Beschaffungs-Kraftakt: BMVg will bis Jahresende 37 Projekte durchbringen

Für seine Rüstungsprojekte plant das Verteidigungsministerium in diesem Jahr einen Kraftakt: Bis zum Jahresende sollen dem Haushaltsausschuss des Bundestages noch 37 Vorlagen zur Billigung vorgelegt werden. Dabei geht es um den Einstieg in große Beschaffungsvorhaben wie die Luftverteidigungsfregatte F127 oder neue U-Boote, aber auch die Modernisierung des Marschflugkörpers Taurus. Offen ist allerdings, was davon tatsächlich auf die Tagesordnung der Abgeordneten kommt – und was nach dem Ende der Koalition eine Mehrheit findet.

Die Liste der so genannten 25-Millionen-Euro-Vorlagen*, die das Verteidigungsministerium Anfang der Woche  an den Bundestag übersandte, ist angesichts der Begleitumstände deutlich umfangreicher als sonst zum Jahresende. Der Grund ist nicht alleine, dass mit dem Bruch der Ampel-Koalition die nächste Bundestagswahl im Februar früher als zuvor erwartet kommt.

Schwieriger ist das Problem, dass für das kommende Jahr kein Haushalt vorliegt – und damit angesichts der absehbaren vorläufigen Haushaltsführung etliche größere Projekte vorerst nicht begonnen werden können. Ändern wird sich diese Situation erst nach Bundestagswahl, Konstituierung eines neuen Parlaments, Regierung und dann einem Haushaltsbeschluss.

Allerdings ist die geplante Vorlage der Projekte für das Wehrressort noch keine Garantie, dass sie auch im Haushaltsausschuss behandelt werden: Das Parlamentsgremium entscheidet selbst darüber, welche Vorhaben es auf die Tagesordnung nimmt. Und ohne eine Regierungsmehrheit wie bisher wird eine Billigung davon abhängen, inwieweit der bisherige Koalitionspartner FDP und die Opposition, in erster Linie die Union, einem Projekt zustimmt.

Ein kurzer Überblick über wesentliche Projekte auf der Liste des Verteidigungsministeriums (in willkürlicher Reihenfolge, nicht nach der Ordnung des Ministeriums, und angesichts der Menge nicht ganz vollständig) :

• Vorbereitungsmaßnahmen für die geplante künftige Luftverteidigungsfregatte F127. Dabei soll es auch um den vorgesehenen Foreign Military Sale in den USA gehen: Das Kriegsschiff soll zur Luftverteidigung mit dem Aegis-System der USA ausgerüstet werden, bei gleichzeitiger Anbindung europäischer Systeme auf der Fregatte.

• Beschaffung weiterer sechs U-Boote des Typs U212 CD (Common Design) gemeinsam mit Norwegen; davon vier für Deutschland und zwei für Norwegen

Interactive Defence and Attack System for Submarines (IDAS) – erstmals sollen die U-Boote U212A der Deutschen Marine Startsysteme für Lenkflugkörper erhalten, die gegen Luftziele eingesetzt werden können

• Neue Mehrfachraketenwerfer vom Typ PULS (Precise and Universal Launcher System). Im Rahmen eines deutsch-niederländische Beschaffungsprojekt sollen Nachfolgesysteme für die MARS-Raketenwerfer der Bundeswehr in die Truppe eingeführt werden; auf Basis des PULS-Systems des israelischen Herstellers Elbit in Zusammenarbeit mit Krauss-Maffei Wegmann

• Für den Schützenpanzer Puma soll eine Vollausstattung mit einer Reaktivpanzerung bestellt werden

Lebensdauerverlängerung und Modernisierung des Marschflugkörpers Taurus

Lebensdauerverlängerung des Lenkflugkörpers zur Flugabwehr Iris-T

• Beschaffung von Lenkflugkörpern Evolved Seasparrow Missile (ESSM) Block 2 zur Flugabwehr für die (vorhandenen) Fregatten F124 und die künftigen F126

• Für die Ausstattung der Landstreitkräfte – also Heer, Logistik, Sanität – mit neuen digitalen Funkgeräten und digitaler Kommunikationsausstattung gibt es gleich mehrere Vorlagen, unter anderem zum Hauptvertrag zur Muster- und Serienintegration für die Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO), zum Abruf von Geräten aus einer Rahmenvereinbarung und zur IT-Systemintegration

• Der seit Jahrzehnten genutzte Geländewagen Wolf (im Grunde eine militärische Version der G-Klasse von Mercedes), im Bundeswehr-Jargon Lkw militärisch, geländegängig leicht soll durch eine neue Version ersetzt werden

• Vom geschützten Führungs- und Funktionsfahrzeug Dingo sollen aus einem Rahmenvertrag weitere 65 Fahrzeuge beschafft werden

• Gezielt für die vorgesehene Stationierung einer Kampfbrigade in Litauen werden ungeschützte Laswagen mit fünf und 15 Tonnen Zuladung beschafft

• Der Verbesserung der Logistik soll die Beschaffung von so genannten Wechselladersystemen für 15 Tonnen Zuladung dienen

• Von den Spreng/Splitter-Handgranaten, von denen Deutschland 100.000 Stück an die Ukraine abgegeben hat, sollen rund 400.000 Stück aus einem Rahmenvertrag abgerufen werden

• Die Infanterie soll neue Wärmebildbeobachtungsgeräte weite Reichweite bekommen, die für Ziele bis etwa zwei Kilometer Entfernung vorgesehen sind – sowohl als handgehaltenes Gerät als auch als Vorsatzgerät für das Präzisionsgewehr G27/28 und das Maschinengewehr MG5; außerdem werden aus vorhandenen Industriebeständen Bildverstärkerbrillen abgerufen

• Für verschiedene Flugzeugtypen der Luftwaffe ist die Beschaffung von Selbstschutzsystemen DIRCM (Direct Infrared Counter Measures) vorgesehen: für sechs C-130J Hercules der französisch-deutschen Lufttransportstaffel und für drei Regierungsflieger des Typs Airbus A350-900 der Flugbereitschaft

• Zum Aufwuchspotenzial Eurofighter ist eine Vorlage für die so genannte Eurofighter Long Term Evolution Technical Maturation Phase vorgesehen – dabei dürfte es allerdings vorerst vor allem um Forschung und Entwicklung für die langfristige Nutzunt des Kampfjets gehen

• Technisches Update von zwei stationären Gefechtsständen der Luftwaffe für die Luftlageüberwachung

• Für den Sanitätsdienst ist die Überarbeitung von Behandlungseinrichtugen der Role 1, also nahe an der Frontlinie, vorgesehen

• Für die NH90-Hubschrauber der Marine in der Version Multi Role Frigate Helicopter, die ab dem kommenden Jahr unter dem Namen Sea Tiger eingeführt werden sollen, ist ein Paket mit Ersatz- und Austauschteilen geplant. Für die verschiedenen NH90-Versionen soll zudem das Trägheitsnavigationssystem modernisiert werden

• Hinzu kommen diverse Vorhaben für die Modernisierung der Informationstechnik der Streitkräfte, von der Beschaffung von 24 verlegefähigen Rechenzentren für das German Mission Network über die Bereitstellung einer cloud-basierten Infrastruktur und die Vernetzung von Simulator-Ausbildungszentren der Marine bis hin zu Geräteausstattungen für Kabelbautrupps

• Auf der Liste steht auch ein Projekt, das in den vergangenen Tagen viel öffentliche Aufmerksamkeit bekam: der Mehrbedarf Bekleidung. Bei diesem Vorhaben gab es schon Andeutungen aus dem parlamentarischen Bereich, dass damit in diesem Jahr nicht wirklich zu rechnen sei.

*Vorsorglich an dieser Stelle der Hinweis: Alle Rüstungsvorhaben mit einem Finanzvolumen von mehr als 25 Millionen Euro müssen gesondert vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligt werden – über die tatsächliche Höhe der Kosten sagt die Bezeichnung 25-Mio-Vorlage nichts aus.