. Ob das jetzt veraltete Moralvorstellungen, Bequemlichkeit, Technikablehnung, Uninformiertheit oder Dummheit ist … wahrscheinlich eine Mischung.
Das Problem ist nur, dass darunter die Aufbaufähigkeit der Reserve leidet und Reservisten halt älter werden …
Die kurzfristige Kompromittierung von Personal funktioniert nur dort, wo echtes Erpressungspotenzial auch durch Romeo-/Julia-Konstellation erreicht werden kann. Oder wo Menschen schon von vornherein erpressbar sind (Geldsorgen, Spiel- und andere Süchte, etc.).
Dort wo nicht, muss ein Langzeitspiel begonnen werden. Also wird man da eher nicht die schöne Natascha über den Hauptgefreiten Gezi-Mokel stolpern lassen, sondern da geht man eher an Menschen, die familiäre Verbindungen zur „Хаиматъ“ haben, oder angeheiratete.
Und das wird dann über Jahre aufgebaut.
@Paradox77
Die Grundüberprüfung der Reservisten hat zum Ziel, Extremisten herauszufiltern. Im Bereich „ziviler Waffenerlaubnisse“ erfolgt solch‘ eine Prüfung regelmäßig automatisiert (waffenrechtliche Regelüberprüfung), da ist das auch kein Problem, und es wird mehr abgefragt als das Führungszeugnis, genauer:
– unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister
– dto., dem Erziehungsregister (was auch immer das ist)
– zentrales staatsanwaltschaftliches Verfahrensregister
– Stellungnahme der Polizei
– Auskunft der zuständigen Verfassungsschutzbehörde
Und das alle drei Jahre. Teuer kann das auch nicht sein, die Gebühren betragen unter EUR 30 (das kann aber von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sein).
@Miles
„In Sicherheitsüberprüfungen spätestens bei höheren Führungskräften auf einen soliden Lebenswandel zu achten, erspart diesen und ihren Arbeitgebern bei Tätigkeiten in Risikoumfeldern einige Probleme. “
Dieser „solider Lebenswandel“ klingt für mich aber sehr nach klassischer (Ehe)Moralvorstellung als Maßstab.
Und davon abweichen ist kaum
„Wir nehmen jeden“
Sondern die fachliche und charakterliche Eignung ist um was es geht.
Und jemanden der schon die Welt gesehen hat und Spaß dabei hatte, pauschal auszuschließen, wird meines Erachtens kaum dazu führen, eine schlagkräftigere Armee aufzubauen, die eng mit internationalen Partnern vernetzt ist. Da braucht man Leute, die etwas von der Welt gesehen haben und warum sollten sie dabei als Priester gelebt haben?
Hinderlich ist bei der Reserve neben der Bürokratie vor allem die erforderliche Sicherheitsüberprüfung. Ohne diese darf niemand an Waffen ausgebildet werden, mit der Ausnahme, dass er für eine spezifische Waffe bereits ausgebildet worden ist.
Die Regelung hat der Bundestag beschlossen, da man Angst hat, irgendwelche Rechtsradikalen, Reichsbürger oder Islamisten an Waffen auszubilden.
Meiner Ansicht nach ist diese Regelung aber auch Ausdruck der übertriebene German Angst vor Waffen. Aus dem gleichen Grund wurden die Schießvorschriftem VS-NfD eingestuft. Da steht ja nix drin, was man nicht auch anderswo im Internet findet (nSAK stammt z.B. vom Schweizer Schießausbildungsprogramm ab, welches man online beziehen kann). Ich glaube wir Deutschen stehen uns so oft selbst im Weg…
Die zitierten Textauszüge in der Reportage von Frontal aus dem Abschlussbericht der Projektgruppe „antreten.jetzt “ sind von mir. Wenn es etwas bewirkt, wäre ich froh. Für Deutschland.
Was für eine Schwarzmalerei. STOP!
Nach meinem Wehdienst 1979 hatte ich 2013 keinerlei Schwierigkeiten als Reservist wieder meinen Platz in der Truppe zu finden. Und zwar an der Stelle, an der ich wollte. Und ja, ich mußte Formulare ausfüllen, Jedesmal für jede Übung. So What! Genau 3 Formulare und die kann man abspeichern und nur die Daten der Übung aktualisieren.
Meine Sicherheitsüberprüfung war, als ich sie brauchte, kein Problem, innerhalb von 1 Monat, inkl. Besuch vom MAD. Wer dienen will, kann dienen und ist willkommen! Und ja, ich muss sich kümmern. Wer das nicht will, den kann die Truppe nicht gebrauchen. Ich kenne keine Organisation in der das Mitmachen so einfach ist, wie in der Bundeswehr, wenn man sich kümmert.
Wie schade, dass so negativ berichtet wird. Die Realität ist so viel anders und so viel besser.
An alle, die Deutschland dienen wollen: Lassen Sie sich von diesem Bericht nicht abschrecken. Melden Sie sich! Kümmern Sie sich! Sie sind willkommen. Die Bundeswehr sucht Sie und hat einen Platz für Sie!
OTL d.R Johan Conze, gestartet 2013 als Lt d. R.
@T. Wiegold und @Miles: In einigen europäischen Ländern gibt es rechtliche Instrumente, damit Firmen eine Quote für „Personal der nationalen Sicherheitsvorsorge“ erfüllen müssen. In der CZ – Republik müssen meines Wissens nach ab einer gewissen Firmengröße Quoten für Freiwillige/Teilzeit Feuerwehrleute erfüllt werden und für die baltischen Staaten und/oder Finnland hörte in einer Rundfunksendung etwas von einer Zertifizierung von Unternehmen in Hinblick auf „Verteidigungsvorsorge“, um bei öffentlichen Aufträgen zum Zuge zu kommen. Vielleicht kann jemand hier im Forum sagen, es sich bei Letzterem hier um politische Pläne oder Praxis handelt. Aber eigentlich müsste ein „Verteidigungsfreundlichkeits-Zertifikat“ als Basis für die Teilnahme an bestimmten öffentlichen Aufträgen EU-konform machbar sein, bei Umwelt- und Sozialfragen geht es ja auch.
@Johan Conze: Glückwunsch zu dieser Glückssträhne! Niemand bestreitet, dass es die tollen guten Beispiele gibt. Auch ich habe eine Phase erlebt, in der ein guter Abteilungsleiter A16 „seine Reservisten“ hegte und pflegte und alle Störungen und Blockaden „im direkten Richten“ beseitigte. Eben ein charismatischer ehem.Flugzeugführer Starfighter…. Und dafür ein sehr leistungsfähiges gemischtes Team aus BS/SAZ/Res/GWDL hatte. Und schon in der nächsten Kommandohebörde habe ich das totale Chaos in der gesamten Personalführung erlebt, was zur Flucht von ResOffz und Ausscheiden von SAZ führte, die ein BS-Angebot hatten. Wenn ich meine inzwischen mehr als zehn Kommandeure/Abteilungsleiter A16-B6, so betrachte, dann hatten nur ZWEI wirklich das Engagement für eine funktionierende (!) und anerkannte Reserve. Die Beschreibungen hier im Forum dürften dieses 80:20 Verhältnis spiegeln. Das Problem ist halt, dass 20% „es klappt“ in einem Krieg nicht reichen… das reicht gerade für Youtube-Testimonials…
@Johan Konze: Hatte auch Glück und es lief die letzten Jahre! Davor aber absolut nicht. GBesondern Gruß an die LKdo HE & NW.
@Windlicht: Ich denke, das trifft es voll und ganz. Wenn man motivierte Schlüsselpositionen hat, besonders S1 und S3, dann geht so vieles. Die müssen dazu noch im aktivene Bereich gut vernetzt sein. Ging alles fix, wenn benötigt.
Hab an sich gerad eaktuell auch einen Lehrgnag von 3-4 Monaten auf Arbeit und in der Familie abgestimmt, fällt jetzt aus…mega scheisse! Aber so ist das eben manchmal. Hoffe, das klappt nächstes Jahr!
Die Bürokratie ist schon lästig! Vor allem, wenn ich mir die Formulkare abspeichere, wird morgen Name und Vorname getauscht und es ist nicht mehr gültig!
Gibt definitiv eine Menge Verbesserungsbedarf, aber alles läuft auch nicht verkehrt! Den entscheidenen Stellen, muss ihr Auftrag klar werden ode rgemacht werden! Motivierte Kameraden gibt es in der Reserve und auch noch außerhalb genug!
Glück Ab!
Der Ausbildungssinn der Bundeswehr war noch immer die Bevölkerung auf Chaotische Zustände vorzubereiten.
Das macht sie auch sehr gut, insbesondere der Wehrkraftzersetzung vorzubeugen
Mit der einführung des Veteranenabzeichen, hat die Bundeswehr nun aktuelle Adressen von pro Reservisten.
Jeder Reservist ist heute in der Lage sich in Homeoffice weiterzubilden und selbst fit zu halten.
Dank Ebay, erhalten auch Hobbie Reservisten Ausrüstung zu ramschpreisen.
Die Wehrhaftigkeit ist im Volk unabhängig von der Personalstärke gegeben, dank der inneren Führung