Nach den Sondierungen: Grundlegendes Verständnis der Ampel-Koalition in der Sicherheitspolitik
Nach der Bundestagswahl am 26. September haben SPD, Grüne und FDP Sondierungsgespräche über eine mögliche Ampel-Koalition geführt – und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass sie eine Regierungskoalition der drei Parteien anstreben wollen. Auch wenn die eigentlichen Koalitionsgespräche noch ausstehen, gibt ein Ergebnispapier einen ersten Überblick über die gemeinsamen Positionen der künftigen möglichen Partner – ein Überblick über die Außen- und Sicherheitspolitik.
In ihrem gemeinsamen Papier, das zusammen mit der Empfehlung für Koalitionsverhandlungen am (heutigen) Freitag veröffentlicht wurde, zeichnen SPD, Grüne und FDP natürlich erst einmal nur sehr grobe Leitlinien. Darin ist wenig überraschend, und Detailverhandlungen werden ja erst noch folgen. Die wesentlichen Passagen zum Thema in Auszügen:
10. Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt
Deutschland stellt sich seiner globalen Verantwortung. Keine der großen Aufgaben unserer Zeit können wir als Land alleine bewältigen.
Wir werden die Europäische Union (EU) stärken, um unserer Verantwortung zu entsprechen. Unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik werden wir wertebasiert und europäischer aufstellen. Die strategische Souveränität Europas wollen wir erhöhen.
(…)
Wir sind entschlossen, die EU handlungsfähiger und demokratischer zu machen und setzen uns ein für eine EU, die ihre Werte und ihre Rechtsstaatlichkeit nach innen wie außen schützt und ihre Handlungsfähigkeit stärkt. Wir treten für eine verstärkte Zusammenarbeit der nationalen europäischen Armeen ein.
Unsere Sicherheit und der Schutz unserer Lebensgrundlagen erfordern globale Zusammenarbeit, eine Stärkung der Vereinten Nationen sowie eine regelbasierte internationale Ordnung. Wir unterstützen und stärken Initiativen wie die Allianz der Demokratien. Das transatlantische Bündnis ist dabei zentraler Pfeiler und die NATO
unverzichtbarerer Teil unserer Sicherheit. Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson.
Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Internationalen Sicherheit. Wir verbessern ihre Ausrüstung wie auch die der Bundeswehr. Das Prinzip der Inneren Führung wollen wir stärken. Wir wollen die Evakuierungsmission des Afghanistan-Einsatzes in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Zudem wollen wir den Gesamteinsatz in einer Enquete mit wissenschaftlicher Expertise evaluieren. Die gewonnenen Erkenntnisse müssen praxisnah und zukunftsgerichtet aufbereitet werden, so dass sie in die Gestaltung zukünftiger deutscher Auslandseinsätze einfließen.
Aus unterschiedlichen Perspektiven schauend, wollen wir ein gemeinsames Verständnis von Deutschlands Rolle in der Welt erarbeiten. Die deutsche Außenpolitik soll künftig aus einem
Guss agieren und ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeiten. Ziel ist eine multilaterale Kooperation in der Welt, insbesondere in enger Verbindung mit denjenigen Staaten, die unsere demokratischen Werte teilen. Dabei geht es auch um den Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen. Wir wollen eine Nationale Sicherheitsstrategie vorlegen.
(…)
Wir brauchen eine abrüstungspolitische Offensive und wollen eine führende Rolle bei der Stärkung internationaler Abrüstungsinitiativen und Nichtverbreitungsregimes einnehmen. Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik brauchen wir verbindlichere Regeln und wollen daher mit unseren europäischen Partnern eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung abstimmen.
Das ist in – wenigen – Teilen sehr detailliert, wie der Ankündigung von Untersuchungsausschuss und Enquetekommission zum Afghanistan-Einsatz. Weitgehend allerdings ist es die grundlegende Aussage zu einer Außen- und Sicherheitspolitik auf der gleichen Grundlage wie bisher. Interessant dabei: eine verstärkte Zusammenarbeit der nationalen europäischen Armeen kann man durchaus als Absage an eine Europa-Armee verstehen, ja selbst an mehr europäische Führung von internationalen Missionen. Es ist sozusagen die schwächste Formulierung in dieser Richtung, auch wenn davon die Rede ist, die strategische Souveränität Europas wollen wir erhöhen – ebenfalls (noch?) die schwächstmögliche Formulierung dafür.
Überraschend deutlich dagegen, aus meiner Sicht, die Aussagen zum Rüstungsexport: Eine einschränkende Regelung scheinen alle drei Parteien zu befürworten.
Etliche Punkte, an denen es Streit geben könnte, bleiben ausgeklammert: Was wird aus der Nuklearen Teilhabe (und damit übrigens auch aus dem Ersatz der betagten Tornado-Flotte?). Wie geht eine solche Koalitionsregierung, dann unter einem Kanzler und vorherigen Finanzminister Olaf Scholz, mit dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO um? Das und wohl noch viel mehr wird dann in den Koalitionsverhandlungen zur Sprache kommen müssen.
Das gesamte Papier (wie es von der SPD veröffentlicht wurde) hier zum Nachlesen im Gesamtzusammenhang:
20211015_Ergebnis_Sondierungen
(Symbolbild Ampel – Florian Gärtner/photothek.net)
@ Groundabort
Ja, die Bomberfähigkeit wird der EF nie erreichen.
Aber braucht man das noch?
Ich würde eher darauf tippen, dass man in Zukunft Drohnen von einem Kampfflugzeug aus steuern muss.
„Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik brauchen wir verbindlichere Regeln und wollen daher mit unseren europäischen Partnern eine entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung abstimmen“.
Das funktioniert nicht. Frankreich und unsere anderen europäischen Partner werden dies niemals akzeptieren. Es wird keine europäische Rüstungsexportpolitik ohne eine europäische Außenpolitik geben. Und es gibt keine europäische Außenpolitik ohne eine europäische Armee, die glaubwürdig ist. Da haben wir beim Besuch von Ursula von der Leyen bei Erdogan gesehen. Beginnen wir mit der Grundung einer europäischen Armee.
Ich denke, hochtrabende Wolkenkuckucksheime hätte man einer solchen Koalition i.G. auch nicht wirklich abgenommen, angesichts des aktuellen Hausaufgabenstands der Politik in puncto Bundeswehr.
Erst vor der eigenen Tür kehren. Interessant dürfte sein, was aus der Ankündigung der Einschränkungen der Rüstungsexporte werden wird. Wenn die SPD so handelt, wie immer, wird sie die unter der großen Koalition angeleierten Rüstungsgeschäfte bei Akutwerden der Exportgenehmigungen (da ist ja meistens ein gewisser Zeitversatz involviert) ohne mit der Wimper zu zucken durchwinken.
Spannend wird auch, ob der Gewerkschaftsflügel (IGM) hinsichtlich Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie sich dann nochmal zu Wort meldet.
Denn eines muss man sich ehrlich eingestehen. Wer keine Rüstungsindustrie will, die vollständig am Staatstropf hängt, muss die Produkte auch irgendwohin verkaufen (wollen). Und wer nicht auf überteuerten Schrott angewiesen sein will, sondern Innovation und Fortschritt möchte, der braucht einen funktionierenden Wettbewerb. Funktionierenden Wettbewerb gibt es aber nicht, wenn Anbieter nur für den nationalen Minimarkt in mikroskopischen Losen produzieren, die dann aus Budgetgründen nach mehrjähriger Entwicklung fast sicher nochmal eingedampft werden.
@ pak
100 Prozent Zustimmung.
@ Pak
Sie stellen es komplett falsch herum dar.
Schritt Eins wäre die europäische Einigung, die Schaffung eines Bundesstaates – daran ist bis auf Weiteres nicht zu denken.
Schritt trölf wäre dann die Schaffung einer europäischen Armee.
Wer es umgekehrt macht, schafft ein Gebilde wie die D/F-Brigade oder die EU-Battlegroup im großen Maßstab – zum Teil Folklore, zum Teil Illusion gemeinsamen Handelns ohne einen konkreten Wert. Oder um es mit einem geflügelten Wort aus der Truppe zu sagen „Wenn Du nicht in den Einsatz gehen möchtest, lass‘ Dich bei NRF oder einer EU-BG einplanen“. Warum? Weil man sich auf deren Einsatz niemals einigen wird. Warum? Weil es keine bundesstaatliche Exekutive gibt, welche diese Armee einsetzen könnte.
Ansonsten:
Wenn keine Schulden aufgenommen und keine Steuern erhöht werden sollen, ist klar, wo gespart werden wird. Daran ändert auch der Absatz über die Außenpolitik und die pflichtschuldige Erwähnung der Bundeswehr nichts.
Dass noch fix 117 Personalentscheidungen im BMVg betreffs B-Besoldung durchgedrückt wurden, lässt in dieser Hinsicht auch Raum für Interpretation ;-).
@Hans Dampf
Die DEU/FRA Brig war ja auch als „Inkubator“ für bi- / multinationale Interoperabilität gedacht. Wenn man eine europäische Armee (tatsächlich wohl eher ein Brigade- oder Divisionsäquivalent) tatsächlich wollte könnte man es relativ problemlos aufstellen.
@Hans Dampf:
„Operation Abendsonne“ ist ja bei vielen ausklingenden Regierungsbeteiligungen Gang und Gäbe – egal welcher Couleur oder unter welchem Bundeskanzler. Das mag man – zu Recht – verurteilen, aber es ist nun mal Teil des Spiels.
Aber ob zwangsläufig der Verteidigungshaushalt in Mitleidenscchaft gezogen wird, ist m.E. nicht gesetzt. Ich glaube eher, dass man sich formaljuristisch rauskauft und viele Klimaprojekte in „Agenturen“ ausgliedert. Die sind dann GmbHs oder Ähnliches, gehören nicht zur BRD und fallen daher auch nicht unter ie Schuldenbremse.
Ansonsten ist das Bonmot zu NRF nicht neu. Es geht und ging hier immer nur um Symbolpolitik.
Aber allein die Schaffung/Nutzung eines gemiensamen Verteidigungsrates oder eines europäischen Sicherheitsrates zur Orchestrierung von nationalen Einsätzung nach internationalen Zielen und Absprachen, wäre schon mal ein nicht zu unterschätzender Fortschritt.
(Ja, man wird ja noch mal träumen dürfen)
Uns stehen mit Sicherheit heftige Veränderungen mit Blick auf die Bundeswehr ins Haus:
Das (bereits jetzt unbezahlbare) Fähigkeitsprofil bleibt als nationale Ambition (bisher) planungsleitend. Die Personalzahl 203.000 Soldatinnen und Soldaten ist gesetzt und soll nicht verringert werden (offiziell).
Die Betriebsausgaben der Bw steigen unaufhörlich (Instandhaltung des älter werdenden Materials, Personal, Pensionen, …).
Der Verteidigungshaushalt sinkt in den nächsten Jahren (und vermutlich stärker als geplant mit Blick auf Schuldenbremse, Corona-Finanzierung, Sturmflutfolgen, …). Damit ist jeglicher finanzieller Spielraum so eng, dass diese ganzen schönen Dinge wie STH, F-18, MGCS, F127 usw. nur in homöopathischen Dosen finanziert werden können (oder auch gar nicht).
Also: die Ambition soll gleichbleiben, Personal soll gleichbleiben, Betriebskosten gehen hoch, Etat geht runter. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, sieht man auf den ersten Blick.
Jetzt kann man sich aussuchen, was man macht, um wieder beweglich zu werden: Ambition verringern, Personal verringern, Etat erhöhen.
Die aktuelle Bundeswehr mit ihrer Ambition und ihrem Personal ist akut unterfinanziert und hat keinen finanziellen Spielraum für Investitionen. Damit der wieder zurückgewonnen wird, müssen wir die Ambition anpassen oder die Personalzahl verringern. Mit dem Blick auf die neuen Technologien usw. wird es vermutlich das Letztere werden. Und wenn man den Gerüchten glauben darf, sind auch schon geringere Personalzahlen für Soldatinnen und Soldaten im Gespräch … Egal, wer IBUK wird – es wird ein Streichminister (oder Ministerin).
ich denke es könnte darauf hinauslaufen dass man den EPL14 auf bestehendem Niveau festschreibt… also so um die 1,5-1,7% des BIP… das wäre unter den aktuellen Rahmenbedingungen ja schon ein Erfolg!
der/die neue Minister:in muss dann schauen dass die Beschaffungs- und Betriebsprozesse gestrafft werden und am Ende einfach mehr funktionierendes Gerät auf dem Hof steht.
Personaldecke wird bei 180.000 verbleiben… ggf ein paar Reservisten mehr.
Ziel mehr Mannschaften/Einsatzbereite Soldaten
Zivile Stellen werden hingegen reduziert.
Bei den Beschaffungen wird man hoffentlich schauen was funktioniert und was nicht… und von dem was funktioniert dann mehr beschaffen… egal wo es am Ende herkommt.
folgende Richtungsentscheidungen könnte ich mir vorstellen:
Verzicht auf NT (schön für die grünen) und Stärkung der einheimischen Industrie (schön für die FDP) kombiniert mit pro europäischen Initiativen (Stärkung der D/F Brigade zur schnellen/mittleren Eingreifbrigade, verlegbar auf Radfahrzeugen in Europa, Deutschland stellt Boxer bei)… ggf. Stärke zeigen ggü Russland
mehr Engagement in Afrika inkl. Steigerung Entwicklungshilfe.
persönlich könnte ich mir bei den Beschaffungen vorstellen dass man:
– Auf die NT und somit auf die F18 verzichtet. stattdessen einfach eine weitere Tranche Eurofighter beschaffen (mit ECR Fokus) -> spart unterm Strich ein paar Mrd €
– Beim STH wird man dagegen hoffentlich schnell Nägel mit Köpfen machen… egal welches Modell
– persönlich hoffe ich auf eine mittlere dreistellige Anzahl an neuen/weiteren Boxern in diversen Ausführungen (RCH, IFV, Shorad, usw.)
– bei den Drehflüglern weitere H145M in diversen Rollen, auch als leichter UH
– bei einem weiteren Los Puma muss man genau hinschauen ob man das durchwinkt, oder ob man doch auf Lynx setzt (wie viele andere Länder), oder ein paar Boxer IFV mehr statt Puma, oder komplett darauf verzichtet.
– bei den bewaffneten Drohnen denke ich dass man sich dazu durchringen kann und für die Heron ein paar FK beschafft um in Zukunft die Möglichkeit für den bewaffneten Einsatz zu haben. Die neue EuroMALE Drohne wird ja schon bereit sein… da wird man in den nächsten Jahren nichts konkret an Bewaffnung entscheiden/beschaffen müssen.
Ichverstehe nicht, warum einige jetzt den Untergang des Abendlandes postulieren, nur weil die CDU nicht an der Regierung beteiligt sein wird. Was hat die Bundeswehr denn in den letzten 16(!) Jahren CDU-geführter Regierung davon gehabt? War jetzt alles toll, nur weil man in den letzten 2-3 Jahren erkannt hat, das man die Truppe totgespart hat und es mehr Geld gab?
Man sollte sich immer ins Gedächtnis rufen, dass die letzte große Bundeswehr-Reform 2011 unter dem CDU-Verteidigungsminister de Maiziére stattfand. Ein Stichwort: dynamisches Verfügbarkeitsmanagement, ein Zustand, der trotz mannigfaltiger Lippenbekenntnisse der regierenden Politiker bis heute nicht behoben wurde.
Es wird jetzt anders – keine Frage. Aber auf keinen Fall wird es schlimmer, der Tiefpunkt unter der scheidenden Regierung ist nicht zu toppen.
@ all
Das Problem des klammen Geldbeutels haben fast alle europäischen Staaten.
Wenn man den Umfang seiner Verteidigung nicht, die Ausgaben seiner Verteidigung aber schon reduzieren möchte, bleibt nur eine engere Zusammenarbeit als Lösung übrig.
Daran wird man sich gewöhnen müssen.
Ich denke, es wäre bei einer EU-Armee möglich, den Etat um 20 Prozent zu reduzieren und trotzdem leistungsfähiger zu sein, als jetzt.
Unter dem monetären Vorzeichen lautet die Frage an die Politik in den EU-Staaten eher, warum man es nicht tun sollte, statt warum man es tun sollte.
Das Geld ist knapp und hier bietet sich Potential ohne Leistungsverlust.
Eine Verringerung der Personalstärke wird m.E. weder kurzfristig noch überhaupt große Einsparungen erbringen, da mindestens die Pensions- und Versorgungslasten im Einzelplan 14 erhalten bleiben. Gleichwohl wird man da aber ran müssen, weil ansonsten alles noch viel schlimmer wird. Zudem gelingt es ja offensichtlich ohne hin nicht das Personal für die geplante Stärke zu gewinnen.
In der bisherigen Bundesregierung gab es zumindest jedes Jahr mehr Geld für die Bundeswehr, wenn auch mit nach hinten sinkenden Finanzlinien und unter dem Strich viel zu wenig, um vom dynamischen Verfügbarkeitsmanagement weg zu kommen und wieder über ad hoc einsatzbare, voll ausgestattete Kräfte zu verfügen. Dabei darf man aber auch nicht übersehen, dass es im Rahmen bereitgestellter Haushaltsmittel mit der Leistungsfähigkeit der Bedarfsdeckungsorganisation inkl. Wirtschaft nicht zum Besten bestellt ist.
Die in diesem und den letzten Jahren ins Außenverhältnis gegangenen Vorhaben werden Preissteigerungen erleben. Auch diese müssen erst einmal bezahlt werden können, was nur mit einem steigenden Haushalt geht. Ansonsten müssen laufende Projekte abgebrochen werden.
Erst danach braucht man sich überhaupt Gedanken über neue Großvorhaben zu machen. Wenn etwa die F-18 bisher nicht finanziert sind, dann kann man durch Verzicht auf diese auch nichts einsparen.
Jedes neue, stärkere europäische Engagement benötigt ebenfalls zusätzliche Haushaltsmittel.
Hier kommt als zentrales Problem hinzu, dass die anderen Nationen dies mit der Erwartung verbinden werden, dass diese Kräfte dann auch eingesetzt werden können. Genau hier sitzt DEU aber im „Bremserhäuschen“. Ich sehe hier mit der neuen Bundesregierung keine Änderung am Horizont. Daher bin ich skeptisch, dass sich die anderen Nationen darauf verstärkt einlassen, selbst wenn DEU hier vorangehen sollte.
@Nordlicht:
Zustimmung.
Die offenen Baustellen allein im Heer Kosten auch nochmal mehr als 8 Mrd – für eine Division:
https://www.fkhev.de/dl/InfoBriefHeer_04-21_WEB_Druckversion.pdf
Wenn der Finanzplan von der neuen Koalition nicht angepasst wird, dann wird man gar nix mehr beschaffen können, sondern muss laufende Projekte stoppen.
Bin mir nicht sicher, ob diese Lage von allen Entscheidungsträgern wirklich verstanden wird. Oftmals scheint man sich mit dem jährlichen Anstieg des EPl 14 zufrieden zu geben.
Die Weichen werden mit dem HH 2022 und vorallem dem Finanzplan gestellt.
@ Nordlicht
Die europäische Armee braucht keine zusätzlichen Gelder.
@ Realist
Ich glaube nicht, dass Ihr Nomen diesbezüglich Omen ist. Ich wiederhole mich ungern, ohne europäische Einigung, keine europäische Armee: Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsmacht – überhaupt nichts trifft auf die EU in der derzeitigen Form als Staatenbund zu.
Insofern: forget it. Kein Land in der EU ist bereit, derart viele Hoheitsrechte an die EU abzutreten. Nur weil man das in Deutschland meint – wie bei so vielen anderen Politikfelder auch – heißt das nicht, dass das anderswo genauso gesehen wird; es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass es anders gesehen wird.
@ Pio-Fritz
Sie sagen es, unter der CDU war der Haushalt in den letzten Jahren steigend. Niemand hat behauptet, dass dort Glanzleistungen vollbracht wurden, aber mit den Schwerpunkten, die nun die Ampel-Koalition setzt und mit den Rahmenbedingungen, ist es unausweichlich, dass bei der Bundeswehr der Rotstift angesetzt wird. Den Untergang des Abendlandes wird es nicht bedeuten – hat aber auch niemand hier behauptet.
@ Hans Dampf
Ich glaube nicht, dass man eine Wahl in der EU hat.
Wir schlittern gerade in die nächste Finanzkrise, die Kosten durch Corona sind uferlos, die Kosten gegen den Klimawandel werden eine Herkulesaufgabe.
Die Chinesen testen Hyperschallwaffen und die Russen bauen ihre Atomwaffen aus.
Wo wollen wir da stehen? Und woher soll das Geld dafür kommen?
Wir müssen uns als EU zusammentun.
Oder wir konzentrieren uns auf Entwicklungshilfe und Grenzschutz.
Was die Haushaltslage angeht, sollte man sich in Erinnerung rufen, dass der Staat über einiges Vermögen verfügt.
Anteile an Telekom, TUI, Commerzbank…
Rücklagen für Flüchtlingskrise 58 Mrd…
Jährliche Subventionen über 100 Mrd.
@Nurso
Verstehe ich jetzt nicht: Aufruf zur Kriegswirtschaft, alles in die Rüstung! Oder wie ist das gemeint? Dass Sie die sog. „Flüchtlingskrise“ erwähnen, aber nicht mal Corona, lässt schon ahnen, worauf Sie hinauswollen…
@Memoria:
Danke für den Link.
Diese 8 Mrd € fürs Heer ist letztendlich aber der Hebel der am meisten für die Verteidigungsfähigkeit, für die Einsatzfähigkeit und für die weitere europäische Integration, im Rahmennationskonzept, bringen würde.
Für das was am Ende dabei rauskommt ist der finanzielle Bedarf an dieser Stelle überschaubar…
aber das Problem ist woher das Geld nehmen?
Das ist halt auch Geld was größtenteils in den nächsten 1-2 Jahren benötigt wird… und nicht erst in 5 Jahren…
Vllt macht es Sinn für die Bundeswehr eine Art einmal Betrag im Haushalt für akute Beschaffungen/Modernisierung bereitzustellen.
So bläht man den Haushalt nicht langfristig auf… und kann beschaffen was in den letzten 20 Jahren verpasst wurde… mit 15-20 Mrd € als einmal Betrag käme man hier schon weit.
Und Prio 1 sind die Wünsche des Heeres!
Ganz nach dem Motto der FDP „Super Abschreibungen“ für den Kickstart nach Corona
oder nach den Grünen „Investitionen fürs Klima“
Aber das wird es vermutlich nur geben wenn Außenpolitisch „schlimme Dinge“ passieren
Ich glaube mich zu erinnern, dass einige der Ampelsondierer betonten, dass die Bundeswehr nicht MEHR Geld braucht, sondern vorhandene Finanzmittel besser auslasten muß.
Ich sehe in der Ampel die Chance, dass Erneuerung und Zukunftsdenken auch das BMVg ergreift.
Allein das Thema Natur, Umwelt und Ressourcen aber auch Digitalisierung, Mobilität und Verkehrsinfrastrukturen werden den verfügbaren Finanzrahmen schnell sprengen. Ehrlicherweise muß die Frage erlaubt sein, welche solcher Herausforderungen muß man in welcher Priorität begegnen. Verteidigung kann da schnell nach hinten rutschen.
Verschwendung, Prestigeprojekte u.ä. sollte dann auch in der Bundeswehr der Vergangenheit angehören. Nicht das Wünschenswerte sondern das NOTWENDIGE. Viele wissen hier, dass dies zu oft aus dem Ruder lief. Beispiele kann man hier genügend nachlesen.
Ein Gedanke zum BMVg. Ich denke, dass man nicht nur die Spitzen-Köpfe austauschen sollte. Das passiert bei der politischen Leitung ja sowieso. Sind nicht auch im gesamten Apparat des BMVg verkrustete Strukturen entstanden und trotz Ankündigungen nie wirklich beseitigt worden? Gibt es nicht einen Zusammenhang zwischen CDU/CSU Führung und Personalbesetzung der Spitzendienstposten? Abgesehen von der ohnehin in einem Ministerium offenbar latent innewohnenden Angepasstheit an die jeweiligen Mininister. Was für absurde Ideen wurden mitgetragen! Auch dazu kann man hier abendfüllende Lektüre finden.
@Pio-Fritz
Schlimmer geht immer.
Trennung
In Kenntnis der Koalitionsverhandlungen läßt sich sagen: Auch die Bundeswehr wird bis 2030 CO2-neutral gemacht. Oder erwartet sich jemand ernsthaft etwas anderes?
(Nein, das war jetzt kein Sarkasmus.)
[Glückwunsch. Die Koalitionsverhandlungen haben noch nicht mal begonnen, aber Sie können dazu schon „In Kenntnis der Koalitionsverhandlungen“ etwas sagen. Auf das Niveau sinken wir hier nicht ab, lassen Sie das. T.W.]
Zur künftigen Haushaltslage heute früh im DLF hörenswertes Interview mit Hans Eichel, 1999 bis 2005 Bundesminister der Finanzen unter Schröder.
Unter den Prämissen der Sondierungen des Trios sieht er zur Erfüllung anstehender und gewünschter Verpflichtungen nur Aufnahme von „Schulden in erheblichem Umfang“ in 2022, bevor ab ’23 die Schuldenbremse wieder greift.
Aber auch dies, obwohl formell zulässig, betrachtet er als unzulässige Umgehung der Schuldengrenze im Geiste des GG.
Generell darf festgestellt werden, der Honeymoon der Sondierung ist passé, das Trio steht eher kurz vor dem Teufelsmoor.
Der Dienstposten IBuK dürfte als heiße Kartoffel gehandelt werden, Aspiranten eher Fehlanzeige. Marie-Agnes Strack-Zimmermann vielleicht?
@Nurso
Was regen Sie eigentlich an?
@T. Wiegold:
Ich hatte es eher so verstanden, dass ja bisher – bei entsprechendem politischen Willen – immer noch irgendwo vorhandenes Geld gefunden wurde. Allerdings fehlt mir ein wenig der Glaube, dass man binnen einer Legislaturperiode selbst mit allen vorhandenen Mitteln die Bundeswehr derart umkrempeln könnte, dass hier alle Kommentatoren zufrieden sein werden.
Ich rechne eher damit, dass große Zukunftsprojekte mit hohem Finanzierungsbedarf auf die Lange Bank kommen und man wieder zu „good enough for government purposes“ zurückkehren wird, statt immer die Goldrandlösung mit Industrieförderanteil zu wollen. Die Entscheidung für F/A-18 E/F und Growler für den Ersatz der Tornados war da m.E. schon ein Schritt in die richtige Richtung.
Und zur Not: selbst die Schuldenbremse kennt Ausnahmen; beispielsweise ist die auch derzeitige Ausgabenpraxis nicht gerade von einer schwarzen Null geprägt. Weil aber die Schulden von heute die Steuern von morgen werden, funktioniert das bei konsumtiven Ausgaben nur dann länger, wenn entweder man selbst, oder die Wähler nicht rechnen können.
@Pio-Fritz:
Hoffnung ist was schönes. Ich teile sie, bin aber doch noch etwas skeptisch. Murphys Gesetz besitzt starke Beharrungskräfte!
An alle, die denken, dass die EU-Länder sich gegen eine weitere Integration sperren werden, hier ein exemplarisches Beispiel für Kosteneinsparungen OHNE Fähigkeitsverlust:
FCAS (D, F, ES): Entwicklungskosten geschätzte 100 Milliarden Euro plus der notwendigen Beschaffung.
Tempest (UK, IT, SE): Entwicklungskosten auf ähnlichem Niveau, da Umfang und Leistung identisch werden.
Also wäre es hier möglich, die Entwicklungskosten zu halbieren, wenn man die Programme zusammenlegt.
Und das ist nur ein Programm von sehr vielen…Ich sage nur U-Boote, Fregatten, Minenjagdboote, usw.
Wir (und auch die anderen europäischen Staaten) geben einen zu hohen Anteil an vielen Programmen für die Entwicklung aus. Kleinstserien und Doppelentwicklungen kosten sehr viel, sind aber nicht effektiv.
DAS muss aufhören, damit der Umfang der Verteidigung nicht genau aus diesen Gründen zusammengestrichen wird,
Ansonsten werden wir bald britische Verhältnisse haben, was die Stückzahlen der Ausrüstung angeht,
Die Bundeswehr ist angeblich schlecht ausgerüstet, weil sie zu wenig
Geld bekommt. Man hört also immer wieder die Forderung nach mehr Geld. Braucht die Bundeswehr wirklich mehr Geld? Vorschläge für kurzfristige und erst recht mittelfristige Rationalisierungs- und Einsparpotentiale von und bei der Bundeswehr selbst habe ich offensichtlich überhört. Ich meine nicht den in jeder Reform angewachsenen ausuferndern Optimierungswahn. In jeder Reform wollte die Bundeswehr ihre Strukturen verschlanken, Kopflastigkeit und Verantwortungsdiffusion beheben und einsatzbereite Kräfte bereitstellen.
Aktuell wird es kurios, eine Bundeswehr, welche zum Teil selbst verschuldet, keine PS auf die Straße bringt, redet von Kriegstauglichkeit und ruft nach Geld, noch mehr Geld.
Die Bundeswehr sollte erstmal im eigenen Haus Missstände abstellen und das zur Verfügung stehende Geld richtig und sinnvoll ausgeben. Ab und zu wäre auch ein medial bescheideneres Auftreten hilfreich. Stichwort Anspruch und Wirklichkeit. Fehler nicht nur bei den ‚anderen‘ suchen,
Oder sollte ich es besser als Frage formulieren, wo, in welchen Bereichen, wurde tatsächlich mal etwas eingespart? Einsparpotential bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung, das soll es bekanntermaßen geben, wird in der Wirtschaft schon praktiziert. Bundeswehr hat außer Bekundungen dazu nicht so viel beigetragen.
Kosten-Nutzen-Rechnungen für manche Projekte sind so unglaublich schlecht. Verschwendung ist so oft nachgewiesenermaßen auf Planungsfehler zurückzuführen. Alle wissen es, doch von ‚oben‘ kommt offiziell ‚wir haben verstanden‘, doch oft ein defacto ‚weiter so‘. (damit meine ich nicht nur die Gorch Fock)
Tausende Soldaten und Beamte in Dutzenden Abteilungen und Referaten des BMVg aber auch nachgeordenten Stäben arbeiten unverändert eher aneinander vorbei als miteinander.
Statt früher rund 3300 sollten es nur noch etwa 1600 Mitarbeiter im Verteidigungsministerium sein. Nun hat man die 2000 Marke wohl wieder gerissen. Da kommt ja aktuell noch der Gedanke an das Aufblähen der Ministerien mit politischen Versorgungsposten hoch.
Das die Bundeswehr nur bedingt verteidigungsfähig ist, liegt nicht nur an den sich verändernden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen. Man hat sich ab 2010 selbst allzu viele „Komplexitätsfallen“ und „Organisationsstrukturen“geschaffen, welche auf dem Papier gut klangen, aber in der Praxis schon nach kurzer Zeit in das Leere führten. Funktions- und Prozessorientierung der Bundeswehr, das klang so gut. Skurrile Bürokratie erhielt moderne Namen. Aus allgemeiner Verantwortungsdiffusion wurde eine noch viel komplexer werdende Verantwortungsdiffusion. Manches wurde noch skurriler. Rüstung, Beschaffung, Nutzung war so ein Monster. Personalwirtschaft wurde zum nahezu undurchsichtigem Geflecht. Kommandos von milOrgBer welche schon nach kurzer Zeit bewiesen, dass man sich selbst die falsche Organisation geschneidert hat. Man könnte es fortsetzen.
Viele der damals Zuständigen für Fehlentwicklungen sind heute noch in der Bundeswehr, alle nach oben gefallen. Die Bundeswehr ist nicht einsatzbereit aber man sitzt ja bequem.
Die Ampel könnte da mal Öffentlichkeit schaffen und Transparenz erzeugen. Verantwortungsübernahme einleiten, das wäre auch fein.
Ich zitiere den InspH aus dem o.a. InfoBrief Heer:
„Die Dysfunktionalität des Gesamtsystems im Hinblick auf unser Kerngeschäft LV/BV wird nach wie vor deutlich.“
und leite mal ab: „Obwohl man mehr Geld in ein Fass ohne Boden pumpt, wird es nicht voll“.
Wenn das Kerngeschäft nicht mehr funktioniert, muß man restrukturieren oder Konkurs anmelden.
Die Bankrotterklärung der LV/BV kann niemand wollen. Deshalb:
Alles was nicht zum Kerngeschäft gehört muß weg, um Ressourcen freizumachen. Das ist unabweisliche Konsequenz.
Die Erfahrung lehrt: Je länger man wartet, um so radikaler müssen die Einschnitte werden!
Organisation und Struktur:
Zu viele Beteiligungen an internationalen Stäben, zu viele Stäbe insgesamt, Personalbindung abseits der LV/BV verringern etc. Bsp: 3-4 Wehrbereiche statt 16 Landeskommado?
Beschaffung:
Kaufen was es gibt, statt eigener Entwicklungen etc.
Keine Industriesubventionen aus den Vg-Haushalt. Echte Beschränkungen auf Kern-Kompetenzen (z.B. Panzer, Uboote) und national unabdingbare Fähigkeiten (Krypto)
Personal:
Schon jetzt findet eine Auswahl im wesentlichen nur noch bei der ärztlichen Eignungsfeststellung statt.
200 Tsd. Uniformträger im Frieden sind offensichtlich unerreichbar, aber auch unnötig zur LV/BV.
Deshalb zurück zu kürzeren Verpflichtungszeiten, wesentliche Verringerung der Präsenzstärken, vermehrte Abstützung auf Reservekräfte (Grundbeorderung ist erst der Anfang!).
Das Personal beansprucht bereits jetzt den Löwenanteil des Etats.
Level of Ambition anpassen:
1 Pz. Brigade bis 2023; 1 Pz. Divison 2030+; ein(!) multinationales Korps mit 2 Divisionsäquivalenten plus Korpstruppen teilaktiv (!).
Nur so kann Geld für Ausbildung, Modernisierung und Investitionen (Gerät und Munition!) gewonnen werden.
Die angekündigte Aufarbeitung des Afghanistanabzugs wird die Frage nach den europäischen militärischen Fähigkeiten sehr schnell auf die Tagesordnung bringen. Bezeichnend ist das die einzige Art von Operationen die in rein nationaler Verantwortung durchgeführt werden können soll eben nur mit massiver US-Hilfe zustande gebracht wird. Keine Nation in Europa kann das allein (vllt die Russen). Reichen binationale Projekte für solch ein level of ambition?
Ob das eine Europäische Armee oder eine Armee vieler nationaler Streitkräfte ist wirft natürlich die Frage der Finalität des europäischen Einigungsprozesses auf. Da will in einem Koalitionsvertrag natürlich keiner ran. Aber @Hans Dampf:
Typisches Ei-Henne-Problem: entsteht aus einem Staatenbund ein Bundesstaat wenn man ihm Streitkräfte gibt? Der Hinweis auf die notwendige Souveränität erklärt nicht solche „Anomalien“ der Geschichte wie etwa die Deutsche Reichsflotte (die vom 14. Juni 1848). Da gab es einen Beschluss einer Nationalversammlung die gar keine Kompetenz, aber das Geld dafür hatte.
Ich sehe für die Zukunft eher ein typisch europäisches Sowohl-als-auch: die europäischen Institutionen könnten ermächtigt werden, eigene Streitkräfte aufzustellen, (z.B. um einen Flughafen für eine EvakOp offen zuhalten, oder ein Flugfeld, oder Landestreifen…). Und die EU-Mitgliedstaaten behalten parallel ihre eigenen Streitkräfte um das zu machen was Ihnen lieb und teuer ist (von der Prinzengarde bis zur force de frappe).
Dafür braucht es natürlich eine Art EU-Bundesmatrikularkasse. Vielleicht können die Ausgaben hierfür auf das 2%-Ziel der NATO angerechnet werden?
Ich finde hier werden viele richtige Themen angesprochen (Reformeritis, Level of Ambition, Wasserkopf, Verantwortungsdiffusion, Personal, Beschaffung). Die Frage ist wohl, ob die Ampel es überhaupt für notwendig erachtet die Bw als politische Priorität zu betrachten.
Da habe ich meine Zweifel.
Weder sind die geopolitischen Verschiebungen ein echtes Thema noch eine Antwort von NATO, EU und den Impulsen und Beiträgen der Nationalstaaten.
Laut einem Bericht bei SPON soll es bei den Koalitionsverhandlungen eine Arbeitsgruppe aus Sicherheit, Verteidigung, Entwicklung und Außenpolitik geben.
Schon diese Reihenfolge ist irgendwie seltsam.
Es fehlt schon an der notwendigen Ernsthaftigkeit Sicherheitspolitik zu denken – abseits von Schaufensterthemen wie bewaffnete Drohnen und nukleare Teilhabe.
Man müsste sich ja zunächst mal fragen welche Beiträge Deutschland zur Bündnisverteidigung leisten soll und will, welche Art von Einsätzen noch gewünscht sind und warum bei MilEvakOp (nationale Aufgabe!) wir angeblich keinen Flughafen sichern können – oder eher wollen (siehe die Schlussbemerkungen von AKK bei der Afghanistan-Konferenz in denen sie infrage stellte, ob Deutschland bei Verlusten wie die Amerikaner noch weitergemacht hätte).
Aber nun soll ja eine nationale Sicherheitsstrategie formuliert werden.
Ergebnis ist jetzt schon klar:
Ein neues Weißbuch mit neuem Namen.
Fazit:
Es gäbe genug zu tun, aber wer will das politisch durchsetzen?
Die Bundeswehr bleibt auch unter der Ampel ein heikler wie wichtiger Teil unseres Landes, unserer Gesellschaft.
Zuverlässige, einsatzbereites Streitkräfte sind neben wirtschaftlicher Stärke, politischer Stabilität und florierender Kultur eines der Merkmale eines gut funktionierenden Staates. Unsere Bundeswehr ist dafür zuständig, eingebettet in Bündnisse, die Sicherheit des Landes und des Bündnisgebietes durch Bedrohungen von außen zu gewährleisten – mögen sie zukünftig noch so fern oder gar unrealistisch scheinen. Denn Streitkräfte dienen auch der Abschreckung und müssen auf eine ungewisse Zukunft vorbereitet sein. Nur der liebe Herrgott weiß, wie die Welt in 30 Jahren aussehen wird. Bis dorthin müssen wir für den Ernstfall Traditionen pflegen und militärisches Wissen von Generation zu Generation weitergeben. Allerdings ist auch eine Rückbesinnung auf Kernfähigkeiten notwendig. Wenn wir nicht einsatzbereit für LV/BV sind, müssen manche Schmankel halt wegfallen. Wieviel moderne Bewaffnung und Ausrüstung könnte man mit zuviel investiertem Geld der Gorch Fock beschaffen. Dies ist nur ein (!) und sehr plakatives Beispiel. Die ehrliche Erfassung der Summe von durch die Bundeswehr selbst versenkter Milliarden würden wohl zur Finanzierung einer Heeresbrigade reichen.
Die zur fähigkeitsorientierten Streitkräfteplanung benutzte Methodologie ist vorhanden, in der Praxis aber nicht verwirklicht.
SOLL – IST-Vergleiche durchzuführen und Fähigkeitsdeltas festzustellen, dazu sind bereits die jungen Generalstabsoffiziere ausgebildet.
Die Ampel Verteidigungsexperten sollten daher, so wie hier schon mehrfach angerissen, die Frage stellen, warum mit den hohen Verteidigungsausgaben eine Armee geschaffen wurde, welche für ihren Hauptauftrag LV/BV meldet: „NICHT EINSATZBEREIT!“ „NICHT EINSETZBAR!“ Also eine bedenkliche Lage, nicht oder nur bedingt „abwehrbereit“, in Summe, die Sicherheit des Landes und des Bündnisgebietes durch Bedrohungen von außen nicht gewährleist. Die Antwort, mit mehr Geld ist alles zu lösen, ist mir zu billig.
Da kann man schon mal verzweifeln und sich fragen, können da politische Entscheidungsträger ruhig schlafen. Möge auch keiner sagen, dass man sich „Mühe gegeben hat, aber…“
Liebe Ampel, kehrt da mal richtig durch. Die Diskussion darüber, wie und mit welchen Fähigkeiten Deutschland sicherheitspolitisch handeln sollte und tatsächlich KANN ist aber so etwas von überfällig.
Natürlich wäre eine EU-Armee ein großes Unterfangen. Die Gefahr der Uneinigkeit zwischen Mitgliedsländern liegt auf der Hand. Da sollten wir mal vom Träumen Abstand nehmen.
@Karl Mohr sagt: 19.10.2021 um 14:45 Uhr
„Bsp: 3-4 Wehrbereiche statt 16 Landeskommado?“
Das wäre ja das alte Modell vor 2006/2009. Bis 2006 gab es die WBK I-IV (WBK=Wehrbereichskommandos) denen VBK= Verteidigungsbezirkskommandos unterstanden. Kommandeur VBK war jeweils ein Oberst A16. 2007 hat man die Landeskommandos (LKdo) aus der Taufe gehoben. Kommandeur 13mal Oberst B3, 3mal Brigadegeneral. Alle VBKs sowie die hauptamtlichen KVKs (Kreisverbindungskommandos) wurden aufgelöst. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, gab es knapp 50 VBKs mit jeweils 1-2 hauptamtlichen KVKs. Die LKdos gab es stellenmässig quasi zum „Nulltarif“.
Mal abgesehen davon, daß die WBK-Kommandeure den Dienstgrad Generalmajor hatten, mit entsprechendem Unterbau. Diese wurden 2009 aufgelöst, wenn ich das richtig erinnere.
Bei Ihrem Gedankenspiel sind keine Stellen zu holen oder Personal freizusetzen. Von der Seite eines aktiven Soldaten aus ist die momentane territoriale Struktur die schlankeste, die die Bw je hatte .
Memoria 19.10.2021 um 18:35 Uhr
All die hier genannten Aspekte müssten in einen langfristigen, übergeordneten sicherheitspolitischen Ansatz integriert werden. Eine nationale Sicherheitsstrategie.
Hat man uns schon an der FüAkBw 2006 beigebracht, dass dies notwendig ist.
Man fragt sich, warum in der Zeit der Entstehung des letzten Weißbuches 2016 politische und militärische Entscheidungsträger diese nun wieder im Raum stehende Erkenntnis nicht umgesetzt haben. Schon damals war klar, das Weißbuch 2016 ähnelte seinen Vorgängern: Es lieferte im Wesentlichen eine Bestandsaufnahme dessen, wie die Regierung die Sicherheitslage einschätzte und zu den Themen, die aus damaliger Sicht in einem Horizont von einigen Jahren relevant erschienen – es basierte genau nicht auf einer systematischen sicherheitspolitischen Vorausschau.
Bei aller Berechtigung neuer strategischer Dokumente, doch diese Bundeswehr braucht weniger eine erneute Analyse, es bedarf der Umsetzung. Da lag wohl zu viel im Argen. Die militärische Realität ist streckenweise erschütternd. Was die Politik alles wollte, mehr außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Auch Verteidigungsminister – und ministerinnen haben sich mit klangvollen Reden voller Ankündigungen einen Namen machen wollen.
Doch die Wirklichkeit lässt Träume zerplatzen. Da kommt nun ein Inspekteur des Heeres und spricht: „Wir müssen alles daransetzen, das Deutsche Heer wieder konsequent auf seinen Kernauftrag – die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) – auszurichten, ohne in den gegenwärtigen Einsätzen nachzulassen. (…) Wir müssen bereits heute mit dem strategischen Weitblick für morgen planen, um für übermorgen vorzusorgen.“
Da ist er wieder der strategische Weitblick. Wo war dieser denn bisher?
Aus den Fehlentwicklungen heraus rasch eine leistungsfähige Bundeswehr zu ‚zaubern‘, ist eine fast unlösbare Aufgabe.
@dieandereMeinung:
Zustimmung.
Zumal im Eckpunktepapier im Jahr 2021 – also 8 Jahre (!!) nach der Krimkrise – aufgeschrieben wird, dass man einsatzbereite Großverbände benötigt, die zweckmäßig strukturiert, ausgerüstet und ausgebildet sein müssen.
Deswegen ist dieses Eckpunktepapier eine Bankrotterklärung der politischen Leitung und militärischen Führung.
Es wird aber weiterhin so getan, als ob das Eckpunktepapier nun der große Fortschritt wäre (und die Konsequenzen daraus müssen nun erstmal untersucht werden…).
Da hat die Ampel viel Arbeit vor sich oder man ignoriert es weiter.
Streitkräfte braucht man halt nur vielleicht irgendwann, die Vorbereitungen dafür brauchen aber viele Jahre, viel politischen Mut und viel Geld.
.
Also politisch sehr unattraktiv.
Ich rechne bei einer Dreierkoalition in Deutschland noch weniger mit einer wirklichen Sicherheitsstrategie, als ich es bei einer Regierung täte, die aus nur zwei Parteien bestünde.
Dazu fehlt zum einen die politische Bereitschaft, gegenüber der Bevölkerung auch unangenehme Dinge auszusprechen, etwa, dass zur Durchsetzung deutscher (und europäischer) Interessen unter Umständen auch bewaffnete Einsätze vonnöten sein können – bei denen natürlich zwangsläufig auch die Chance besteht, dass Soldaten im Zinksarg heimkommen.
Zum anderen fehlt die Aufrichtigkeit, notwendige Schritte zu ermitteln, abzuwägen und auch gegen Widerstände umzusetzen.
Man sieht es immer wieder. Deutschland gefällt sich sicherheitspolitisch international immer mehr in der Seelsorgerrolle mit angedocktem Gemischtwarenhandel. Bloß niemanden vor den Kopf stoßen oder den Dialog aufkündigen. Nicht einmal mit Ladendieben und den Leuten, die einem nachts die Schaufenster einwerfen!
Das grundgesetzliche Verbot des Angriffskrieges hat seine historische Begründung. Nur ist angesichts der veränderten geopolitischen und technologischen Weltlage die Frage, welche asymmetrischen Bedrohungen und Übergriffigkeiten eine Bundesrepublik Deutschland tolerieren muss, bevor eine belastbare Grundlage für die Verteidigung der eigenen Interessen, nötigenfalls auch mit militärischen Mitteln, besteht.
In der Zeit des kalten Krieges war die Welt vielleicht nicht direkt einfacher, aber die Bedrohungsszenarien waren weniger diffus. Es ist viel anschaulicher, dass auch ein tief empfundenes „Nie wieder Krieg!“ leider keinen feindlichen Panzer aufhält, der über die Grenze gerollt kommt, als der Öffentlichkeit die Schattierungen asymmetrischer Kriegsführung erklären zu müssen.
Sicherheitspolitisches Know-How gilt in Deutschland außerhalb der ohnehin beruflich oder sonstwie interessierten Kreise ja gern auch mal als anstößig. Wer sich gedanklich privat mit Krieg und Konflikt beschäftigt, ist oft ein Sonderling, benutzt auch häufig eine komische Sprache, usw….
@ Pauvre pecheur
Nichts für ungut, aber Ihr Beispiel von der Reichsflotte von 1848/49 zeigt doch eindrucksvoll, was (gemeinsame) Streitkräfte ohne (gemeinsame) Staatlichkeit wert sind: Gar nichts.
Insofern liegt höchstens dergestalt ein Henne-Ei-Problem vor, als dass eine Armee ohne Staatlichkeit nichts wert ist und sich Staatlichkeit erst durch Streitkräfte, als Staatsmacht, voll entfaltet.
Die Sinnhaftigkeit von EU-Streitkräften, neben und zusätzlich zu den nationalen, erschließt sich überhaupt nicht bzw. würden sich selbst ad absurdum führen, denn wieso bräuchte man noch nationale Streitkräfte, wenn es doch europäische gibt? Zumal Außen- und Verteidigungspolitik klassisch zur Kompetenz der Bundesebene gehört, da verbietet sich eine Abbildung auf der Ebene der Gliedstaaten.
Und last but not least: Es gibt unterschiedliche Strömungen in der EU – BEL z.B. orientiert sich militärisch in Richtung FRA und die osteuropäischen Staaten, allen voran POL, tendenziell in Richtung USA. Selbst bei der vielzitierten DEU-NLD-Kooperation behalten sich die NLD gewichtige Reservatrechte vor (u.a. Kampfpanzer, Battle Management System). Wie soll man all das zusammenführen? Verschiedene Sprachen, verschiedene Kulturen, verschiedene Vorstellungen, was den Einsatz von Streitkräften angeht usw.
Egal, wie man es dreht und wendet, eine europäische Armee wird es nicht vor der politischen Einigung geben. Es mag an mir vorbei gegangen sein, aber außerhalb Deutschlands wird diese Idee nicht prominent verfolgt, womöglich deshalb, weil nationale Souveränität und Interessen für alle anderen Staaten selbstverständlich sind und man sich eher Gleichgesinnte für eine Kooperation sucht, als sich der Illusion hinzugeben, 27 Vorstellungen von Streitkräften unter einen Hut bekommen zu können.
@Hans Dampf
Es geht auch darum, der GASP / GVSP ein von den Nationalstaaten unabhängiges Instrument zur Verfügung zu stellen, quasi „das Schwert“ der EU, welches sie (beinahe) unabhängig von Partikularinteressen der Mitglieder einsetzen kann.
Das vermeidet Lösungen auf der Ebene eines Minimalkonsenses. Ansonsten bleibt die EU sicherheitspolitisch ein zahnloser Tiger.
@Hans Dampf, 20.10.2021 um 10:14 Uhr
„Sinnhaftigkeit“ von EU-Streitkräften, sowas von richtig Ihr Beitrag.
In Deutschland links der Mitte ein Traum, im sonstigen Europa ein Albtraum.
Ich fürchte allerdings, mit der Ampel wird das Thema erneut gehyped werden.
Aus dem Wahlprogramm der FDP
– Für eine gemeinsame Verfassung der Europäischen Union als Bundesstaat
…
– Für eine Europäische Armee. Wir Freie Demokraten wollen den Aufbau einer europäischen Armee unter gemeinsamem Oberbefehl und unter parlamentarischer Kontrolle.
Einzig von Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist dazu Bodenständiges zu vernehmen.
Die supra-nationale Überforderung der EU zeigt sich regelmäßig an den Außengrenzen schon in Friedenszeiten. Wer, wir ausgenommen, übergibt dann noch seine nationale Souveränität und sicherheitspolitische sowie militärische Interessenwahrnehmung an Brüssel?
Der deutsche Bürger – und nur der – kann u.U. sogar mehrheitlich dafür sein. Aber allein in der Hoffnung, hiermit das leidige Thema Krieg und Gefallene los zu werden.
Ich setzte auf die NATO.
Die NATO ist doch das beste Beispiel dafür, dass eine EU-Armee zwar anfangs eine Herausforderung wäre, aber mittelfristig funktioniert.
Es muss klar definiert sein, welche Kompetenzen bei den einzelnen Staaten und welche bei einem gemeinsamen Verteidigungsministerium lägen.
Es hat nichts mit linker Träumerei zu tun, sondern mit der Schaffung eines adäquaten Gegenpols zu China und Russland.
Und ganz nebenbei erhöhen wir die Interoperabilität, sparen viel Geld und können unsere Soldat:innen trotzdem endlich so ausstatten, wie sie es verdienen.
@ KPK
Die NATO ist keine Lösung.
Es sind weder alle EU-Staaten, noch alle europäischen Staaten in der NATO.
@Pio-Fritz
Sie missverstehen meine Absicht und deuten meinen Beitrag falsch.
Die Landeskommandos (LKdo) haben in ihrer derzeitigen Form und Ausstattung keine angemessene Aufgabe. Entschieden wird im Kdo TA, durch den Nationalen Territorialen Befehlshaber und die Landeskommando führen nur sich selbst(!), eine unterschiedliche Anzahl Heimatschutz-Kompanien und halten Verbindung zu Landesregierung, Bezirken und Kreisen.
Warum das durch aktive(!) militärische Dienstposten und üppige Stäbe mit Stv/CdS plus S1 bis S6 und geführt durch einen BG oder O geschehen muss, ist fragwürdig. Denn Hilfskontingente in der ZMZ bringen ihre Führung ja mit.
Führung ist ausdrücklich nicht Aufgabe der Landeskommandos, denn entscheiden dürfen sie (fast) nichts. Verbindungen halten könnten auch Reservisten, geführt aus schlank strukturierten Kommandos im Wehrbereich. (Klappt doch unterhalb der Ebene „Land“ mit den KVK/BVK auch).
Dazu kommt die Doppelorganisation bei der „Betreuung der unbeorderten Reservisten“, hier konkurrieren die LKdo mit dem (ebenfalls BMVg-finanzierten) Reservistenverband, um die knappe Ressource Zeit der Reservisten und mit den Karrierecentern (Wehrersatz) um die Ressource „Information“.
Das alles gehört in die Kiste mit der Aufschrift „Dysfunktionalität“ und ist nur ein (sehr) kleiner Ausschnitt aus dem „Wimmelbild“ Struktur der Streitkräfte.
Oder um es mit einem platten Spruch zu umschreiben:
„Das Glas ist nicht halbvoll oder halbleer. Das Glas ist zu groß.“
Mir wird zu oft vergessen, dass die letzten 16 Jahre das BMVG durch die Union (in den Abgrund) geführt wurde.
Zahlreiche Einsparmaßnahmen und insbesondere die glorreiche Idee der Abschaffung der Lagerhaltung waren Einfälle von CDU/CSU-Verteidigungsministern.
Das kann nur besser werden. Egal ob es nun ein SPD/Grüner/FDPler wird.
Ich hoffe es für unsere Soldaten.
Der Realist 20.10.2021 um 11:38 Uhr.
Inhalt des Fadens und meine Kernaussage behandeln die Ampel und deren mögliche SiPo Inhalte.
Zur NATO dennoch.
Nur die NATO hat Relevanz. Oder wird unterstellt bei einer Verteidigung in West/Mitteleuropa überließe das Bündnis z.B. AUT, CHE, SWE, IRL einem Agressor in seinen operativen Maßnahmen durch fein säuberlich Aussparung in der FLOT?
Ich rege aber lieber die Betrachtung von wahrscheinlichen Absichten der Ampel beim EP 14 und operativer Ausrichtung der Bundeswehr an, was eher der Thematik entspräche.
Die Thematik EU-Armee kommt langfristig, so oder so, auf den Tisch. Mir gefallen hier die Lösungsansätze „gar nicht“ und „alles zusammenwerfen“ nicht wirklich.
An sich wäre die Ideallösung Blöcke zu schaffen, die politisch, sprachlich, geographisch und bezogen auf Ausrüstung zusammen passen. Diese können dann über die nächsten Jahrzehnte im Rahmen von Neuanschaffungen das Material vereinheitlichen.
Auf die Bundesrepublik bezogen, kommt hier der Block GER/FRA/NED/DEN in Betracht. Luxemburg habe ich mal außer Acht gelassen, da sich hier die Frage stellt, ob ein kleines Herzogtum hier Sinn macht, oder man einfach deren, mehr als überschaubare Truppe, integriert. Bei Schaffung eines solchen Blocks macht es für die Luxemburger auch keinen wirklichen Sinn mehr, Streitkräfte zu unterhalten. Wenn der Block besteht, wird mit Sicherheit kein Gegner, der es bis ans Herzogtum geschafft hat, von dessen Truppen aufgehalten.
Belgien ist politisch komplex, man bedenke dieser Staat stand in der jüngeren Vergangenheit mehrmals vor der Auflösung.
Wir dürften mit NED u. DEN politisch, was Sipo betrifft, groß Überschneidungen haben, mit FRA aktuell noch ausreichend große. FRA muss hier mitgenommen werden, da nur bei Beteiligung der zwei großen Akteure in der EU, ein ausreichend markantes Statement bzw. der erwünschte Anziehungseffekt erreicht werden können. Sonst besteht auch die Gefahr, dass im Falle einer Beteiligung durch AUT, der Eindruck eines groß-germanischen Blocks entsteht.
Sprachlich kommen deutsch, französisch und englisch in Betracht. Mindestens was Offiziere angeht, kann man auch über den Besuch einer streitkräfteinternen Sprachschule während der Ausbildung nachdenken (eventuell nach einer bestimmten Anzahl an Dienstjahren eine weitere Sprache), NED u. DEN dürften mit das beste englisch innerhalb der EU sprechen.
Wenn die Franzosen dann idealerweise ihre noch vorhandenen Mirage 2000 durch Advanced Superhornet / Growler ersetzen, hätte man zum Beispiel in diesem Bereich einen vertretbaren und machbaren Mix aus EF, Rafale, F/A bzw. E/A-18 u. F-35.
Weitere Blöcke könnten dann die skandinavischen und baltischen Staaten sein, ebenso ESP, ITA, POR und entsprechende Gegenstücke im Osten (hier aktuell wohl am schwersten umzusetzen).
Man könnte auch langfristig auf enge Abstimmung u. Kooperation dieser Blöcke setzen. Denn bei einem wirklichen Zusammenschluss der Blöcke wird alleine das Thema Sprache fast unlösbar.
Jeder Block muss dann aber auch wirklich zusammenwachsen, sonst hat man nur einen Haufen übergroße EU-Battlegroups. Wenn alle national getrennt bleiben, entsteht alleine optisch der Eindruck, man versucht nur mal was und jeder kann innerhalb weniger Wochen wieder sein eigenes Süppchen kochen. Ein derartiges Vorhaben muss man in Gänze oder gar nicht angehen. Halbherzige Ansätze sind hier nicht zielführend.
Den Angehörigen der Streitkräfte, die sehr stark nationalistisch eingestellt sind und diese Blöcke ablehnen, muss innerhalb der Truppe selbst verdeutlicht werden, dass die Beibehaltung nationaler Armeen eine dauerhafte Schwächung und den Verlust militärischer Schlagkraft bedeutet. Wenn man es richtig umsetzt, verringert man die Abhängigkeit vom großen Bruder USA (eventuell wird der „große“ sogar zum einfachen Bruder), man ist gegenüber RUS, CHI u. TUR in einer deutlich besseren Position und verhindert, dass Europa in Sachen Verteidigungspolitik eine ganz kleine Nummer wird.
Von mir aus am Tag der „Blockgründung“ eine Feldparade im Übermaß, damit auch die überzeugtesten Nationalisten was haben, an dem sie sich aufgeilen können. Man muss klarmachen, dass man zwar die nationale Armee verliert, aber im Gegenzug mehr militärische Macht erhält (auch wenn insbesondere unsere Politik mit diesem Begriff Probleme haben wird).
Mich selbst konnte man auch mal zu den Zweiflern rechnen, doch auf Dauer gibt es keine wirkliche Alternative. Außer man will zum Spielball diverser aufgestiegener Großmächte werden. Alleine das Verhalten der Führung in Peking, sollte hier Überzeugung genug sein. Dort wird man sich mit Sicherheit nicht sagen, diese Europäer sind so süß und flauschig, die lassen wir mal in Ruhe. Wer mit einer Milliardenbevölkerung und Machtausübung bis nach Afrika hinein, sowie Späßchen wie der Unterstützung von Kartellen in Mexiko um die US-Südgrenze instabil zu halten, nicht zufrieden ist, macht klar wo die Reise hingeht und dass es ein „genug“ für Peking so nicht gibt.
Wo wir in der EU, jeder für sich, da auf Dauer bleiben, kann sich jeder ausmalen.
Man muss so eine Blockbildung als Ausgangspunkt einer, in eher ferner Zukunft liegenden, EU-Armee aber dann auch wirklich durchziehen. Das bedeutet, dass dann eben ein französischer Offizier, einen aus unserer Luftwaffe stammenden EF steuert, hinter ihm sein niederländischer WSO und man rollt in Aalborg zum Start, da man dort stationiert ist.
Unsere Politik muss verstehen, dass man den Weg zu diesem Moment nicht ebnet, indem man einen Wettbewerb zur Klärung der G36 Nachfolge anregt, während der größte EU-Partner FRA mit HK416 u. 417 durch die Wälder hüpft. Da zieht man dann mit, insbesondere da man ja in Berlin so gern die EU-Armee verwirklichen will.
Das bedeutet auch einheitliche Uniformen (dürfte mehr Verhandlungstage beanspruchen als die Ausrüstung an sich). Diese müssen, so blöd es klingt, auch verdammt schick aussehen, da man so der Truppe auch im Detail Anreize bietet. Ja, solche Kleinigkeiten haben da dann auch Bedeutung. Insbesondere eine neue, nicht mehr nationale Armee muss auch auf die „Arbeitskleidung“ bezogen, ansprechen und Identität stiften.
Und die Verteidigungsausschüsse von GER/FRA/NED/DEN müssen dann eben zusammensitzen. Ebenso Verbindungsleute zu den Ministerien für Äußeres, Finanzen u. Entwicklung. Man sollte vermeiden, dass Leute in derselben Stammeinheit nach unterschiedlich langer Dienstzeit in Pension gehen oder gleichrangige Offizieren mehrere hundert Euro Gehaltsunterschied aufweisen.
Das Argument, dass hierfür erst ein Bundesstaat EU nötig ist, kann ich nicht nachvollziehen. Solange die Befehls – und Kommandogewalt geregelt sind, ist es machbar. Nur weil es außergewöhnlich wäre, heißt das nicht dass Streitkräfte hier kein positives Beispiel geben können. Wer sagt dann, dass es von oben verordnet werden muss und kein Anstoß aus der Truppe selbst kommen kann?
Man muss auch nicht als EU 100%ig zusammenwachsen. Die Erkenntnis, dass die Wahrung der Verteidigungsfähigkeit zu akzeptablen Kosten nur in Form dieser Blöcke realisierbar ist, reicht aus um die Begründung zu liefern. Sich gemeinsam zu verteidigen und auf Krisen in Afrika zu reagieren, muss nicht mir Auflösung der Nationalstaaten einhergehen.
Diese Haltung, „hat so noch keiner gemacht – also lassen wir das“ bringt keinen weiter. Aber man muss es eben richtig durchziehen. Alleine schon um die Glaubwürdigkeit gegenüber den außereuropäischen Verbündeten zu erhalten und Staaten wie CHI u. RUS zu zeigen, dass man es ernst meint und der Laden nicht nach der ersten kleinen Krise auseinanderbricht. Belastungsfähigkeit kann man erwarten oder sicherstellen. Letzteres hat insbesondere Berlin noch nie so richtig auf die Reihe gekriegt.
Hat alles den Vorteil, dass ein Scheitern der Blockbildung dann Tatsachen schafft, mit denen man sich abfinden muss. Dann wissen alle, wo die Partner stehen. Sollte schon die Frage der Örtlichkeiten für die Führung der Teilstreitkräfte unlösbar sein (macht GER Heer, FRA Luftwaffe, NED Marine und DEN kriegt Cyber bzw, Space etc.?) – muss man damit leben und jeder wird für sich auf Dauer schwächer und verliert an Einfluss. Zumindest kann man sich dann darauf vorbereiten und die Bw entsprechend ausrichten.
[Danke, aber das sprengt an dieser Stelle wirklich den Rahmen – das Thema EU-Armee oder nicht ist für die Koalitionsverhandlungen erstmal nicht das entscheidende… Bitte also Ausarbeitungen dieser Art für – immer wiederkehrende – Threads zu Debatten über eben dieses Thema reservieren. T.W.]
@KPK:
„Absichten der Ampel beim EP 14“.
Genau das ist der entscheidende Punkt.
Es gibt andere politische Prioritäten und für die fehlt schon das Geld.
Daher ist es sehr wahrscheinlich dass der EPl. 14 nicht weiter wächst, dann ist eine weitere erhebliche Reduzierung der Bundeswehr die logische Folge.
Who cares?
@Karl Mohr
Der Kdr eines Landeskommandos ist der Berater des Ministerpräsidenten. Wenn man bedenkt, das NRW die Größe der Niederlande hat und Bayern und Baden-Würtenberg mit Belgien vergleichbar sind, ist das gar kein schlechtes Investment, das sich in der ein oder anderen Katastrophe m.E. bewährt hat. Man muss hier auch die Kirche im Dorf lassen. Es geht nicht darum ob die Bundeswehr 16 Landeskommandos bräuchte. Die Bundesrepublik Deutschland ist nun einmal Förderal und leistet sich 16 Bundesländer; dabei ist der Ministerpräsident/-in in der Hirarchie oberhalb eines Bundesministers. Sprich: „Don´t fight the setting“; wie der Kampf WBKs gegen LKdos (mit Vitamin B der Landesfürsten) ausging, kann man jederzeit nachlesen.
Zurück zum Thema:
Die aktuelle Regierung sah den Bedarf eine Reform der Bundeswehr anzuschieben und hat dies mit dem Eckwertepapier und den hieraus resultierenden Arbeitspaketen initiiert. Durch den Wahlausgang und den Ordnungshalt scheint dieser Reformansatz zunächst zu den Akten gelegt zu sein. Es erschien mir aber unstrittig, das alle Parteien einen Reformbedarf sahen; aber es war kein Thema der Sondierung. Daher interessiert mich brennend ob es da Punkte in der anstehenden Koalitionsverhandlung geben wird. Ob es in den Koalitionspapieren ist oder nicht wird m.E. Auswirkungen auf den Zeithorizont haben, wann eine solche Reform kommt (in der nächsten Legislaturperiode oder halt nicht).
@ KPK
Das ist mir klar, dass es hier um die Ampel geht.
Aber es ist doch logisch, dass bei einer Partei, die generell so wenig Geld wie möglich ausgibt und 2 Parteien, die eine eher gemeinschaftliche Denke haben, keine deutschen Alleingänge mehr finanziert werden, wenn es auch anders ginge…
Weisheit zur Selbständigkeit Europas.
„Es gibt nur zwei Arten europäischer Staaten: Kleine Staaten und kleine Staaten, die noch nicht realisiert haben, dass sie klein sind.“
(Paul-Henri Spaak, 25.01.1899 – 31.07.1972, Belgischer Außenminister)
Auch eine Anhäufung von 27 Mitgliedstaaten der EU bilden keinen GROßEN Staat.
Weshalb alle Quartale wieder die Mär „Bundesstaat EU“ bemüht wird, absolut unverständlich, bzw eher verantwortungslos? Wird so nicht suggeriert ein Zentralmoloch in Brüssel ist fähig und willens zur Regelung der 27 Interessenlagen zur Zufriedenheit aller?
Allerdings, von den 27 Kleinen wähnen sich einige als „groß“, wenigstens etwas, und geben welche staatstypische Souveränität ab? Keine.
@T.W. Schade, dass Sie meinen Standpunkt nicht veröffentlichen wollen.
[Schade, dass Sie darauf beharren, in einem Thread zur Außen- und Sicherheitspolitik Ihre Sicht auf finanzielle Aspekte der sog. „Flüchtlingskrise“ hier ausbreiten zu wollen. Hier ist nicht der Stammtisch. T.W.]
@ KPK
Ist das nicht in den USA ähnlich?
Sehr verschiedene Bundesstaaten, die trotzdem einen Staat bilden.
Es geht mit Sicherheit nicht von heute auf Morgen in Europa, aber die Ängste davor kann ich nicht nachvollziehen.
Eher die Ängste ohne eine starke EU…
Wir können natürlich auch Scheuklappen aufsetzen und so tun, als könnten wir die kommenden Probleme alleine lösen.
@Patrick.S
„Wenn die Franzosen dann idealerweise ihre noch vorhandenen Mirage 2000 durch Advanced Superhornet / Growler ersetzen, hätte man zum Beispiel in diesem Bereich einen vertretbaren und machbaren Mix aus EF, Rafale, F/A bzw. E/A-18 u. F-35.“
Wir haben drei Kampfjethersteller in Europa (Dassault Airbus und Saab) und Sie wollen immer noch amerikanische Flugzeuge kaufen um die Luftstreitkräfte zu harmonisieren! Am besten wäre es, wenn die Luftwaffe den Rafale B als Ersatz für den Tornado nehmen würde. Und die Armee de l’Air den Eurofighter als Ersatz für den Mirage 2000 nehmen würde. Aber ich träume..
Sollte das Thema EU / EU-Armee dem Hausherrn zu sehr ausarten, dann eventuell ein getrennter Gesprächsfaden? Das Interesse scheint ja durchaus vorhanden und die Koalitionspartner erwecken den Eindruck, dass sie heir weiter voran wollen.
@Der Realist
Der Vergleich zu den USA hinkt ein wenig. Zum Zeitpunkt der Gründung reden wir von einer durch Briten (inkl. Iren) und Deutsche dominierten Bevölkerung. Auch sprachlich eben durch zwei Sprachen geprägt. Der „Melting Pot“ an sich, mit den zahlreichen kulturellen Einflussen entstand in der Masse erst später.
Auch wurde hier ein Staat aus dem Nichts gebildet. Bezogen auf die EU, reden wir aber von etlichen Sprachen u. Kulturen. Und eben von mehr als zwei Dutzend Staaten, die Geschichte haben und eine dreistellige Anzahl an Kriegen gegeneinander geführt haben.
Eine Neugründung auf, de facto, staatenlosem Gebiet und die Zusammenführung von zahlreichen Staaten sind dann doch zwei Paar Schuhe.
@pak Fehlt mir aber die EloKa – Komponente. (Wobei ich diese lustigerweise in meinem vorigen Beitrag erfunden habe. Durch zu schnelles Schreiben verursacht, saß bei mir im EF ein WSO hinten drin…)
[Ihr Wunsch wurde schon erfüllt, zum Thema EU gibt’s wg neuer Entwicklungen auch einen eigenen Thread:
https://augengeradeaus.net/2021/10/eu-mitglieder-konkretisieren-vorschlag-fuer-europaeische-eingreiftruppe-als-koalition-der-willigen/
T.W.]