Erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs: Deutsche Eurofighter (wieder) an die russische Grenze
Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind Kampfjets der deutschen Luftwaffe wieder an die Grenze zu Russland verlegt worden. Die Bundeswehr stellt ab Anfang August zum 13. Mal Kampfflugzeuge für die von NATO-Verbündeten im Wechsel gewährleistete Luftraumüberwachung über dem Baltikum, die auf dem Fliegerhorst Ämari in Estland stationiert werden.
Nach Angaben der Luftwaffe starteten am (heutigen) Mittwoch fünf Eurofighter, vier vom Taktischen Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ aus Wittmund sowie einer vom Taktischen Luftwaffengeschwaders 31 „Boelke“ aus Nörvenich, für das Baltic Air Policing in Richtung Estland. Wie üblich wird eine weitere Maschine in Deutschland in Reserve gehalten. Die Maschinen stehen bis April kommenden Jahres für die Luftraumüberwachung bereit. Dafür werden immer jeweils zwei Flugzeuge für Alarmstarts bereitgehalten, die so genannte Quick Reaction Alert (QRA).
Seit 2004 haben Kampfflugzeugen aus verschiedenen Ländern der Allianz im Wechsel die Sicherung des Luftraums über den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen übernommen, die über keine eigene nennenswerte Luftverteidigung verfügen. Die Bundeswehr trug von Anfang an zunächst mit Phantom- und dann mit Eurofighter-Kampfjets dazu bei.
Nach der russischen Annexion der Krim 2014 weitete die NATO diese Mission aus: In Ämari, in Šiauliai in Litauen und in Malbork in Polen stehen Kampfjets in Bereitschaft, um unbekannte Flugzeuge über dem Baltikum als auch im internationalen Luftraum über der Ostsee zu identifizieren und gegebenenfalls abzufangen. Während die deutschen Eurofighter nach Estland gehen, schickt Italien diesmal Eurofighter (und nicht wie zuvor F-35) nach Polen; ungarische Gripen gehen nach Litauen.
Die baltischen Staaten, direkt an Russland angrenzend, sollen mit dieser re-assurance, der demonstrativen Zusicherung der Bündnissolidarität gegenüber dem russischen Nachbarn gestärkt werden. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres hat das noch mal besondere Bedeutung bekommen.
Für die Bundeswehr ist es der 13. Einsatz. Zuletzt waren die deutschen Eurofighter von August 2020 bis Mai 2021 nach Ämai geschickt worden. Nach Angaben der NATO ist es insgesamt die 60. Rotation der Verbündeten in diesem Air Policing über dem Baltikum.
Zudem ist diese herkömmliche Luftraumsicherung inzwischen nur ein Teil der Luftraumüberwachung der Allianz an ihrer Ostflanke: While Hungary, Germany and Italy will be ensuring the 60th rotation of Air Policing in the region, Allies have swiftly provided even more assets contributing to our new Air shielding mission that will enable a long-term increase in the air and missile defence posture along the eastern flank in response to changes in the security situation, sagte der stellvertretende Chef des NATO Air Command, der französische Generalleutnant Pascal Delerce.
(Archivbild November 2018: Vorbereitungen für den Alarmstart eines Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwaders 74 aus Neuburg an der Donau auf dem Fliegerhorst Ämari/Estland im verstärkten Air Policing Baltikum der NATO)
Gestern waren mehrere Bundeswehr-Flugzeuge über Polen sichtbar (auf adsb global, Callsings GAFM51 und Bomber 21). Recht selten, normalerweise haben sie den Transponder nicht an. Die Air Policing Aufgabe ist da schon fast „Routine“, die zusätzlichen Patroullien eher nicht.
Für 2 einsatzbereite Flieger werden drei weitere mitgenommen und ein weiterer in Deutschland auf Reserve gelegt? Das erscheint mir als Fachfremder wie eine beeindruckende Quote an Reserve.
[Ehe sich da ein Irrtum festsetzt: Es sind immer im Wechsel zwei Maschinen in 15-Minuten-Startbereitschaft. Effektiv also eine Reservemaschine vor Ort, und ggf. kann eine weitere Maschine aus Deutschland nachgeholt werden. T.W.]
Da hat die Luftwaffe dieses Jahr auch genug zu tun…
Ich denke mal der Einsatz dürfte nicht langweilig werden…
zusätzlich steht ja ab August die Verlegung im Rahmen „Rapid Pacific“ nach Australien an…
Könnte der Tornado diese Rolle auch ausfüllen, da er vom Schleudersitz-Thema nicht betroffen ist?
[Das Schleudersitz-Thema hat sich für diese Maschinen erledigt, einfach den verlinkten Text der Luftwaffe lesen. T.W.]
@Jenny – nein, da der Tornado aus klassischer Jagdbomber für ein ganz anderes Missionsprofil (tief und vergleichbar langsam fliegen, um Eier zu legen) ausgelegt ist als ein (grundsätzlich mehrrollenfähiger) Eurofighter als Abfangjäger (schnell und hoch fliegen, anderen hinterher jagen und diese zu fangen versuchen).
Oder ein einfacher Vergleich:
Tornado = Opel Vectra Kombi (passt auch etwa vom Alter her) vs. Eurofighter = BMW M3 Coupe
Auch wenn man in beide den selben Recaro Sportsitz verbaut hat ;-)
„Erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs: Deutsche Eurofighter (wieder) an die russische Grenze“
Dann drücken wir alle doch mal fest die Daumen, dass keiner unserer Piloten seinen Schleudersitz wird brauchen müssen.
Wir schicken wieder EF an die Ostgrenze. Die Frage ist, ob die deutschen EF dafür auf dem Stand der Technik sind, auf dem sie sein könnten.
Seit Jahren verschleppt das BaainBw eine verbesserte Ausrüstung. Die britischen EF sind da viel weiter. Generell fehlt den deutschen EF das FLIR – warum immer noch ? Bei Airbus in Manching wurde eine aerodynamische Weiterentwicklung (EFEM/AMK) bereits 2015 demonstriert, die die Flugleistungen deutlich hochschrauben würde – warum wurde das immer noch nicht umgesetzt ?
Ich finde man geht hier unverantwortlich mit den eigenen Piloten um, angesichts der Bedrohungslage.
@Fox1
Zitat:“Ich finde man geht hier unverantwortlich mit den eigenen Piloten um, angesichts der Bedrohungslage.“
Ist das nicht offensichtlich? Für das VM und die angegliederten Behörden ist die „Bedrohungslage“ gar nicht real existent sondern lediglich herbeigeredet. Wie anders ist es zu erklären, dass man sich mit Modernisierung und Beschaffungen gefühlte Ewigkeiten Zeit lässt? Wäre man dagegen übeerzeugt davon, dass einee reale Bedrohung für unsere Sicherheit existieren würde, dann würden die Lichter im BaainBw gar nicht mehr ausgehen, weil das komplette Personal rund um die Uhr am arbeiten wäre, um die Misstände zu beheben.
Ironie aus.
@Fox1:
„Wir schicken wieder EF an die Ostgrenze. Die Frage ist, ob die deutschen EF dafür auf dem Stand der Technik sind, auf dem sie sein könnten.“
Aus meiner Sicht sind sie vom Stand auf dem man sein koennte weit entfernt. Allerdings versucht die Luftwaffe zur Zeit recht viel um fuer ihre Verhaeltnisse einige Luecken schnell zu schließen. Man beachte hier „fuer ihre Verhaeltnisse“ :)
@ Schlammstapfer: Das BAAINBw hat sich ueber viele Jahre durch eine unglaubliche Prozesshoelle bis zur Bewusstlosigkeit lahmgelegt. Das verhindert sehr sicher, dass selbst der motivierteste Sachbearbeiter (und die gibt es) zu zeitnahen Loesungen kommen kann. Aus meiner Sicht kann dieser Zustand nur von hoechster Ebene aufgeloest werden. Alle Mitarbeiter auf den vielen Ebenen darunter, sind durch die Vorgaben gelaehmt und ihnen ausgeliefert.
US verlegt 12 F-22 in Richtung Polen.
https://theaviationist.com/2022/07/27/f-22-raptors-to-poland/
[Das gehört thematisch eher zur Verstärkung der NATO-Ostflanke; deshalb schiebe ich das mal in den Thread zum Baltic Air Policing. T.W.]
@Sascha
„Allerdings versucht die Luftwaffe zur Zeit recht viel um fuer ihre Verhaeltnisse einige Luecken schnell zu schließen.“
In wie weit man da auch im Pazifik mitspielen muß erschließt sich mir nicht. Schließlich ist das kein realistischer Einsatzraum unserer Lw.
https://www.deutschlandfunk.de/luftwaffe-uebt-in-australien-100.html
SP LV/BV gilt für die fliegende Zunft wohl nicht?
@Thomas Melber:
Komplette Zustimmung! Ich sehe die Teilnahme an Uebungen am sprichwoertlichen „anderen Ende der Welt“ zur Zeit nicht geboten.
Die von mir angemerkten Bemuehungen beziehen sich auf nennenswerte Anstrengungen, die bereits vorhandenen und ggf. durch RAF bereits umgesetzte, funktionale Verbesserungen durch deutsche (hoellengleiche) Prozesse zu bringen. Dabei scheint die Durchlaufzeit tatsaechlich deutlich reduziert zu werden, aber dennoch weit hinter den Prozessen der RAF zurueckzubleiben.
Frage in die Runde: Wie lange flogen die Eufis eigentlich im Frühjahr als Verstärkung des Southern Air Policing in Rumänien, embedded so weit ich mich erinnere bei den Italiener, mit? Die Verlegung fand irgendwann im Winter statt, von einer Rückkehr habe ich nie etwas mitbekommen.