Merkposten Mali: Regierung in Bamako stoppt Truppenrotationen von MINUSMA
Eine weitere Wendung in der angespannten Situation zwischen der Regierung von Mali und der internationalen Staatengemeinschaft, sowohl dem Westen als auch den Nachbarländern: Das westafrikanische Land stoppt alle Truppenrotationen der UN-Blauhelmtruppe MINUSMA.
Die entsprechende Verfügung habe das Außenministerium in Bamako am (heutigen) Donnerstag erlassen, berichten unter anderem die Nachrichtenagentur AFP als auch der französische Rundfunksender RFI:
Die Entscheidung gilt mit sofortiger Wirkung: „Alle Rotationen der Militär- und Polizeikontingente der Minusma, einschließlich der bereits geplanten oder angekündigten“, werden ausgesetzt. Dies wurde in einer Erklärung des malischen Außenministeriums bekannt gegeben. (…)
Die Rotationen, d.h. die Ablösungen, Abreisen und Ankünfte dieser Männer, werden daher ab diesem Donnerstag eingefroren. Bei diesem Treffen sollen die malischen Behörden und die Minusma einen optimalen Plan ausarbeiten, um die Koordinierung und Regelung der Rotation der UN-Kontingente zu erleichtern.
Der aktuellen Anordnung waren seit dem vergangenen Sonntag neue Spannungen vorausgegangen. Auf Anordnung der malischen Regierung waren 49 Soldaten der Elfenbeinküste bei der Einreise als angebliche Söldner festgenommen worden – sie waren nicht als Teil von MINUSMA, sondern als Teil eines Nationalen Unterstützungselements (NSE) eingereist. Ihre Aufgabe hätte vor allem die Bewachung eines Camps in Bamako sein sollen, das sowohl die Basis der Fluglinie Sahel Aviation Services als auch von MINUSMA-soldaten beherbergt, darunter auch Deutsche.
Die Bundeswehr ist derzeit mit gut 1.100 Soldatinnen und Soldaten an der UN-Mission beteiligt; es ist der derzeit größte Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte. Die meisten von ihnen sind in Gao im Norden des Landes stationiert; ein kleiner Teil auch beim UN-Hauptquartier in der Hauptstadt.
Ergänzung: Die Mitteilung des malischen Außenministeriums im Original:
… und die wesentlichen Passagen in der deutschen Übersetzung:
Das Ministerium teilt der MINUSMA mit, dass die malische Seite im Rahmen einer effizienten Verwaltung der Personalrotation der im Auftrag der UN-Truppe in Mali eingesetzten Militär- und Polizeikontingente die Organisation eines Koordinierungstreffens zwischen den betroffenen malischen Strukturen und der MINUSMA vorsieht.
Das Ministerium erklärt, dass dieses Treffen in erster Linie darauf abzielt, einen optimalen Plan zur Erleichterung der Koordinierung und Regelung der Rotation der im Rahmen der MINUSMA tätigen Kontingente zu erarbeiten.
Daher teilt das Ministerium der MINUSMA mit, dass die Regierung Malis vor der Abhaltung des Treffens sowie aus Gründen der nationalen Sicherheitslage beschließt, ab heute alle Rotationen von Militär- und Polizeikontingenten der MINUSMA, einschließlich der bereits geplanten oder angekündigten, auszusetzen.
Das Ministerium versichert der MINUSMA, dass die malische Seite zügig daran arbeiten wird, die Voraussetzungen für die Aufhebung dieser aufschiebenden Maßnahme der Rotation zu schaffen, die eine wesentliche Phase darstellt, die es den eingesetzten Kontingenten ermöglicht, eine ordnungsgemäße Umsetzung des MINUSMA-Mandats zu gewährleisten.
MINUSMA teilte über ihren Radiosender Mikado FM mit, die UN-Mission strebe schnelle Gespräche mit der Regierung an:
Die MINUSMA ihrerseits erklärte sich bereit, die geplanten Gespräche mit der Regierung unverzüglich aufzunehmen. Laut ihrem Sprecher Olivier Salgado ist die Rotation der Kontingente von entscheidender Bedeutung für die operative Wirksamkeit der UN-Mission in Mali.
… und das Statement des Sprechers auf Englisch:
(Archivbild Juni 2022: Bei der jordanischen Quick Reaction Force von MINUSMA – Harandane Dicko/MINUSMA; Übersetzungen aus dem Französischen via deepl.com)
Die Frage wird womöglich an OpSec scheitern, dennoch: Ist bekannt wer in den nächsten Tagen und Wochen Rotationen angesetzt hat?
Die Frage ist interessant um zu erkennen, ob es bei der Maßnahme der Junta eher um die spezifische Erpressung einzelner Truppensteller geht oder auf einen Rückzug von MINUSMA gesamt abzielt?
Und wenn jetzt wieder alle nach Rückzug rufen, der Bedenke auf welchem Hebel Russland hier sitzt und warum dort gewühlt wird.
@AoR: zumindest die DEU Kräfte haben neben der tatsächlichen Rotation der Kontingente einen dauerhaften Austausch von Personal auf wöchentlicher Basis, andere Nationen handeln ähnlich, insbesondere im Bereich von Einzelabstellungen.
Somit trifft diese Lage auch die DEU Bundeswehr direkt, unabhängig davon, ob aktuell ein Kontingentwechsel vorgesehen ist oder nicht.
Das aktuelle Mandat https://dserver.bundestag.de/btd/20/017/2001761.pdf und hier der wichtige Hinweis:
„Sofern während des Mandatszeitraums ein ausreichendes Versorgungs- und Schutzniveau für deutsche Soldatinnen und Soldaten nicht mehr gewährleistet werden kann, sind Maßnahmen zur Anpassung des deut-
schen Beitrags einzuleiten bis hin zur Beendigung des Einsatzes. “
Wer stellt das fest? Wie wird es aktualisiert?
Das Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland besagt: „Der Bundestag kann dem Antrag zustimmen oder ihn ablehnen. Änderungen des Antrags sind nicht zulässig.“?
Es bleibt also ausschließlich Sache der Exekutive. Deswegen halt ich die Bezeichnung „Parlamentsarmee“ für irreführend.
„
@AoI: Bedeutet der bisheriger Spin und das Playbook hat uns Deutsche getroffen: – Möglicher Verlust des Objektschutzes,
– bloßstellen privater deutscher Firmen und derer Auftragnehmer (auch durch Geschwätzigkeit der BReg welches den Söldnernarrativ/AgitProp der Junta unterfüttert,)
– unterbinden von Rotationen unserer Soldaten. (trifft aber auch andere da Maßnahme gesamt.)
Wer ist auf dem Flughafen von SAS noch eingemietet?
P.S: Das alles während Wagner lustig eine Völkerwanderung lostritt und der Norden zum Recruitingbonanza für Islamisten wird…
… hat irgendwer Hardball unter den Disziplinen seines DSA? /SCNR
@Josef König:
Die regelmäßige Beobachtung der Lage, deren (Neu-)Bewertung und ggf. Entscheidungsfindung zu einer notwendigen Anpassung liegen in Zuständigkeit der Exekutive. Diese müsste dann bei der im Mandatstext erwähnten „grundlegenden Lageänderung“ einen neuen Antrag dem Parlament vorlegen, um das aktuelle Mandat anzupassen oder sogar zu beenden.
Das Parlament könnte diesem neuen Antrag dann entweder wieder zustimmen oder diesen ablehnen und alles bleibt, wie es ist.
Es wird dann ggf. nicht der Antrag geändert sondern auf Antrag das Mandat.
Damit entscheidet das Parlament final, ob die Streitkräfte im Rahmen von Auslandsmissionen bewaffnet eingesetzt werden oder nicht. Nur hierfür gilt das ParlBetG.
Die zahlenmäßige Stärke und Grundstruktur der Streitkräfte ergeben sich jedoch bereits aus dem Haushalt (Para 87a GG) .. und das Haushaltsrecht liegt bekanntlich ebenfalls beim Parlament.
Worin sehen Sie daher eine „Irreführung“ bei der Bezeichnung der Bundeswehr als Parlamentsarmee?
Schon Mal die DSK in Bereitschaft versetzen um das Kontingent da evtl. auch aus einer *Feindlichen Umgebung* zu evaluieren können, notfalls auch gegen den Willen der Lokalen Machthaber.
Ansonsten sollte spätestens jetzt klar sein das wir da raus müssen. Man will uns schlicht dort nicht mehr haben.
@ Fux
Richtig.
Es entscheidet jedoch immer die Mehrheit. Und diese liegt immer bei der Regierung (Exekutive). Sie ist auf weitere Zustimmung nicht angwiesen. Sie bringt einen Antrag nur dann ein, wenn sie sich vorher um die Zustimmung der eigenen Mehrheit vergewissert hat. Dafür gibt es die Fraktionsvorstände (der Regierungsparteien). Und diese signalsieren dem Kanzleramt. „Kannst machen, Mehrheit ist sicher“ Also. Bundeswehr und deren Einsatz sind Sache der Mehrheit in einem Parlament. Und diese hat immer die Exekutive, sonst gäbe es keine Regierung. Die Zustimmung über die Regierungsmehrheit hinaus ist schön – aber unerheblich.
Das war (nun) die offizielle Verlaubarung. Eingeweihte wussten, dass dies kommt. Dazugehörige Bewertung und Entscheidungsfindung führt im AA und BMVg zu nahezu Überforderung. BMVg würde wohl lieber raus. Doch man ist sich bewusst, Mandat, Primat der Politik. Man wirbelt an Plänen im EinsFüKdo, allerdings wie immer BMVg, alles hängt von handelnden Personen ab.
@ Küstengang01 sagt:
14.07.2022 um 17:56 Uhr ….
Etwas sinnentstellend, oder ? Gemeint ist doch wohl „evakuieren“ anstelle von „evaluieren“. – Das kann man auch später ;-)
Wenn hier schon fleißig das Parlamentsbeteiligungsgesetz zitiert wird, dann darf der
§ 8 Rückholrecht
Der Bundestag kann die Zustimmung zu einem Einsatz bewaffneter Streitkräfte widerrufen.
nicht fehlen.
Sollte der Deutsche Bundestag nach dieser Lageänderung nun der Meinung sein, es ist besser zu gehen, dann kann er d as entscheiden, völlig unabhängig von der Bundesregierung. Ein vom Deutschen Bundestag erteiltes Mandat ist kein Freibrief für die Bundesregierung, bis zum Mandatsende alles zu machen, was die Regierung möchte.
Und grundsätzlich ist die Bundesregierung gemäß
§ 6 Unterrichtungspflicht
(1) Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag regelmäßig über den Verlauf der Einsätze und über die Entwicklung im Einsatzgebiet.
verpflichtet, den Bundestag regelmäßig zu unterrichten.
Aber unabhängig vom Paragrafenreiten wäre das nun der richtige Zeitpunkt für den Deutschen Bundestag, um auf die Gewaltenteilung in unserem Land hinzuweisen und deutlich zu machen, dass unter diesen Umständen eine Fortführung von MINUSMA keinen weiteren Sinn mehr macht und die Bundeswehr konsequenterweise nun so schnell wie möglich abzieht. Mit Verweis auf das Parlamentsbeteiligungsgesetz kann so auch die Bundesregierung gesichtswahrend aus dieser Nummer raus kommen, weil es die Entscheidung des Parlaments wäre.
@Mannerheim sagt:
14.07.2022 um 20:04 Uhr
Tatsächlich, da hat die Autokorrektur wieder einen echt tollen Dienst gemacht. ; )
@Hans
Stimmt zum Rückholrecht. Dafür braucht man eine Mehrheit. Und wenn die Regierungsfraktionen dagegen stimmen gibt es keine Mehrheit. Nur Regierung hat Mehrheit deswegen Regierung.
Sehr erfreulich! Wenn schon unsere eigene Regierung seit Monaten nicht in der Lage ist, sich zu positionieren und zu einer Entscheidung zu kommen, dann ist diese Zuspitzung der Lage vielleicht endlich mal ein Weckruf.
OBE (Overcome by events) ist offenbar immer noch das Leitmotiv; aus Afghanistan nichts, aber auch gar nichts gelernt.
Mein Beileid den Kameraden, die dort jetzt festhängen.
Es wird höchste Zeit alle Truppen aus Mali abzuziehen. Die derzeitigen Machthaber setzen mehr auf Putin der sie unterstützt. Zum anderen sind die Söldner von Wagner im Land und die brauchen mit Sicherheit keine offizielle Zeugen für ihre Taten
Die Sicherheit unserer und anderer Soldaten ist nicht mehr gewährleistet. Die Bundesregierung täte gut daran im Stillen mit den KSH und von der Marine eine äußerst robuste Evakuierung vorzubereiten.
Zeit, Jagdbomber im Niger zu stationieren. Vorbereitung auf Tunneloperation in feindlichem Umfeld. Luftverteidigung? MLI hat Mi-24. Ahh, Mist, Mantis ist ja nur als teure Hupe unten und die 3 Luftwaffenwiesel stehen an der Ostsee…
@Josef König
„Dafür gibt es die Fraktionsvorstände (der Regierungsparteien). Und diese signalsieren dem Kanzleramt. „Kannst machen, Mehrheit ist sicher“ Also. Bundeswehr und deren Einsatz sind Sache der Mehrheit in einem Parlament. Und diese hat immer die Exekutive, sonst gäbe es keine Regierung. Die Zustimmung über die Regierungsmehrheit hinaus ist schön – aber unerheblich.“
Hä? Also gut, die Regierung klopft vor so einem Antrag erstmal die Stimmung im Parlament ab, damit sie erst gar keinen sinnlosen Antrag stellt. Damit ist doch dem Ansinnen von Demokratie schon einmal Genüge getan. Es wird eben erst gar kein Antrag gestellt, der keine Aussicht auf Erfolg im Parlament hätte.
Gegebenenfalls gibt es ja auch Fälle, wo die Abstimmungsverhältnisse im Vorfweld nicht so klar sind. Die Regierung besteht ja oftmals aus Koalitionen, die sich nicht immer bei allem einig sind.
Und: Ein Abgeordneter ist nur seinem Gewissen verpflichtet.
Nach Ihrer Theorie wäre ja „Parlament“ dann generell Quatsch…nicht nur auf die Bw bezogen.
@all
Einige scheinen der Ansicht, die militärische Evakuierung des deutschen Sahel-Expeditionskorps aus dem Kessel von Gao stehe unmittelbar bevor. Vielleicht können wir die Diskussion etwas mehr an der tatsächlichen Lage orientieren. Danke.
@T.Wiegold, ganz so extrem wird es hoffentlich nicht kommen.
Wenn man sich aber die Entwicklung in Mali angefangen bei den Einschränkungen im Land über festgesetzte Kontingente bis jetzt zur Untersagug von Personalwechseln ansieht, halte auch ich eine Entwicklung in eine Richtung für möglich die einen kurzfristigen Abzug für nötig macht, Und ggf muss der so kurzfristig erfolgen das die Anreise der Pioniere mit dem Sprengstoff zur Unbrauchbarmachung der eigenen Ausrüstung etwas robuster ausfallen muss und man auch kurzfristig das vorhandene Kontingent entsprechend aufstockt um sicherzustellen das jeder auch einen Platz in einem Flieger nach Hause bekommen kann, und zwar unabhängig von de Zeitplanungen Malis.
Ein weiteres Zeichen dafür, dass es vielleicht an der Zeit ist den Einsatz langsam zu beenden.
Wie wäre es mit dem „Kessel von Malingrad“, Zwinkersmiley.
Nicht Deutschland, sondern die UN muss die neuen Wirklichkeiten in Mali anerkennen. Die Mission dort hat bereits große Teile ihrer ursprünglichen Legitimation eingebüßt, sofern jemals vorhanden.
Wie man auf Englisch sagen würde: „We have been overstaying our welcome“.
Wenn die UN, Bw inkl., nicht zunehmend als unerwünschte Besatzungsmacht auffallen möchte, dann muss man den Willen der Host Nation eben respektieren- oder das Land offiziell okkupieren.
Bekannt ist ja inzwischen, daß die Regierung in Bamako sehr viel Wert auf die Darstellung ihrer Souveränität hat. Man ist da recht empfindlich.
Zwar ist es hanebüchen zu behaupten, die Sdt aus der Elfenbeinküste wären eingeflogen worden um einen Staatsstreich durchzuführen, zu fragen wäre aber dennoch ob die Rotation angezeigt, mit der Regierung abgestimmt und von dieser erlaubt wurde.
Besser die Ivorer baden das jetzt aus als wir später 😎
@Hans
Zitat:“Der Bundestag kann die Zustimmung zu einem Einsatz bewaffneter Streitkräfte widerrufen.“
Da kann man dann nur hoffen, dass sich die Lage nicht während der Sommerpause zuspitzt. Oder an einem x-beliebigen Wochenende. ;-)
T.W. hat Recht. So schlimm ist die Lage noch nicht. Aber die Leidensfähigkeit der Truppe wird schon auf die Probe gestellt und tatsächlich wird die Waagschale auf der Seite „Abzug“ contra „Verbleib“ immer schwerer. Ausser Diskussion steht für mich, dass, solange es in Bamako keinen Regierungswechsel, die Situation sich nicht bessern wird. Ich hoffe einfach nur, dass der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt, nicht aus dem Blut unserer Soldaten besteht.