Luftwaffe im Baltic Air Policing: Zwölfter Einsatz an der russischen Grenze (Update)

Die Luftwaffe hat von Frankreich am (heutigen) Montag die Sicherung des Luftraums an der Nordostflanke der NATO übernommen und geht damit zum zwölften Mal in das Baltic Air Policing (BAP) an der Grenze zu Russland. Die Eurofighter des Taktischen Luftwaffengeschwader 71 Richthofen aus Wittmund sind für die am (morgigen) 1. September offiziell beginnende Mission in Ämari in Estland stationiert. Dabei  wollen außerdem Deutschland und Großbritannien ihre Zusammenarbeit beim Einsatz dieses Flugzeugtyps fortsetzen.

Seit 2004 hatten Kampfflugzeugen aus verschiedenen NATO-Staaten im Wechsel die Sicherung des Luftraums über den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen übernommen, die über keine eigene Luftverteidigung verfügen. Nach der Annexion der Krim weitete die NATO diese Mission aus: Sowohl in Šiauliai in Litauen als auch in Ämari stehen Kampfjets in Bereitschaft, um unbekannte Flugzeuge über dem Baltikum als auch im internationalen Luftraum über der Ostsee zu identifizieren und gegebenenfalls abzufangen.

Die Luftwaffe stellt für diesen Einsatz – der im offiziellen Sprachgebrauch kein Einsatz ist, weil im NATO-Gebiet – regelmäßig sechs Eurofighter. Üblicherweise sind vier davon in ihren Sheltern einsatzbereit, ein weiterer steht in Reserve und ein sechstes Kampfflugzeug wird in Deutschland bereitgehalten.

Insgesamt übernimmt Deutschland erneut zwei aufeinanderfolgende Rotationen, auch das hat sich in den vergangenen Jahren so eingespielt: Der logistische Aufwand für die Verlegung der Technik wird damit reduziert. Zunächst übernimmt das Geschwader aus Wittmund unter Führung von Oberstleutnant Sebastian Fiedler (Foto oben l.), es wird dann nach vier Monaten vom Taktischen Luftwaffengeschwader 74 aus Neuburg an der Donau abgelöst.

Formal ist das Kontingent in Ämari die Verstärkung für das Hauptkontingent in Litauen, das ab September unter italienischer Führung steht. Allerdings werden die italienischen Flugzeuge und Piloten voraussichtlich erst eine Woche später den Betrieb aufnehmen, so dass das deutsche Kontingent in den ersten Tagen für den gesamten Luftraum der baltischen Staaten zuständig sein wird. Deshalb wird für die nächste Zeit ab dem kommenden Donnerstag zusätzlich ein Tankflugzeug Airbus A310 MRTT der Luftwaffe in Šiauliai stationiert.

Ebenfalls in Litauen wird ein mobiler Gefechtsstand der Luftwaffe aufgebaut, ein so genanntes Deployable Control and Reporting Center (DCRC). Mit Außenstellen in Lettland und Estland soll die Einheit aus Schönewalde in Brandenburg die baltischen Staaten unterstützen. Die Führung der Alarmrotten in Litauen und Estland erfolgt aber, wie für den ganzen Norden der NATO, vom Combined Air Operations Center (CAOC) in Uedem bei Kalkar am Niederrhein aus.

Vermutlich auch in Estland im Einsatz, wenn auch offiziell wie üblich nicht bestätigt, sind Luftwaffenerfassungstrupps der Elektronischen Kampfführung (das wurde in den vergangenen Jahren nur deshalb bekannt, weil die sich öffentlich über ihre neue technische Ausrüstung gefreut und dabei den bevorstehenden Einsatz im Baltikum erwähnt hatten).

Bei der neuen Rotation im Baltic Air Policing baut die Luftwaffe zudem ihre Kooperation mit der Royal Air Force (RAF) beim Einsatz der Eurofighter  (britische Bezeichnung Typhoon) weiter aus. Bereits im Juli hatten Kampfjets des Wittmunder Geschwaders zusammen mit den britischen Flugzeugen in Litauen geübt und dabei auch die Möglichkeiten der technischen Zusammenarbeit bei der Wartung der weitgehend – wenn auch nicht vollständig – identischen Flugzeugmuster erprobt. Im Oktober sollen nun zwei Typhoon mit rund 50 Soldaten nach Ämari verlegt werden – auch dort wird es allerdings gemeinsam nur einen unbewaffneten Übungsbetrieb geben.

Auch wenn die Luftwaffe bereits im vergangenen Jahr ein bisschen sehr optimistisch von combined operations von Luftwaffe und RAF gesprochen hatte: Bis es tatsächlich zu einem gemeinsamen Einsatz kommt und zum Beispiel im Baltic Air Policing jede der beiden Nationen die Hälfte an Flugzeugen, Piloten und Technikern mitbringt, dürfte es noch etwas dauern. Dafür müsste nicht nur die sehr unterschiedliche Logistik der beiden Streitkräfte synchronisiert werden, die Vorschriften für die technische Überprüfung sowieso, sondern auch eine Lösung für die verschiedenen Regeln für einen möglichen Waffeneinsatz gefunden werden.

(Foto oben: Eine französische Mirage und ein Eurofighter der Luftwaffe über Estland bei der Ankunft der ersten deutschen Kampfjets am 27. August 2020 – PAO VAPB Estland; Foto unten: Der deutsche Kontingentführer Oberstleutnant Sebastian Fiedler, l., mit seinem VorgäŠnger, Lieutenant-colonel Joan Dussourd, Detachment Commander der franzšösischen LuftstreitkräŠfte – Niels Juhlke/Bundeswehr)