Bundestag billigt Mali-Mandate: Mehr Soldaten, weniger Ausbildung, und eine Ausstiegsklausel (mit Ergänzung)

Die Einsätze der Bundeswehr in der Sahel-Region werden verlängert. Der Bundestag billigte eine weitere, sogar aufgestockte deutsche Beteiligung an der UN-Mission MINUSMA im Sahel, allerdings mit einer neuartigen Ausstiegsklausel. Dagegen wird die EU-Trainingsmission in der Region nur für die deutsche Ausbildung in Niger und nicht in Mali selbst verlängert. Hintergrund ist der anhaltende Konfrontationskurs der malischen Militärregierung zu westlichen Ländern.

Das Parlament stimmte am (heutigen) Freitag mit deutlicher Mehrheit aus den Koalitionsfraktionen und der Union den beiden veränderten Mandaten für die Bundeswehrbeteiligung an MINUSMA und EUTM Mali zu. Für das neue MINUSMA-Mandat (Bundestagsdrucksache 20/1762) sprachen sich 541 Abgeordnete bei 103 Gegenstimmen und vier Enthaltungen aus. Die neu gefasste Beteiligung an der EU-Ausbildungsmission billigten 551 Abgeordnete bei 105 Gegenstimmen und einer Enthaltung.

Über das weitere militärische deutsche Engagement in diesen Missionen war in den vergangenen Monaten heftig debattiert worden: Die malische Übergangsregierung, durch einen Putsch an die Macht gekommen, war bereits vor geraumer Zeit auf einen Konfrontationskurs zu den westlichen Nationen und insbesondere zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich gegangen. Zugleich verstärkte die Regierung in Bamako die Bindung an Russland.

Neben weiter Militärhilfe wie Kampfhubschrauber erhielt Mali auch Unterstützung durch russische Kämpfer. Während westliche Nationen der Regierung vorwarfen, dafür auch die russische Söldnergruppe Wagner engagiert zu haben, wies Bamako das zurück: Es handelte sich um russische Unterstützung im Rahmen der bilateralen Verträge beider Länder. Allerdings gab es wiederholt Hinweise darauf, dass russische Söldner unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Jihadisten in dem westafrikanischen Land zusammen mit der malischen Armee schwere Menschenrechtsverletzungen begingen.

Der Konfrontationskurs hat ganz praktische Auswirkungen: Nachdem die malische Regierung zunächst nur die – von Frankreich initiierte – europäische Spezialkräfte-Mission Takuba im Land faktisch gestoppt hatte, kappte Bamako später auch alle weiteren militärischen Beziehungen zu Frankreich. Der ohnehin langfristig geplante Abzug der französischen Anti-Terror-Operation Barkhane wurde dadurch beschleunigt. Die Europäische Mission wiederum setzte angesichts der Kooperation der malischen Armee mit Russland ihre Ausbildungsbemühungen in der EU-Trainingsmission Mali weitgehend aus.

Die UN-Blauhelmmission im Land, die mit fast 13.000 Soldaten eine Friedensregelung für Mali überwachen soll, blieb bislang zumindest formal davon unberührt. Allerdings entfällt durch den Abzug der französischen Barkhane-Soldaten damit ein wesentlicher Schutz für MINUSMA, da Frankreich unter anderem in Notfällen die Unterstützung mit Kampfhubschraubern sicherstellte.

Das neue deutsche MINUSMA-Mandat enthält deshalb eine Ausstiegsklausel, die vor allem auf die Sicherheit der deutschen Soldatinnen und Soldaten in ihrem Einsatz in Gao im Westen Malis abzielt und in dieser Form noch in keinem Mandat für Auslandseinsätze der Bundeswehr enthalten war:

Sofern während des Mandatszeitraums ein ausreichendes Versorgungs- und Schutzniveau für deutsche Soldatinnen und Soldaten nicht mehr gewährleistet werden kann, sind Maßnahmen zur Anpassung des deutschen Beitrags einzuleiten bis hin zur Beendigung des Einsatzes. Dies betrifft insbesondere die fortgesetzte Verfügbarkeit von Luftnahunterstützung nach dem Abzug der französischen Kampfhubschrauber. Den Vereinten Nationen kommt die Aufgabe zu, die nahtlose Bereitstellung von Luftnahunterstützung durch andere Truppensteller sicherzustellen. Über die Entwicklung des Versorgungs- und Schutzniveaus wird der Deutsche Bundestag regelmäßig und gegebenenfalls anlassbezogen unterrichtet.

Die Bundeswehr hatte bis Mitte 2018  eigene Kampfhubschrauber des Typs Tiger in Mali eingesetzt; bei einem Unfall aus technischen Gründen waren 2017 zwei Soldaten ums Leben gekommen. In der UN-Mission waren damals an ihrer Stelle kleinere bewaffnete Helikopter aus El Salvador eingesetzt worden.

Unabhängig von der Frage der Absicherung aus der Luft muss die Bundeswehr weitere Unterstützung der Franzosen ersetzen, die nach dem Abzug von Barkhane künftig nicht mehr vorhanden ist. So wird das vorhandene Feldhospital aufgestockt; die so genannte Role 2-Fähigkeit entspricht den Möglichkeiten eines deutschen Krankenhauses und benötigt zusätzliches medizinisches Personal. Außerdem stellt die Bundeswehr mehr Soldaten für die Sicherung des Flughafens in Gao und ersetzt die bislang genutzten NH90-Hubschrauber des Heeres durch CH-53-Transporthubschrauber der Luftwaffe. Insgesamt wird deshalb die Obergrenze der Zahl der eingesetzen Soldatinnen und Soldaten von bislang 1.100 im bisherigen Mandat auf 1.400 erhöht.

Im Mandat für die EU-Trainingsmission Mali sinkt dagegen die neue Personalobergrenze von 600 im bisherigen Mandat auf künftig 300. Faktisch wird in Mali selbst nur noch eine kleine Gruppe im Stab der EU-Mission bleiben. Das Mandat dient damit praktisch ausschließlich der Fortsetzung einer Ausbildungsmission im benachbarten Niger, wo ein deutscher Spezialkräfteverband in der Operation Gazelle nigrische Spezialkräfte ausbildet.

Nach derzeitiger Planung soll diese Ausbildungsmission in einem eigens errichteten Ausbildungszentrum in Tilia Ende des Jahres auslaufen. Sowohl dieses Mandat als auch die UN-Mission dürften damit in einem Jahr erneut zur – problematischen – Debatte stehen, auch wenn Deutschland den Vereinten Nationen zugesichert hatte, bis zum Jahr 2024 Transporthubschrauber in Mali zur Verfügung zu stellen.

Nachtrag: In der kommenden Woche wird Bundeskanzler Olaf Scholz in die Region reisen – auffällig dabei: nicht nach Mali, aber nach Niger, und dort will er auch die Bundeswehr besuchen:

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, teilt mit:
Bundeskanzler Olaf Scholz wird vom 22. bis 25. Mai 2022 nach Afrika reisen und die Länder Senegal, Niger und Südafrika besuchen. (…)
In Niger wird er am Morgen des 23. Mai den Stützpunkt der deutschen Spezialkräftemission GAZELLE der Europäischen Ausbildungsmission EUTM und die dort stationierten Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr besuchen.
Bei seiner nächsten Station in Niamey wird Bundeskanzler Scholz vom Präsidenten der Republik Niger, Mahamed Bazoum, mit militärischen Ehren begrüßt. In einem Gespräch wird man sich über verschiedene Aspekte der bilateralen Kooperation austauschen.

Zur Ergänzung ein Blick auf die Herausforderungen, die sich ohnehin derzeit für MINUSMA stellen – bis hin zur der Weigerung Malis am (heutigen) Freitag, UN-Truppen aus Senegal die Landung zu erlauben. Eine Zusammenstellung von Anna Schmauder vom Clingendael International Centre for Counter-Terrorism:

In #Mali, #MINUSMA is increasingly exposed as Bko furthers its international isolation following dissolution of previous stabilization frameworks:
1) EUTM suspension
2) end of existing international & regional counterterror frameworks (Barkhane+G5).
🧵on events of last week(s)

9/ As #Barkhane retreats, the mission is dependent on additional air capacity – not only in Gao. As highlighted in recent debate on the German mandate extension for the mission, MINUSMA was not yet able to find capacity among troop contributing countries

11/ Am wondering: where do we stand on the discussion how #MINUSMA can deal with this accelerated dynamic in #Mali? What are realistic prospects of continuing its mandate, where are pointers for its adaptation?

 

(Archivbild April 2022: Soldaten der deutschen Aufklärungskompanie im MINUSMA-Einsatz vor ihren Fennek-Spähwagen in Gao – Florian Gärtner/photothek.de)