Neuer Anlauf gegen Extremisten in der Bundeswehr: Vorschrift im Soldatengesetz soll schnelle Entlassung ermöglichen

Das Verteidigungsministerium will mit einer neuen Regelung im Soldatengesetz die schnelle Entlassung von Extremisten, vor allem von Rechtsextremisten, erreichen können. Das Wehrressort nannte dazu jetzt Eckpunkte – allerdings ist dieses Vorgehen nicht erst durch die aufgeflogenen Pläne von Reichsbürgern in den vergangenen Tagen bestimmt, sondern bereits durch den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP.

Die Mitteilung des Ministeriums vom (heutigen) Dienstag bezieht sich zwar auf die aktuellen Entwicklungen, sagt aber wenig zum vorgesehenen Verfahren:

Extremistische Bestrebungen haben in der Bundeswehr keinen Platz – das hat das Bundesministerium der Verteidigung immer wieder betont und in den vergangenen Monaten Vorbereitungen dafür getroffen, extremistische Soldatinnen und Soldaten schnellstmöglich aus dem Dienst entlassen zu können. In den vergangenen Monaten wurde an einem neuen Entlassungstatbestand gearbeitet, der noch deutlich über das hinausgeht, was der Deutsche Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr beschlossen hat. Erfasst werden sollen nunmehr neben allen Soldatinnen und Soldaten auf Zeit auch Berufssoldatinnen und -soldaten. Eine Entlassung soll hiernach durch Verwaltungsakt ohne Durchführung eines zeitintensiven gerichtlichen Disziplinarverfahrens möglich sein.
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht betont hierzu:
„Die jüngsten Durchsuchungen und Festnahmen im Reichsbürger-Milieu zeigen, wie wichtig es ist, wachsam zu sein und konsequent mit allen Mitteln des Rechtsstaats gegen Extremisten und Verfassungsfeinde vorzugehen.
Auch in der Bundeswehr hat die Bekämpfung von Extremismus höchste Priorität. Zusätzlich zu den zahlreichen bereits ergriffenen Maßnahmen arbeiten wir mit Hochdruck an einer Anpassung des Dienstrechts, um Extremistinnen und Extremisten schneller aus dem öffentlichen Dienst entlassen zu können. Der im BMVg erstellte Gesetzentwurf sieht hierzu einen eigenständigen Entlassungstatbestand der fehlenden Verfassungstreue vor. Damit kön-
nen Soldatinnen und Soldaten entlassen werden, wenn sich herausstellt, dass sie das Grundgesetz und unserer freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnen. Dadurch wird es möglich sein, das bisherige langwierige Verfahren zur Entfernung von Extremisten aus dem Soldatenverhältnis deutlich zu beschleunigen – natürlich unter Wahrung aller Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens.
Wir werden jetzt den Gesetzentwurf mit dem Entlassungstatbestand Extremismus schnellstmöglich zwischen den Ressorts abstimmen, damit er zügig ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden kann.

Nach Informationen von Augen geradeaus! soll das Ziel, extremistisch orientierte Soldat*innen schnell aus dem Dienst entfernen zu können, durch eine Änderung im Soldatengesetz erreicht werden. Im Unterschied zu Plänen von Lambrechts Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer soll dafür nicht eine Vorschrift speziell für Zeitsoldaten ausgeweitet werden – diese Regelung hatte der damalige Junior-Koalitionspartner SPD gestoppt, nicht zuletzt unter dem Druck des Bundeswehrverbandes: Die Interessenvertretung hatte befürchtet, dass eine solche Verschärfung auch unabhängig von Extremismusverdacht in anderen Fällen genutzt werden könnte.

Die jetzt geplante Neuregelung soll dagegen eine Regelung für alle Soldat*innen unabhängig vom Status schaffen und damit eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag (in dieser Fassung auf S. 150) umsetzen:

Alle Angehörigen der Bundeswehr müssen unzweifelhaft auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen. Wir werden Dienst- und Arbeitsrecht anpassen, um Extremistinnen und Extremisten umgehend aus dem Dienst entlassen zu können.

Absehbar ist dafür eine Veränderung im Paragraphen 46 des Soldatengesetzes. Diese Vorschrift regelt die Entlassung von Berufssoldaten; über Verweise in anderen Paragraphen gilt sie aber dann auch für Zeitsoldaten und Freiwillig Wehrdienst Leistende. So werden Soldat*innen zum Beispiel bei Verurteilung zu einer Haftstrafe von mehr als einem Jahr aus dem Dienst entlassen.

In diesen Paragraphen 46 soll nun, so die Planung, sinngemäß der Wortlaut des Paragraphen 8 Soldatengesetz aufgenommen werden:

Der Soldat muss die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten.

Als Entlassungsgrund wird dann, wenn das Gesetz entsprechend geändert wird, eben auch festgelegt, dass ein Soldat oder eine Soldatin nicht die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne der Verfassung anerkennt und, das gehört ebenso dazu, durch sein Verhalten eben nicht für ihre Erhaltung eintritt.

Mit einer solchen Regelung wäre nach Einschätzung von Fachjuristen die Entlassung eines erkannten Extremisten kine Disziplinarmaßnahme, die von einem Truppendienstgericht verhängt werden muss – sondern ein Verwaltungsakt des Dienstherrn. Dagegen kann ein Soldat zwar vor den Verwaltungsgerichten klagen, aber der wesentliche Unterschied zu einer Disziplinarmaßnahme: Die Entlassung gilt dann erst einmal (wenn auch mit der Möglichkeit, dass ein Verwaltungsgericht anordnet, dass sie mit einer aufschiebenden Wirkung zunächst ausgesetzt wird).

Das Verteidigungsministerium, darauf deutet in der Pressemitteilung die Formulierung Wir werden jetzt den Gesetzentwurf … schnellstmöglich zwischen den Ressorts abstimmen hin, ist allerdings nicht allein Herrin des Verfahrens. Auch wenn das Wehrressort für das Soldatengesetz zuständig ist, wird das Bundesinnenministerium als zuständiges Ressort für das Dienstrecht insgesamt mitreden wollen.

(Vorsorglicher Hinweis: Mir ist klar, dass bei diesem Thema gerne emotional argumentiert wird; und ich bitte schon mal darauf, in den Kommentaren sachlich zu bleiben.)