Neue deutsche Zusagen für die Ukraine – und erstmal keine weiteren aus den USA
Fürs Archiv: Beim Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe im so genannten Ramstein-Format – und diesmal wieder physisch auf der US-Airbase Ramstein in der Pfalz – hat Deutschland der Ukraine weitere militärische Unterstützung im Wert von knapp 500 Millionen Euro zugesagt. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin verwies bei der Sitzung am (heutigen) Dienstag auf ein bereits angekündigtes US-Hilfspaket von 300 Millionen US-Dollar – weitere Unterstützung ist derzeit aus innenpolitischen Gründen blockiert.
Der deutsche Verteidigungsminister nannte als schnelle Hilfe für die Ukraine in ihrem Kampf gegen die russischen Streitkräfte die Lieferung von 10.000 Schuss (Artillerie)Munition, die aus Bundeswehrbeständen kommen sollen. Die Auslieferung wird kurzfristig beginnen, also eigentlich sofort, sagte Pistorius. Hinzu kämen 180.000 Geschosse aus der von Tschechien organisierten Lieferung von 800.000 Schuss aus verschiedenen Quellen, die Deutschland finanzieren werde. Mit der Auslieferung sei schrittweise ab Sommer zu rechnen. Darüber hinaus habe die Bundesregierung 100.000 Schuss Artilleriegeschosse im Kaliber 155mm in Auftrag geben, die von der Industrie in diesem Jahr geliefert werden sollten.
Zusätzlich sagte Deutschland nach Angaben des Ministers der Ukraine 100 geschützte Infanteriefahrzeuge und 100 Logistikfahrzeuge zu. Weiterhin würden auch Ersatzteile für bereits geliefertes Gerät zur Verfügung gestellt.
Zu der Fähigkeitskoalition weitreichende Raketenartillerie, die Bundeskanzler Olaf Scholz beim Treffen mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und Polens Ministerpräsident Donald Tusk am vergangenen Freitag angekündigt hatte, blieb Pistorius weiterhin vage. Bei einem Treffen mit seinem polnischen Kollegen Władysław Kosiniak-Kamysz am (gestrigen) Montag in Warschau hatte er auf das Ramstein-Treffen verwiesen, in Ramstein wiederum verwies er auf seine geplanten Gespräche mit dem französischen Verteidigungsminister Sebastien Lecornu am kommenden Donnerstag und Freitag. Mehr kann ich, da bitte ich um Verständnis, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Das ist wie gesagt noch ganz neu.
Das Pressestatement des Ministers zum Nachhören:
Der US-Verteidigungsminister sicherte in Ramstein zu, sein Land werde die Ukraine unverändert weiter unterstützen. Allerdings musste Austin einräumen, das letzte Hilfspaket der USA sei nur dadurch möglich geworden, dass beim Ersatz von abgegebenen Material an die Ukraine günstigere Vereinbarungen mit den Herstellern zustande gekommen seien als gedacht:
The United States will not let Ukraine fail. This coalition will not let Ukraine fail. And the free world will not let Ukraine fail.
Just last week, the United States announced additional security assistance for Ukraine, valued at $300 million. This is an extraordinary measure to support Ukraine’s most pressing needs for air defense, artillery, and anti-tank capabilities. We were only able to support this much-needed package by identifying some unanticipated contract savings.
But we remain determined to provide Ukraine with the resources that it needs to resist the Kremlin’s aggression.
(Foto: Pistorius in Ramstein – U.S. Air Force photo by Airman 1st Class Eve Daugherty)
@tau sagt:
„Wenn die Ukraine nicht die militärischen Fähigkeiten (z.B. in Form ausreichender Flugabwehr) hat, um ein operativ-taktisches Konzept wie das Gefecht der verbundenen Waffen umzusetzen, warum unternimmt sie überhaupt eine letztlich äußerst verlustreiche Offensive“?
Das beantwortet sich sehr einfach.
Die Qualität sowie Wirkung nach Umfang und Tiefe der RUS Geländeverstärkungen durch pioniertechnische Maßnahmen wurden unterschätzt, also Fehler in der BdL, wesentlich mangels Kampferfahrung zu Kriegsbeginn verursacht. Solches ist leider normal.
Bei unzureichender Flugabwehr dennoch gepanzert offensiv werden offenbart die Folgen des Dilemmas von „Bevölkerungsschutz“ vs „Schutz der Kampftruppe“. Der UKR Genst glaubte beides sicherstellen zu können, getrieben durch
– eigene politische Führung: Selenskyy, und
– die Ausbildung in DEU, wo das hohe Lied des GefVbuWa gepredigt wurde. Das hört sich durchaus verwegen und nach Glaskugel an, der Kern der Ausb wurde aber bei „Nachgefragt, u.a. GM Dr. Freuding“, klar herausgestellt. Und, da ich nahe zu einem norddeutschen Heeresstandort wohne, dort noch Kontakte habe, sehe ich meine Annahme bestätigt.
Hinzu kommt m.E. – das is jetzt wirklich ohne Beleg- der Ruf der Deutschen Panzerwaffe im fast identischen Operationsraum 1941 – 44 wirkt immer noch.
Zur Umsetzung ähnlicher Ansätze fehlten wie bekannt eine Masse an KPz, SPz, PzArt, HFla.
@Dominik (ihre Antwort an tau vom 27.03.2024 um 8:34 Uhr)
Sie stellen die richtigen Fragen und ich hoffe das diese Fragen auch unsere Generale bewegen. Aber, mal ehrlich, hätten sie sich diese Fragen vor dem russischen Angriff auf die Ukraine auch gestellt?
Jedem, der wie wir die Entwicklung bei der Bundeswehr entweder von innen miterlebt oder von aussen beobachtet, war doch schon lange bewusst, das unsere Bundeswehr große Fühigkeitslücken aufweist. Aber welche Konsequenzen das für eine Beteiligung an einem Krieg gegen einen technisch hoch gerüsteten Gegner hat, ich glaube das werden nur wenige überblickt haben (ich gehöre nicht dazu).
Die gängige Überzeugung hinsichtlich eines Krieges gegen die Sowjetunion zu meiner Zeit war, wir kämpfen zwei Wochen mit allem was wir haben und dann wird der Krieg ohnehin nuklear. Das war damals und die Sowjetunion ist Geschichte. Seither straften unsere Regierungen und unser Parlament die Bundeswehr mit Missachtung. Die Kriege, die der Westen gegen dritt- und viertklassige Streitkräfte anderer Staaten geführt hat (Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien) begannen immer mit der Herstellung der Lufthoheit, gefolgt von einer gründlichen Bombardierung der gegnerischen Kommando- und Infrastruktur. Ein „gläsernes“ Schlachtfeld gab es, wenn überhaupt, nur für die Seite des Westens. Nicht das die diversen Beteiligungen der Bundeswehr die Fähigkeitslücken nicht jedesmal wieder in Erinnerung gerufen hätten aber substantiell tat sich nichts.
Der Angriff der Russen auf die Ukraine hat viele wachgerüttelt aber auch in mehr als zwei Jahren eines Krieges, der uns auch vor Augen führt, was unsere in der Presse hochgelobten „Wunderwaffen“ wert sind (wenn man nicht auch reichlich davon zur Verfügung hat), passierte immer noch zu wenig und es passiert zu langsam, um unsere Streitkräfte auf so einen Krieg vorzubereiten.
Zitat:“Seien wir ehrlich, Deutschland hätte nach 3h kapituliert.“
Egal ob 3h oder 30h. Ich bin da bei Ihnen. Damit sollten aber auch die Prioritäten klar sein. Die Neuaufstellung unserer Bundeswehr wird sehr viel Geld kosten und das gilt auch für die weitere Unterstützung der Ukraine. Die verfügbaren Geldmittel lassen sich aber nicht beliebig vermehren. Angesichts aller anderen Herausforderungen, vor denen unser Staat steht halte ich eine weitere Erhöhung des Wehretats für unwahrscheinlich. Meiner Meinung nach können mit den verfügbaren Mitteln entweder die Ukraine weiter unterstützen oder eben unsere Bundeswehr neu und zeitgemäß aufstellen.
Das Stichwort dazu lautet „konventionelle Abschreckung“. In dem Zeitraum zwischen dem Putsch in der Ukraine und dem russischen Überfall hat man von westlicher Seite viel getan um die ukrainische Armee auf so einen Konflikt vorzubereiten. Auch die ukrainische Regierung hat entsprechende Anstrengungen unternommen. Abschreckend genug war das nicht.
Mit der bisherigen Unterstützung der Ukraine haben wir Zeit erkauft und der russischen Armee zweifellos schwere Schäden zugefügt. Aufgehalten hat das die russische Armee aber nicht. Fällt die Unterstützung durch die USA wirklich komplett aus, dann wird Russland diesen Krieg eben schneller gewinnen. Er könnte dann aber immer noch ein bis zwei Jahre dauern und danach wird es Jahre dauern, bis sich die russische Armee von den Folgen erholt hat.
Unsere weitere Unterstützung der Ukraine sollte sich deshalb auf die Dinge beschränken, die wir abgeben können, ohne die Reformation der Bundeswehr nicht zu behindern.
Wenn wir sicherstellen wollen, dass es nach diesem Krieg nicht doch auch noch zu einer Konfrontation Russlands mit der NATO kommt, dann müssen wir unsere Bundeswehr konventionell abschreckend GENUG aufgestellt haben. Auch unsere europäischen Verbündeten haben da noch Hausaufgaben zu machen. Angesichts des immer erratischer werdenden Verhaltens der US-amerikanischen Politik, werden wir uns in Zukunft nicht darauf verlassen können, dass die USA auch weiter fest zu ihrer Bündnisverpflichtung stehen werden.