Bundeswehr verstärkt Präsenz in Litauen: Für Mai geplante Aufstockung wird vorgezogen
Die Bundeswehr verstärkt ihre Präsenz an der Ostflanke der Allianz und will dafür eine bereits für Mai geplante Aufstockung der NATO-Battlegroup in Litauen um 300 Soldatinnen und Soldaten vorziehen. Die Bundesregierung reagiert damit wie andere Verbündete auf die zunehmenden Spannungen mit Russland, vor allem angesichts der Situation an den Grenzen zur Ukraine. Aus Sicht der NATO gibt es allerdings keine Anzeichen für einen geplanten russischen Angriff auf die baltischen Staaten.
Die Bundeswehr führt bereits seit Februar 2017 das Bataillon der so genannten enhanced Forward Presence (eFP, verstärkte vorgeschobenen Präsenz) in dem baltischen Land. Die NATO hatte diese Battlegroups als eine Reaktion auf die russische Annexion der Krim zur Unterstützung der östlichen Mitgliedsländer Estland, Lettland und Litauen sowie in Polen eingerichtet.
Derzeit sind in diesem Battaillon in Rukla in Litauen rund 560 deutsche Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. Belgien, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen und Tschechien stellen rotierend zeitweise – manche auch dauerhaft – Soldaten für dieses Bataillon. Am Mittwoch dieser Woche findet die Rotation auf das elfte deutsche Kontingent statt, den Kern der Battlegroup stellt damit das Panzergrenadierbataillon 411 aus Viereck in Mecklenburg-Vorpommern unter Führung von Oberstleutnant Daniel Andrä.
Zudem hält die Bundeswehr für dieses Bataillon so genannte Verstärkungskräfte bereit, meist aus anderen Truppengattungen wie z.B. der Artillerie. Regelmäßig werden sie für Übungen nach Litauen verlegt. Im vergangenen Jahr war die Battlegroup sowohl im Mai als auch November mit knapp 400 deutschen Soldatinnen und Soldaten auf jeweils knapp 950 aufgestockt werden.
Die für den kommenden Mai vorgesehene Verstärkung soll nun vorgezogen werden. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht kündigte bei einem Besuch des Heeres in Munster am (heutigen) Montag an, das nun kurzfristig statt erst in drei Monaten gut 300 Soldatinnen und Soldaten nach Litauen verlegt werden sollen.
Diese so genannten Verstärkungskräfte waren bereits zuvor in eine höhere Bereitschaft versetzt worden; sie stehen inzwischen innerhalb von fünf Tagen zum Abmarsch bereit. Die Soldat*innen kommen vor allem aus der Artillerie und den Bereichen Aufklärung und ABC-Abwehr.
Litauen hatte in den vergangenen Wochen wiederholt um eine Aufstockung der NATO-Präsenz im Land gebeten. Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Militärausschusses der Allianz, des niederländischen Admirals Rob Bauer, gibt es jedoch bislang keine konkreten Anzeichen für eine Bedrohung des Baltikums, wie der Baltic News Service berichtet:
NATO has not seen any signs that Russia might be planning to attack the Baltic states, according to Admiral Rob Bauer, chairman of the NATO Military Committee. …
“Up until now, we don’t see an intent, we don’t expect an attack on NATO soil by Russia – either directly or via Belarus.”
The NATO representative’s view was echoed by Lithuania’s Chief of Defence Valdemaras Rupšys. “[Russia’s military buildup] is changing the security situation, and also accordingly the readiness of NATO and our national military capabilities, but there’s no direct threat tactically or operationally at this stage,” the army chief said.
Andere NATO-Länder hatten in den vergangenen Tagen bereits eine Aufstockung ihrer Truppen im Osten Europas angekündigt und zum Teil auch bereits umgesetzt. Die USA verlegten rund 1.700 Soldatinnen und Soldaten aus Fort Bragg nach Polen sowie ein Kommando-Element nach Wiesbaden; ein Stryker-Bataillon aus Bayern soll nach Rumänien verlegt werden. Großbritannien kündigte eine Verdoppelung seiner Truppen an der NATO-Ostflanke an. Frankreich prüft die Einrichtung einer NATO-Battlegroup, analog zum Baltikum, in Rumänien. Mehrere weitere Nationen wollen z.B. Kriegsschiffe ins Schwarze Meer verlegen.
(Archivbild September 2021: eFP-Übung Eager Leopard in Litauen – PAO eFP Battlegroup LTU)
Unverhofft kommt oft, da werden sich die Kameraden aber freuen (wg. Ostern, und so). Wie lange sollen sie denn in LTU bleiben? I.d.R. dauern die Übungen ja nur einige Wochen.
Kampfunterstützung/Einsatz- und Führungsunterstützung machen Sinn, Aufkl sogar sehr viel.
ABCAbw ist zumindest nett.
Was aber zu kurz kommt, ist die gepanzerte Stoßkraft, btw bei allen vier Battle Groups.
Zu solch kräftigem Signal reicht’s in Berlin freilich nicht. Gibt es Informationen wieviel Rohre die artilleristische Verstärkung ausmacht?
Olaf Scholz jedenfalls kann in Washington Erfreuliches mitteilen.
„Die Soldaten kommen vor allem aus Artillerie, ABC und Aufkl.“ Heißt dass, dass jetzt Haubitzen verlegt werden?
Ein richtiger, symbolischer Schritt. Insgesamt tut Europa aber viel zu wenig für seine Verteidigungssicherheit. Die USA schicken das vielfache an Soldaten nach Osteuropa. Aber was, wenn der amerikanische Präsident in 3 Jahren wieder Trump heißt ?
Der Militärhistoriker Sönke Neitzel vor einem Jahr:
“ Es ist eine absurde Situation, dass alle von der Verteidigungsfähigkeit Europas sprechen, aber in der konkreten Umsetzung jeder vor allem innenpolitische Interessen verfolgt. Ich glaube, die Europäer werden erst aufwachen und zu grundlegenden Strukturreformen kommen, wenn sie wirklich müssen. Doch dann ist es vielleicht zu spät.“
https://www.mdr.de/geschichte/bundeswehr-als-retter-interview-neitzel-100.html
Ewig Zeit haben Deutschland und Europa nicht mehr.
@Thomas Melber: Die sollten URSPRÜNGLICH für eine Übung dorthin verlegt werden – so, wie ich das jetzt verstehe, könnte das jetzt aber auch erstmal länger sein. Sie sollen ja „zur Verstärkung“ dahin. Wie lange? Naja, bis sie zurückbeordert werden, schätze ich mal. Hängt vermutlich nicht zuletzt von der weiteren Entwicklung der politischen Großwetterlage an.
@Thomas Melber
Unverhofft kommt in diesem Fall gar nichts.
Die militärische Führung der Verstärkungskräfte hat bei Auswerung der Lage die Truppe auf das Mögliche eingestellt. NTM von fünf Tagen spricht zudem für sich. Wer sich dabei dennoch unverhofft getroffen sieht, hat einiges in seinem Auftrag, in seinem Berufsbild, nicht verstanden.
Die tatsächliche Umsetzung wird zu beobachten sein, ein Kaltstart ist das nicht, nebenbei gesagt.
Welche Übung bitte?
Da läuft klassischer Einsatz, dessen Dauer letztlich in Moskau bestimmt wird.
Es geht ab sofort auf der Planungsebene vielmehr um Festlegung der Ablösungstruppe für die Verstärkungskräfte.
Da auf Multinationalität zurecht viel Wert gelegt wird, die auch in der eFP LTU verwirklicht ist, steht die Frage an, was deren zusätzlicher aktueller Beitrag sein wird.
Woher kommen jetzt die Verstärkungskraefte? Da das Panzergrenadierbataillon 411 jetzt im Februar übernimmt, würde ich raten, die Aufklärer kommen aus Eutin vom 6. Heeresaufklärungsbataillon und die Artilleriesten aus Munster. Oder sind andere Einheiten als Verstärkung eingeplant?
@KPK
Ja, Aufklärung, sicher wichtig; aber soweit ich weiß darf (durfte bisher) EloKa nicht mit, da gibt es Friktionen mit dem Gastland – was auch verständlich ist.
Wurden denn die VerstärkungsDP („eFP Reserve“) überhaupt noch namentlich besetzt (z.B. Personal des FGG2)? Wurde darauf nicht vor einigen Jahren verzichtet, weil: „wird eh nicht gezogen“?
@Christian S.
Ja, ich weiß, im Mai und dann noch einmal im Spätsommer, so wie immer.
Führungsgrundsatz: Bei Einsatz der Reserve ist sofort eine neue zu befehlen.
Also, die Ablösung der Verstärkungskräfte wird ab heute ausgeplant, Truppe benannt und ausgebildet sowie die Marschplanung eingeleitet.
Die Kameradinnen und Kameraden werden sich freuen, gerade weil in Rukla (Litauen) die Verhältnisse so Weltklasse sind. Besonders die Truppenküche ist sehr zu empfehlen.
@KPK
Natürlich kommt das für die betroffenen Landser unverhofft. Oder sitzen die Kameraden auf gepacktem Marschgepäck wenn in der Vorhabenübersicht: LTU, einige Wochen im Mai und im September, steht? Gibt es überhaupt die Vorgabe NTM 120h und ggf. Urlaubssperre und Schubladenbefehle?
Und: bisher waren dies Aufenthalte zur Ausbildung von LTU Kr. (SP Artillerie) und dann die EX IRON WOLF mit der LTU IRON WOLF Brigade.
MARS II blieb übrigens bisher zu Hause.
Mein Tipp:
Direkt das Material von Mali ins Baltikum fliegen. Ist demnächst alles verfügbar, spart Vorbereitungszeit und Logistikkosten.
Wäre schon genial wenn das funktionieren würde
@Florian Staudte
Ein Informationsbesuch in den (RUS) TrKü verbunden mit Erkenntnissen der Unterbringungsart zwischen Brest, Gomel, Brijansk und Belgorod, seit 08/21, scheint geeignet zum Zurechtrücken der Verhältnisse.
@Thomas Melber
Natürlich für die betroffenen Landser NICHT unverhofft.
IBuK dazu heute in Munster : „… Bin seit Tagen mit meinem LTU counter part und dem Kanzler im Gespräch …“
Dass der GI und InspH unbeteiligt blieben, betroffene Truppe über Vorbefehle nicht auf die Lageänderung eingestellt wurde, glauben Sie (nicht) wirklich.
@ Thomas Melber:
Die Verlegung kommt in der Tat nicht unverhofft. Die reduzierte NTM von 5d ist hinreichend bekannt.
@KPK
Nette Binse, aber apropos „neue Reserve bilden“ : Wer soll die denn werden und mit welchem Personal/Material? 414 geht in die Regeneration, insbesondere der niederländische Anteil dürfte sich komplett ändern. Der Rest wird kaum das Material haben, geschweige denn die Ausbildungshöhe. Insofern bleibt wieder einmal nur der Zusatz #weltklasse
@JS
Das Material muß sicher erst einmal aufgearbeitet und die Fahrzeuge auch umlackiert werden.
@Voodoo
Die Kräfte für VJTF 2023? Die sind jetzt eh in der stand-up Phase.
@Voodoo
„Wer soll die denn werden und mit welchem Personal/Material“?
Wüsste ich das, wär ich InspH.
Was aber an der Lösung dieser offenen Frage einer Reservenbildung nichts ändert.
In jedem Fall muss die BG in Gänze betrachtet werden, also unter Begutachtung verfügbarer Kräfte aller Nationen.
@Dante
Wir verlegen bereits seit 2016 regelmäßig eine Artilleriebatterie dorthin. Ja, mit Haubitzen und sogar Munition ( SARC off)
Mal was zum Begriff „OstFLANKE“. Wer hat den bloß geprägt und was hat er/sie sich dabei gedacht? Beim Tier ist die Flanke die Seite und wenn mich meine Erinnerungen an diverse Taktik-Ausbildungen nicht täuschen, dann ist eine Flanke im militärischen Sinn auch die Seite von mil Formationen, bezogen auf die Hauptstoßrichtung. Demnach müsste bei einer Ostflanke unsere Hauptstoßrichtung nach Norden oder Süden gehen. Gegen wen bloß?
Was soll also dieser Flankenunsinn? Ging es nur darum irgendeinen irgendwie militärisch-martialisch anmutenden Begriff zu verwenden, ohne es gleich zu provokant „Front“ zu nennen?
@Lykos: „Flanke“ deshalb, weil man so offene Konfrontation auch sprachlich vermeiden will. Das ist außenpolitisch motiviert und soll vermitteln, dass die militärische Hauptaufmerksamkeit der NATO nicht schon a priori nach Osten gerichtet ist. Weder zum Angriff, noch zu einer konkret bevorstehenden Verteidigung,
Was natürlich ein ganzes Stück Schönsprecherei ist, weil die Truppen dort selbstverständlich die Verteidigungsbereitschaft für den Fall russischer mil. Ambitionen signalisieren, ergo: die Flanke schützen sollen.
Front drückt eigentlich aus, dass man sich in offenen Kampfhandlungen befindet. Ich finde persönlich den neutraleren Terminus „Ostgrenze“ sinnvoller.
Taktisch-operativ-strategische Begriffe (in den Führungsebenen) im Militärwesen.
Front – Flügel – Flanke – Rücken, betrachtet vom Zentrum des Handelnden aus. Bei der Flanke besteht die Ergänzung in „tiefer Flanke“. Grundsätzlich stehen Flanken unter dem Schutz der Flügel als linker (li) oder rechter (re) Flügel.
Wo liegt die Schwierigkeit?
NATO kennt aus strategischer Sicht, bei LandOps, die Ost- und Südflanke. Mit Bezug auf Norwegen/Russland wird mitunter auch von Nordflanke gesprochen.