Nach Frankreichs Abzugs-Entscheidung: Mali wirft Truppen von Barkhane und Takuba sofort raus
Nach der Entscheidung Frankreichs und mehrerer Partnerländer, den Anti-Terror-Einsatz in Mali einzustellen, hat die malische Regierung den sofortigen Abzug dieser Truppen gefordert. Die Soldaten der Operationen Barkhane und Takuba müssten unverzüglich das Land verlassen, weil die Entscheidung ein eklatanter Verstoß gegen Vereinbarungen zwischen Mali und Frankreich sei, erklärte die Übergangsregierung in Bamako.
Frankreich, Kanada und mehrere an der Spezialkräftemission Takuba in Mali beteiligte Länder hatten am (gestrigen) Donnerstag erklärt, angesichts der mehrfachen Behinderungen ihres Anti-Terror-Einsatzes durch die malische Regierung sei eine Fortsetzung dieser militärischen Operation in Mali nicht mehr sinnvoll und werde beendet. Allerdings sollte der Abzug einige Monate dauern, zumal eine Verlagerung der Missionen in benachbarte Länder wie Niger erwogen werde.
Am (heutigen) Freitag reagierte die durch einen Putsch ins Amt gekommene Regierung in Bamako mit dem sofortigen Rauswurf der Truppen beider Missionen und gab zudem der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich eine Mitschuld an der terroristischen Bedrohung im Land: Ohne das Eingreifen der NATO in Libyen, bei dem Frankreich eine führende Rolle gespielt habe, wäre es nicht zu der aktuellen Lage im Sahel gekommen.
Die in sozialen Medien wie Facebook und Twitter veröffentlichte Mitteilung der malischen Regierung:
Die wesentlichen Passagen in deutscher Übersetzung (mithilfe von deepl.com):
Diese einseitigen Entscheidungen stellen eklatante Verstöße gegen den Rechtsrahmen dar, der Frankreich und Mali verbindet. (…)
Trotz der Präsenz der Operation Barkhane und der internationalen Streitkräfte von 2013 bis 2021 drohte Mali die Teilung des Landes und die ursprünglich im Norden Malis angesiedelte terroristische Bedrohung breitete sich über das gesamte Staatsgebiet aus.
Die Regierung von Mali erinnert daran, dass die Operation Serval nicht notwendig gewesen wäre, wenn die NATO 2011 nicht in Libyen interveniert hätte. Diese Intervention, die die Sicherheitslage in der Region grundlegend veränderte und bei der Frankreich zum Leidwesen der Afrikaner eine aktive Rolle spielte, ist die Grundlage für die aktuellen Sicherheitsprobleme in Mali im Besonderen und in der Sahelzone im Allgemeinen. (…)
Angesichts dieser wiederholten Verstöße gegen die Verteidigungsabkommen fordert die Regierung die französischen Behörden auf, die Barkhane- und Takuba-Truppen unverzüglich aus dem nationalen Hoheitsgebiet abzuziehen, unter der Aufsicht der malischen Behörden.
Der Kernsatz zum Nachhören:
Il le répète 3 fois… https://t.co/GfSevirKkh pic.twitter.com/bpn5ChjXbH
— 𝐁@𝐛𝐨𝐲𝐞 (@Bab_tw) February 18, 2022
(Foto: Der Sprecher der malischen Übergangsregierung, Oberst Abdoulaye Maiga, im malischen Fernsehen bei der Bekanntgabe der Ausweisung – Screenshot aus dem verlinkten Twitter-Video)
Wer jetzt noch meint, mit dieser Junta ist irgendwie zu reden, dem ist nicht zu helfen. DEU sollte sich direkt anschließen und abziehen, solange das noch geordnet möglich ist.
Wo die Malier allerdings recht haben, ist ihre Einschätzung zu Lybien.
Wir sind damit der mit Abstand größte westliche Truppensteller in Mali als Teil MINUSMA.
Hat man schon Kampfhubschrauber, Puma, Drohnen, n paar grüne Kameraden verlegt?
@T.W.
Ich mag mich irren- allerdings lese ich die malische Aufforderung so, dass nur die franz. Kr das Land verlassen sollen. Einen kompletten Rauswurf von Takuba erkenne ich nicht. Insofern ist Ihre Überschrift mglw. missverständlich.-
Gleichwohl: das bilaterale Verhältnis zu FRA ist tiefgreifend zerrüttet.
Die malische Regierung hat aber allen europ. TCN in dieser Woche versichert, dass eine fortgesetzte militärische und politische Präsenz der übrigen Europäer ausdrücklich gewünscht wird. Die Lage – bestenfalls ein Patt- sei für MLI und weite Teile des Sahel prekär, auch weil die franz. geführten Op im Gesamtergebnis keine substantielle Verbesserung gebracht hätte.
MLI beklagt, dass FRA stets eigenständige, die malische Seite ignorierende Entscheidungen getroffen habe. Dies kann im übrigen auch deutscherseits durchaus bestätigt werden.
Weiterhin konnte den europ. VM plausibel erklärt werden, wie es zur Stationierungsverweigerung der DNK SOF gekommen war. Faktisch war es so, dass FRA quasi eine Art SOFA vergeben hat- ohne MLI zu konsultieren. DNK erkannte nun den Sachverhalt in „einem neuen Licht“.
MLI fordert nichts weniger als ehrliche Kooperation und Abstimmung mit europ. Partnern. DEU ist dabei in seiner Wahrnehmung vor Ort ein sehr geschätzter Partner. RUS hat den Angeboten der EU aber auch gar nichts entgegenzusetzen- Wagner für vlt. rasche Erfolge ausgenommen.
Die eigene positive Resonanz sollten wir nicht leichtfertig aufgeben. Hier bestehen Hoffnungen und eine gewisse, aber nüchterne Zuversicht. Ein fortgesetztes deutsches Engagement wäre vmtl. auch im mittelfristigen Sinne FRA‘s, das nach „strategischem Schütteln“ ganz sicher wieder zu einer Rolle im Kampf gg den islamistischen Terror i d Region finden wird. Im Sinne der jüngst verabschiedeten EU- Partnerschaftsstrategie ist es erst recht.
… 2021 AFG…..2022 MLI,,, soll das jetzt so weitergehen ? M.S.
Nun ich denke man sollte eben anerkennen dass MLI ein souveräner Staat ist, ob man die Junta nun mag oder nicht. Da man es versäumt hat Konsequenzen aus dem Coup zu ziehen, muss man sich nun nicht weiter wundern, dass die das Klavier nach ihren Noten spielen.
Mal sehen zu welchen Schlussfolgerungen man in der EU als auch in DEU kommt. Da aber in vielen Bereichen nun mal das Einmelden von Kräften mit zeitlichen Vorlauf erfolgt, wäre ein einseitiger Rückzug von DEU sicherlich nicht der Reputation zuträglich… Aber vllt gibt es die auch gar nicht mehr??
Der gesamte Einsatz in Mali scheint immer mehr zu einer wahren Erfolgsgeschichte für die westliche Welt zu werden.
Wie verblendet sind wir alle im Westen, um uns von 5 Obristen am Nasenring durch die Manege führen zu lassen?
Ich war in Mali. Bei EUTM,
Wir sollten uns nicht anbiedern. Keinesfalls.
Ich denke wir sollten hier unterscheiden zwischen der Tatsache, dass es einerseits offensichtlich diplomatische Spannungen und unterschiedliche Interessenlagen zwischen FRA, der EU, DEU und MLI gibt und andererseits, dass die MLI Regierung durch einen Putsch an die Regierung kam.
In DEU ist ja die regelmäßige Reaktion auf das letztere grundsätzlich negativ. Aus demokratietheoretischer Sicht auch absolut nachvollziehbar. Aber wenn man die korrupte und inkompetente Vorgängerregierung mit der weniger korrupten und weniger inkompetenten aktuellen Regierung vergleicht und die offensichtliche grundsätzlich positive oder zumindest nicht ablehnende Position weiter Teile der Bevölkerung sowie fehlende Berichte über Menschenrechtsverletzungen oder Unterdrückungsmaßnahmen mit in Betracht zieht, mag für eine gewissen Zeit des Übergangs die Putsch-Regierung das kleinere Übel sein.
Wir sollten mEn also nicht den Einsatz negativ beurteilen „nur“ weil er in einem Land mit derzeit nicht vorhandener, demokratisch legitimierter Regierung statt findet. Wir sind ja nicht wegen dieser Regierung dort (genau so wenig wie wir es wegen der Vorgängerregierung waren).
Eine andere Frage ist aber, ob wir unsere Interessen (realpolitisch und/oder humanitär) noch angemessen durchsetzen können, wenn die aktuelle Regierung nicht mehr kooperiert.
Das letztere sollte mEn unser Verhalten bestimmen und die Messlatte sein ob wir uns weiter engagieren und wenn ja in welchem Umfang.
Ich persönlich sehe unverändert die Verhinderung weiterer Destabilisierung West-Afrikas als ausreichenden Grund in DEU und EUR Interesse an um weiterhin militärisch engagiert zu bleiben.
Wenn aber die MLI Regierung uns soweit einengt, dass wir nicht mehr zielführend unsere Interessen (humanitär und/oder realpolitisch) und/oder mit anderen Spielern bevorzugt kooperieren möchte, dann mag irgendwann Abwägung kippen und eine Fortsetzung des Einsatzes nicht mehr sinnvoll sein.
Koffer sagt: 19.02.2022 um 11:37 Uhr
Das nennt man REALPOLITIK, gell? Einfach mal den Ist-Zustand sehen und akzeptieren. Und das Beste daraus machen.
Im Gegensatz zu den Wünsch-dir-was-Ansätzen oder Immer-feste-druff…
VG, NG.
Man sollte sich von nationalen Positionen europäischer Staaten verabschieden. Dänemark, Kroatien oder aucg Deutschlands Interessen in Westafrika, Sahel usw. sind gering und mit Sicherheit nicht ausreichend, um militärische Einsätze zu rechtfertigen.
Gleichwohl sehe ich ein europäisches Interesse, nicht nur in dieser Region, sondern in Afrika insgesamt. Dieses muss zwingend ausformuliert und entsprechend umgesetzt werden. Nationale Alleingänge, wie sie FRA oder ITA machen, oder vor dem Austritt GBR, haben zu unterbleiben. Dann kommt es auch nicht zu solchen gravierenden Fehlern wie der Intervention in Lybien oder dem zweiten US-Irakkrieg, der auf wissentlichen Falschinformationen beruhte.
So rennt die internationale Gemeinschaft den politischen Bollerköppen (USA,GBR, FRA) hinterher, und versucht mühsam, zu retten, was noch zu retten ist. Meist vergeblich. Die Zeit der ehemaligen Kolonialmächte und der USA als Weltbestimmer sind vorbei, wir sollten politisch endlich mal im 21. Jahrhundert ankommen.
@ Koffer 19.02.2022 um 11:37 Uhr
Gut zusammengefasst und erklärt.
Ungefähr in diesem Rahmen bewegt sich derzeit die Argumentationslinie der Einsatzbefürworter in BT und BuReg.
Was nicht heisst, dass sie sich damit auch durchsetzen.
Wie Sie schreiben, darf die Junta den Bogen auch nicht überspannen.
naive nachfrage meinerseits, hat so ein eingreifen von aussen irgenwo mal in der geschichte nach ´45 funkioniert?
(ohne grenzen zu ändern oder eine korrupte elite hochzuziehen).
imho – in afrika dominiert die destabilisation vieler länder und gruppen grenzübergreifend der geburtenüberschuss, paar insel der stabilität in afrika wären schon ein reichtum, die dann mit harter hand verteidigt werden müssen.
@Koffer 19.02.2022 um 11:37 Uhr
……“dann mag irgendwann Abwägung kippen und eine Fortsetzung des Einsatzes nicht mehr sinnvoll sein.“
Diese sog. Abwägung sollte nicht viel Zeit in Anspruch nehmen.
Ein Engagement wie im akuten Fall in Mali und historisch in Afghanistan sollte einer ständigen Überprüfung unterworfen sein. Review monatlich, aber in jedem Fall vierteljährlich.
Es geht um die simple Fragestellung, „Was wollten, wir erreichen – Was haben wir erreicht.“
Dafür kann man keine 10 Jahre oder gar 20 Jahre benötigen, sonst macht sich jeder Beteiligte lächerlich.
Bis jetzt haben wir nur gelernt, wie man es nicht mehr machen soll, d. h. gelernt wurde immer – lebenslanges Lernen ist somit gewährleistet.
Koffer sagt:
19.02.2022 um 11:37 Uhr
„Ich persönlich sehe unverändert die Verhinderung weiterer Destabilisierung West-Afrikas als ausreichenden Grund in DEU und EUR Interesse an um weiterhin militärisch engagiert zu bleiben.“
Der bisher geleistete militärische Beitrag der europäischen Nationen zur Stabilisierung MLIs hat weder die coups d’Etat noch die Expansion der Djihadisten verhindert, so daß sich doch die Frage stellt, wo die Schwachstellen des bisherigen mil Engagements waren.
Das derzeitige Engagement MINUSMA-EUTM ist zusammen mit SERVAL/BARHANE 2013 aufgelegt worden; mit der kommenden Anpassung des BARKHANE-Dispositivs muß – was MLI betrifft – ohnehin neu angesetzt werden, denn vorallem das MINUSMA-Mandat(u.a. Hilfestellung bei der Umsetzung des Accord de Paix von Algier) wird der veränderten Lage schon lange nicht mehr gerecht: das Auseinanderfallen von MLI in den Tuareg-dominierten Norden und des Staatsgebietes südl. und ostwärts des NIGER unter der Dominanz der Bambara und verwandter Ethnien zu verhindern. Dieser Auftrag ist durch den interethnischen Konflikt zwischen den Bambara-Feldbestellern und den viehzüchtenden Peulhs in Zentral-Mali überholt worden, auf den die Djihadisten sich draufgesetzt haben.
Fatalerweise hat die sahara-erfahrene Ex-Kolonialmacht FR verabsäumt, die 2013 nicht mehr intakte malische Armee(FAMA) wieder „aufzurichten“ und sich stattdessen mit BARKHANE auf die Jagd nach djihadistischen Anführern kapriziert ; die EUTM war mit der Neuaufstellung der FAMA von Beginn an überfordert. So hatte sich auch die malische Regierung von EUTM viel mehr versprochen(mit der FAMA in den Einsatz). Überfordert war und ist auch die jeweilige Regierung in der Wiederherstellung staatlicher Strukturen; zudem ist die politische/militärische Führungsschicht, die in der „Blase Bamako et alentours“ konzentriert ist, nicht in der Lage, aus sich selbst und der MLI-Gesellschaft heraus Lösungsansätze und entsprechende Umsetzungsenergien zu entwickeln. Da FR und die UN-Mission nicht vermochten, die Sicherheitslage in der Fläche zu stabilisieren (und auch djihadistischen Milizen aufzuhalten), hat die Junta in souveräner Manier eine neue Kraft engagiert, die es nun richten soll. Ob diese Junta in der Lage ist, eigene Anstrengungen zur Verbesserung der inneren Sicherheit über die „Blase Bamako“ hinaus zu leisten, ist bislang nicht zu erkennen. Ohne leistungsfähige „authochtone“ Sicherheitskräfte (und better governance), und das gilt auch für die gesamte Sahelzone, sind jegliche externe Bemühungen um Stabilisierung fast aussichtlos.
Da mittlerweile auch die ähnlich schwach strukturierten Nachbarstaaten (ausgenommen die islamistische Republik Mauretanien) von djihadistischen Milizen angegriffen werden, stellt die Verhinderung der Destabilisierung dieser Region eine große Herausforderung für die EU dar, will sie das ehem. französische pré-carré nicht anderen Interessenten überlassen. Da müssen sich die Staaten der EU schon mal tief in die Augen schauen und nach guten Gründen für ein nachhaltiges europäisches Engagement suchen und diese auch medial ihrem jeweiligen Wahlvolk kommunizieren. Ein „Weiter so“ wird es mit den vorhandenen Missionen ohne BARKHANE in MLI nicht mehr geben. Tauglichere Konzepte sind gefragt. Frankreichs lang gehegter Wunsch nach einer „europeenisation“ des Konflikts könnte in Erfüllung gehen,
@briscard:
„Tauglichere Konzepte sind gefragt. Frankreichs lang gehegter Wunsch nach einer „europeenisation“ des Konflikts könnte in Erfüllung gehen,“
Entweder wird die EU ein Pool der Multipolaren Ordnung oder wir werden Bällebad aus Spielbällen mit jeweils wechselnder Schwerpunktsetzung.