Merkposten Mali: Rettungsflieger müssen am Boden bleiben, Rauswurf am Flughafen in Bamako, Rotation bleibt gestoppt (Neufassung)
Im Verhältnis zwischen der Regierung Malis und den internationalen Truppen in der UN-Mission im Land nehmen – unabhängig von der zunehmend kritischen Sicherheitslage – die Spannungen weiter zu. Die Regierung des westafrikanischen Staates verschärfte die Beschränkungen unter anderem für die Bundeswehr: Die Rettungsflieger, ob gecharterte Zivilmaschine oder Militärtransporter, dürfen vorerst nicht fliegen. Außerdem wurden die internationalen Truppen aufgefordert, eine Basis am Flughafen der Hauptstadt Bamako zu räumen.
Die verschiedenen Entwicklungen hatten sich bereits seit einigen Tagen abgezeichnet. Am (heutigen) Dienstagabend bestätigte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in einer Reihe von Twitter-Meldungen die Ereignisse:
Der Hintergrund dazu:
• zum ersten Tweet: Nach der Verfügung der Regierung in Bamako am 14. Juli, den Wechsel der beteiligten Truppen an der UN-Mission bis auf weiteres auszusetzen, warten derzeit rund 100 deutsche Soldatinnen und Soldaten auf die Genehmigung zur Ausreise aus Mali. Der militärische Kommandeur der Blauhelmtruppe, der niederländische Generalleutnant Kees Matthijssen, hatte angewiesen, entsprechend der Regierungsanordnung die Rotationen zu stoppen.
• zum zweiten Tweet: Unterdessen gehen die malischen Behörden weiter gegen die Fluglinie Sahel Aviation Service (SAS) vor – mit Auswirkungen auch auf die Bundeswehr. Auslöser der derzeitigen zusätzlichen Spannungen zwischen malischer Regierung und internationalen Truppen war die Festnahme von 49 Soldaten der Elfenbeinküste als angebliche Söldner am 10. Juli gewesen: Diese Soldaten hatten das so genannte Camp Sénou am Flughafen der Hauptstadt Bamako bewachen sollen. Diese Liegenschaft ist von der Fluglinie gemietet und diente nicht nur der Logistik des Unternehmens, sondern auch als Unterkunftsort für Soldat*innen aus dem internationalen Truppenkontingent – einschließlich der deutschen. Darüber hinaus ist die Fluglinie regelmäßig für die Bundeswehr tätig.
Nachdem der malische Premierminister Choguel Maiga bereits am 27. Juli die Klärung der rechtlichen oder vertraglichen Beziehungen zwischen den betroffenen ivorischen Soldaten, dem Sahel Aviation Service und dem deutschen Kontingent der MINUSMA gefordert hatte, legten die Behörden am (gestrigen) Montag nach. Die Verwaltung des Flughafens von Bamako bezeichnete die Unterbringung von ausländischen Soldaten auf dem SAS-Gelände als illegal und forderte in einem Schreiben an das Unternehmen deren sofortiges Verlassen des Camps:
Der Präsident und Generaldirektor der Flughäfen von Mali
Frau Geschäftsführerin von Sahel Aviation Services (SAS) SARL – Tel.: 20229826 75404600, Aéroport International President Modibo KEITA – Sénou
BАMАKO
Dossier: Vereinbarung über die Genehmigung zur Besetzung Nr. 2226 vom 17. Januar 2018 und Zusatzvereinbarung Nr. 1 vom 10. Februar 2020.
Betrifft: Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen
Anlage: Feststellungsprotokoll
Sehr geehrte Dame,
Wir mussten feststellen, dass Sie entgegen den durch die oben genannte Vereinbarung genehmigten Aktivitäten ausländische Streitkräfte aufnehmen und beherbergen und zu diesem Zweck ein Hotel mit anderen Annehmlichkeiten errichtet haben.
Dies stellt eine Gefahr für die innere und äußere Sicherheit des Staates dar und verletzt Ihre vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere Artikel 2.
Darin heißt es, dass die dem Konzessionär zur Verfügung gestellte Immobilie ausschließlich zum persönlichen Gebrauch übergeben wird, um für den Bau von Büros, Hangars und Verkehrswegen genutzt werden.
Ich fordere Sie daher auf, die Aufnahme- und Beherbergungsaktivitäten mit sofortiger Wirkung einstellen zu lassen.
Ich fordere Sie daher auf, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit die ausländischen Streitkräfte Ihre Räumlichkeiten innerhalb von 72 Stunden ab Dienstag, dem 02. August 2022, verlassen können.
Andernfalls sehe ich mich gezwungen, alle rechtlichen Schritte einzuleiten, um den Mietvertrag zwischen unseren beiden Strukturen unbeschadet anderer Rechtsmittel zu kündigen.
(Übersetzt mit deepl.com)
Das Original hier:
20220801_Aeroport_Mali_SAS
• zum letzten Tweet: Das Startverbot für medizinische Evakuierungsflüge (MedEvac) scheint neben den anderen Problemen das dringendste. Die dafür gecharterten Flugzeuge der Firma Starlite haben ebenso wie die A400M der Luftwaffe keine Starterlaubnis selbst für diesen Verwundetentransport.
Ergänzung, auf den zweiten Blick: Da steckt wohl der Teufel im Detail der Formulierung. Für den taktischen Verwundetentransport innerhalb Malis gibt es offensichtlich keine Genehmigung. Die Formulierung Die Rettungskette für die Bundeswehr ist jedoch durch das direkte Anfliegen von Gao weiterhin möglich deutet aber darauf hin, dass der so genannte strategische Verwundetentransport (StratAirMedEvac) direkt aus Deutschland erlaubt bleibt. Den muss die Bundeswehr derzeit aber auch mit A400M machen, denn der vorerst letzte Jet in dieser Rolle, der A310, wurde vor paar Wochen ausgemustert.
Die Situation des Bundeswehrkontingents bei MINUSMA – und faktisch auch die Frage, wie es um das weitere Engagement deutscher Streitkräfte in Mali bestellt ist – wird Thema bei der Sondersitzung des Bundestags-Verteidigungsausschusses am (morgigen) Mittwoch werden.
(Archivbild: Camp Senou bei Bamako im Februar 2021 – Foto Norwegische Streitkräfte)
Den Politikern im Verteidigungsausschuß kann man in dieser Situation nur eine glückliche Hand für die richtigen Entscheidungen wünschen.
Die A310 reaktivieren ? Ging ja auch mit den Geparden, welche schon länger standen.
Wer auf Demütigungen steht, der kann gerne nach Mali fahren.
Wie soll das Drama in mehreren Akten weitergehen?
Raus aus diesem Land. Wenn wir kein freedom of movement haben was wollen wir dort noch länger. Pistole auf die Brust freedom of movement oder Abzug
@T.W.: Bei den von Ihnen erwähnten „Flugzeugen“ der Firma Starlite dürfte es sich in Wirklichkeit um Hubschrauber handeln, siehe: https://www.starliteaviation.com/news/operations/starlite-aviation-a-medevac-team/.
[Stimmt, mein Fehler – obwohl Starlite auch Flächenflugzeuge einsetzt, siehe
https://augengeradeaus.net/2021/04/ich-hatte-eine-trall-in-afrika-bundeswehr-beendet-medevac-mit-der-c-160/
/edit: noch mal geguckt, es sieht so aus, dass in diesem Fall in der Tat Flugzeuge von Starlite gemeint sind. Die Hubschrauber für Forward medEvac stellt die Bundeswehr ja mit CH-53 selbst.
https://www.starliteaviation.com/news/starlite-aviaition-africa-operations/
T.W.]
Offenbar ist die UN in den letzten 3 Wochen (seit dem 14.07.) auch auf dem Verhandlungsweg mit der als Gesprächspartner akzeptierten Junta nicht weitergekommen. Bei allen anderen Konfliktparteien resp. Volksgruppen scheint mehr Desinteresse an der Mission als alles andere vorzuliegen. Zumindest gibt es von diesen keinerlei Äußerungen zur Mission.
Wenn die UN nicht die Voraussetzungen für eine ordentliche und sinnvolle Durchführung und Umsetzung des Mandats sorgen kann, dann muss sie die Mission eben beenden. Genauso EUTM in Mali selber. Die Ausbildung ruht seit Mai, Wiederaufnahme äußerst fraglich. Und will man wirklich eine der Konfliktparteien ausbilden?
Das malische Regime versucht also mit Repressalien gegen MINUSMA was genau zu erreichen? Es kann sich ja dabei nur um die Rücknahme der Forderung nach freien Wahlen und die Anerkennung der Putschisten handeln. Ein gefährliches Spiel während Islamisten frei im Land herumtoben. Der Spiegel hat das bereits am 19.08.2020 korrekt beschrieben:
„Meuterei der Planlosen
Die Bevölkerung verarmt, Dschihadisten terrorisieren das Land – und das trotz internationaler Hilfe. Jetzt haben Militärs die Regierung aus dem Amt geputscht. Was sie mit der Macht wollen, ist unklar.“
Bei dem Putsch handelt es sich ausschließlich um einen Raubzug, der – aus Sicht der Putschisten – möglichst lang andauernden Installation einer Kleptokratie. Aus meiner Sicht bleibt eigentlich nur eines übrig. Abziehen und Abwarten der weiteren Entwicklung des Chaos, dann ein erneuter Einsatz unter robuster Führung der Franzosen.
Ich bin für einen Einsatz von UN/ europäischen Truppen in sicherheitsrelevanten failed states – solange eine Chance auf die Erfüllung wenigstens eines Teils des Mandats besteht. Diesen Part kann ich hier nicht mehr erkennen. Dabei sind unsere Leute zunehmend als Ziel exponiert.
bin kein Mali Experte, aber ist die „Regierung“ in Mali nicht eine Militärjunta? noch dazu eine, die ihr Militär zusammen mit Wagner schlimmste Menschenrechtsverbrechen begehen lässt?
Wie soll denn solch eine „Regierung“ unser Partner sein?
Für mich klingt vieles dort langsam fast nach Geiselnahme unserer SoldatInnen. Lassen wir uns das einfach gefallen? Für was ist ein UN Mandat eigentlich gut, wenn eine Militärjunta mit den Blauhelmen nach belieben spielen kann?
In meinen Augen zeigt das ganze mal wieder, welcher Papiertiger die UN eigentlich ist.
Bitte holt die Truppe nach Hause,wir sind nicht mehr erwünscht. Mein Sohn riskiert dort gerade täglich sein Leben um die Bevölkerung zu schützen, und nun muss er sich wie Dreck behandeln lassen?
Unfassbar was die deutsche Regierung sich da gerade bieten lässt .
Dann sollen sie doch im Chaos versinken wenn sie keine Hilfe möchten.
Handelt jetzt, damit mein Sohn heil nach Hause kommt.
Kann mal einer erkären was sich unsere Politiker so denken oder erhoffen, wenn sie so ein Mandat verabschieden?
Auch mein Sohn ist im Einsatz in Mali-riskiert wie die anderen Soldaten sein Leben-wofür,frage ich mich!!!!
Raus aus diesem Land-Demokratie gibt es dort nicht-hat unsere Regierung spätestens seit Afganistan nicht dazugelernt?
Wie kann es sein,dass Soldaten den Flughafen räumen müssen,und der Rettungflugverkehr wird eingestellt!Soldaten beschützen die Bevölkerung !!
Was hat die Bundeswehr in diesem Terrorstaat zu suchen???
Abzug der Franzosen,Wagner-Söldner Gruppe-kann unsere Regierung mal ein Statement setzten und den Abzug der Truppen befehlen?
[Bei aller – verständlichen – Empörung bitte ich dennoch darum, hier nicht in dieses Niveau zu verfallen. Außerdem, siehe den neueren Eintrag dazu, ist der MedEvac-Flugverkehr wieder eingerichtet. T.W.]
Letztlich ist m.E. in Vergessenheit geraten, weshalb sich DEU in Mali so stark engagiert: es waren keine politischen oder ökonomischen DEU Interessen, sondern das einfache Kalkül, FRA auf dessen Wunsch zu entlasten.
FRA muss sich notgerungen nach NER zurückziehen (…und ist dort in der Bevölkerung alles andere als willkommen). Was also ist unser aussen-/militärpolitisches Ziel? Ich sehe keines – die vielfach herangezogene Begründung zur Verhinderung von Migration in die EU ist für MLI nicht zutreffend. Also – Beendigung des Engagements. EUTM ist ausgesetzt, der Beitrag MINUSMA kann wegfallen und die DEU mil BerGrp (German Technical Advisory Group) müsste ebenfalls zeitlich begrenzt nach DEU zurückgeführt werden.
@Eskadron sagt: 03.08.2022 um 8:53 Uhr
„Bei dem Putsch handelt es sich ausschließlich um einen Raubzug, der – aus Sicht der Putschisten – möglichst lang andauernden Installation einer Kleptokratie.“
Das kann ich nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil. Nach meiner Kenntnis hebt sich die aktuelle Regierung wohltuend von der Kleptokratie der Vorgängerregime ab.
Zumindest bisher.
@Koffer: „Nach meiner Kenntnis hebt sich die aktuelle Regierung wohltuend von der Kleptokratie der Vorgängerregime ab.“
Sogar wohltuend! Worauf begründet sich diese Annahme?
Transparency International stuft Mali mit 6 Rängen Verlust seit 2015 als „significant decliner“ in Bezug auf den Korruptionsindex an. Die Baumwollproduktion ist zusammengebrochen und Gold nun das wichtigste Exportgut des Landes. Gold, Diamanten, Öl und sonstige Bodenschätze dürften die Treiber der Korruption in jedem Dritte Welt bzw. Schwellenland sein. Es dürfte auch nicht schwer sein zu erraten in welchem Feld sich nun Wagner PMC in Mali (Sudan, CAR schon seit vielen Jahren) breit machen. Richtig, Wagner finanziert sich durch eine self-financing operation im Goldgeschäft.
Also wenn Sie andere Quellen haben – lassen Sie hören.
@Koffer, @Eskadron:
Es waren korrupte Eliten, welche den Putsch überhaupt erst möglich gemacht haben. Für die Zukunft der Junta ist Korruption lediglich eine Variable ökonomischer Perspektive der Menschen. Um Bamako herum wird kräftig für die Junta und gegen Frankreich protestiert. Der Rest des Landes bemängeld Perspektivlosigkeit und Unsicherheit. Lässt sich alles transparent darstellen:
https://acleddata.com/dashboard/#/dashboard (Einfach Proteste auswählen für Mali in „Point View – Darstellung“, dann kann man auf die einzelnen Punkte in Mali klicken und schauen, um was es bei den Protesten ging) Tatsächlich interessant, die meisten Demos waren gegen die ECOWAS Sanktionen, da musste die Junta dann einlenken)
Must Read:
Populist civil society, the Wagner Group, and post-coup politics in Mali
https://www.oecd.org/publications/populist-civil-society-the-wagner-group-and-post-coup-politics-in-mali-b6249de6-en.htm
@AoR
Danke erstmal für den link zu ACLED. Kannte ich noch nicht, ist aber ziemlich ausgefuchst und detailliert.
Die Daten erlauben jedoch auch (am Beispiel Bamako, 1,9 Millionen Einwohner) bzgl. der Teilnehmerzahlen darauf zu schließen, dass es sich bei der den Riots/Demonstrations bis auf wenige Ausnahmen nicht um Massenproteste handelt. Bzgl. den Hintergründen und Umständen der Demonstrationen lässt sich auf Vorgänge schließen, wie sie in den letzten Wochen und Monaten berichtet wurden:
Beispiel: On 29 October 2021, several thousands of people demonstrated following calls by several civil society organizations (hier wären Namen interessant gewesen) in the capital of Bamako (Bamako, Bamako). The demonstrators expressed their support for the junta-led transition, denounced French military presence, and called for strengthened military cooperation with Russia. [size=several thousands]
So sieht wohl gesteuerte Unzufriedenheit aus. Den Sack schlägt man, den Esel meint man.