Nach den Sondierungen: Grundlegendes Verständnis der Ampel-Koalition in der Sicherheitspolitik

Nach der Bundestagswahl am 26. September haben SPD, Grüne und FDP Sondierungsgespräche über eine mögliche Ampel-Koalition geführt – und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass sie eine Regierungskoalition der drei Parteien anstreben wollen. Auch wenn die eigentlichen Koalitionsgespräche noch ausstehen, gibt ein Ergebnispapier einen ersten Überblick über die gemeinsamen Positionen der künftigen möglichen Partner – ein Überblick über die Außen- und Sicherheitspolitik.

In ihrem gemeinsamen Papier, das zusammen mit der Empfehlung für Koalitionsverhandlungen am (heutigen) Freitag veröffentlicht wurde, zeichnen SPD, Grüne und FDP natürlich erst einmal nur sehr grobe Leitlinien. Darin ist wenig überraschend, und Detailverhandlungen werden ja erst noch folgen. Die wesentlichen Passagen zum Thema in Auszügen:

10. Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt

Deutschland stellt sich seiner globalen Verantwortung. Keine der großen Aufgaben unserer Zeit können wir als Land alleine bewältigen.

Wir werden die Europäische Union (EU) stärken, um unserer Verantwortung zu entsprechen. Unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik werden wir wertebasiert und europäischer aufstellen. Die strategische Souveränität Europas wollen wir erhöhen.

(…)

Wir sind entschlossen, die EU handlungsfähiger und demokratischer zu machen und setzen uns ein für eine EU, die ihre Werte und ihre Rechtsstaatlichkeit nach innen wie außen schützt und ihre Handlungsfähigkeit stärkt. Wir treten für eine verstärkte Zusammenarbeit der nationalen europäischen Armeen ein.

Unsere Sicherheit und der Schutz unserer Lebensgrundlagen erfordern globale Zusammenarbeit, eine Stärkung der Vereinten Nationen sowie eine regelbasierte internationale Ordnung. Wir unterstützen und stärken Initiativen wie die Allianz der Demokratien. Das transatlantische Bündnis ist dabei zentraler Pfeiler und die NATO
unverzichtbarerer Teil unserer Sicherheit. Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson.

Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Internationalen Sicherheit. Wir verbessern ihre Ausrüstung wie auch die der Bundeswehr. Das Prinzip der Inneren Führung wollen wir stärken. Wir wollen die Evakuierungsmission des Afghanistan-Einsatzes in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Zudem wollen wir den Gesamteinsatz in einer Enquete mit wissenschaftlicher Expertise evaluieren. Die gewonnenen Erkenntnisse müssen praxisnah und zukunftsgerichtet aufbereitet werden, so dass sie in die Gestaltung zukünftiger deutscher Auslandseinsätze einfließen.

Aus unterschiedlichen Perspektiven schauend, wollen wir ein gemeinsames Verständnis von Deutschlands Rolle in der Welt erarbeiten. Die deutsche Außenpolitik soll künftig aus einem
Guss agieren und ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeiten. Ziel ist eine multilaterale Kooperation in der Welt, insbesondere in enger Verbindung mit denjenigen Staaten, die unsere demokratischen Werte teilen. Dabei geht es auch um den Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen. Wir wollen eine Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen.

(…)

Wir brauchen eine abrüstungspolitische Offensive und wollen eine führende Rolle bei der Stärkung internationaler Abrüstungsinitiativen und Nichtverbreitungsregimes einnehmen. Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik brauchen wir verbindlichere Regeln und wollen daher mit unseren europäischen Partnern eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung abstimmen.

Das ist in – wenigen – Teilen sehr detailliert, wie der Ankündigung von Untersuchungsausschuss und Enquetekommission zum Afghanistan-Einsatz. Weitgehend allerdings ist es die grundlegende Aussage zu einer Außen- und Sicherheitspolitik auf der gleichen Grundlage wie bisher. Interessant dabei: eine verstärkte Zusammenarbeit der nationalen europäischen Armeen kann man durchaus als Absage an eine Europa-Armee verstehen, ja selbst an mehr europäische Führung von internationalen Missionen. Es ist sozusagen die schwächste Formulierung in dieser Richtung, auch wenn davon die Rede ist, die strategische Souveränität Europas wollen wir erhöhen – ebenfalls (noch?) die schwächstmögliche Formulierung dafür.

Überraschend deutlich dagegen, aus meiner Sicht, die Aussagen zum Rüstungsexport: Eine einschränkende Regelung scheinen alle drei Parteien zu befürworten.

Etliche Punkte, an denen es Streit geben könnte, bleiben ausgeklammert: Was wird aus der Nuklearen Teilhabe (und damit übrigens auch aus dem Ersatz der betagten Tornado-Flotte?). Wie geht eine solche Koalitionsregierung, dann unter einem Kanzler und vorherigen Finanzminister Olaf Scholz, mit dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO um? Das und wohl noch viel mehr wird dann in den Koalitionsverhandlungen zur Sprache kommen müssen.

Das gesamte Papier (wie es von der SPD veröffentlicht wurde) hier zum Nachlesen im Gesamtzusammenhang:
20211015_Ergebnis_Sondierungen

(Symbolbild Ampel – Florian Gärtner/photothek.net)