Luftwaffe im Air Policing im Baltikum: Erster scharfer Einsatz kurz nach Übernahme

Am zweiten Tag nach der Übernahme der Luftraumsicherung über dem Baltikum hat die Bundeswehr ihren ersten scharfen Einsatz geflogen: Mit einem Alarmstart stiegen von der Basis Ämari in Estland zwei Eurofighter der Luftwaffe auf, um ein russisches Flugzeug über der Ostsee zu identifizieren.

Den ersten so genannten Alpha Scramble berichtete die Luftwaffe am (heutigen) Mittwoch:

Der Einsatz fand nach Angaben des Zentrums Luftoperationen in Kalkar am späten (gestrigen) Dienstagabend statt.

Üblicherweise werden die von der NATO geführten Kampfjets im so genannten Baltic Air Policing bereits dann alarmiert, wenn eine unbekannte Maschine ohne Kontakt mit der (zivilen) Flugsicherungskontrolle und ohne Transpondersignal unterwegs ist; das gilt auch für den internationalen Luftraum über der Ostsee. Flugzeuge der russischen Luftwaffe sind dort regelmäßig von St. Petersburg zur russischen Exklave Kaliningrad unterwegs. Der Alarmstart der NATO-Jets zur Identifizierung bedeutet keineswegs, dass diese russischen Maschinen in den Luftraum eines NATO-Landes eingedrungen wären; auch ist damit kein Abfangen verbunden.

Die Luftwaffe hatte am vergangenen Montag in Ämari von Frankreich die Luftraumsicherung über dem Baltikum übernommen; zeitgleich wechselten auch in Litauen und Polen die Verstärkungen durch Kampfjets anderer NATO-Staaten.

In Ämari sind aktuell fünf deutsche Eurofighter stationiert, vier vom Taktischen Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ aus Wittmund sowie einer vom Taktischen Luftwaffengeschwaders 31 „Boelke“ aus Nörvenich. Wie üblich wird eine weitere Maschine in Deutschland in Reserve gehalten. Die Maschinen stehen bis April kommenden Jahres für die Luftraumüberwachung bereit. Dafür werden immer jeweils zwei Flugzeuge für Alarmstarts bereitgehalten, die so genannte Quick Reaction Alert (QRA).

Seit 2004 haben Kampfflugzeugen aus verschiedenen Ländern der Allianz im Wechsel die Sicherung des Luftraums über den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen übernommen, die über keine eigene nennenswerte Luftverteidigung verfügen. Die Bundeswehr trug von Anfang an zunächst mit Phantom- und dann mit Eurofighter-Kampfjets dazu bei.

Nach der russischen Annexion der Krim 2014 weitete die NATO diese Mission aus: In Ämari, in Šiauliai in Litauen und in Malbork in Polen stehen Kampfjets in Bereitschaft, um unbekannte Flugzeuge über dem Baltikum als auch im internationalen Luftraum über der Ostsee zu identifizieren und gegebenenfalls abzufangen. Während die deutschen Eurofighter nach Estland gehen, schickt Italien diesmal Eurofighter (und nicht wie zuvor F-35) nach Polen; ungarische Gripen gehen nach Litauen.

Die baltischen Staaten, direkt an Russland angrenzend, sollen mit dieser re-assurance, der demonstrativen Zusicherung der Bündnissolidarität gegenüber dem russischen Nachbarn gestärkt werden. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres hat das noch mal besondere Bedeutung bekommen.

Für die Bundeswehr ist es der 13. Einsatz. Zuletzt waren die deutschen Eurofighter von August 2020 bis Mai 2021 nach Ämai geschickt worden. Nach Angaben der NATO ist es insgesamt die 60. Rotation der Verbündeten in diesem Air Policing über dem Baltikum.

(Foto: Das deutsche Kontingent mit Oberstleutnant Georg Hummel, Kommandeur Fliegende Gruppe Taktisches Luftwaffengeschwader 71 “Richthofen“, am 2. August 2022 bei der Übergabezeremonie für das verstärkte Baltic Air Policing von Frankreich an Deutschland auf der Luftwaffenbasis Ämari/Estland – Johann Michael Scheller/Bundeswehr)