Blick auf Mali: Neue (alte) Hubschrauber, neues UN-Mandat, neue alte Probleme
Angesichts der Konzentration auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geraten andere Dinge aus dem Blick – zum Beispiel der derzeit größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Deshalb (und fürs Archiv) eine Übersicht zur Entwicklung der Mission in Mali:
• Derzeit sind in dem westafrikanischen Land mehr als 1.300 deutsche Soldatinnen und Soldaten im Einsatz – gut 1.100 in der UN-Mission MINUSMA mit Schwerpunkt im nordmalischen Gao; noch knapp 270 in der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali. In der Zahl für den EU-Einsatz ist allerdings der Spezialkräfteverband der Operation Gazelle im benachbarten Niger mit eingerechnet; tatsächlich ist in Mali selbst eine deutlich geringere Zahl praktisch mit dem Rückbau der deutschen Beteiligung beschäftigt.
• In der vergangenen Woche übernahmen die – auch nicht mehr ganz so jungen – Transporthubschrauber CH-53 der Luftwaffe von den NH90-Helikoptern des Heeres die Transportaufgaben und vor allem die Bereitschaft zur medizinischen Evakuierung in Gao.
Der Bundestag hatte beide Einsätze im Mai verlängert – mit einer Endperspektive für EUTM Mali, vor allem aber mit einer Ausstiegsklausel für die MINUSMA-Beteiligung: Sollte es keinen aus deutscher Sicht adäquaten Ersatz für den Abzug der französischen Kampfhubschrauber der Anti-Terror-Operation Barkhane geben, sind Maßnahmen zur Anpassung des deutschen Beitrags einzuleiten bis hin zur Beendigung des Einsatzes.
• Der Abzug der französischen Truppen aus Mali rückt näher (das hat eine längere Vorgeschichte, zum Teil hier aufgegriffen). In der vergangenen Woche endete nun offiziell die Spezialkräfte-Mission Takuba – eine Anti-Terror-Operation mehrerer europäischer Staaten (die Deutschland politisch unterstützt, aber zu keinem Zeitpunkt Truppen dafür entsandt hat).
Aus der Mitteilung des französischen Generalstabs dazu (die offensichtlich direkt an Medien verschickt wurde, aber bislang nicht auf der Webseite zu finden ist):
Die Neuorganisation des französischen Militärs in der Sahelzone, die in enger Zusammenarbeit mit den europäischen und nordamerikanischen Partnern beschlossen wurde, führte zur Beendigung der Operationen der TF TAKUBA in Mali mit Wirkung vom 30. Juni.
Die Operation BARKHANE und die TF TAKUBA zeigen, wozu die Europäer in der Lage sind, in komplexen Sicherheitsumgebungen gemeinsam etwas zu erreichen. So werden die aus dieser operativen Erfahrung gezogenen Lehren und der „Geist von TAKUBA“ auch außerhalb Malis fortbestehen. (…)
Die am 27. März 2020 gestartete TF TAKUBA vereinte bis zu 10 beitragende Nationen (Belgien, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Frankreich, Ungarn, Italien, Niederlande, Portugal, Schweden). Die erste Einsatzfähigkeit (IOC – Initial Operational Capability) wurde am 15. Juli 2020 und die volle Einsatzfähigkeit (FOC – Full Operational Capability) am 2. April 2021 erklärt. Mit ihren zwei Task Groups (T G), ihrer motorisierten und helikoptergestützten schnellen Eingreiftruppe (QRF – Quick Response Force) und ihrer Schutzeinheit hat die TF ihre Effizienz bei der kontinuierlichen Unterstützung der FAMa bewiesen.
Die Einbindung der europäischen Partner in die TF TAKUBA trug direkt zur Erreichung der operativen Ziele bei. Die gemischten TGs ermöglichten die Aufrechterhaltung eines stetig steigenden operativen Rhythmus. Die TAKUBA TF vereinte rund 800 Soldaten aus 10 Ländern und stand sogar unter dem Kommando eines dieser Länder: Schweden. Neben einer gemeinsamen Lagebeurteilung wurden auch gemeinsame Vorgehensweisen und Waffenbrüderschaft geschmiedet. Sie ermöglichten es allen beitragenden Nationen, eine gemeinsame Lagebeurteilung und ein gemeinsames Lagebewusstsein zu entwickeln.Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die TF TAKUBA ein strategischer und taktischer Erfolg ist. Sie ist ein strategischer Erfolg, da mehr als 10 europäische Länder, die sich der Auswirkungen der Verschlechterung der Sicherheitslage in der Sahelzone auf die Sicherheit Europas bewusst waren, beschlossen, sich gemeinsam im Kampf gegen die GAT zu engagieren. Es ist auch ein taktischer Erfolg, denn die TF TAKUBA ermöglichte die Ausbildung malischer Einheiten, die für den Kampf gegen Terroristen geeignet sind, und verhinderte so die Territorialisierung der GAT, insbesondere des Islamischen Staates in der Großen Sahara (EIGS), im Gebiet der Drei Grenzen.
(Übersetzt mit deepl.com)
Die Esten haben dazu einen Überblick produziert:
• Der UN-Sicherheitsrat verlängerte in der vergangenen Woche das Mandat der Vereinten Nationen für die MINUSMA-Mission (UNSCR 2640/2022). Allerdings zeichneten sich dabei bereits Probleme ab. So stimmten die beiden Sicherheitsratsmitglieder Russland und China der Verlängerung nicht zu, sondern enthielten sich der Stimme:
Amid a shifting political and security landscape in Africa’s Sahel region, the Security Council today decided to renew the mandate of the United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali (MINUSMA) for another year, while calling for an assessment of its cooperation with the host country’s authorities, the challenges it faces and options for its reconfiguration.
The move comes on the heels of Mali’s recent announcement that it will withdraw from all institutions of the Group of Five for the Sahel (G5 Sahel) — including the G5 Sahel joint force formed to counter terrorism in the region — as well as the decisions by France and other European countries to withdraw their counter-terrorism forces from the country.
Adopting resolution 2640 (2022) (to be issued as document S/RES/2640(2022)) by a vote of 13 in favour to none against with 2 abstentions (China, Russian Federation), and acting under Chapter VII of the Charter of the United Nations, the Council also expressed serious concern over increasing allegations of violations of international law by the Malian Defence and Security Forces.
Der Hauptkritikpunkt der russischen und chinesischen Vertreter war offensichtlich der Stellenwert der Menschenrechte, die der Sicherheitsrat in seinem Mandat auch zu einem Untersuchungsgegenstand der Blauhelm-Mission machte. Berichte über den Einsatz der russischen Söldnerfirma Wagner in Mali, verbunden mit möglichen Menschenrechtsverletzungen, schienen dabei Russland besonders zu stören:
Anna M. Evstigneeva (Russian Federation), noting that her delegation abstained in the vote, voiced concern over the resolution’s “intrusive wording” on human rights, which might be used by those who wish to tarnish the work of the Transitional Government and “are not pleased with its independent foreign policy approach”. Western colleagues often try to push “fakes” into the work of the Council, and they do not wish to hear perspectives that contradict their own. Noting that Mali is currently engaged in a difficult fight against terrorism, with hundreds of civilians killed each month, she said MINUSMA is finding it ever more difficult to carry out its mandate. However, for Western colleagues, all those challenges “go to the back burner” when it comes to the support the Russian Federation is providing to Mali. She urged MINUSMA’s leadership to maintain its impartiality and act only in the interest of Mali’s people, and to maintain constructive relations with the host country.
Auch von Mali selbst wurde die neue UN-Resolution kritisiert – und der malische Vertreter bei den Vereinten Nationen kündigte rundweg an, dass sein Land weder das Recht von MINUSMA zur unabhängigen Untersuchung möglicher Menschenrechtsverletzungen akzeptiere noch davon abrücke, die Truppenbewegungen der UN-Mission von vorheriger Genehmigung abhängig zu machen:
Die deutsche Übersetzung der wesentlichen Passagen:
Die Regierung der Republik Mali nimmt die Resolution zur Kenntnis, die Sie soeben verabschiedet haben und mit der das Mandat der MINUSMA um ein weiteres Jahr verlängert wird.
Wie Sie wissen, hat sich die Regierung von Mali für die Verlängerung des MINUSMA-Mandats ausgesprochen, gleichzeitig aber auch klar ihre Erwartungen und starken Vorbehalte gegenüber dem neuen MINUSMA-Mandat formuliert.
Die Regierung von Mali muss jedoch mit großem Bedauern feststellen, dass einige ihrer starken Vorbehalte in der Endfassung der Resolution, über die Sie soeben abgestimmt haben, schlichtweg ignoriert wurden.
Die Regierung von Mali bekräftigt ihren entschiedenen Widerstand gegen die Bewegungsfreiheit der MINUSMA bei der Ausführung ihres Menschenrechtsmandats. Mali hat mit der UN-Truppe seit ihrer Einrichtung im Jahr 2013 stets in gutem Glauben kooperiert. Aus Gründen der Achtung der Souveränität Malis, der Koordination und der Sicherheit können Bewegungen der MINUSMA jedoch nur mit der Zustimmung der zuständigen malischen Behörden erfolgen.
Ebenso ist Mali nicht in der Lage, die Bewegungsfreiheit für Ermittlungen der MINUSMA ohne vorherige Zustimmung der Regierung zu gewährleisten. Daher beabsichtigt Mali nicht, diese Bestimmungen trotz ihrer Annahme durch den Sicherheitsrat umzusetzen.
(Übersetzt mit deepl.com)
Interessant wird die Frage, ob und wie sich das auf den Einsatz der Bundeswehr auswirkt. Die USA reagierten umgehend auf die malische Erklärung:
The United States is deeply concerned by the statement made by Mali’s transition government expressing its intent to deny MINUSMA the freedom of movement necessary to fulfill its mandate. To do so would be a blatant violation of the status of forces agreement (SOFA) that the transition government is obligated to uphold.
The United States is fully committed to ensuring the safety and security of UN peacekeepers. Any attempt by host countries, foreign security personnel, or other actors to block freedom of movement of peacekeepers can seriously compromise the safety of those peacekeepers and jeopardize the mission itself.
Moreover, freedom of movement is essential for MINUSMA to carry out the duties assigned to it by the UN Security Council.
Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der UN-Truppen betrifft auch die Bundeswehr; das Verteidigungsministerium wollte sich aber auf Anfrage vorerst nicht dazu äußern und verwies für diese Frage des militärischen Einsatzes an das Auswärtige Amt.
• Ergänzung: An einer anderen Front scheint Mali Fortschritte zu machen. Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS ist zur Aufhebung eines Teils der Sanktionen gegen die malische Militärregierung bereit, nachdem diese einen Zeitplan für die – mehrfach verschobenen – Wahlen vorgelegt hat, wie Reuters berichtet:
Leaders of the Economic Community of West African States (ECOWAS) on Sunday lifted economic and financial sanctions imposed on Mali, after its military rulers proposed a 24-month transition to democracy and published a new electoral law.
ECOWAS Commission President Jean Claude Kassi Brou told a news conference that the sanctions will be lifted immediately. Borders with Mali will reopen and regional diplomats will return to Bamako.
The bloc imposed stiff sanctions on Mali in January after the junta said it would not organise democratic elections the following month as initially planned.
(wird ggf. ergänzt)
(Foto: Einsatz der Bundeswehr bei MINUSMA in der Nähe von Gao im Juni 2022 – Jan Röllig/Bundeswehr)
Mhm, RUS und CHN beklagen sich über einen zu hohen Stellenwert der Menschrechte im Minusma-Mandat. Vielleicht sollte man mal verschärft über den Stellenwert des UN-Sicherheitsrates nachdenken. Wenn wir schon soweit sind, wo ist da noch die Basis für Einigungen? Dann bitte abschaffen, dann gibt es eben keine gleicheren Schweine mehr (frei nach G. Orwell).
Und MLI selbst will keine UN-Untersuchungen zu Menschenrechtsverletzungen zulassen und die Bewegungen der UN-Truppen durch Vorabgenehmigung weiterhin lenken und kontrollieren. Irgendwie schon komisch, wenn man den Truppen, die zur Hilfe und Stabilisierung im Land sind, die Ausübung ihres Auftrags dermaßen beschneidet. Das macht dann keinen Sinn mehr, das Leben seiner Soldaten weiterhin diesem Risiko auszusetzen. Auch nicht, um irgendwelche sicherheitspolitischen Interessen zu wahren.
Die ECOWAS hat gestern die wirtschaftlichen Sanktionen gg Mali ( und Burkina Faso) aufgehoben, nachdem MLI versicherte, dass für 2024 Allgemeine Wahlen zur Ablösung der Junta geplant sind.
Diese Planung erfüllt eine wesentliche Forderung zahlreicher Geldgeber, TCN und der UN. Es ist eigentlich die Voraussetzung für eine Beruhigung der angespannten Beziehungen zwischen MLI und westlichen Unterstützern, wenn da da nicht die russ. Präsenz und die von T.W. dargestellten Einschränkungen für MINUSMA wären.
Die Aufhebung der Sanktionen durch ECOWAS könnte allerdings zu einer neuen Phase der politischen Entspannung im Verhältnis MLI- westl. Unterstützer führen, da ECOWAS und Westen in der Frage zu Militärregimen in Westafrika zuletzt stets im Tandem agiert hatten.
Gleichwohl- Menschenrechtsbemühungen der UN/ MINUSMA einschränken zu wollen lässt den Verdacht zu, dass die zuletzt gemeldeten mutmasslichen Massaker an Zivilisten in Verbindung zu Wagner und dem veränderten Einsatzverhalten der FAMa stehen.
So „normalisiert“ sich das Verhältnis zur Junta in Bamako jedenfalls nicht, sollte es denn von allen Beteiligten tatsächlich ernsthaft angestrebt sein.
Eine Verständnisfrage:
Die Russen unterhalten Söldner. Die Deutschen und Franzosen nicht?
Daneben ist die Regierung von Mali anscheinend unglücklich über die getroffene Vereinbarung mit der UN, der sie ungehinderte Bewegungsfreiheit innerhalb ihres Staates gewähren muss.
Ist Mali ein erobertes Gebiet, das dadurch unter die UN Hoheit fällt?
Daneben: Da ja am 40.6.22 lt Artikel die Franzosen ihre militärische Präsenz beenden, sollte auch Deutschland mit abrücken. Soweit ich weiß, wurden Deutsche Truppen ab 2013 entsandt, um Frankreich in Mali zu unterstützen.
[Jede kann natürlich ihre Meinung haben, aber hier mit falschen Fakten zu operieren, ist nicht so gerne gesehen, schon gar nicht im allerersten Kommentar hier… Nur als Hinweis: Das UN-Mandat ist keine Unterstützung französischer Truppen. T.W.]
@Patricia sagt: 04.07.2022 um 14:29 Uhr
Offensichtlich haben Sie sich mit dem Thema noch nie beschäftigt, da sind Sie hier im Thread genau richtig. Unter der Rubrik „Einsätze in aller Welt“ können Sie alles relevante (inkl. Quellen) der letzten Jahre nachlesen. dann unterlaufen Ihnen auch nicht gleich mehrere große Fehler innerhalb von wenigen Sätzen.
Nein, natürlich unterhalten DEU und FRA keine Söldnertruppen, schon gar nicht in MLI. Hier handelt es sich um reguläre Truppen, die entweder innerhalb des UN-Mandats oder anderer Absprachen/Verträge da sind. Fußt alles noch auf der letzten regulären Regierung Malis. Sowohl die UN als auch FRA sind seinerzeit um Unterstützung gebeten worden, die jetzige Junta kocht lieber ihr eigenes Süppchen mit russischen Söldnern.
Viel Spaß beim lesen der älteren Threads.
@Pio-Fritz
Das Mandat der MINURSO (WEST SAHARA / ESH) enthält auch keine Vorgaben bzgl. Menschenrechten, das ist allerdings bisher ein Einzelfall.
@Patricia
Sie haben es zwar als Frage formuliert, aber der Unterton impliziert irgendwie, dass Sie darauf auch eine Antwort hätten. Ich würde sagen, dass Deutschland keine Söldner unterhält. Ich wäre jetzt aber doch auf Ihre Darstellung und Bewertung neugierig…
Die Gruppe Wagner ist rein rechtlich kein russisches Unternehmen . Die Firma ist als Unternehmen in Argentinien registriert . Firmen die militärische Dienstleistungen anbieten sind in Russland verboten.
@Thomas Melber sagt: 04.07.2022 um 15:03 Uhr
Leider bin ich mir nicht ganz schlüssig, wie mir diese Information in diesem Thema weiterhilft. Aber es ist schon schlimm genug, das man über Selbstverständlichkeiten, zumindest wenn man aus dem westlichen Kulturkreis stammt, noch diskutieren muss. Anscheinend ist es in Mali mal dringend nötig, explizit auf Menschenrechte hinzuweisen.
Mal abgesehen davon, das zwischen einer Stabilisierungsmission (MINUSMA) und einer eher politischen Mission zur Durchführung eines Referendums (MINURSO) doch ein deutlicher Unterschied ist. Betrachten Sie sich einfach mal die Anzahl der Uniformträger und den Auftrag.
Dank T.W. für die umfangreichen Informationen.
Zitat:“Die Regierung von Mali bekräftigt ihren entschiedenen Widerstand gegen die Bewegungsfreiheit der MINUSMA bei der Ausführung ihres Menschenrechtsmandats. Mali hat mit der UN-Truppe seit ihrer Einrichtung im Jahr 2013 stets in gutem Glauben kooperiert. Aus Gründen der Achtung der Souveränität Malis, der Koordination und der Sicherheit können Bewegungen der MINUSMA jedoch nur mit der Zustimmung der zuständigen malischen Behörden erfolgen.“
Im Übrigen hat es auch vor dem Engagement der Russen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Armee des Staates Mali gegeben. Man muss dazu nur mal die Berichte der einschlägigen NGOs nachlesen. Die Anwesenheit von MINUSMA hatte darauf keinen Einfluss. Nun soll MINUSMA bei Vorwürfen genauer hinsehen, kann dies aber bei eingeschränkter Bewegungsfreiheit nicht tun.
Damit kann MINUSMA die übernommene Aufgaben eigentlich nicht mehr erfüllen und verstehe nicht, warum sie überhaupt verlängert wurde. MINUSMA war ein Hilfsangebot der UN an eine demokratisch gewählte Regierung von Mali, um zur Stabilisierung der politischen Situation beizutragen.
Die demokratische Regierung wurde weggeputscht und die aktuelle Militärjunta will diese Hilfe offensichtlich nicht mehr. UN-Missionen kosten die Staatengemeinschaft einen Haufen Geld, das man anderswo sicher besser ausgeben könnte.
Da man also fest entschlossen ist, an der eigentlich nur noch symbolischen Mission festzuhalten, ist die Entsendung der CH-53 schon angemessen. Unter dem Aspekt der Bewegungseinschränkungen für MINUSMA wird es auch nur wenig Anlässe für die Nutzung der Helikopter geben. Die paar Flüge, die dort vielleicht doch noch nötig werden, werden die alten „Damen“ vermutlich noch ohne Unfall schaffen.
Was mich in diesem Zusammanhang noch wundert. Die CH-53 sind ja keine Kampfhubschrauber. Eine der Vorgaben der Bundesregierung für die Fortführung des deutschen Engagements war doch, wenn ich mich recht entsinne, das, nach Abzug der französischen Tigre, auch eine Luftnahunterstützung für unsere Soldaten im Einsatz gewährleistet werden sollte. Wie steht es damit? Schickt die Bundeswehr nun auch wieder Tiger Kampfhubschrauber, oder ist man von der Forderung abgerückt?
@Schlammstapfer sagt: 04.07.2022 um 18:15 Uhr
„Die demokratische Regierung wurde weggeputscht“
Die gewählte (sic!) Regierung wurde weggeputscht. „Demokratisch“ würde ich das Regime Keïta nun nicht gerade nennen.
„Da man also fest entschlossen ist, an der eigentlich nur noch symbolischen Mission festzuhalten“
Symbolisch? Da wäre ich mir nicht so sicher. MINUSMA ist immer noch eine der größten VN-Missionen überhaupt. Mit einer engen Verzahnung von militärischen und zivilen Maßnahmen der VN.
Besonder effektiv ist sie zwar leider nicht, aber symbolisch kann man bei den Zahlen wirklich nicht sagen.
Kampfhubschrauber fehlen? Na, da hat die Bundeswehr doch noch den TIGER! Soll ja einer der weltweit besten Kampfhubschrauber sein. Und da passen sicher zwei oder drei in eine Antonow.
@Koffer
Wir können natürlich auch Haare spalten. Aber Präsident Keïta wurde nun mal in sein Amt gewählt.
Der Job von MINUSMA war doch nicht nur die Verhinderung eines Tuareg-Kalifats auf dem Territorium von Mali, MINUSMA sollte den Staat auf seinem weiteren politischen Weg zu mehr Demokratie stabilisieren.
MINUSMA ist seit dem Militärputsch weiter davon entfernt, denn je, diesem Auftrag gerecht zu werden.
Angesichts der Verbrechen der Armee gegenüber Zivilisten müsste sie die Menschen im Land vor der eigenen Armee schützen, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. Das konnte MINUSMA schon vor dem Putsch nicht und jetzt erst recht nicht.
Wenn ich diese Mission jetzt nur als symbolisch bezeichne, dann hat das nichts mit ihrer Größe zu tun, sondern allein mit ihrer Handlungsfähigkeit gemessen am ursprünglichen Auftrag.
@Koffer sagt: 04.07.2022 um 22:50 Uhr
„Symbolisch“ als Begriff ist hier wohl nicht an der reinen Anzahl der anwesenden Soldaten festgemacht. Da spielt doch eher eine Rolle, ob diese überhaupt, und wenn ja, ihren Auftrag erfüllen können. Unter Berücksichtigung der geltenden Restriktionen und Einschränkungen der Junta.
Und da ist das Ergebnis zur Zeit einfach unbefriedigend, Besserung nicht in Sicht, wie die Reaktionen CHN und RUS zeigen.
@Koffer – „Besonder effektiv ist sie zwar leider nicht, aber symbolisch kann man bei den Zahlen wirklich nicht sagen.“
Das wird meiner Erwartung an Ihre sonstigen Beiträge aber nicht gerecht … Ineffizienz ist m.E. sehr wohl ein wichtiges Kriterium für symbolisches Handeln. Vor allem wenn wir bei diesem Fall auch von unseren Soldaten reden, die dafür z.T. Leib und Leben riskieren und wir sowohl personell wie materiell ständig TrTle plündern, um das potemkinsche Dorf zu bevölkern.
China und Russland haben sich endgültig entlarvt. Die Menschenrechtslage ist die Grundlage für innenpolitische Versöhnung (sine qua non). Man will Hardball? Gut, es sei darauf hingewiesen, dass die Finanz- und Sicherheitsleistungen der westlichen Nationen die Grundlage bilden für ein minimum an Stabilität (besonders im regionalen Kontext), welches es Russland und China ermöglichen, ihre Interessen zu verfolgen.
Eine Gegenüberstellung der Ziele des Mandats, der ureigenen Interessen und eine nüchterne Prognose zur Erreichbarkeit ermöglicht konsequente Entscheidung. Oder hofft man hinter verschlossenen Türengar, Wagner und die „veränderten Einsatzverhalten der FAMa“ (vgl. @Eric Hagen und folgender Al-Jazeera Bericht) mögen in Mali Stabilität durch Etnische Säuberung erziehlen?
Russia’s Wagner group in Mali spurs refugee spike in Mauritania
Malians are fleeing to nearby Mauritania to escape from bandits, fighters, the army and now Russian operatives.
https://www.aljazeera.com/features/2022/6/28/russias-wagner-mercenaries-in-mali-drive-refugees-to-mauritania
Koffer:
„Besonders effektiv ist sie zwar leider nicht, aber symbolisch kann man bei den Zahlen wirklich nicht sagen.“
Dann definieren sie doch das, was an eigentlicher Effektivität übrig bleibt, wenn sie das „leider nicht besonders Effektive“ abziehen. Es ergibt sich wohl aus der Differenz des Auftrages von MINUSMA mit der bisher feststellbaren Auftragserfüllung, auch unter der Berücksichtigung des mittlerweile veränderten politischen Aggregatzustandes von MALI. Fest steht, daß der Staat/politische Führung das Problem der Integration Nord-Malis selbst regeln könnte. DIe dieses Unvermögen und den sich verschärfenden Konflikt Bambara-Fulbe in Zentralmali ausnutzenden Djihadisten versucht Bamako durch Lösung aus der frz. Einflußnahme (Afrikaner lösen ihre Probleme selbst) und russischer Unterstützung in den Griff zu bekommen.
Die Verlängerung des MINUSMA-Mandats ist von Bamako auch kritisiert worden, da malische Vorbehalte nicht aufgenommen wurden. Hier sollte die DEU-Außenpolitik prüfen, ob nicht die Lösung ethnischer Konflikte der afrikanischen Nationen (selbst wenn sie überwiegend koloniales Erbe sind) den Afrikanern und ihren Organisationen selbst überlassen werden sollte.
DEU sollte sich angesichts veränderter sichpol Rahmenbedingungen in Europa fragen, ob das eingegangene UN- Engagement und der damit verbundenen Einsatz der Bw nicht anderweitigen, höher priorisierten Aufgabenfeldern zugeführt werden sollte. Ohne die Präsenz von Barkhane in Mali hängt die MINUSMA in der Luft und Camp Castor in Gao wird nicht mehr der safe haven bleiben; die Akzeptanz Bamakos für die UN-Mission fehlt, was sich in der zunehmenden Behinderung der Operationsfreiheit niederschlägt.
Fazit: der künftige Einsatz von MINUSMA und Beteiligung der Bw haben eine profundere Analyse verdient; der Einsatz deutscher Soldaten und Ressourcen sollte bei einer „leidlich effektiven“ Auftragserfüllung doch etwas realistischer überprüft werden.
@Schlammstapfer sagt: 05.07.2022 um 10:37 Uhr
„Wir können natürlich auch Haare spalten. Aber Präsident Keïta wurde nun mal in sein Amt gewählt.“
Genaus wie Putin, Xi und andere Nicht-Demokraten!
Eine Wahl an sich macht ein Regime noch nicht demokratisch.
Wohlweislich hat deswegen die Bundesregierung und die EU auch immer wieder die Rückkehr zur „verfassungsmäßigen“ Ordnung verlangt. Die Rückkehr zur Demokratie hätte nämlich notwendig gemacht, dass es vorher eine gewesen wäre…
„Der Job von MINUSMA war doch nicht nur die Verhinderung eines Tuareg-Kalifats auf dem Territorium von Mali, MINUSMA sollte den Staat auf seinem weiteren politischen Weg zu mehr Demokratie stabilisieren.“
Ja zu 1., überwiegen ja zu 2.
„MINUSMA ist seit dem Militärputsch weiter davon entfernt, denn je, diesem Auftrag gerecht zu werden.“
Ich habe nie etwas anders behauptet.
Aber man muss halt differenziert argumentieren. Weder ist das aktuelle Regime abgrundtief „böse“, noch war das vorherige „gut“. Es gab bis zu der RUS/Wagner-Entwicklung sogar einige Stimmen, die dem aktuellen Regime objektiv bessere „Noten“ ausgestellt haben als dem Vorgänger-Regime (u.a. weniger korrupt).
„Wenn ich diese Mission jetzt nur als symbolisch bezeichne, dann hat das nichts mit ihrer Größe zu tun, sondern allein mit ihrer Handlungsfähigkeit gemessen am ursprünglichen Auftrag.“
Das ist mEn eine Frage der Relation. Ist MINUSMA ein Erfolg? Nein, bisher nicht. Hat es Erfolge erzielt? Ja. Wird es Erfolge erzielen? Man wird sehen.
@Pio-Fritz sagt: 05.07.2022 um 11:09 Uhr
„„Symbolisch“ als Begriff ist hier wohl nicht an der reinen Anzahl der anwesenden Soldaten festgemacht. Da spielt doch eher eine Rolle, ob diese überhaupt, und wenn ja, ihren Auftrag erfüllen können. Unter Berücksichtigung der geltenden Restriktionen und Einschränkungen der Junta.“
Ich stimme grundsätzlich zu. Aber wie immer in der Außen- und Sicherheitspolitik gibt es halt zwischen schwarz und weiß auch viele Grautöne.
Das war das einzige auf das ich hinweisen wollte ;)
@diba sagt: 05.07.2022 um 11:12 Uhr
„Das wird meiner Erwartung an Ihre sonstigen Beiträge aber nicht gerecht … Ineffizienz ist m.E. sehr wohl ein wichtiges Kriterium für symbolisches Handeln.“
Zustimmung. Aber s.o. (–> Grautöne).
„Vor allem wenn wir bei diesem Fall auch von unseren Soldaten reden, die dafür z.T. Leib und Leben riskieren und wir sowohl personell wie materiell ständig TrTle plündern“
Naja, da müssen die Kameraden halt durch. Soldatsein ist halt auch manchmal gefährlich. Und bei MINUSMA, wenn wir ehrlich sind, derzeit auch nicht ganz so wie früher bzw. wie manchmal in anderen Einsätzen…
Guten Abend,
eine Frage an die Experten:
Für wie wahrscheinlich halten sie die Möglichkeit, dass sich DEU ende 2022, Anfang 2023 aus MINUSMA verabschiedet? Ist das, mehr als nur eine wahrscheinliche Option?
Vielen Dank.
MkG
Pio-Fritz und LLFm und T.W..
Danke, dass mir einige meine Fragen beantwortet wurden. In der Tat habe ich mich mit Militärischen Themen bisher nur am Rande beschäftigt. Es tut mir leid, wenn ich mit meinen Fragen angeeckt bin. Das lag nicht in meinem Sinn.
Barkhane-Streitkräfte: Die Basis Niamey steht jetzt an vorderster Front
Die französischen Streitkräfte von Barkhane verlassen Mali und reorganisieren Truppen und Ausrüstung am geplanten Luftwaffenstützpunkt Niamey, wo eine Partnerschaft mit der nigrischen Armee den weiteren Kampf gegen die bewaffneten Terrorgruppen der Sahelzone ermöglichen soll.
Eingesetzt dabei die Légion und JaBo.
(Dakaractu..Com)
UmPp sagt 05.07.2022 um 21:56 Uhr
„Für wie wahrscheinlich halten sie die Möglichkeit, dass sich DEU ende 2022, Anfang 2023 aus MINUSMA verabschiedet? Ist das, mehr als nur eine wahrscheinliche Option?“
Tja, das ist natürlich die große Preisfrage. Sie hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, manche davon sind eher berechenbar als andere. In Ihrer Frage drückt sich gewissermaßen der Paradigmenwechsel der Bw aus, von Einsatzarmee zu LV/BV- Truppe.
Aus meiner Sicht „konkurriert“ das DEU Mandat für UNs MINUSMA zunehmend mit dem Fokus auf LV/BV.
Auch wenn diverse Vertidungspolitische Richtlinien, -Politiker und -Experten den DEU Beitrag für MINUSMA als gleichwertig einschätzen (s. die Threads hier bei AG zur Mandatierung), wage ich zu behaupten dass:
1. DEU das nicht allein entscheidet. Stichworte: UN, Symbolkraft, Commitment gegenüber G5-Sahel, EU-Außenpolitik, FRA Außenpolitik, US Außenpolitik, „Footprint“ im Niger, Fragen der Gesichtswahrung, „RUS nicht das Feld in MLI überlassen“ (O-Ton Frau Baerbock, leicht zu googeln),
2. auch wenn Frau Lamprechts Stöckelschuhe im Sande Afrikas zu versinken drohten, ist so ein „hot and sandy place“ doch auch immer nett für einen schönen Truppenbesuch, samt Presseentourage und Häppchen,
3. DEU sich auch in der Vergangenheit selten allein von einem multinationalen Commitment verabschiedet hat, sondern hartnäckig den „verlässlichen Partner“ darstellen möchte. Auch wenn man manchmal damit die Gastfreundschaft des betroffenen Landes überreizt hat, schien doch der Bündniswert wichtiger,
4. der Aufwand eine Mission wie MINUSMA parallel zur Unterstützung des Stellvertreterkrieges in der UKR und der Wiederaufstellung der Bw durchzuführen ist enorm. Auf den Punkt gebracht wird das durch das Thema „Drehflügler“,
5. Es fehlt weiterhin eine strategische, nationale Vorstellung wie DEU seine Prioritäten diesbezüglich ordnen möchte. Bsp: die letzten CH-53 gehen nach MLI trotz mangelnder Absicherung durch Kampfhubschrauber,
6. Die Corona-Pandemie beutelt auch die Einsatzfähigkeit im Ausland,
7. So ein Auslandeinsatz ist auch immer ein Generator für Erfahrung und hat daher auch einen Systemwert für eine Armee, auch wenn die dort gewonnen Erfahrungen evtl. sogar irreführend sind für LV/BV-Szenarien,
8. Die neuen Forderungen der NATO zum Thema „Notice to effect“ in Litauen von 7-10d bedeuten natürlich einen noch höheren Bedarf, Einsätze wie Mali und sog. „Einsatzgleiche Verpflichtungen“ gegeneinander abzuwägen, zumal uns die einsatzfähigen- und einsatzwilligen Soldaten ja zunehmend abgehen.
9. Wie schnell es gehen kann, haben wir 2021 in Afghanistan gesehen, oder 2022 an EUTM Mali.
Wie auch immer es kommen wird: E
in spontanes Ereignis kann die Situation ebenso komplett verändern:
Hierzu 2 Denkbeispiele:
1. Der Tod einiger Europäischer MINUSMA Soldaten kann eine Regierungskrise auslösen. So geschehen zB 2017 in den NLD: https://www.dutchnews.nl/news/2017/10/dutch-defence-minister-resigns-over-mali-mortar-accident-critical-report/
2. Neue Gaslieferverträge mit Staaten in Westafrika könnten die Europäische Bündnissolidarität und unseren selbstlosen Demokratisierungswillen in der Dritten Welt signifikant steigern. Beispiel: „Germany is looking to west Africa to help solve its gas woes“, https://qz.com/africa/2168594/germany-is-looking-to-west-africa-to-help-solve-its-gas-woes/
Sollten Sie (UmPp) dafür geplant sein, wünsche ich Ihnen starke Nerven und viel persönliche Flexibilität.
MkG
@Hetfield
Vielen Dank für ihre Antwort (Punkte, Einschätzung etc.). Das ist sehr informativ.
Es ist sehr schwer das Ganze einzuschätzen im Augenblick bzw. extrem „Lageabhängig“.
Vielen Dank.
MkG