Bestellen für (Über)Morgen
Vor der parlamentarischen Sommerpause, die am Ende der kommenden Woche beginnt, zeichnet sich ein Rüstungs-Trend ab: Große Beschaffungen für die Bundeswehr werden durch den Haushaltsausschuss des Bundestages geschleust, ob für Panzer, Fregatten oder Munition. Den meisten Projekten ist eines gemeinsam: Damit werden Ausgaben gebilligt, die Jahre in der Zukunft erst im Haushalt fällig werden – auch wenn niemand bislang sagen kann, wie der Etat zum Ende des Jahrzehnts aussehen wird.
Allein die Tagesordnung des Haushaltsausschusses am (morgigen) Mittwoch, die vorletzte vor der Sommerpause, listet mehr als zehn teils milliardenschwere Vorhaben der Streitkräfte auf. Und für die letzte Sitzung in der kommenden Woche sind weitere Großprojekte wie die Bestellung von 105 Kampfpanzern Leopard 2A8 oder ein weiterer Rahmenvertrag für Artilleriemunition zu erwarten. Tatsächlich finanziert werden muss vieles davon in den Jahren 2028 oder danach – wenn vom Sondervermögen für die Bundeswehr längst keine Rede mehr ist.
Geregelt wird das über so genannte Verpflichtungsermächtigungen, mit der das Parlament für die Zukunft Ausgaben genehmigt, die dann in die Zeit fallen, in der ein neues gewähltes Parlament über den Haushalt entscheidet. Der Sinn dieser Regelungen ist natürlich, die über Jahre laufenden Beschaffungen – und Zahlungen – gerade bei großen Rüstungsvorhaben nicht in das Korsett eines jährlich neu beschlossenen Haushalts zu pressen. Zum Teil sind diese Ausgaben bereits bei der langfristigen Planung absehbar gewesen, die Verpflichtungsermächtigungen waren erwartbar. Bisweilen aber, so die Argumentation des Verteidigungsministeriums, eben nicht – dann wird eine so genannte überplanmäßige Verpflichtungserklärung beantragt.
So werden zum Beispiel die Kosten für die 105 neuen Kampfpanzer, von denen 35 Fahrzeuge für die Brigade in Litauen vorgesehen sind, insgesamt knapp drei Milliarden Euro betragen – von denen knapp 2,2 Milliarden Euro bislang in den Etatplanungen nicht berücksichtig sind. Im Haushaltsdeutsch des Bundesfinanzministeriums klingt das dann in der Vorlage so:
Für die im Kapitel 1405 Titel 554 07 benötigte Verpflichtungsermächtigung fällig in den Haushaltsjahren 2028 bis 2031 steht keine ausreichende Verpflichtungsermächtigung zur Verfügung. Für eine Verpflichtungsermächtigung fällig in den Haushaltsjahren 2028 bis 2030 ist daher die Erteilung einer überplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung gemäß §38 Absatz 1 Satz 2 Bundeshaushaltsordnung erforderlich. (…) BMVg beantragt die Erteilung einer überplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung in Höhe von insgesamt 2.174,89 Mio. Euro, davon fällig
im Haushaltsjahr 2028 bis zur Höhe von 584,01 Mio. Euro
im Haushaltsjahr 2029 bis zur Höhe von 837,72 Mio. Euro und
im Haushaltsjahr 2030 bis zur Höhe von 753,16 Mio. Euro.
Dass das Wehrressort die Vorhaben begründen kann, ist seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine unbestritten. Dennoch wird natürlich diese Ausgabe in einigen Jahren von der dann amtierenden Regierung wie auch dem künftigen Bundestag irgendwie im Verteidigungsetat untergebracht werden müssen.
Wie es aussieht, wenn das nicht funktioniert, hat die Bundeswehr schon einmal erlebt: In der Spar- und Verkleinerungsrunde der Streitkräfte unter dem damaligen Verteidigungsminister Thomas de Maizière vor mehr als einem Jahrzehnt mussten der Ressortchef und sein Staatssekretär Stéphane Beemelmans mit der Industrie verhandeln, um bereits vereinbarte Bestellungen zu reduzieren. Das führte zum Beispiel bei Hubschraubern in den Verhandlungen mit der damaligen Airbus-Vorgängerfirma EADS zum German Deal. Auch die Zahl der bestellten Schützenpanzer Puma wurde verringert.
Nach einer Reduzierung der Mengen an Waffensystemen und Munition sieht es für die kommenden Jahre angesichts der sicherheitspolitischen Lage allerdings nicht aus, im Gegenteil. Damit wird es sich langfristig um die Frage drehen, wie die jetzt eingegangenen finanziellen Verpflichtungen in den Haushalten der kommenden Jahre auch eingepreist werden.
Wie groß die Summe ist, die bis in die ersten Jahre der 2030-er da bereits festgelegt wird – das wüsste ich auch gerne. Eine Gesamtzahl habe ich bislang noch nicht finden können. Und auch aus der Opposition war nur zu hören, dass die ebenfalls gerne eine Gesamtzahl hätten.
@T.Wiegold: Der Hubschrauber-Deal kam mir auch gleich in den Sinn. Im Nachhinein betrachtet hätte man natürlich den Vertrag einfach durchfinanzieren sollen. Die Lösung ist aus meiner Sicht das Abschließen von Rahmenverträgen für 10 Jahre mit einer Festbestellung von 50% o.ä. des Gesamtvolumens. Auslösen der Option in 4-5 Jahren. Kostet jetzt etwas mehr – schafft aber Flexibilität. Vielleicht will man doch lieber in drei Jahren KF51 Panther bestellen….
Danke fürs aufgreifen des Themas.
Letztendlich muss sich das aber schon in der mittelfristigen Finanzplanung niederschlagen… alles andere wäre ja echt politisch mehr als unkorrekt und kein „fair Play“
es sind weitere ähnliche Beschaffungen dieses Jahr absehbar …
4 x weitere Patriot -> 1,3 Mrd €
20 x Eurofighter -> 3 Mrd €
150 x PuBo -> 2 Mrd €
168 x RCH155 -> 3 Mrd €
Alles wichtig… Aber die aktuelle Regierung muss auch die Finanzierung angehen!
@T.Wiegold, gut gesehen, danke.
Zur Ergänzung zur Sachlage:
Der Abgeordnete Ingo Gädechens (CDU/CSU) hat folgende Frage auf Drucksache 20/11198 beantwortet erhalten, dort S. 39,
„Welche finanziellen Verpflichtungen der Bunderepublik Deutschland bestehen zum heutigen Tage im Rahmen des Einzelplans 14 inklusive des Sondervermögens Bundeswehr bei allen Titeln der Gruppe 551 und 554, die in den Jahren ab 2028 fällig werden (bitte jahres- und gruppenscharfe Angabe der eingegangenen Verpflichtungen in den Jahren 2028, 2029, 2030 und 2031 ff. sowie der jahres- und gruppenscharfe Angabe der noch nicht gebundenen Verpflichtungsermächtigungen in den Jahren 2028, 2029, 2030 und 2031 ff.) und wie löst die Bundesregierung den Widerspruch auf, dass nach Ausführung des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. die Antwort auf meine Schriftliche Frage 25 auf Bundestagsdrucksache 20/10863) zur Erreichung 2-Prozent-Quote der NATO im Jahr 2025 ein Plafondaufwuchs des Einzelplans 14 über die geltende Finanzplanlinie hinaus nicht nötig ist, zugleich aber das Bundesministerium der Verteidigung eine Erhöhung des genannten Plafonds von bis zu 6,5 Milliarden Euro im kommenden Jahr als Voraussetzung zum Erreichen 2-Prozent-Quote der NATO als zwingende Voraussetzung zur Erfüllung ebendieser Quote erachtet (vgl. http://www.spiegel.de/politik/deuts chland/boris-pistorius-verlangt-deutlich-mehr-gel d-und-warnt-vor-ruestungs-stopp-a-dea54aff-6f2 e-4cb6-8f23-e2a2bcac8751)?“
Das BMVg verschanzt sich in seiner Antwort hinter „VS Nur für den Dienstgebrauch“, den Widerspruch ist es nicht bereit anzugehen.
Verstehen Sie /jemand den Vorgang?
Da das Gerät nicht im Regal rumliegt und gleich an der Kasse bezahlt werden kann, bleibt keine andere Wahl.
Man muss noch nicht mal Haushaltsrechtsexperte sein, um das festzustellen. Und wenn bestellt werden soll, wird es etwas komplizierter.
Finde ich gut. Wenn der oberste Chef zu jeder Gelegenheit versichert, dass Deutschland die 2% selbstverständlich auch in Zukunft einhalten wird, dann würde ich als Minister meinen Kanzler beim Wort nehmen und auf „bestellen“ klicken.
Darauf zu warten, dass am Verhandlungstisch ein paar Brotkrumen abfallen, hat in den letzten Jahrzehnten nix gebracht.
Jetzt nur ne Lösung für das Personal bitte. Vielleicht auch ne hausinterne Lösung für den alimentativen Ergänzungszuschlag statt auf Bundesebene auf das Verfassungsgericht zu warten?
Ich verstehe den kritischen bzw. warnenden Unterton des Artikels nicht. Wenn das Fahrzeug, das Schiff oder das Flugzeug erst 2030 geliefert wird, weil es erst noch gebaut werden muss, dann wird es auch erst 2030 bezahlt und entsprechend erst im Haushalt 2030 belastet. Solche längeren Bestellungen bereits im Jahr 2024 zu bezahlen wäre ein schlechtes Geschäft, und entsprechend gehört der Posten auch nicht in den Haushalt 2024. Das der Finanzminister 2030 dann weniger Flexibilität hat ist genau richtig, denn wir wollen ja grade weg vom Fahren auf Sicht und Legislaturperiode und uns statt dessen langfristig als richtig erkannte Investitionen auch TATSÄCHLICH bestellen.
(Bei den zusätzlichen Fregatten bezweifle ich das Verteidigungserfordernis, aber für das Argument ist das egal.)
Ist doch alles kein Problem.
Es ist ja davon auszugehen das die
CDU die nächste Bundestagswahl
gewinnt und den neuen Kanzler stellt.
Und dann wird sich zeigen ob die Worte von Herrn Merz Wahrheit oder Lüge sein werden, insbesondere die
Aussage:
„Das ist unsere (!) NATOVerpflichtung und sogar genauer betrachtet seit dem letzten NATO-Gipfel die Mindestverpflichtung (!!), die wir (!) eingegangen sind. Es heißt jetzt mindestens (!!) 2 % des BIP für die Verteidigung.“
Auszug:
„Der Bundeskanzler verspricht, bis weit in die 2000er Jahre hinein mindestens 2 % des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. Das ist unsere NATOVerpflichtung und sogar genauer betrachtet seit dem letzten NATO-Gipfel die Mindestverpflichtung, die wir eingegangen sind. Es heißt jetzt mindestens 2 % des BIP für die Verteidigung. In Zahlen ausgedrückt, meine Damen und Herren, bedeutet dies nach gegenwärtigem Stand der Dinge Ausgaben für den Einzelplan 14 von rund 75 bis 80 Milliarden Euro. Das Verteidigungsministerium selbst geht für die Zeit nach der Ausschöpfung des Sondervermögens von 95 Milliarden Euro aus und kalkuliert bereits für die weiteren fünf Jahre danach mit einem Budget von gut 100 Milliarden Euro. Wir haben es hier also in Wahrheit mit einer Deckungslücke aufwachsend von 30 bis zu 50 Milliarden Euro zu tun für unsere Verteidigung. Das stellt uns vor große Herausforderungen.“
Quelle:
Friedrich Merz
Grundsatzrede des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag beim Kongress „Die Bundeswehr zwei Jahre nach Ausrufung der Zeitenwende“ am 10. April 2024
Sowas nennt man kreative Buchführung. Es werden Bestellungen ausgelöste, deren Lieferung und Bezahlung erst in der Zukunft wirksam werden. Gleichzeitig verweigert die aktuelle Regierung in ihrer mittelfristigen Finanzplanung 2025-2029 (wahrscheinlich) eine Aussage, woher das Geld kommen soll. Unser Finanzminister will keine höheren Steuern und keine höheren Schulden. Die anderen Ampel-„Partner“ wollen aber auch nicht sparen. In einen sauren Apfel muss man beißen, aber dass muss dann die nächste Regierung. Man könnte auch sagen, hier werden Verträge „zu Lasten Dritter“ abgeschlossen oder eben der Steuerzahler vera…! So sieht ein Teil der Lösung des aktuellen Streits über den Haushalt 2025 in der Ampelkoalition aus.
@PangPang: Nö, „Kreative Buchführung“ befasst sich mit aktuellen Bilanzen. I.d.R. um deren Zahlen(aussagen) „aufzuhübschen“. Hier geht es darum, dass Waffen, Ausrüstungen und Munition nach 30 Jahren „Kaputtsparen‘ sobald als möglich verfügbar sind. Dazu müssen sie schnellstmöglich geordert werden, damit in der Verteidigungsindustrie die erforderliche Sicherheit entsteht, um (endlich) Investitionen in Produktionskapazitäten auszulösen.
Nunja, rein formal betrachtet liegen nur die zusätzlichen („außerplanmäßigen“) VE für 2028 und 2029 im Zeitrahmen der MiFriFi, des in der Regel auf 5 Jahre angelegten Finanzplan des Bundes. Am folgenden Finanzplan des Bundes strickt das BMF derzeit noch, zusammen mit der Kabinettsvorlage für den Haushaltsentwurf 2025. Das läuft ja in der Regel parallel. Und da gibt es (noch) keine Einigkeit, deswegen auch keine genauen Auskünfte. Ich würde sogar spekulieren dass der Herr BMF Lindner die priorisierten Ausgabeplanungen für den BMVg mit den apl. VE als Druckmittel benutzt an anderer Stelle im Bundeshaushalt sparen zu müssen.
Was leben wir in interessanten Zeiten…..
@ Christian B.: Nein, eben nicht. Bei solchen Großprojekten wird regelmäßig die Bezahlung in Etappen bzw. Kapiteln vereinbart. Also ein Teil der Zahlung bei Vertragsschluß, weitere Teilzahlungen, wenn festgelegte Projektetappen erreicht wurden und den Restbetrag erst bei Übergabe. Also werden die Bestellungen sehr wohl die Haushalte vor 2030 belasten.
Es ist doch offensichtlich und sollte allseits bekannt sein, dass diese Regierung nicht die Kraft hat, sich öffentlich für einen deutlich höheren Verteidigungsetat und alle seine Folgen gerade in der Zukunft einzusetzen. Wer glaubt denn noch an die Schimäre der Verabschiedung des Haushalts 2025 Anfang Juli? Längst wird von Ende Juli gesprochen, und da sind bekanntlich die parlamentarischen Sommerferien. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Sollte wider Erwarten der Haushalt doch verabschiedet werden, so sind selbstverständlich noch Änderungen möglich, da der Etat erst im November final verabschiedet werden muss. Es trifft sich gut, das da dann alle diesjährigen Landtagswahlen gelaufen sind. Das alles ist also kein Hexenwerk, hat aber dafür sehr viel mit Realpolitik zu tun.
[Da droht etwas durcheinander zu geraten: Es geht an dieser Stelle nicht um den Haushalt fürs kommende Jahr, sondern um die Verpflichtungen für die Jahre weit danach. Deshalb die dringende Bitte, das jetzt nicht zu einer aktuellen Haushaltsdebatte umzufunktionieren – die werden wir noch auch hier bekommen. T.W.]
Ganz ehrlich: Langfristige Investitionsgüter muss man eigentlich so bestellen. Dass es in diesem Fall Rüstungsgüter sind, ist eigentlich fast egal. Aber wer zukunftsorientiert denken will, darf seine Gedanken nicht am Ende der Legislaturperiode enden lassen. Allein die Diskussion zur Wehrpflicht zeigt das doch. Da erwarten die Leute auch binnen weniger Jahre schlicht Unmögliches.
Dass das mit dem Königsrecht der Parlamente, namentlich der Haushaltshoheit eklatant kollidiert ist richtig. Genauso richtig ist aber auch, dass in unseren Parlamenten inzwischen eine ganze Menge Menschen sitzen, denen die eigene Jacke doch etwas sehr viel näher ist, als ihr Pflichtgefühl unserem Gemeinwesen gegenüber. Und vermutlich sogar auch einige, die glückselig fiedeln würden, während Rom brennt.
Das ist bei zivilen Unternehmen mitunter aber auch so. Da wird mehr Wert auf den kurzfristigen Shareholder-Value gelegt, als auf die mittel- bis langfristige Entwicklung. Weit- und Umsicht werden ersetzt durch den schnellen Effekt.
Natürlich verursacht diese Vorgehensweise Haushaltern Bauchschmerzen. Allerdings schließe ich mich PioFritz an, wenn er schreibt, dass die Bundesregierung, angesichts langer Lieferzeiten, kaum eine andere Wahl hat.
Das gilt vor allem für den Bereich Munition. Was das fahrende, fliegende und schwimmende Gerät anbetrifft, so habe ich gelernt, dass die Industrie of viel verspricht und wenig hält. Hand aufs Herz. Wer ist nicht froh, dass die Bundeswehr von den rollenden (Puma) und fliegenden (NH90, Tiger) Baustellen nicht noch mehr auf dem Hof rumstehen hatte?
In der Ukraine sehen wir aktuell wie sich die Rolle des Kampfpanzers auf dem Schlachtfeld verändert. Große, schwere, wartungintensive und teuere Panzer wie der Challenger, Abrams und Leopard 2A6 sind de facto nutzlos. Die russische Regierung hat ihren „Superpanzer“ T14 Armata hinsichtlich der Lessons Learned überarbeiten lassen. Das ganze sieht jetzt, von der Rollenbeschreibung her, eher wie ein Sturmgeschütz zur Infantrieunterstützung aus.
Natürlich müssen in der Bundeswehr die Materiallücken geschlossen werden, aber ich fürchte, das da jetzt wieder für sehr viel teueres Geld ein Waffensystem angeschafft wird, dass eigentlich schon obsolet ist.
Angesichts der aktuellen politischen Entwicklung in Frankreich würde ich hier aber nicht auf mehr auf die geplante Rüstungskooperation setzen. Die könnte ebenfalls nach den nächsten Wahlen obsolet sein.
Was dagegen dringend gebraucht wird, noch dringender als Kampfpanzer, dass ist die mehr frontnah einzusetzende Flugabwehr.
@all
Eine Bitte (in einem Kommentar auch schon angemerkt): Es geht an dieser Stelle nicht um den Verteidigungshaushalt für das kommende Jahr. Und auch nicht um die Frage der Verteilung von Verteidigungs- und z,B. Sozialetat. Insofern sollte das Thema nicht auf diese Weise vom Wege abgebracht werden.
@Schlammstampfer: Was wirklich dringend ist, lässt sich m.E. nicht an nur einer Fähigkeit („frontnah einzusetzende Luftabwehr“). Derzeit ist „alles zeitgleich in doppelter Fragestellung“ wichtig. Wir werden einerseits die UKR sofort und zeitnah unterstützen (müssen und wollen), zum anderen die Fähigkeiten und Mittel unserer Bundeswehr “ kriegstüchtig“ gestalten müssen. Deshalb ist der wichtigste Schritt für beide Aufgabenfelder die Bereitstellung maximaler Munitionsmengen 155mm, 120mm und 35mm, um VORHANDENE Waffensysteme glaubhaft abschreckend wirken lassen zu können ( BV/LV) und der UKR die Kampf- und Siegesmittel (mit) zur Verfügung zu stellen. Ich denke, unsere Politik hat hier (endlich) glaubhafte Schritte unternommen zur Zielerreichung.
@Heiko Kania:
Mit der Analyse, dass es eines zeitnahen Ausbaus der Flieger- und Drohnenabwehr im Nächst- und Nahbereich dringend bedarf, hat @Schlammstapfer aber nicht unrecht.
Das hat man schon im Konflikt Armenien vs. Aserbaidschan gesehen. V.a. Drohnen mischen die Karten massiv neu und müssen dementsprechend im Falle eines Konflikts effektiv gekontert werden können. Das bedeutet einerseits die Abwehr der Drohnen an sich (mit bewährten Wirkmitteln), aber sicherlich auch die Bekämpfung der C6ISR-Fähigkeiten des Gegners. Also u.a. auch das gezielte Neutralisieren von Drohnenoperateuren oder der Relaisstationen zur Weiterleitung von Steuersignalen und Telemetrie, falls die Bediener woanders sitzen sollten.
Störung der feindlichen Radar- und Fernmeldefähigkeiten noch dazu.
Grundsätzlich entspricht es dem üblichen, nach der Bundeshaushaltsordnung so vorgesehenen Verfahren, das genauso über Verpflichtungsermächtigungen zu lösen, die erst in kommenden Haushaltsjahren kassenwirksam werden. Nicht üblich und so eigentlich nicht vorgesehen, ist der vom Hausherrn geschilderte „German Deal“, der allerdings zu anderen Zeiten verhandelt wurde.
Wie auch immer:
Konsequent müssten sich das 2%-Ziel und die jetzt eigegangenen Verpflichtungen in der Mittelfristigen Finanzplanung des Bundes bei den Einzelplänen spiegeln. Da bin ich sehr gespannt und setze auch auf die vom Kanzler mehfach abgegebenen Versprechungen zur Einhaltung des 2%-Ziels auch nach dem Auslaufen des Sondervermögens. Bitte dran bleiben!
also wenn ich den Hausherren richtig verstehe, dann hat er Bauchschmerzen damit, dass heute Ausgaben beschlossen und bewilligt werden mit denen dann eine künftige – möglichweise andere – Regierung arbeiten / in negativ sie ausbaden muss.
das ist ja aber ein ganz grundsätzliches Problem von Verpflichtungsermächtigungen – bis dahin für niemanden etwas Neues…
die einzige Lösung des Dilemmas ist in meinen Augen solche Verpflichtungsermächtigungen künftiger breiter, sprich mit 2/3 Mehrheit abzustützen.
dann hat nämlich mindestens ein Teil einer künftigen Regierung dem ganzen nämlich damals zugestimmt.
ich halte das zwar nicht für notwendig und vielleicht sogar gefährlich, des Demokraten Herz erfreut es aber bestimmt =)
[Nee, geht nicht um „Bauchschmerzen“, aber thematisieren wollte ich das schon – klar ist das grundsätzlich nichts Neues. Interessant wird die Frage der Größenordnung. T.W.]
@Metallkopf: Mir geht es um glaubhafte Abschreckung. „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen.“ Deshalb bin ich 1979 Berufssoldat geworden. Was nutzen Leop2 und PzH2000, wenn – grob gesprochen – zwei Tage nach Verbrauch der Kpf- und Truppenbeladung keine Folgeversorgung greift. Nicht vorhandene Drohnen werden zur Kriegführung der Zukunft gebraucht, in zweiter Linie zur Abschreckung. Also wichtig, nach wichtigerem: Vorhandenes kampffähiges Dickblech schafft jetzt Abschreckung. Bedingung: nicht nur mit einem empfindlichen Übel drohen, sondern es auch durchführen können.
Das spannendere Thema ist, dass man jetzt dazu übergeht, überplanmäßige VE zu beantragen. VE werden im normalen Haushalt schon immer mit beschlossen, eben damit das mit mittelfristiger Finanzplanung etc. passt, aber auch genug Flexibilität für Umplanungen etc. bleibt. Daher in der Summe halt begrenzt und jetzt halt bereits aufgebraucht. Mit den jetzt aufgerufenen Summen mache ich mir halt (überplanmäßig) meinen erwartbaren Finanzhorizont zu. Ja man braucht davon mit Sicherheit vieles…Ist aber halt blöd für den Nachfolger oder sich selbst, wenn ich in 2 oder 3 Jahren halt keine planerische Flexibilität mehr habe, weil mein komplettes Budget bereits gebunden ist…..
@Träumer: Das spannendste Thema ist für mich derzeit, wie sich die Union (Sommerinterview im ZDF, Forderungen nach Abschiebung UKR-Flüchtlinge) – zumindest bis 2. Sept. – aus der vorbehaltlosen Unterstützung des Abwehrkampfes der UKR zu verabschieden droht.
Ich überschlage mal:
105 Leo 2A8 = 3 mrd.
20 Eurofighter = 3 mrd.
Artilleriemunition Rheinmetall = 8,5 mrd
Artilleriemunition Nammo/Diehl = 15 mrd.
Litauen Brigade = 11 mrd.
5.000 Wehrpflichtige = 1,4 mrd.
4x Patriot 2. Bestellung =1,3 mrd.
weitere 8 F-35 (?) = 1 mrd.
Macht schlappe 44,2 mrd. Euro.
Gab es nicht für 2024 den Vorbehalt, dass der Haushalt bei höheren Kosten des Ukraine Krieges gegen die 3% Neuverschuldung verstössen könnte?
@Nurso: Ja – aber nicht in einem Jahr. Die von Ihnen errechnete Größenordnung entspricht meiner Erinnerung nach dem Volumen der 25 Mio Vorlagen von 2023. In der Tat geht dies gerade nur aufgrund des Nachholbedarfs und der 100. Mrd. € Starthilfe. Das wird sich in den kommenden Jahren wieder einem neuen mittleren Niveau nähern.
Interessante Diskussion.
Vielleicht darf ich hier mal die Frage in den Raum stellen wie das denn ganz früher war als die Verteidigungsausgaben der BRD noch über 4% lagen und die BW quasi im Monatstakt neue Systeme geordert hatte… ?
@Apollo 11: Anbei der Link zu einem bei der Friedrich-Ebert-Stiftung archivierten Artikel „Der finanzielle Aufwand für die deutsche Rüstung“ vom Mai 1957. Zwar werden nicht gleiche, aber ähnliche Problemfelder angesprochen wie wir sie heute haben. LINK: https://library.fes.de/gmh/main/pdf-files/gmh/1957/1957-07-a-419.pdf
@Nachhaltig: Nicht ganz. Die zweite Order an Patriot ist nicht die im März 24 georderte, sondern steht aktuell auf der Liste.
Ebenfalls die Artilleriemunition in Höhe von 15 mrd. bei Nammo/Diehl.
Heute wurde gemeldet, dass man neue Kommunikationssatelliten für 2,3 mrd Euro ab 2027 beschafft.
Die Nachrichten freuen mich, da man endlich Fahrt aufnimmt.
Kleiner Scherz: Es fehlt nur noch ein Flugzeugträgerchen.
Tatsächlich Bewegung im Beschaffungswesen. (oder schon dokumentiert?)
Der #Haushaltsausschuss hat gestern acht 25 Mio. Vorlagen gebilligt. So auch neue Brimstone-Lenkflugkörper für den Eurofighter und als Ersatz für die #Ukraine-Unterstützung neue Lenkflugkörper #Stinger.
https://t.co/kbmlxUTC0q
@Heiko Kania:
Sehr gute angegebene Quelle zur Rüstung 1957/58.
Sehr ähnliche Problemfälle zu heute. Beschlossen wurden enorme Ausgaben für die Zukunft für noch nicht gewählte Regierungen.
Grösste Einzelposten waren Schiffe…
Auch erwähnt diese Nike-Hercules-Geschichte. Das waren damals Abschussrampen für nukleare (!) Flugabwehrrakten. Bei mir um die Ecke (Mainz) waren wohl auch solche stationiert ( Oberolmer Wald ).
Das „Verteidigungs“-Konzept von damals, schauder.,, Aufhaltegrenze der russ. Panzer war der Rhein, alles östlich davon war nukleares Schlachtfeld, auch mit Atomminen in Straßen, die Aussparungen in Brücken und Autobahnen existieren teilweise noch heute…
Lt. Bericht von 1957 lag der Anteil am verteilten Steuerkuchen, auch Staatsausgaben genannt, damals bei ca. 17 %.
Wie groß ist er denn heute ?
Ich finde das für den durchschnittlichen Wähler immer aufschlussreichen als einen Prozentwert vom BIP.
Ich möchte ja nur ungern Wasser in den Wein kippen. Aber ich glaube nicht, dass das Geldausgeben in Zukunft so weiter gehen kann. Alle weiteren Haushalte bis 2030 vor allem auf die Rüstung auszurichten wird sich nicht durchhalten lassen. Das bedeutet für die aktuelle Regierung und die nächste(n) Regierung(en), das dringend erforderliche Ausgaben für den Erhalt unserer Infrastruktur und Investitionen in Bildung und Forschung, sowie die Energiewende weiter verschleppt werden.
Langsam kann ich dieses Märchen von einer unterfinanzierten Bundeswehr, dass ich früher (zugegeben) auch mal geglaubt habe, nicht mehr hören. Die Franzosen finanzieren mit einem vergleichbar hohen Etat eine personalstärkere Armee mit deutlich größerer Marine und Nuklearwaffen. Was die Situation um so peinlicher für uns macht, das ist der Umstand, dass deren Streitkräfte ihre Aufgaben vollumfänglich wahrnehmen können.
Gerade Frankreich ist ein Beispiel, dafür wie man eine funktionsfähige Armee für deutlich weniger als 2% des BIP aufstellt.
Funktionsfähige Streitkräfte müssen auch unser Ziel sein. Nur eben ohne überteuerte Waffensysteme, die nur auf dem Papier ihren Zweck erfüllen.
nächste Woche geht’s weiter
https://www.bundestag.de/resource/blob/1010630/0823c77c65f35f46063f85be25804125/to_69_sitzung_03-07-2024.pdf
Die 105 zusätzlichen Leo2A8
4 weitere Patriot Systeme
weitere Patriot FK GEM-T
Da sind wir wieder beim 2-Prozent-Dilemma.
Da niemand weiß, wie hoch in den kommenden Jahren das BIP ist, kann auch niemand sagen, ob die 2 Prozent nun ausreichen oder zu wenig sind, um die notwendigen Beschaffungen zu finanzieren.
Zumal ja noch bei Weitem nicht alle notwendigen Beschaffungen mit der aktuellen Planung abgedeckt sind.
@Der Realist: Der würde ich so nicht zustimmen. Wir haben schon eine ziemlich genaue Idee vom BIP der nächsten Jahre, mindestens von der Größenordnung. Ob dieses um 1% wächst, 0,5% schrumpft – diese Aussage können wir tatsächlich nur annehmen. Die Ausgangsgrößenordnung selber steht aber wohl kaum zur Debatte. Und damit haben wir auch eine Idee, was denn „2% des BIP“ als Hausnummer sein werden, +/-.
Was aber auch deutlich heißt: wenn das Steueraufkommen nicht wächst, dann wird es für die Erreichung des 2%-Zieles (1) eine deutliche Veränderung der Allokation von Steuermitteln im Haushalt geben müssen, oder aber (2) mehr Schulden. Angesichts der heutigen, gesetzlich manifestierten Verpflichtungen ist eher davon auszugehen, dass (2) zum tragen kommen wird und spätestens eine neue Bundesregierung die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form wird zu Grabe tragen müssen.
Grundsätzlich sind Verpflichtungsermächtigung für Beschaffungen der Bundeswehr aber inhaltlich nicht großartig anders als die Einführung einer „Rente ab 63“ o.ä.: bei allen dieser Vorhaben wird eine (finanzielle) Verpflichtung für die Zukunft eingegangen, die zukünftige Regierungen zu berücksichtigen und auszubaden haben.
Letztlich müssen wir uns aber auch im Klaren sein: ohne Sicherheit – die kostet halt viel Geld – ist jegliche Investition in einen Wirtschaftsstandort unsicher. Wenn wir hier knausern, dann wird uns das auf Sicht viel Investition kosten, mehr als wir jetzt ausgeben müssen. Anders betrachtet: Sicherheit ist eine Investition in die Zukunft.
@Der Realist: Die Ungenauigkeit bei dem BIP liegt unter 10% in den kommenden Jahren. Was man wirklich braucht ist ein realistisches Mittelabfluss-Profil des Sondervermögens auf Basis der geschlossenen Verträge. Da kenne ich außer dem pauschalen „das läuft 2027 aus“ nichts Fundiertes. Soweit ich das überblicke, sind auch Zahlungen aus dem Sondervermögen nach 2027 fällig.
Wenn man dieses Profil kennt, kann man den Aufwuchsbedarf des EP14 um das 2% Ziel zu erreichen jahresgenau abschätzen. Dazu fehlt mir persönlich jedoch die richtige Quelle/Referenz.
@Schlammstapfer Beitrag 19:40: Dem würde ich sogar zustimmen, das die Bundeswehr nicht chronisch unterfinanziert ist. Das Problem welches die Bundeswehr hat, das einfach viel Geld in der Bürokratie und in einem (ministeriellen) Wasserkopf versenkt wird, was natürlich am Ende für die eigentlichen Kernaufgaben fehlt. Ich wage mal zu behaupten, dass dies jeder ehemalige Soldat genau so bestätigen kann.
Dort müsste man vor allem ansetzen, da ließen sich bestimmt 10 bis 15 Mrd Euro rausholen. Natürlich muss man auch konkret wissen welches Waffensystem man für welchen Zweck braucht, es bringt nichts einfach mal von allem etwas zu bestellen in der Hoffnung das es schon irgendwie richtig ist.
In der Berliner Zeitung wird aktuell über die Verhandlungen zum Haushalt und die Auswirkungen auf die Finanzierung der Hilfen für die Ukraine und die Ausrüstung der Bundeswehr berichtet.
Den Artikel findet man unter:
„Ukraine: Streit um den Bundeshaushalt eskaliert – kommt jetzt die Kriegsanleihe?“ – Kein Link aus bekannten Gründen –
von Simon Zeise (30.06.2024, 06:57 Uhr)
Um es kurz zu machen, unser Land kann sich die Unterstützung im aktuellen Umfang nicht mehr leisten und die Regierung sucht nach kreativen Auswegen aus dem Dilemma. Aktuell sind 40% der Wähler gegen eine weitere Unterstützung der Ukraine. Die Zahl dürfte steigen, wenn sich rumspricht, das aufgrund der Ukrainehilfen wichtige Infratstrukturprojekte in Deutschland nicht in Angriff genommen werden können.
Man könnte meinen, die Regierung betreibt aktive Wahlhilfe für die radikalen Parteien.
[Nun ja, diese aktive Wahlhilfe wird ja mit Begriffen wie „Kriegsanleihe“ vorangetrieben, und Sie sind vorne mit dabei. Ich denke, das lassen wir hier jetzt. T.W.]
@ Marcus:
Ich glaube nicht, dass „jeder ehemalige Soldat“ die von Ihnen beschriebene Situation „so bestätigen kann“. Das liegt schlicht daran, dass die meisten qua Amt und Auftrag überhaupt nicht mit Planung, Fähigkeitsmanagement und Haushalt befasst sind. Das müsste man aber sein, um die von Ihnen beschriebene Thematik bewerten und einordnen zu können. Einfach zu behaupten, 10-15 Mrd. € können eingespart werden, ist mir persönlich hier als Einwurf jedenfalls ohne Beleg etwas zu gewagt.