Erstmals seit fast zwei Jahren Telefonat Scholz – Putin (Nachtrag: Selenskyj)
Fürs Protokoll: Bundeskanzler Olaf Scholz hat nach fast zwei Jahren wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Die Angaben beider Seiten dazu:
Die Mitteilung des Bundespresseamtes zu dem Gespräch am (heutigen) Freitag:
Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, teilt mit:
Bundeskanzler Olaf Scholz hat heute Nachmittag mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert.
Der Bundeskanzler verurteilte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und forderte Präsident Putin auf, diesen zu beenden und Truppen zurückzuziehen.
Der Bundeskanzler drängte auf eine Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen mit der Ukraine mit dem Ziel eines gerechten und dauerhaften Friedens und betonte die unverbrüchliche Entschlossenheit Deutschlands, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression so lange wie nötig zu unterstützen.
Der Bundeskanzler hat im Vorfeld mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert und wird es auch im Nachgang zu dem Gespräch mit dem russischen Präsidenten tun.
Der Kreml veröffentlichte nach der deutschen Seite eine Mitteilung dazu:
Telefongespräch mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz
Auf Initiative der deutschen Seite führte der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, das erste Telefongespräch mit dem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Olaf Scholz, seit Dezember 2022.
Es fand ein ausführlicher und offener Meinungsaustausch über die Lage in der Ukraine statt. Wladimir Putin erinnerte daran, dass die derzeitige Krise eine direkte Folge der langjährigen aggressiven Politik der NATO ist, die darauf abzielt, einen antirussischen Brückenkopf auf ukrainischem Territorium zu errichten und dabei die Sicherheitsinteressen unseres Landes zu ignorieren und die Rechte der russischsprachigen Einwohner zu verletzen.
Was die Aussichten auf eine politische und diplomatische Beilegung des Konflikts betrifft, so stellte der russische Präsident fest, dass die russische Seite die Wiederaufnahme der vom Kiewer Regime unterbrochenen Verhandlungen nie abgelehnt hat und weiterhin offen dafür ist. Die Vorschläge Russlands sind bekannt und wurden u.a. in einer Rede vor dem russischen Außenministerium im Juni dargelegt. Mögliche Vereinbarungen sollten den Sicherheitsinteressen der Russischen Föderation Rechnung tragen, von den neuen territorialen Gegebenheiten ausgehen und vor allem die eigentlichen Ursachen des Konflikts angehen.
Auch die Lage in den russisch-deutschen Beziehungen wurde angesprochen. Wladimir Putin verwies auf deren beispiellose Verschlechterung in allen Bereichen als Folge des unfreundlichen Kurses der deutschen Behörden. Es wurde betont, dass Russland seine vertraglichen und vertragsgemäßen Verpflichtungen im Energiesektor stets strikt erfüllt hat und zu einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit bereit ist, wenn von deutscher Seite Interesse besteht.
Die verschärfte Lage im Nahen Osten wurde erörtert. Wladimir Putin informierte über die Bemühungen Russlands, die Krise in der Region zu deeskalieren und friedliche Lösungen zu finden.
Es wurde vereinbart, dass die Berater der beiden Staatsoberhäupter im Anschluss an das Gespräch in Kontakt bleiben werden.
(Übersetzt mit DeepL.com)
Nachtrag der Vollständigkeit halber: dazu gehört auch die Reaktion des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf dieses Telefonat:
Regarding one of today’s news stories. Chancellor Scholz told me that he is going to call Putin. Olaf’s call, in my opinion, is Pandora’s box. Now there may be other conversations, other calls. Just a lot of words. And this is exactly what Putin has wanted for a long time: it is crucial for him to weaken his isolation. Russia’s isolation. And to engage in negotiations, ordinary negotiations, that will lead to nothing. As he has been doing for decades. This allowed Russia to change nothing in its policy, to do nothing substantial, and ultimately it led to this war. We understand all these challenges now. We know how to act. And we want to warn everyone: there will be no Minsk-3; what we need is real peace.
@lukan:
Ich könnte jetzt auf jeden einzelnen Ihrer Punkte eingehen und zahlreiche Gegenargumente anführen, aber das würde den Kommentar zu lang machen, und der Hausherr würde mir deswegen die rote Karte zeigen ;-)).
Deswegen nur kurz:
Die von Ihnen aufgeführten Worst-Case Szenarien könnten eintreten. Nur: Die Wahrscheinlichkeit dafür ist sehr gering. Wenn wir unsere Sicherheits-Politik nur strikt an den geringsten Wahrscheinlichkeiten festmachen, geben wir aber unsere Gestaltungsfähigkeit aus der Hand.
Und die Diktaturen, die uns zum Feind erklärt haben, bestimmen dann unsere Politik, weil wir uns permanent selbst abschrecken.
Wer hat in Ru. nach Putin die größte Macht: der FSB. Von denen ist bekannt, dass sie nicht hinter der Entscheidung der Vollinvasion standen. Weil sie die erheblichen Risiken für Ru. gesehen haben. Das wahrscheinlichste Szenario für den Fall das Putin fällt ist, dass der FSB einen Nachfolger installiert, und das zentrale Machtgefüge erhalten bleibt. Putin wird die Schuld für die Misere zugeschoben werden.
@FreeEurope: War es nicht der FSB, welcher die Verteidigungsfähigkeit und vor allem den Verteidigungswillen der Ukrainer völlig unterschätzt hat? (Ok, Willen hat so ziemlich jeder unterschätzt) Im Ergebniss hatten die Invasionsstruppen mehr Paradeuniform als Munition dabei, standen tagelang vor Kiew auf ner Straße wie Atrappen in ner Schießbude. In Folge waren die russischen Soldaten derart frustriert, dass der Zorn an der Zivilbevölkerung von Bucha abgeleitet wurde.
Ihre These: Innenlösung weil der FSB – ein Mythenumwobenes, gottartiges Leviathanwesen der zweivellos und boßhaft und allmächtig in RUS die Strippen zieht – den kleinen Putin austauscht, ihm alle Schuld gibt und thats it? Alles wird gut?
Gegenthese: Putin ist der FSB/GRU (KGB) und er fällt mit Ihm.
Ich mache mir mir weder über Hrn. Scholz noch Hrn. Putin Illusionen, auch nicht über ihre Absichten.
Ich weiß aber das ein einfaches Telefonat zwischen zwei Cousins, der eine Kaiser der ander Zar, ein bis zwei Weltkriege hätte verhindern können (ja, ich weiß auch dass das damals technisch nicht möglich war, aber ein Telegramm mit Einladung zum Hofball…). Daher besser miteinander sprechen, Kommunikation offen halten, Anknüpfungspunkte suchen, Missverständnisse reduzieren, nicht dem anderen überlassen sich zu überlegen was das Schweigen bedeutet, …
@WiellanddS:
Welche Schlüsse würden Sie als Olaf Scholz daraus ziehen, wenn Sie kurz vorher mit Putin über Angriffe auf zivile Ziele/Energieinfrastuktur reden und Putin auffordern diese Angriffe zu unterlassen und dieser nur kurz danach einen der größten Angriffe durchführen lässt?
(ja klar wurde der länger vorbereitet, aber wenn Putin auch nur einen Funken Menschlichkeit und Skrupel hätte, könnte er einen solchen Angriff natürlich kurzfristig absagen.)
Taten sagen manchmal so viel mehr als tausende Worte….
@AoR:
„War es nicht der FSB, welcher die Verteidigungsfähigkeit und vor allem den Verteidigungswillen der Ukrainer völlig unterschätzt hat? “
Nein, die Ukraine war nicht der Zuständigkeitsbereich des FSB. GRU und SWR waren für die Ukraine zuständig.
Eine Schlüsselrolle bei der Entscheidung zur Vollinvasion spielte Viktor Medwedtschuk, der als Marionettenpräsident von Russlands Gnaden in der Ukraine vorgesehen war. Er soll Putin gesagt haben, dass die Russen in der Ukraine „mit Blumen“ empfangen würden.
„Ihre These: Innenlösung weil der FSB – ein Mythenumwobenes, gottartiges Leviathanwesen der zweivellos und boßhaft und allmächtig in RUS die Strippen zieht“
Ich empfehle zu dem Thema Machtfülle des FSB in Russland die mittlerweile hervorragende umfassende Literatur.
„den kleinen Putin austauscht, ihm alle Schuld gibt und thats it? Alles wird gut?
Gegenthese: Putin ist der FSB/GRU (KGB) und er fällt mit Ihm.“
Nein, der Apparat ist zu groß und zu gut implementiert (hat seine Leute in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft) als dass er sich von einer einzelnen Person in den Abgrund reißen lassen würde.
Die hätten überhaupt kein Problem damit, einen der ihren zu opfern, wenn ihre Macht dadurch gesichert würde. Die sind nicht loyal zu Putin, sie sind loyal zur Macht des Apparates. Wenn sie den Eindruck gewinnen, dass Putin zunehmend die Macht des Apparates gefährdet (durch zunehmende massive wirtschaftliche Probleme, negativen Ausgang des Krieges), dann wird es für Putin gefährlich.
@Klaus Maisl
Wer war denn eigentlich Vertragspartner von Minsk2? wie kann sich Russland beschweren, dass man betrogen worden wäre, wo man doch damals niemals was damit zu tun hatte? ach so die tausenden russischen Soldaten ohne Hoheitsabzeichen fühlen sich betrogen, obgleich die noch nach dem eigentlichen Waffenstillstand abziehende ukrainische Soldaten abgeschlachtet haben…
Russische Propaganda ist wirklich nur noch doof.
@Miteinander
Sind Sie dann eigentlich FÜR die Aufnahme von mehreren Millionen Ukrainerinnen, die vor Krieg, Zerstörung, Misshandlung, Folter durch Russland fliehen? Weil ist ja wirklich alles schlimm, da muss man doch wenigstens die armen Flüchtenden aufnehmen oder?
@FreeEurope
Danke für ihre Beiträge an Felix2, dem ist kaum was hinzuzufügen. Vielleicht traut sich Merz ja eine Fracking Initiative zu. Man könnte es ja auf Niedersachsen/Sachsen Anhalt beschränken, dann hat man kaum NIMBY_Wähler die man verschreckt. Aber da ist es wie immer in DE, „Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass“…
Vielleicht noch die Präzisierung, dass gerade in der Chemieindustrie sehr massiv nachwachsende Rohstoffe eingesetzt werden. Ob Lignin statt Bitumen, Methanol/Ethanol sind eh leicht zu erschließende pflanzliche Grundbausteine und Ammoniak kann man erstens hervorragend transportieren und zweitens auch super aus grünem Wasserstoff statt grauem H2 herstellen. Deswegen sind Brennstoffzellenantriebe ja auch so dämlich, weil man den Wasserstoff erstmal für Hochöfen und Grundstoffchemie braucht.
@WielanddS:
„Daher besser miteinander sprechen, Kommunikation offen halten, Anknüpfungspunkte suchen, Missverständnisse reduzieren, nicht dem anderen überlassen sich zu überlegen was das Schweigen bedeutet, …“
1. Es wird doch seit Jahren miteinander gesprochen. Schon vergessen: Scholz war persönlich in Moskau, saß an dem 7m langen Tisch, und Putin sagte ihm: „Nein, wir werden nicht in der Ukraine einmarschieren.“
2. Seit Beginn der Vollinvasion äußert sich Moskau praktisch wöchentlich extrem klar: Wir wollen die gesamte Ukraine unterwerfen.
3. Russland hat alle Abkommen und Verträge mit der Ukraine und Europa gebrochen. Alle Verträge zerrissen. Wie naiv muss man sein zu denken, dass Russland sich jetzt an einen Waffenstillstand oder irgendwie geartetes Friedensabkommen halten würde. Sie würden die Zeit nur nutzen, sich zu regenrieren, wieder aufzurüsten und erneut loszuschlagen. Das ist die Lehre seit dem Beginn des russischen Überfalls 2014 und den gescheiterten Minsk-Abkommen.
@FreeEurope sagt: 18.11.2024 um 14:19 Uhr
„Wie naiv muss man sein zu denken, dass Russland sich jetzt an einen Waffenstillstand oder irgendwie geartetes Friedensabkommen halten würde.“
Und was schlagen Sie vor? Einen Einmarsch der NATO in die Russische Föderation und Vernichtung des russischen Staates?
Das ist doch nach Ihren Äußerungen die einzige gangbare Alternative, um die Ukraine vollständig in den Grenzen von 2013 zu erhalten.
Der Rest Europas und Nordamerikas riskiert dafür einen WK III mit gegenseitiger nuklearer Vernichtung. Aber das machen wir natürlich gerne – bestimmt nicht.
[Können wir diese Art der Debatte bitte vermeiden? Danke. T.W.]
@FreeEurope
Ich vermag Ihren Ausführungen zu folgen, auch wenn ich sie nicht in allen Aspekten teile. Insbesondere nicht den Ansatz, daß die Ukraine Rußland besiegen, d. h. aus der Ostukraine und von der Krim vertreiben kann. Nicht mit den wirtschaftlichen, personellen und militärischen Mitteln, über die sie noch verfügt und die der Westen über die bisherigen 114 Milliarden hinaus an Geld und Material noch zur Verfügung stellen kann. Die Front bricht vor unseren Augen in der Ostukraine zusammen, die Russen machen seit Monaten von Monat zu Monat größere Geländegewinne von 100en km2. Der November wird wohl einen weiteren Höhepunkt markieren. Daß die Russen in AFG besiegt wurden, beweist nichts – auch die USA und die Bundeswehr wurden in AFG besigt. Das russische Ergebnis war dabei noch 37mal besser als das westliche, wenn man verglkeicht, wie lange die jeweilige Zentralregierung nach dem Abzug der ausländischen Truppen noch in AFG geherrscht hat.
Ich sehe aber auch nicht, daß Rußland aktuell die militärische Fähigkeit besitzt, die ganze Ukraine zu erobern, außer sie finden noch eine komplette Armee in Sibirien wie anno 1941 vor Moskau.
Langer Rede kurzer Sinn:
Was ist denn Ihre persönliche Meinung zum Outcome des Ukrainekrieges? Welche Szenarien halten Sie für realistisch, wenn wir mal die illusorischen Maximalforderungen (Russen aus der Ukraine verteiben, mit oder ohne Krim, bzw. komplette Beherrschungder Ukraine durch Rußland) außen vor lassen?
…
Der Joker ist dabei natürlich Trump und dessen Plan. Mal sehen, was er im nächsten Jahr durchsetzen kann.
@PioFritz
Ernsthaft? mal wieder? immer diese Zerschlagung Russlands?
Wie wäre es schlicht mit – ja als Maximalwunschausgang – Russen raus aus der Ukraine und Ukraine in die NATO oder massivst aufgerüstet -> wirksame Abschreckung -> fertig.
Warum wollen immer die Friedensengel anderen was von der „Zerschlagung Russlands“ in den Mund legen?
@Pio-Fritz:
„Und was schlagen Sie vor?“
Ich arbeite innerhalb eines interdisziplinären Teams an einem entsprechenden Konzept. Wann das fertiggestellt ist, überreichen wir es politischen Entscheidungsträgern parteiübergreifend.
@FreeEurope: Würde aber in der Konstellation bedeuten, das SWR/GRU sich die Ukraine krallen wollen. Ein Vorhaben, welches letztendlich die Macht des FSB gefährden könnte – und auch nur solange „gut gehen“ kann? (Anmerkung: Der FSB ist ungemein mächtiger als SWU/GRU, aber welches Verhältnis hat er zum Militär, wo waren/sind Heute Wagner und Prigoschin zuzuordnen?)
Warum ruft mien Bauchgefühl gerade in Erinnerung, dass Puin im Zuge der ukkrainischen Kursk-Operation den FSB „beauftrage“, die Rückeroberung zu stemmen? Da war doch was … ( Anmerkung: Die Ukrainer stehen immer noch in Kursk, Nord-Koreaner kommen zum Kämpfen)
hmm…
Welche Rolle nimmt der FSB im Zuge der entstehenden Kriegswirtschaft ein?
@ AoR 18.11.2024 um 19:53 Uhr
Sie haben Recht. Der OPLAN für die „Spezialoperation“ wurde vom 5. Direktorat des FSB erarbeitet und ging von der allgemein gebilligten Hypothese aus, dass die UKR sich nicht intensiv verteidigen würde und nach einem raschen Enthauptungsschlag ein russophiles Regime eingesetzt werden könnte. (Soweit inhaltstreu aus int. Untersuchungen zitiert)
Rest ist bekannt. –
Der OPLAN wurde den SK so spät aus OPSEC – Gründen mitgeteilt, dass bspw. die Logistik völlig falsch aufgestellt war.
Das 5. Direktorat ist alsbald in Ungnade gefallen. Gegen die Altvorderen wird ermittelt.
@Eric Hagen
Der Erfolg auf der Krim 2014 ist Ursache des Mißerfolgs 2022 – RUS dachte, diese – tatsächliche – Spezialoperation als blueprint in größerem Maßstab wiederholen zu können. Tatsächlich hat RUS den Krieg völlig entgegen der eigenen Doktrin mit einem Kommandounternehmen begonnen (analog seinerzeit Flughafen SLATINA / PRISTINA) und im Wesentlichen auf eine shaping operation verzichtet.
@AoR:
„Würde aber in der Konstellation bedeuten, das SWR/GRU sich die Ukraine krallen wollen.“
Nein. Die waren zwar offiziell zuständig für die Aufklärung, aber keinesfalls die treibenden Kräfte. Das ist ein sehr wichtiger Unterschied.
Für die russische Invasion der Ukraine gibt es zwei Hauptgründe:
1. Das alte imperialistische Motiv, sich die Ukraine untertan zu machen. Das existiert seit über 300 Jahren. Bei Putin und seinen engsten Ratgebern ist das tief verwurzelt. Putin hatte ja bereits 2004 versucht, über Korruption die ukr. Präsidentenwahlen zu seinen Gunsten / zu Gunsten seines Schützlings Janukowitsch zu beeinflussen. Ging schief, die Korruption wurde aufgedeckt, es kam zur „Orangenen Revolution“, die pro-demokratisch und pro-europäisch ausgerichtet war, das oberste ukr. Gericht hatte dann die Korruption / Wahlbeeinflussung nachgewiesen und für Neuwahlen entschieden, der pro-europäische Kandidat Juschtschenko wurde mit Dioxin vergiftet (Grüße aus Moskau).
Spätestens seit dieser Zeit, als die Mehrheit der Ukrainer eindrücklich gezeigt hatte, dass sie ihren eigenen, demokratischen Weg unabhängig von Moskau gehen wollen, hat Putin Angst, dass dieser „Virus“ Demokratie und Freiheitswille irgendwann auf Russland überspringen und seine Macht gefährden könnte.
2. Beute machen: Die Ukraine verfügt über ein enormes wirtschaftliches Potential auf mehreren Ebenen: Reich an unterschiedlichen Rohstoffen (z.B. Gas, Kohle, Metalle, seltene Erden), verfügt über die fruchtbarsten Ackerböden in Europa, enormes Potential für regenerative Energien, sehr gut ausgebildete Bevölkerung.
Die Kleptokraten-Oligarchen aus Putins Zirkel wollen sich diese Ressourcen einverleiben. Außerdem hat Russland ein massives demographisches Problem. Die Eroberung der Ukraine könnte das lösen. Deswegen u.a. auch der mehrtausendfache Kinderraub in den bestzten ukrainischen Gebieten.
@FreeEurope
Weitestgehend Zustimmung. Ich verstehe auch nicht, warum bei uns keiner zu versteht wie wichtig die ukrainischen Potentiale für Erneuerbare Energien, Rohstoffe darunter auch nachwachsende Rohstoffe (Biogas aus Stroh etc) für uns werden könnten Donbass Kohle ist da noch viel zu unwichtig, aber vor allem das Fracking Gas. Es wäre also absolut in unserem Interesse eine demokratische Ukraine in unserem Wirtschaftsraum zu haben. Genau deswegen lässt das Russland vermutlich nicht zu.
Wo ich widersprechen würde ist, dass die Ukraine eine Lösung für das russische Demografieproblem sein könnte.
@Dominik:
Ja, das wirtschaftliche Potential der Ukraine ist enorm, auf sehr vielen Gebieten. Deswegen ist – neben unseren eigenen überlebenswichtigen sicherheitspolitischen Interessen – die Einbindung der Ukraine in den europäischen Wirtschaftsraum und die EU in unserem ureigeinsten wirtschaftspolitischen Interesse. Insbesondere auch langfristig und angesichts der Unbill, die uns aus China droht.
Die Ukraine kann uns viel mehr bieten als Russland.
Dass das hier noch nicht richtig erkannt wird liegt an der Macht der Moskauer Propaganda, deren bevorzugtes Ziel Deutschland ja bereits seit dem Ende des WK II ist. Moskau hat es sehr geschickt verstanden, Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Medien in seinem Sinne zu manipulieren und zu indoktrinieren. Und nicht selten unterstützt durch massive Korruption (Schröder + Co).
Russlands Demografieproblem: Na ja, wenn Russlands Plan der vollständigen Unterwerfung der Ukraine funktionieren würde, hätten sie einen Bevölkerungszuwachs im zweistelligen Millionenbereich.
Russlands Demografieproblem hat folgende Hauptursachen:
1. Extrem niedrige Geburtenrate.
2. Geringe Lebenserwartung, insbesondere der männlichen Bevölkerung (u.a. verursacht durch weit verbreiteten Alkoholismus).
3. Kein Ausgleich durch Zuwanderung.
4. Jetzt durch den Krieg die Verluste an der Front.
@FreeEurope
Es ist ja alles sehr richtig was Sie schreiben. Eine feine, lesenswerte und ehrliche Analyse, danke dafür. Nur, was folgt daraus?
Nur die „Macht der Moskauer Propaganda“ dafür zu benennen, greift mir zu kurz. Das zu durchschreitende Tal und die Selbstverzwergung und Selbstkasteiung hat seine Ursache im 2.Weltkrieg durch Hitlers Überfall auf die Sowjetunion .Daraus hat sich bei uns eine latente chronische und insbesondere nun schon akute Beisshemmung gegenüber Russland entwickelt, verbunden mit einer nonchalanten Gleichgültigkeit so mancher Kreise gegenüber der Ukraine denen es schnurzpiepegal ist, wenn das Land und die Menschen dort im wahrsten Sinn des Wortes elendig verrecken und man selbst im warmen gemütlichen Sessel vor sich hin schnarcht. Diese völlige geistige Apathie ist nur zu heilen durch eine entschlossene, weitsichtige und in politischen Kategorien über den eigenen Gartenzaun denkende Führung, die ich leider in ganz Deutschland nicht sehe. Machbar ist das, wollen müssen wir nur schon selbst.Stattdessen lassen.wir uns um so mehr mit der Volksverdummung aus Moskau und von deren hiesigen Statthaltern und Lautsprechern berieseln.
@Nicolo15:
„@FreeEurope
Es ist ja alles sehr richtig was Sie schreiben. Eine feine, lesenswerte und ehrliche Analyse, danke dafür. Nur, was folgt daraus?
Nur die „Macht der Moskauer Propaganda“ dafür zu benennen, greift mir zu kurz. “
Danke.
Nun, als ich das schrieb überlegte ich, ob ich das noch näher ausführen sollte. Ich unterließ es dann, weil ich zu dem Thema so viel hätte ausführen müssen, dass es als Kommentar hier zu lang geworden wäre.
Es ist ein extrem wichtiges, aber eben auch ein eigenes Thema.
Ich stimme dem zu, was Sie geschrieben haben.
@FreeEurope: Ihre Ausführugen wiedersprechen der Annahme, der FSB könnte ein Interesse an einem Politikwechsel haben.Im Gegenteil,derFSB befürchtet, dass er mit der Demokratiebewegungin Russland hinweggefegt werden würde. Und um es zu verdeutlichen „Putin=FSB“: Der Apparat kämpft ums Überleben. Keine Innenlösung absehbar.
Man solltesich ernsthaft überlegen, wie wir die Ukraine strategisch unterstützen kann. Und bitte kein Baldrian durch Goldrandtechnolgiedebatten.
@WielanddS
Wissen sie nicht das Deutschland einen Diplomaten nach Russland schickte um Frieden zu vereinbaren,ein anderes Land aber schneller war und Russland zum Krieg überredete? ps:Es geht hier um WK1.
@AoR:
„Ihre Ausführugen wiedersprechen der Annahme, der FSB könnte ein Interesse an einem Politikwechsel haben.Im Gegenteil,derFSB befürchtet, dass er mit der Demokratiebewegungin Russland hinweggefegt werden würde. “
Nein, überhaupt nicht. Es geht doch bei einer Ablösung Putins nicht um einen Politikwechsel hin zu mehr Demokratie. Das ist überhaupt kein Thema im Apparat.
Es geht darum, den autoritären Apparat zu erhalten, der durch die Folgen des Angriffskrieges gegen die Ukraine und Europa gefährdet ist.
Denn dieser Krieg hat bisher schon zu folgenden strategischen Niederlagen geführt:
1. Ru. hat seine profitabelsten Absatzmärkte für Öl und Gas in Europa verloren.
2. Gazprom, dessen Gewinne extrem wichtig für den ru. Staatshaushalt waren, macht jährliche Verluste von mehreren Milliarden $.
3. Auslandsvermögen von über 300 Mrd. $ wurden konfisziert.
4. Der russische Wohlfahrtsfonds, aus dem der Krieg bisher überwiegend finanziert wurde, ist spätestens Ende nächsten Jahres leer.
5. Die Immobilienblase in Russland beginnt zu platzen.
6. Die reale Inflation liegt bei 20+ %.
7. Der Leitzinz liegt bei 21%. Damit sind Investitionen praktisch nicht mehr möglich.
8. Immer mehr große ru. Unternehmen geraten in die Verlustzone.
9. Aufgrund von Arbeitskräftemangel in der Wirtschaft (verursacht durch den Personalbedarf in Armee und Rüstungsindustrie) mussten bereits Unternehmen schließen.
10. Aufgrund der Sanktionen kommt Ru. nicht mehr an benötigte Hochtechnologie.
11. Die Abhängigkeit von China (das in vielen Bereichen kein Freund, sondern ein Rivale ist) hat bedenkliche Ausmaße angenommen.
12. Ru. verliert im Krieg mehr Material, als es nachproduzieren kann. Die militärische Stärke nimmt im Zeitverlauf ab.
13. Russland war bis vorm Krieg einer der größten Rüstungsexporteure. Das ist Geschichte, denn man braucht das Material selbst. Zurück bleiben frustierte Kunden, die nicht mehr ausreichend beliefert werden können. Damit sinkt auch der außenpolitische Einfluss.
14. Finnland und Schweden sind NATO Mitglieder geworden. Eine enorme Stärkung des Bündnisses, und eine der größten strategischen Niederlagen Russlands.
15. Gleiches gilt für die Aufnahmeverhandlungen in die EU für die Ukraine.
Das nur mal auf die Schnelle. Die Liste ist natürlich nicht vollständig. Alle oben aufgeführten Punkte haben einen starken negativen Einfluss auf die mittel- und langfristige Stabilität des Apparates. Und ohne Putin und den Krieg ließen sich bei den meisten Punkten wieder Verbesserungen erzielen.
Igor Girkin, ehemaliger GRU Offizier und einer der entscheidenden Leute beim Überfall auf die Krim und den Donbass 2014, ein verurteilter Kriegsverbrecher (mitverantwortlich für den Abschuss der Passagiermaschine MH-17), der aber mit seinen strategisch-militärischen Einschätzungen bisher immer recht präzise war und richtig lag, hatte diesen Herbst sehr klar gesagt: Russland hat diesen Krieg strategisch bereits verloren.
Und mit dieser Einschätzung dürfte er in ru. Geheimdienstkreisen nicht alleine sein.
@FreeEurope: Ich stelle ihre Darstellung nicht in Abrede aber der Apparat des FSB müsste nach einem Sieg der Ukraine doch selbst nach Austausch des Diktators die Angst haben, dass die ukrainische Demokratie das russische Brudervolk ansteckt. Also wenn ich die demokratischen Revolutionen Europas und die kommunistische Revolution danebenlege ist im Ergebnis ja gerade der Apparat gefährdet?
Warum dann nicht die – in ihrer Darstellung – Handpuppe Putler die Öffentlichkeitsarbeit machen lassen, bis die Ukraine in Schutt und Asche liegt? Komme was wolle, lebt eine freie Ukraine, stirbt der russische Apparat, der Apparat ist Russland gemäß seiner eigenen (Selbst-)Wahrnehmung. Eine Innenlösung geht dem von ihnen vorgeschlagenen Szenar vom Apparat aus.
Ergo, ich stehe immer noch auf der Position, dass das Schicksal der Ukraine auf dem Schlachtfeld verhandelt wird und eine russische Innenlösung wenig wahrscheinlich. Und dass gegeben der OPLAN Annahmen der Krieg für Russland längst gescheitert ist, ist bekannt Vgl. @Eric Hagen.
@AoR:
„Ich stelle ihre Darstellung nicht in Abrede aber der Apparat des FSB müsste nach einem Sieg der Ukraine doch selbst nach Austausch des Diktators die Angst haben, dass die ukrainische Demokratie das russische Brudervolk ansteckt. Also wenn ich die demokratischen Revolutionen Europas und die kommunistische Revolution danebenlege ist im Ergebnis ja gerade der Apparat gefährdet?“
Der Apparat hat doch im Prinzip zwei Möglichkeiten:
1. Zu versuchen, mit einem Angriffskrieg die Ukraine zu unterwerfen. Also was sie aktuell versuchen. Mit all den großen Problemen und Risiken die wir diskutiert haben.
2. Den älteren Ansatz zu verfolgen, den sie vor ihrem Angriffskrieg verfolgt haben:
a) Klassische diktatorische Unterdrückungsmaßnahmen, totalitärer Überwachungsstaat.
b) Politische Demobilisierung der Bevölkerung und Kultivierung des russsischen Fatalismus.
c) Ruhigstellung über kleine ökonomische Incentives.
Die Mehrzahl der aktuellen Diktaturen weltweit verfolgt diesen Ansatz und führt keinen umfassenden Angriffskrieg gegen eines ihrer Nachbarländer.
Dieser früher in Ru. verfolgte Ansatz wäre natürlich ohne den Krieg auch leichter durchführbar, da mehr ökonomische Ressourcen zur Verfügung stünden.
Es wäre ja nicht garantiert, dass der ukrainische Freiheits“virus“ auf Russland überspringt. Es ist eine Angst im ru. Apparat. Aber dieser Gefahr des Überspringens kann man eben auch mit klassischen diktatorischen Maßnahmen begegnen.
„Ergo, ich stehe immer noch auf der Position, dass das Schicksal der Ukraine auf dem Schlachtfeld verhandelt wird und eine russische Innenlösung wenig wahrscheinlich.“
Es ist durchaus möglich, dass die Schlachtfeld-Lösung wahrscheinlicher ist. Das habe ich nie bestritten. Ich bin ja auch dafür, der Ukraine alles zur Verfügung zu stellen, damit sie gewinnt.
Es könnte aber mittelfristig eine Situation entstehen, in der sich wirtschaftliche und militärische Probleme für Ru. so verschärfen, dass dass auf ru. Seiten nach einer alternativen Lösung gesucht wird.
Wenn wir gleichzeitig unsere militärische Unterstützung für die Ukraine endlich auf das notwendige Maß bringen, und die Sanktionen verschärfen (da gibt es noch erhebliche Möglichkeiten) würde diese Situation zumindest deutlich wahrscheinlicher werden (und könnte den Krieg mit positivem Ausgang für die Ukraine verkürzen).
@FreeEurope:
„Wenn wir gleichzeitig unsere militärische Unterstützung für die Ukraine endlich auf das notwendige Maß bringen,“ Eben, und da sehe ich Maßnahmen als eher zuträglich an, die wenig diskutiert werden. Wir schützen die Westukraine aktiv, das dürfte den Eindruck beim Apparat hinterlassen, den wir suchen.
Es ist, wie weiland Gorbatschow sagte – damals zur betriebsblinden Täterä-Führung: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“
Jetzt ist es der russische Staatsapparat, der sein absehbares Ende nicht wahrhaben will. Mit der Angst vor Gendern und Verschwulung kann man das in dieser Hinsicht konservative, russische Volk nicht mehr allzu lange davon abhalten, zu erkennen, dass der Westen vielleicht nicht 1:1 Vorbild sein muss, aber doch erhebliche Freiheiten für die Menschen besser abbildet, als das eigene Regime.
Freiheit und Vernunft lassen sich langfristig nicht aufhalten… Die Frage ist also nur, wie viele russischen Söhne Putin und sein System noch in den Fleischwolf werfen können, bis das der Fall ist. Angesichts der langen Tradition der totalitären Unterdrückung in Russland könnten das leider wohl noch eine ganze Menge sein.