EU-Mitglieder konkretisieren Vorschlag für europäische Eingreiftruppe als „Koalition der Willigen“
Kurz vor dem Ende der offiziellen Amtszeit von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer wird ihr Vorschlag für die Ausgestaltung einer europäischen Eingreiftruppe Diskussionsthema in der EU. Ein inoffizielles Papier für die Weiterentwicklung der EU Battlegroups und vor allem eine beschleunigte Beschlussfassung auf EU-Ebene legten fünf Mitgliedsländer vor.
Über den gemeinsamen Vorschlag von Deutschland, Finnland, den Niederlanden, Portugal und Slowenien berichteten am (heutigen) Donnerstag zuerst dpa und der Deutschlandfunk. Die Initiative hatte Kramp-Karrenbauer Anfang September nach dem Ende der Evakuierungsmission aus der afghanischen Hauptstadt Kabul konkretisiert: Gestützt auf Artikel 44 der EU-Vertrages könne der Europäische Rat eine Gruppe von Mitgliedsstaaten beauftragen, eine Militäroperation im Rahmen der Europäischen Union zu organisieren und zu befehligen.
Nach dem inoffiziellen Papier sollen dafür die bereits seit mehr als einem Jahrzehnt bestehenden, aber nie eingesetzten EU Battlegroups weiterentwickelt werden. Die europäische Eingreiftruppe sollte die Größe bis zu einer Heeresbrigade umfassen und durch Anteile von Marine, Luftwaffe, Cyber-Spezialisten und Spezialkräfte ergänzt werden. Dafür sei unter anderem eine abgestufte längere Bereitschaftsphase denkbar – bis zu einem Jahr an Stelle der bisherigen regelmäßigen Rotation der EU Battlegroups alle sechs Monate.
Neben einer vorhandenen EU-Streitmacht soll vor allem der Entscheidungsprozess neu gestaltet werden. Der Auftrag des Europäischen Rates müsse zwar einstimmig erfolgen, damit solle aber eine dazu fähige und bereite Gruppe von Mitgliedsstaaten zum Einsatz der EU-Truppe beauftragt werden, also faktisch eine Koalition der Willigen innerhalb der Union. Damit würden Entscheidungswege, Planung und letztendlich Durchführung einer solchen Mission beschleunigt.
Im Deutschlandfunk betonte Kramp-Karrenbauer, eine solche bessere Krisenreaktionsfähigkeit der Europäischen Union sei kein Ersatz, sondern eine Ergänzung der NATO. Nach dem Vorschlag der fünf Mitgliedsländer müsse die EU-Eingreiftruppe voll interoperabel mit dem Transatlantischen Bündnis sein und auch gemeinsam mit NATO-Einheiten und in deren Struktur üben. Der Aufbau könne mit den EU Battlegroups im Jahr 2025 beginnen.
(Archivbild: Der deutsche Kommandeur der Division Schnelle Kräfte, Generalmajor Andreas Hannemann, r., und sein niederländischer Stellvertreter Brigadegeneral Maurice Timmermans, l., salutieren beim Einholen der EU-Flagge der EU Battlegroup am 24. März 2021 – Frederik Ströhlein/Bundeswehr)
Es geht also, sehr kompakt heruntergebrochen, nicht darum selbst „Enabler“ zu werden, sondern dem _Enabler_ USA schneller Assets auf europäischer zur Verfügung zu stellen, richtig? Am Beispiel der Notrettung in Afghanistan würde also gleich das das Euro-Paket gebucht, anstatt das jeder so schnell es geht in den Pott schmeißt, was er gerade hat.
Also ich habe sehr große Zweifel, mit welchem europäischen(!) Mandat die „Koalition der Willigen“ jemals operieren soll. Es ist doch bereits hart genug die eklatanten und offensichtlichen Rechtsverstöße von Ungarn und Polen einzuhegen. Wie ungleich schwieriger dürfte es sein, unter einer Flagge in eine kriegerische Auseinandersetzung zu ziehen? Es geht ja hier offensichtlich um ein offensiveres Mittel, als die passive Tripwire-Battlegroup an der Ostflanke.
„Der Auftrag des Europäischen Rates müsse zwar einstimmig erfolgen, damit solle aber eine dazu fähige und bereite Gruppe von Mitgliedsstaaten zum Einsatz der EU-Truppe beauftragt werden, also faktisch eine Koalition der Willigen innerhalb der Union.“
Da bin ich mal gespannt, ob Deutschland dann auch „willig“ ist, wenn es konkret wird.
Zumindest kann dann nicht mehr mit dem Verweis auf das Grundgesetz (bzw. der gerade opportunen Interpretation) eine Teilnahme abgelehnt werden.
Ob die neue Regierung den Ansatz auch unterstützt?
Und schon wieder Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat, das wird doch nichts. Das wird dann im Fall des Falles als politisches Druckmittel gegen unangenehme EU-Forderungen an Mitgliedsstaaten genutzt. Siehe momentan Polen, die genau damit drohen, wichtige Entscheidungen zu blockieren.
Irgendwie ist die Lernkurve unserer Politiker bezüglich EU sehr flach. Dabei gab es schon gute Vorschläge, wie man qualifizierte Mehrheiten zustande bringt, die auch die Mehrheit der Bevölkerung der EU repräsentieren.
Ein neuer Papiertiger, den Die Willigen hier basteln.
Ich habe ja nicht die schlechteste Meinung von AKK aber dieser Idee kann ich nicht viel abgewinnen. Eine Heeresbrigade, also ca. 5000 Soldaten + ebenfalls zu unterstellende Anteile von Marine, Luftwaffe, CIR und Spezialkräften, dass Ganze bitte noch jährlich wechselnd.
Entschuldigung aber woher nehmen? Die Truppe hat doch bereits Probleme die VJTF auszurüsten und bereitzustellen weil es überall fehlt und das ist ein rein nationaler Verband. Damit eine solche EU-Truppe auch nur irgendwie einsatzfähig wäre müsste die ja auch zusammen üben, man bräuchte standardisierte Prozesse usw.
Wäre es nicht sinnvoller erstmal die vorhandenen Probleme in der Truppe anzugehen bevor man (wiedermal) eine internationale Truppe aufstellen will?
positiv immerhin dass man offensichtlich nicht schon wieder neue papier formationen aufstellt sonder an der operationalisierung bestehender strukturen arbeitet.
heißt nicht das daraus etwas sinnvolles wird, der ansatz stimmt aber schonmal
Deutschland als Vorreiter einer „Koalition der Willigen“ und als Mahner schneller Entscheidungen? Das ist fast so merkwürdig-absurd wie der Gedanke, die genannten Staaten würden u.a. von FRA oder POL mit irgendetwas „beauftragt“.
Als DEU Soldat darf man hoffen, dass man auch weiterhin von Bundestag mandatiert wird und nicht von einem Gremium in Brüssel, wo dann womöglich 22 von 27 Staaten mit den Achseln zucken und sagen „na dann siegt mal schön“.
Ein guter Anfang.
Honorige Vorgehensweise von AKK.
Das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat zum Einsatz wird aber der Stolperstein sein.
Die Verwendung einer solchen Heeresbrigade (+) werden wir wohl kaum erleben.
Unsere doch eher absonderlichen Mitglieder aus Warschau und Budapest üben sich sicherlich in Aufstellung eines nicht unerfüllbaren Junktims seitens der übrigen Staats- und Regierungschefs.
Es fällt durchaus auf, dass außer uns nur kleinere Mitgliedstaaten den Vorschlag einbringen.
Ist die Annahme daher abwegig wenn den Fünfen die Aufstellung gerne überlassen wird?
Wo dann die Hauptlast läge, nämlich in Berlin, sollte klar sein.
Das Prinzip der Einstimmigkeit macht so nicht wirklich Sinn. Wer kein Truppensteller in dieser „Koaltion der Willigen“ ist, sollte dann eben im Gegenzug auch nicht zu den Entscheidern gehören.
Wenn man das in Berlin ernst meint, müsste man das letztlich auch durch Änderung des Grundgesetzes untermauern. Kann man ja an die nächste Regierung weiterreichen, um diese unter Druck zu setzen, den Worten bezüglich europäischer Zusammenarbeit auch Taten folgen zu lassen.
Für die Truppe dürfte das bedeuten, im Falle eines Einsatzes, massig Material abzugeben, damit die Ampel beim deutschen Anteil gekonnt von rot auf grün springt.
Oder man redet eben wieder viel von „Readiness“, auch reichlich „Joint“, gerne mit „Rapid“ garniert und im Kleingedruckten Spielereien, wie „decisiveness“. Ohne das durch entsprechende Bereitstellung von Material zu unterfüttern bzw. zu ermöglichen.
Ist es nicht eigentlich gute politische Praxis, dass sich eine – zudem abgewählte – nur noch geschäftsführende Regierung mit irgendwelchen Vorschlägen, Initiativen oder anderen multi-/supranationalen Aktivitäten zurückhalt?
@ Hans Dampf
Ist der Gedanke so neu?
Wieviele Länder bezahlen indirekt die USA, um ihre Interessen durchzusetzen?
@Memoria sagt: 21.10.2021 um 11:59 Uhr
„Da bin ich mal gespannt, ob Deutschland dann auch „willig“ ist, wenn es konkret wird.“
Es müssten schon so zwei-drei militärisch etwas stärkere Nationen dabei sein. Ein Koalition der Willigen z.B. aus Belgien, Luxemburg, Österreich, Slowakei und Slowenien besteht, dann wird das nichts.
Für mich heißt die Formulierung, so wie sie oben im Text steht, es wird die Notwendigkeit festgestellt, militärisch etwas zu tun und die „Willigen“ stellen dann eine Battlegroup zusammen. Das benötigt dann schon einigen größeren zeitlichen Vorlauf. Und was passiert, wenn die Willigen die Battlegroup nicht zusammenbringen, weil ihnen Fähigkeiten fehlen? Eingespielt ist der Verband auch nicht.
Ich sehe das nichtso einfach, wie es sich bei der Ministerin anhört.
Es gibt dazu einen passenden Spruch: „Keine Arme, keine Kekse“!
Wir können natürlich noch jede Menge Hülsen mit bunten Sprüchen verzieren und darauf warten, dass sich diese Worthülsen von selbst mit Soldaten und Material füllen….
„damit solle aber eine dazu fähige und bereite Gruppe von Mitgliedsstaaten zum Einsatz der EU-Truppe beauftragt werden“:
Eine Definition von Fähigkeit ist: „Voraussetzung, die neben der Motivation zur Leistungserbringung erforderlich ist “ Ohne Voraussetzungen bringt ja bereits die VJTF nichts.
Ich kann derzeit weder die Bereitschaft noch den politischen Willen erkennen, diesen Zustand zu ändern, der /die neue IBUK wird von den Soldaten daran gemessen werden.
Kann man bestimmt noch mit einem Elefantenfriedhof anreichern, der wahrscheinlich das einzig greifbare Ergebnis werden wird.
@Pio-Fritz
In der Tat war auch bisher schon das Problem der EUBG, daß sich keine Truppensteller gefunden haben. Zudem bleibt das Kernproblem der Interoperabilität wenn die Einheiten / Verbände durchgewechselt werden. Viel hängt ja auch am Material, z.B. Funk und „battle management systems“.
Man hätte damit z.B. die DEU/FRA Brig beauftragen können, deren Fahrzeuge u.a. entsprechend umgerüstet werden. Angliedern könnte man z.B. weitere Aufklärung / EloKa (NLD) und mehr Pi Kr und ggf. noch Kampftruppe für 291. Das alles unter dem Kommando des EC, wie gehabt. Allerdings sind dann diese Kr dauerhaft „EU assigniert“, was aber in der Vergangenheit durchaus so gewollt war („high readiness, initial entry, full spectrum / high intensity“).
Allerdings ist bei AKKs Initiative FRA wohl nicht mit dabei, was etwas verwundert, ist es doch auch eigentlich ein französisches Vorhaben.
Nun ja wenngleich ich in Teilen die pessimistische Grundhaltung verstehen kann sehe ich aber auch hier im Forum dass gerne mal Hü und mal hott gerufen wird – mehr Multinationalität ja, eine Struktur bitte nein und möglichst ganz viele Fallstricke herleiten (typisch deutsch?!).
Wenn mich nicht alles täuscht gibt es die EUBG bereits und hier werden derzeit auch Ressourcen ggf. verschwendet – aber sollte man nicht diese bestehende Vehikel operationalisieren statt es weiter sein Papier-Dasein fristen zu lassen.
2025 soll die EUBG wohl erstmals für 1 Jahr zur Verfügung stehen statt der bisherigen 6 Monats-Rotation, weiter scheint es hier erstmals auch einen ambitionierteren Ansatz zu geben bzgl deren Nutzung/Be-Übung.
Alles gleich zerreden hilft niemandem weiter und kann nicht die Zielrichtung sein wenn es darum geht Lösungen für die immer dringenderen Probleme der Zukunft zu finden, getreu dem leicht abgewandeltem Motto: Vorwärts nimmer – Rückwärts immer! und dies in Wort, Tat und vor allem gedanklich.
@Pio-Fritz:
Einsatz muss man wollen und können.
Seit mehr als 20 Jahren gibt es immer neue Varianten einer EU-Eingreiftruppe.
Wenn es konkret wird, dann können oder wollen wir nicht.
Aber das AA und das BMVg machen weiterhin fleißig Vorschläge.
Nur damit es am Ende gerade aus Berlin heißt:
Kampfeinsatz? Ach nö, war doch nicht so ernst gemeint.
Daher kann man auch diese EUBG+ getrost gleich wieder vergessen oder glauben sie ausgerechnet Deutschland würde sich an deren Einsatz in Afrika in den nächsten Jahren mit wesentlichen Fähigkeiten beteiligen?
Ich finde die konkrete Gruppe von Ländern, die diese Idee vorgelegt hat, etwas kurios. Kann das jemand erklären?
@ memoria
vor allem weil der einsatz deutscher streitkräfte mit mehrheitsbeschluss ohne oder gegen den willen des Bundestages in jedem Fall verfassungswidrig wäre.
Könnte man umgehen indem man a priori vorratsbeschluss für eubg einsätze fasst. Daran glaube ich aber auch nicht.
In D ist man mit lippenbekenntnissen schnell bei der Hand. Sobals peng bumm in rede steht ist dann wieder nationaler sonderweg/ausflüchte/wurden nicht gefragt etc angesagt
„Koalition der Willigen.“ Hat ja schon mal so richtig gut funktioniert. Der Begriff sollte eigentlich verbrannt sein.
Wir sollten, wie hier schon angesprochen, erst mal unseren eigenen Laden in den Griff kriegen. Da haben wir die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, genug zu tun. Anspruch und Wirklichkeit klaffen ordentlich auseinander.
Es scheitert ja schon am Funk.
Sofern der Vorschlag gedacht ist, eine politische Diskussion in Berlin sowie innerhalb der EU anzustoßen, ist derselbe für eben diese sicherlich zielführend. Das Ergebnis eines solchen Berliner-/EU-„Selbstfindungsprozeßes“ mag dann anders aussehen als der ursprüngliche Vorschlag bzw. eine Weiterentwicklung des Ursprungs. Vielleicht kommt Paris im weitern Verlauf und bei geänderten Rahmenbedingungen (z.B. regionaler Fokus auf Afrika) doch noch an Bord. Politik funktioniert eben anders.
Auf der militärisch-„handwerklichen“ Ebene sehe ich „Teufelchen im Detail“. Z.B. ist Finnland nicht in der NATO, so dass es noch nicht mal an mangelnder EU-Einstimmigkeit scheitern muss. Da reichen auch ein, zwei NATO-Partner, die erklären, das Finnland keinen Zugang zu betimmten Services der Allianz bekommt. Dann wird’s schwierig mit der Interoperabilität.
Zudem würden sich, die hier genannten „kleinen“ Nationen an Deutschland anlehnen müssen/wollen. Das wiederum bedeutet einen erhöhten Ressurcenansatz der Bundeswehr, welche sie ohnehin nicht ausreichend hat, um NATO & EU zu bespielen.
justy my 2 cent
„Koalition der Willigen“
Keine gute Bezeichnung. Das weckt ungute Erinnerungen an jene „Koalition der Willigen“, die mit der Begründung, Sadam Hussein würde über Massenvernichtungswaffen verfügen und wäre bereit diese einzusetzen, den Irak überfallen hatte. Ein Krieg der über 100000 zivile Todesopfer verursacht hat, der den Irak in einen failed State verwandelt hat und dessen Begründung sich nachträglich als frei erfunden herausgestellt hat.
Als Bezeichnung für die EU Battlegroup ist das jedenfalls völlig ungeignet. Wir haben schließlich Werte und würden niemals das Völkerrect brechen und solche Kriegsverbrechen begehen wie jene ‚Koalition der Willigen‘.
vorschlag seitens von Deutschland, Finnland, Niederlande, Portugal und Slowenien…
es ist ein bissl schwierig hier was gemeinsames zu finden und DE-BW ist grösser (Qualität || Quantität) als der gemeinsame rest der aspiranten.
other 2 cents
@aufreger
Genau diese politische Diskussion ist nötig.
Hier in Europa herrscht momentan das totale Chaos, was den Organisationsgrad der einzelnen Staaten angeht. Man könnte auch sagen, die einzelnen Länder wären leichte Beute… ;-)
Wir haben folgende Staaten:
– weder EU, noch NATO
– EU ohne NATO
– EU mit NATO
– keine EU, aber NATO
– keine EU, aber NATO und AUKAS
Hab ich etwas vergessen…?
Da kommt am Ende nichts bei raus außer heißer Luft.
@ MFG ;21.10.2021 um 14:53 Uhr
Dann bekommen wir auch endlich das langersehnte „KdoFüKdo“. Dieses Kommandoführungskommando, führt dann die anderen Wasserköpfe ohne Truppe. Führung zum Selbstzweck ;-)
…und irgendwohin müssen sie dann……..die überalterterten StOffze , UmP und die bis dahin Wehruntauglichen Stabskorporale.
Ich habe den Mehrwert der Unterstellung unter Art. 44 TEU und damit unter das Einstimmigkeitserfordernis im Europäischen Rat noch nicht begriffen.
Fünf Willige können sich auch ohne EU-Mandat zusammentun. Was bringt diese Bindung unter EU mehr? Oder anders gewendet: Wenn die Fünf die Option haben, dasselbe ohne EU-Hut zu unternehmen, dann ist das ein möglicher Hebel, eine Blockade durch Veto auszubremsen.
Ist da etwas dran? Oder gibt es einen Zusammenhang von EU-Hut und Nutzungsrechten an NATO-Ressourcen?
@Ökonom:
Deutschland tut sich mit einem EU-Beschluss politisch und verfassungsrechtlich leichter.
Aber es ändert nichts am wirklichen Hindernis:
Der Unwillen sich an Kampfeinsätzen zu beteiligen.
Es ist wieder eine weitere militär- und europapolitische Luftnummer.
Die Bundeswehr ist ja schon mit dem bisherigen Verpflichtungen (VJTF, NRI, NATO-Marineverbände, EUBG, etc) überfordert. Die Forderung der NATO wachsen zudem in den nächsten Jahren (2027 eine Division).
@ der Realist
Ich weiss nicht, welche Länder die USA aktuell indirekt zur Durchsetzung ihrer Interessen bezahlen. Mir ist in diesem Sinne nur die „Scheckheft-Politik“ der Regierung Kohl beim 2. Irak-Krieg (teilweise auch als 1. Irak-Krieg bezeichnet) erinnerlich.
Aber mit der Herangehensweise „Militärische Dienstleistung gegen Bezahlung: wäre ja etwas anderes naheliegend: Deutschland finanziert z.B. die FRA Streitkräfte mit und lässt sich von jenen mitverteidigen etc. Das wäre für beide Seiten des Rheins ein Gewinn.
@aufreger
Dafür gibt’s einen Fachbegriff: differenzierte Integration. Und es ist wahrlich nicht das Hauptproblem. Europa ist nun mal kein einheitlicher Herrschaftsraum. Verschiedene überlappende Bündnisse schaffen Luft zum manövrieren.
Entschuldigung, nicht @aufreger, @Der Realist
Und noch eine Frage, die sich für mich jetzt weder aus dem Bericht, noch aus den Kommentaren erschlossen hat. Geht es wieder um rotierende Kräfte? Selbst wenn die EU Battlegroup nun jährlich rotiert, das ist doch Teil des Problems. Immer werden neue Kräfte zusammengewürfelt, und wenn dann ein Einsatz ansteht, dann haben die Pech, die gerade truppensteller sind. Und sagen im Zweifel nein. Das ist doch Quatsch. Warum nicht bestehende Verbände kontinuierlich zu bi oder auch multinationalen Eingreifkräften entwickeln und die auch zusammen trainieren lassen? Dann gäbe es gewissermaßen nationale 2-klassen-Armeen: Verbände, die bekanntermaßen für gemeinsame Einsätze trainiert und weiterentwickelt werden und solche wo das eher nicht so ist. Die deutsche Division Schnelle Kräfte mit niederländischer Brigade würde doch wohl dazu gehören, genau wie die deutsch-französische Lufttransport-Staffel. Ich sehe den Wert von Rotation wirklich nur in solchen Situationen, wo es um eine Kanu klar definierte defensive Aufgabe geht, die alle im Bündnis, EU oder Nato, betrifft und die auch davon überzeugt sind.
Die Mitgliedstaaten der EU verfügen über die für selbständige Militäreinsätze erforderlichen, strategischen Fähigkeiten in der Führung, Aufklärung und Unterstützung nicht. In der Wirkung ist das Arsenal „von gestern“. Um die EU zu befähigen, müssten massive Rüstungsinvestitionen erfolgen, bei denen Deutschland aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke den Hauptanteil tragen müsste. Dies wird nicht passieren.
Eine taktische EU-Brigade, die in der Wirkung im Kern über Panzer verfügt und der (als Grundlage und Rahmen) ansonsten alle strategischen Mittel fehlen, hat keine militärische Relevanz.
Zudem ist Deutschland in Bezug auf eine europäische Eingreiftruppe kein Beitrag zur Lösung, sondern ein (wenn nicht das) Problem. Eine multinationale und zum noch in der Öffentlichkeit erfolgende Befassung und Abstimmung militärischer Einsätze führt zwangsläufig dazu, dass es kein Überraschungsmoment für den Gegner gibt und – im Gegenteil – dieser auch noch ellenlang Zeit hat, um sie auf angekündigte militärische Maßnahmen vorbereiten zu können. Gelegenheiten können nicht sofort genutzt werden. So können militärische Einsätze nicht erfolgreich sein.
Würde die „Koalition der Willigen“ Deutschland explizit nicht enthalten, dann hätte das für mich Sinn gemacht. Die anderen Staaten der EU verfügen alleine aber nicht über die Wirtschaftskraft, um die notwendigen Rüstungsinvestitionen zu tätigen.
@ Hans Dampf
Norwegen beispielsweise. Klassisches white washing…
Als der rechtsextreme Attentäter Breivik vor 10 Jahren eine Bombe im Regierungsviertel in Oslo zündete, ging die Presse zuerst von einer „Revanche“ der Staaten, bzw. Organisationen aus, die von den USA mit norwegischen Mitteln bekämpft werden. Das war mir vorher auch nicht bewusst.
@ Felix
In der Vielfalt liegt hier leider kein Vorteil, sondern eine gefährliche Bürokratie, die zu Chaos und Zeitverzögerung im Falle eines Angriffs führen würde.
Wäre ein NATO-Staat betroffen, ist alles klar geregelt. Aber was wäre bei Angriff explizit auf das AUKAS Bündnis, wo mehrere Staaten auch NATO-Mitglieder sind? Also bei Interessen im pazifischen Raum. Oder bei einem Angriff auf ein EU-Land, was nicht in der NATO ist? Lassen wir das dann hängen…?
Die NATO wurde gegründet, als es noch keine EU gab.
Passt sie noch in die heutige Zeit? Ich glaube nicht.
@Der Realist
Für die EU ist der Bündnisfall gut geregelt:
https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/security/20160119STO10518/eu-bundnisfall-rechtliche-grundlagen-und-praktische-auswirkungen
allerdings vage, so wie auch Art. 5 des NATO Vertrages.
@Der Realist
Ich hoffe wir kommen hier nicht zu sehr off topic, aber: Ich stimme Ihnen zu, dass die Nato in ihren jetzgen Strukturen nicht mehr ganz in die Zeit passt. Sie stammt aus einer bipolaren Welt, deren zentrale Konfliktlinien ganz selbstverständlich durch Europa verliefen. Sie muss heute, nach einer Abenteuerphase, wieder aktiv europäischer werden, also ihren Fokus klarer auf europäische Sicherheit legen und einen deutlich höheren europäischen Anteil an ihren Fähigkeiten haben. Wir brauchen neben der militärischen Abschreckung mehr aktive Konfliktbearbeitungsmechanismen. Ob das nun innerhalb der Nato passiert oder durch eine Stärkung der OSZE, weiß ich nicht. Die EU kann einige sicherheitspolitische Teilaufgaben gut übernehmen (besonders dann, wenn sie einen Mehrwert stiftet, der es den Mitgliedsländern erlaubt, „über ihrer Gewichtsklasse zu boxen“), andere aber eben nicht. Eine Gruppe von engagierten Staaten könnte da ein Scharnier zwischen Nato und EU bilden.
Warum nicht gleich ein rein europäisches Verteidigungsbündnis? Weil es ohne USA schlicht nicht geht. Zumindest so lange die USA noch eine Demokratie sind, brauchen wir sie als Partner, auch wenn sie nicht mehr die gleichen sind wie früher. Und, was gerne übersehen wird: Die USA haben ja auch noch Interessen hier. Je mehr alle den „Tod des Westens“ beschwören, desto lebendiger ist er in meiner Wahrnehmung. Die Idee einer Äquidistanz Europas zwischen USA, Putinrussland und womöglich noch dem immer totalitäreren China ist doch kompletter Irrsinn. Man muss sich nur mal die transatlantischen Unternehmensverflechtungen ansehen, um zu verstehen wo wirklich die Adern und Nervenbahnen unserer Wirtschaft und Gesellschaft verlaufen.
Ich bleibe aber dabei, dass es gut für die europäischen Staaten ist, dass Europa kein monolithischer Block ist, dass es viele verschiedene Ebenen des Engagements und der Kooperation gibt, und dass die Länder eine gewisse Flexibilität haben, zu welchen Strukturen sie gehören wollen. Das sage ich als große Fan tieferer Integration, aber die muss eben – dort wo wirklich die staatliche Souveränität berührt ist – von einer Avantgarde kommen und nicht als Einheitsblock für alle. Auch verteidigungspolitisch. Klar wird/soll/muss/hoffentlich irgendwann sowas wie europäische staatliche Souveränität entstehen, das sehe ich aber am ehesten in der Eurozone. Die steht vor der praktischen Wahl: Echte gemeinsame Fiskalpolitik oder Tod. Das ist ein effektiver Treiber.
Und was AUKUS angeht, das Ding wirft extrem viele Fragen auf, die Nato-Mitgliedschaft zweier Länder ist nur eine davon, wenn auch eine wichtige. Ein expliziter Euro-atlantischer Zuschnitt der Nato könnte uns immerhin vor einer Artikel 6-Situation bewahren, wenn USA und China aneinander geraten. Insgesamt finde ich es aber auch hier gut, wenn der Westen in unterschiedlichen Bündnissen und Konstellationen agiert.
AKK hat wahrscheinlich ihre eigene Art der persoenlich-politischen Sozialisation auch hier wieder wirken lassen, wahrscheinlich ist sie auch eine der wenigen Figuren in der CDU, die auch ein wenig an ihre „Legacy“ denkt, wie auch immer:
Es ist wohl so, dass die MilEvakOp zu Kabul ein paar kleine Defizite offenbart hat, die auch eigentlich ambitionlose PolitikerInnen adressieren moegen: Ein mit ein wenig Komplexitaetsreduktion klar einzugrenzendes Problem (How to secure/control an airfield somewhere on the planet in order to airlift people from/to) mit einer mit den ueblichen Ornamenten (Hier: Multilateralismus) versehenen Loesung versehen. Das ist der Merkel’sche „Solutismus“: Problem kommt von irgendwoher, wird fuer sich isoliert betrachtet, bekommt eine moeglichst zuegig und scheinbar ueberzeugende Loesung verpasst, fertig, jetzt schaun’mer mal, was als naechstes ebenso scheinbar aus dem Nichts kommt. Das beruehmte, erstaunlich erfolgreiche Fahren auf Sicht. So auch hier, AKK wird aus dem Amt scheiden koennen, in dem sie vielleicht in ihrer Abschiedsrede erwaehnt: „Auch die lessons learned aus der Evakuierungsoperation am Ende des Einsatzes in Afghanistan, die Dank unsere tapferen blabla Erfolg blabla Stolz blabla Dankbarkeit blabla, haben wir gemeinsam mit europaeischen Partnern adressiert, so dass in Zukunft ein multinationaler integrierter blabla…“ Sie kann dann immer von sich behaupten, dass sie den „groessten und wichtigsten Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr“ anstaendig beendet haette UND die deutschen Streitkraefte fuer zukuenftige Aufgaben vorbereitet hat. Anders kann ich mir teilweise bewunderungswuerdigen politischen Geisterfahrten nicht erklaeren, die sie als IBUK immer wieder unternommen hat, und offenkundig immer noch unternimmt: Ihr politisches Erbe, AKKs Geschichte ihres Lebens.
Der Trick ist zwar billig, diese MilEvakOp-Nummer zu der grossen Lehre aus Afghanistan hochzujazzen, aber gut, so sind sie halt, die MerkelistInnen, und irgendwie haben sie dann auch noch mehr Ehre am Leibe als die Maskendeal-Nihilisten in ihrem Club.
Zu der „Herausforderung“, dass Gebilde wie NRF und EUBG zwanglaeufig nie eingesetzt werden, da dafuer notwendige Beschluesse in der Regel als zu grosser Belastungstest fuer die jeweilige IO gesehen wird: Das ist hier ja schon ausreichend gewuerdigt worden.
Eine jede politische Entscheidung die auf 100% Einstimmigkeit angewiesen ist ist zum Scheitern verurteilt wenn politische Großmächte wie Luxemburg oder Malta einen Einsatz blockieren können.
Da kann man ja gleich Rußland und China ein Veto-Recht im EU-Parlament geben und muß froh sein daß wenigstens Andora und Samnaun keine EU-Mitglieder sind.