Merkposten Mali: Weitere Nadelstiche gegen UN-Mission

Die Übergangsregierung in Mali setzt ihre Politik der Nadelstiche gegen die internationale Gemeinschaft fort, sowohl gegen die – ohnehin offensichtlich nur widerstrebend akzeptierte – Präsenz der UN-Blauhelmtruppe MINUSMA als auch gegen Nachbarn in Westafrika: 49 Soldaten der Elfenbeinküste (Cote d’Ivoire), die zur routinemäßigen Ablösung als Wachmannschaften vorgesehen waren, wurden als angebliche Söldner festgenommen.

Der Vorfall reiht sich ein in die Restriktionen, die die Regierung in Bamako nach der Verlängerung des MINUSMA-Mandats im UN-Sicherheitsrat Ende Juni verhängt hatte. Mittelbar hat das auch Auswirkungen auf die Bundeswehr, die in Mali in ihrem derzeit größten Auslandseinsatz engagiert ist.

Am vergangenen Sonntag setzten die malischen Sicherheitskräfte 49 Ivorer fest, die als Soldaten nach Mali einreisten. Aus der offiziellen Mitteilung (Original: 20220711_Mali) der Regierung vom 11. Juli:

MITTEILUNG NR. 034 DER ÜBERGANGSREGIERUNG
Die Übergangsregierung informiert die nationale und internationale Öffentlichkeit darüber, dass am Sonntag, den 10. Juli 2022, zwischen 11.00 und 13.00 Uhr zwei Flugzeuge mit den Kennzeichen ZS-BBI und UR-CTH aus der Republik Elfenbeinküste mit neunundvierzig (49) ivorischen Militärangehörigen, die ihre Kriegswaffen und Munition sowie andere militärische Ausrüstung mit sich führten, auf dem Internationalen Flughafen Präsident Modibo KEITA Sénou gelandet sind.
Dank der Professionalität der malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte wurde festgestellt, dass sich die neunundvierzig (49) ivorischen Militärangehörigen illegal auf dem Staatsgebiet Malis befanden. Folglich wurden sie sofort festgenommen und ihre Waffen, Munition und Ausrüstung beschlagnahmt.
Aus den ersten Feststellungen geht Folgendes hervor:
1. die Soldaten, darunter etwa 30 Angehörige der Spezialeinheiten, waren im Besitz von Kriegswaffen und -munition ohne Einsatzbefehl oder Genehmigung;
2. der tatsächliche Beruf der Soldaten war größtenteils verschleiert. Auf den meisten den meisten Pässen der festgenommenen Soldaten waren folgende Berufe eingetragen: Studenten, Fahrer, Maurer, Mechaniker, Verkäuferinnen, Elektriker, Wachmänner, Maler etc. Vier (4) verschiedene Versionen wurden von den festgenommenen Soldaten vorgebracht, um ihre Anwesenheit auf malischem Territorium zu rechtfertigen, nämlich: vertrauliche Mission, Rotation im Rahmen der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA), Sicherung der Logistikbasis der Fluggesellschaft „Sahelian Aviation Services“ und Schutz des deutschen Kontingents. (…)
Angesichts dieser Verfehlungen und Verstöße, die im Rahmen der Entsendung dieser neunundvierzig (49) ivorischen Soldaten begangen wurden, betrachtet die Übergangsregierung sie als Söldner, wie sie in der OAU-Konvention über die Beseitigung des Söldnertums in Afrika definiert sind. Die verhängnisvolle Absicht der festgenommenen Personen bestand offensichtlich darin, die Dynamik der Neugründung und der Sicherung Malis sowie der Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung zu brechen.
Als Reaktion auf diesen Vorfall beschloss die Übergangsregierung, :
den Schutz der Fluggesellschaft „Sahelian Aviation Services“ durch ausländische Streitkräfte zu beenden und deren sofortigen Abzug aus dem malischen Hoheitsgebiet zu fordern;
Die Fluggesellschaft „Sahelian Aviation Services“ aufzufordern, ihre Sicherheit künftig den malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräften anzuvertrauen

Das sieht die Regierung der Elfenbeinküste allerdings ganz anders. Aus der Mitteilung des Nationalen Sicherheitsrats (Original: 20220712_CdI_Mali) vom 12. Juli:

Diese Soldaten sind ordnungsgemäß in der ivorischen Armee registriert und befanden sich im Rahmen der Operationen der Nationalen Unterstützungselemente (NSE) in Mali.
Die Anwesenheit dieser Abteilung der Nationalen Unterstützungselemente steht im Einklang mit den Mechanismen zur Unterstützung der Kontingente der truppenstellenden Länder im Rahmen von Friedenssicherungsmissionen und ist den malischen Behörden wohlbekannt. Tatsächlich sind aufgrund eines im Juli 2019 zwischen der Elfenbeinküste und den Vereinten Nationen unterzeichneten Abkommens und gemäß einem mit der Société Sahel Aviation Service (SAS) unterzeichneten Vertrag über die Sicherung und logistische Unterstützung ivorische Soldaten am Flughafen von Bamako präsent. Seitdem haben sich 7 Kontingente periodisch an diesem Standort abgewechselt, ohne jegliche Schwierigkeiten.
Bei ihrer Ankunft in Mali im Rahmen der Rotation am Sonntag, den 10. Juli 2022, wurde den malischen Flughafenbehörden eine Kopie des Missionsbefehls des Kontingents übermittelt, um die Ordnungsmäßigkeit der Mission zu bestätigen. Das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit sowie der Generalstabschef der malischen Streitkräfte haben eine Kopie erhalten.
Keiner der ivorischen Soldaten des Kontingents war im Besitz von Waffen oder Kriegsmaterial, als er aus dem Flugzeug stieg. Die Waffen des Kontingents befanden sich, wie von den Vereinten Nationen zum persönlichen Schutz und zur Selbstverteidigung genehmigt und gemäß den einschlägigen Verfahren, in einem zweiten Flugzeug.
In Anbetracht dessen fordert der Nationale Sicherheitsrat die malischen Behörden auf, die zu Unrecht festgenommenen ivorischen Soldaten unverzüglich freizulassen.

Die Sichtweise der ivorischen Regierung bestätigte auch MINUSMA-Sprecher Olivier Salgado via Twitter:

Die Soldaten, die am gestrigen Sonntag am Flughafen von #Bamako festgenommen wurden, gehören nicht zu einem der Kontingente der #MINUSMA. Diese Soldaten sind seit mehreren Jahren im Rahmen einer logistischen Unterstützung im Auftrag eines unserer Kontingente in #Mali eingesetzt.
Unseren Informationen zufolge soll ihre Ablösung am 10. Juli zuvor den nationalen Behörden mitgeteilt worden sein.
Die Nationalen Unterstützungselemente (NSE) sind nationale Truppen, die von den truppenstellenden Ländern zur Unterstützung ihrer Kontingente eingesetzt werden.
Dies ist eine gängige Praxis bei friedenserhaltenden Missionen. Sie werden nicht zum Personalbestand der MINUSMA gezählt.
Die Ablösungen der MINUSMA-Kontingente werden geplant und erfolgen in Absprache mit den malischen Behörden.
Wir arbeiten daran, dass die Ablösung von Kontingenten aus Westafrika, die sich aufgrund fehlender Genehmigungen verzögert, so bald wie möglich erfolgen kann.

Der Vorfall beschäftigte sogar UN-Generalsekretär Antonio Gutterres, der darüber mit dem malischen Übergangspräsidenten Assimi Goïta am Telefon sprach:

Dass der UN-Generalsekretär selbst damit befasst ist, deutet schon an, dass den Vereinten Nationen diese Entwicklung Kopfzerbrechen machen muss.

Für die Bundeswehr hat das auch Auswirkungen. Jetzt müssen unter anderem deutsche Soldaten das Camp Senou in Bamako sichern, wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr auf Anfrage mitteilte:

Das deutsche Einsatzkontingent MINUSMA im sog. Camp Senou ist gemeinsam mit weiteren multinationalen Partnern der Mission auf dem Firmengelände der Firma Sahel Aviation Services (SAS) als Mieter untergebracht. Die Bewachung des Geländes wurde zuletzt durch ivorische Streitkräfte im Auftrag der Firma Sahel Aviation Services sichergestellt. Derzeit wird diese, aufgrund des aktuellen Ausfalls des Wachpersonals, durch die multinationalen Soldaten vor Ort, darunter auch Soldaten des deutschen Einsatzkontingentes, übernommen.

Die Bundeswehr hat darüber hinaus auch Flüge bei SAS gechartert (zumal die Fluglinie Verbindungen zu Deutschland und zur Bundeswehr hat*). Die sind nach Angaben des Einsatzführungskommandos von dem Vorfall bislang nicht betroffen: Die Leistungserbringung der Firma Sahel Aviation Services mit Flugdienstleistungen ist zum aktuellen Zeitpunkt sichergestellt.

Ergänzung: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bezeichnete das Vorgehen der Regierung in Bamako als sehr problematisches Signal und forderte die Freilassung der Ivorer:

(alle Übersetzungen mit deepl.com; *Links zu deutschen Verlagswebseiten finden hier i.d.R. nicht statt; dieser verlinkte Text ist aber älter als drei Jahre)

(Archivbild September 2021: Eine Embraer ERJ-145LR der Sahel Aviation Service auf dem Flughafen von Gao/Mali – Lars Rohde)