Nach dem Afghanistan-Debakel: In Debatte über EU-Eingreiftruppe erneuert AKK Vorschlag für „Koalition der Willigen“
Nachdem sich bei der Evakuierungsmission in Kabul in den vergangenen Wochen erneut die militärische Abhängigkeit der Europäer von den USA gezeigt hat, ist in der EU die Debatte über Wege entbrannt, europäische Streitkräfte mehr zu eigenem Handeln zu befähigen. In diese Debatte geht die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit der Neuauflage ihres früheren Vorschlags: Eine „Koalition der Willigen“ – aber im Rahmen der EU.
Die internatonale militärische Evakuierungsoperation in der afghanischen Hauptstadt war zum 31. August von den USA beendet worden – und einige europäische Staaten hatten zuvor erfolglos versucht, US-Präsident Joe Biden zu einer Verlängerung zu bewegen (unabhängig vom Beharren der Taliban auf einem Ende zu dieser Frist). Offenkundig war aber auch, dass Betrieb und Sicherung des Flughafens in der afghanischen Hauptstadt in dieser Phase nur mit Sicherung durch rund 6.000 US-Soldaten und vor allem die technischen Fähigkeiten der USA möglich waren.
Vor diesem Hintergrund und der Frage, ob die Europäer nicht mit eigenen Kräften zur Fortsetzung der Mission, ja grundsätzlich überhaupt zu solchen Operationen in der Lage wären, ist nun eine Debatte entstanden, die in der EU geführt wird. Befeuert hatte das der EU-Außenbeauftragte Joseph Borrell mit einem Gastbeitrag in der New York Times: Darin verwies er darauf, dass einige EU-Staaten eine neue Eingreiftruppe mit 5.000 Soldatinnen und Soldaten für solche Zwecke forderten. EU-Kommissar Thierry Breton sprach sich in der Süddeutschen Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) ebenfalls für eine solche Eingreiftruppe unter zentraler Führung der Europäischen Union aus.
Gegen diese Vorschläge bemühte sich die deutsche Verteidigungsministerin beim informellen Treffen der EU-Verteidigungsminister am (heutigen) Donnerstag in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana einen anderen Ansatz zu setzen: Der Europäische Rat könne einem oder mehreren Mitgliedsstaaten die Durchführung einer solchen Operation übertragen – quasi eine inner-europäische Koalition der Willigen.
Die Aussagen von Kramp-Karrenbauer dazu zum Nachhören:
Deutschland werde dazu, so kündigte die Ministerin an, zusammen mit anderen EU-Staaten einen entsprechenden Vorschlag erarbeiten. Es gehe darum, schnelle Entscheidungen zu ermöglichen und zu bestimmen, wer das Kommando über eine solche Operation habe. Denn wenn keine Stelle in der EU schnell entscheide, komme es gar nicht erst zu einer Operation: Es gehe darum, die nationalen Möglichkeiten zu nutzen, die in den Dienst der europäischen Sache gestellt werden.
Rechtliche Grundlage für den Vorschlag ist Artikel 44 des EU-Vertrags:
Im Rahmen der nach Artikel 43 erlassenen Beschlüsse kann der Rat die Durchführung einer Mission einer Gruppe von Mitgliedstaaten übertragen, die dies wünschen und über die für eine derartige Mission erforderlichen Fähigkeiten verfügen. Die betreffenden Mitgliedstaaten vereinbaren in Absprache mit dem Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik untereinander die Ausführung der Mission.
Und dabei geht es durchaus auch um robuste Missionen, wie der Verweis auf Artikel 43 des Vertrags zeigt:
Gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens sowie Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten. Mit allen diesen Missionen kann zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittländer bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet.
Damit greift die deutsche Ministerin auf einen Vorschlag zurück, den sie bereits für eine andere Mission gemacht hatte. Im Zusammenhang mit der von Frankreich geführten Marinemission in der Straße von Hormuz (die Deutschland politisch, aber nicht militärisch unterstützt) hatte Kramp-Karrenbauer sich schon einmal für das Vorgehen über den Vertragsartikel 44 ausgesprochen – in zahlreichen Gesprächen, aber auch nachzulesen in einer Bundestagsdrucksache:
Die Bundesregierung setzt sich kontinuierlich gegenüber allen relevanten Akteuren für Deeskalation in der Straße von Hormuz ein. Im Rahmen dieser Bemühungen ist auch die politische Unterstützung der Bundesregierung für die französische Initiative „European-led Maritime Awareness in the Strait of Hormuz (EMASoH)“ zu sehen. Die Bundesministerin der Verteidigung hat in diesem Zusammenhang auf Artikel 44 des EU-Vertrages hingewiesen, der eine deutsche Beteiligung ermöglichen würde. Laut dem EU-Vertrag „kann der Rat
die Durchführung einer Mission einer Gruppe von Mitgliedsstaaten übertragen, die dies wünschen und über die für eine derartige Mission erforderlichen Fähigkeiten verfügen.“ Hierzu steht die Bundesministerin mit ihren europäischen Amtskolleginnen und Amtskollegen sowie dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik im Austausch.
In der Straße von Hormuz war dieser Ansatz bislang nicht erfolgreich; eine Mission nach diesem Artikel kam bislang nicht zustande. Interessant wird nun die Frage, ob die jüngsten Erfahrungen aus Kabul die Ansichten in den EU-Staaten so verändert haben, dass ein solches Vorgehen Erfolg hat.
Der Vorstoß Kramp-Karrenbauers ist sicherlich auch von den bisherigen Erfahrungen oder besser Nicht-Erfahrungen mit den so genannten EU Battle Groups zu sehen. In regelmäßigem Wechsel stellen die EU-Mitglieder seit mehr als einem Jahrzehnt diese Eingreifverbände mit jeweils 1.500 Mann auf, eingesetzt wurden sie bislang noch nie. Weil es zwar bisweilen Vorschläge, aber nie eine europäische Einigung dafür gab.
Für diese EU Battlegroups kursiert inzwischen der Spruch use it or loose it (nutze es oder gib es auf), wie das mit dem neuen Ansatz wird, werden wir sehen.
(In diese ganze Debatte gehört eigentlich auch die Frage, was eigentlich mit Berlin plus ist und warum dieses Instrument nicht für eigenständiges europäisches Handeln genutzt wird. Aber das würde es an dieser Stelle unnötig komplizierter machen.)
Ich bin immer wieder überrascht, wie einige Kommentatoren auf „politische Stöckchen“ anspringen, die von Politikern, hier AKK, in den Ring geworfen werden. Da wird sich dann ernsthaft um die Rahmenbedingungen und Ausstattung Gedanken gemacht.
Der politische Wille ist in Europa doch gar nicht vorhanden. Dazu noch das Einstimmigkeitsprinzip in der EU, das man wider besseren Wissens bei der Osterweiterung nicht gekippt hat. Der militärische „Baukasten“ ist doch da, er wurde hier auch oft genug beschrieben. Wenn man mehr in Kabul gewollt hätte, hätte man diese Einheiten einfach in Bereitschaft versetzt, nachdem der letzte europäische Soldat im Juli das Land verlassen hat. War offensichtlich politisch nicht gewollt, diese jetzige Scheindiskussion soll das doch nur verschleiern.
@ Couch Potato
Auch bei der Zusammenarbeit mit den USA wäre eine gemeinsame Stimme ratsam.
Sonst passiert es wie jetzt, dass die USA sich einzelne Partner für bestimmte Aufgaben herauspicken und die Länder so auseinanderbringen.
Diese Lösung bedeutet, dass man immer nur der Juniorpartner bleibt und nie auf Augenhöhe agieren darf.
Das ist keine Lösung.
FYI:
Germany’s defense minister: Only political will can protect Europe
https://www.atlanticcouncil.org/blogs/new-atlanticist/germanys-defense-minister-only-political-will-can-protect-europe/
@AoR:
Das Gerede gibt es seit zwanzig Jahren (!) (Berlin+, European Headline Goal, etc.) Verbessert hat sich über die Zeit weder der politische Wille noch die Verbesserung der militärischen Fähigkeiten.
Vor oder nach der Wahl kommen andere Themen hoch .
Mit dieser operativen Dauerhektik auf strategischer Ebene wird es nie besser.
@AoR
Es macht eher den Eindruck, AKK will sich kurz vor der Wahl auf den letzten Metern (vermutlich – eigene Einschätzung – auch letzten Metern als Ministerin) noch mit irgendwelchen „Ideen“ medial in Szene setzen, um im Gespräch für zukünftige „Beschäftigungsalternativen“ zu bleiben. Man hört ja immer wieder mal von Ambitionen gen Brüssel.
@all: Selten konnte ich der mir entgegenschlagenden Kritik in Analyse und Erhebung so zustimmen. Viele Aspekte, warum es nicht geht.
Interventionskrieg und Interventionsarmee. Um Himmels Willen, da erinnere ich mich an den US Senator John Mc Cain der Politikern, welche eine Lage erzeugten, die gekennzeichnet ist durch eine Truppe, die in ein Land gegen den Willen der dortigen Bevölkerung einmarschiert, attestierte „should have their heads examined“.
Hardball ruft eine Assoziation von psychopathischer Sicherheitspolitik hervor, welche gerade von affektiv gekennzeichneten Gefährdungslagen begünstigt wird.
Nichtsdestotrotz besprechen wir auch hier in den Kommentaren dieses Blogs seit 10 Jahren einen Ring of Fire von Marokko bis Litauen, der auch von Begehrlichkeiten der Nachbarn gekennzeichnet ist. Immer weniger schrecken benachbarnde Hegemone davon ab mit uns Hardball zu spielen und setzen und dem Gefühl der Hilflosigkeit aus. Eine Hilflosigkeit welche sich zunehmend auf Sprache, Macht und Gesetze unserer Gesellschaften auswirkt.
Gegen Hilflosigkeit hilft nur Resilienz und Handlungsvermögen. Wie steht es um unsere Resilienz, wie erschließen wir uns Handlungsvermögen?
Also bei der letzten Runde Provokation der Türkei gegen Griechenland hat Frankreich ne Flotte geschickt. Hat gewirkt. Damals im Georgienkrieg hat sich Sarkozy eine außenpolitische Vergügung der EU mitgeben lassen. So blass war man im Kreml selten. Ist Libyen und Syrien nicht durch Interessenskonflikte auch innerhalb der EU gekennzeichnet
Vielleicht ist der erste wichtige Schritt erstmal eine Außenpolitik der EU zu haben. Ein Muskel ohne Hirn ist unberechenbar. Wie sagte es ein Französischer Diplomat vor über 150 Jahren: „Krieg ist eine viel zu wichtige Angelegenheit, um ihn den Militärs zu überlassen.“
Scheint so, als würde EU Außenpolitik inEinstimmigkeit erst fallen müssen, dass man diesem Instrument einen entsprechenden Muskel zutraute. Denn wo soll der Wille entstehen, wo getestet werden?
@wacaffe
Solange „Full command“ über deutsche Soldaten in einer potentiellen europäischen Armee in Deutschland verortet ist, ist eine deutsche Beteiligung an einer EU-Armee durhaus denkbar.
Nichts anderes passiert jetzt ja auch in den Einsätzen: maximal OpCom wird delegiert, FullCom steht immer national darüber.
Ich sehe hier erste zaghafte Schritte eine „Coalition of the willing“ zu einem „System kolllektiver Sicherheit zu machen“. Zeit wird es.
Solange es sich um einen Kampfeinsatz handelt, wird es mit der Bundeswehr, in der jetzigen Konstellation als Parlamentsarmee, so nicht funktonieren. Wenn jeder Schuss auf den Feind vom Parlament abgesegnet werden muss, macht es doch gar keinen Sinn deutsche Soldaten in einen solchen Kampfeinsatz zu schicken. Die Bundeswehr braucht endlich freie Handhabe, um im Einsatz aktiv und präventiv auf den Feind schiessen zu können, um sich wirksam zu verteidigen.
[Wir bleiben schon bei Sachthemen und sachlichen Aussagen hier, oder? Danke. T.W.]
@ AoR
Da stimme ich zu.
Eine gemeinsame Außenpolitik sollte der erste Schritt sein.
Allerdings lassen sich leider viele Staaten durch reine Diplomatie nicht überzeugen, wenn sie wissen, dass auf große Worte keine Taten folgen.
Darum ist es wichtig, außenpolitisch und auch militärisch mit einer EU-Sprache zu sprechen.
Das bedeutet nicht automatisch, dieses gemeinsame Militär einsetzen zu müssen, sondern es als Abschreckung aufzubauen.
Eine gemeinsame EU-Armee wäre in der Größe hinter den USA und China anzusiedeln, was genug Abschreckung erzeugt.
Meiner Meinung nach mehr, als die nukleare Abschreckung.
@Der Realist:
Eben. Auch wenn ich als Wirtschaftswissenschaftler hinter One Road One Belt Pekings mehr militärische Logistik sehe als reiner Marktzugang. (Vgl. @Paradox77) Das wirtschaftliche können Flugzeuge und Schiffe ganz gut und sehr günstig. Hat alles, eben wie Northstrem 2 weiterführende Bedeutung über das rein merkantile hinaus bis hinein die SiPo hinein..
Jetzt sind wir bei den Gedanken von @Pierre und vor allem @Karl Mohr. Denn die europäische Außenpolitik wird per Mehrheitsentscheidung eine außenpolitische Tradition, langfristige kleinste gemeinsame Nenner herauskristallisieren. Dieser Nenner ist dann das, was geschützt wird.
Und da sehe ich z.B bei Handelswegen die Marine in der Pflicht, gerne im Extremfall mit ARG und CSG. Bei territorialer Integrität die LuWa und das Heer und so auch den Willen zu mehreren Panzerdivisionen, bewaffneten Drohnen und sicherlich auch nuklearer Abschreckung.
Denn die Determinanten der SiPo sind für alle (EU, US, China, RU) gleich: Geographie, Einfluss, Macht, Konkurrenz und Globalisierung, also lebenswichtige Organe schützen zu müssen, die außerhalb des eigenen Körpers liegen.
Wir sehen, auch für uns gilt institutionelle Isomorphie.
Tja, Wirtschaftswege sind halt immer auch Thema der Sicherheitspolitik. Da sind wir aber schon bei den Dimensionen der Sicherheit nach Daase.
Freedom of Navigation zu gewährleisten ist eine wichtige Aufgabe – aber allein geht auch für den „Champion des Multilateralismus“ nicht. Und was „OBOR“ (neue Seidenstraße) betrifft… ich sehe den sicherheitspolitischen Nutzen eher für die lokalen Partner. China hat mit den Uiguren und anderen Minderheiten schon genug Herausforderungen. Es geht da eher um ein taktisches Ventil und einen strategischen Hebel.
Nur so am Rande und falls es noch nicht bekannt war. Bzgl. Geheimdienstlicher Zusammenarbeit, hat das Subcommittee on Intelligence and Special Operations des U.S. Amerikanischen Repräsentantenhauses den Auftrag erteilt, bis zum 20. Mai 2022 zu überprüfen, ob die „Five Eyes“ um Deutschland, Südkorea, Indien und Japan erweitert werden können.
https://docs.house.gov/meetings/AS/AS00/20210901/114012/BILLS-117HR4350ih-ISOSubcommitteeMark.pdf
[„H.R. 4350—FY22 NATIONAL DEFENSE
AUTHORIZATION BILL“; Seite 32f; SUBCOMMITTEE ON INTELLIGENCE AND SPECIAL OPERATIONS; 9. September 2021]
Beim Artikel 44 EUV geht es darum, einer Gruppe von Mitgliedsstaaten eine Aufgabe zu übertragen, die diese dann untereinander verhandelt im Namen der Union durchführen. Da wird ein Schuh draus, wenn der Rat (einstimmig) ein offenes Mandat ohne Endtermin erteilt. Dann würden anfallende Kosten durch die Friedensfazilität getragen werden. Und die 14 interessierten MS könnten auf Aufforderung durch den Hohen Vertreter oder auf Initiative eines MS hin handeln. Den Friedensbetrieb einer solchen Truppe konnte sogar der EU Haushalt tragen. Damit stünde auch den armen Mitgliedsstaaten ein Beitrag offen. Der Verteidigungsfonds hat zehn Jahre gebraucht. Mal sehen, wie schnell das hier geht.
Grundsätzlich konnte die Gruppe in ihrem Inneren auch Konsens minus eins oder einen anderen Beschlußmodus festlegen. Das würde dem zukünftigen Parlament der deutschen Streitkräfte aber schon einiges abverlangen.
Warum haben wir nicht die deutsch-französische Brigade für die Evakuierung in Kabul genützt?
@2ct: Ein Neunauge 🤣
Naja die EU sollte da ein Mitglied haben. Der Entwurf gibt Einblick in die strategischen Gedankenspiele am Potomac…
@Paradox77: würden sie „taktisches Ventil „erläutern?
Die Einflussnahme auf Pakistan und Afghanistan soll sicherlich als Hebel gegen die Uighuren wie auch Indien verwendet werden.
Stellt sich die Frage, wie sich da der Iran als Schiitische Macht gegenüber dem sunnitischen AfPak positioniert als traditioneller Partner Indiens positioniert.
@Patrick Allard
Weil sie dafür absolut ungeeignet ist!
Die DF Brig ist ein Politikum das auf Hochglanzbroschüren und bei Übungen ganz nett aussieht aber wenig praktischen Nutzen hat. Die FRA fleddern ihren Anteil und viele Dienstposten sind vakant. Ähnlich überflüssig wie das Eurocorps.
@Patrick Allard
Die D/F Brig hat nicht erforderliche Fähigkeiten und „wir“ können die ohnehin nicht nutzen.
DEU/FRA politische Zustimmung wäre vorab erforderlich gewesen.
Das FSchJgRgt 31 mit dem Kern der spezialisierten Kräfte des Heeres sowie das KSK stellen nun mal DIE MilEvakOp Kräfte Bw in der DSK.
Die „Trinität“ des vernetzten Ansatzes der Krisenbeherrschung bestehend aus Diplomatie, Militär, Entwicklungshilfe ist in sich zusammen gefallen, krachend gescheitert.
Die Stümperhaftigkeit in Außenmamt, Innen- und Entwicklungshilferessort hat die Worthülse „Friedensmacht Deutschland“ von Außenminister Heiko Maas entlarvt als das, was sie ist, Wunschdenken. Harte Fakten militärischer Gewalt, die Konflikte lösen, oft zum Vorteil der Gegenseite, werden unverändert verdrängt, auch „nach“ Kabul.
Ob ein Nationaler Sicherheitsrat und eine EU- Eingreiftruppe Besserung versprechen, muss bezweifelt werden.
Solange der ein-eindeutige Entschluss zum Schritt in den Schießkrieg, moralisch hinterfragt, nicht gegangen werden soll, bleibt die EU unter DEU Führung Zahlmeister und Trittbrettfahrer hinter den USA, GBR und FRA.
Einzig das BMVg/AKK kommt in der Vorphase der EvakOp glimpflich davon, schließlich hatte sie bereits im April die Notwendigkeit der Evakuiierung der Ortskräfte angemahnt.
Wenn nach der BTW ’21 die Schockwelle Kabul verebbt sein wird, bestimmen andere Ressorts das Tagesgeschehen.
Trübe Aussichten.
Das Bilanzziehen hat begonnen, lesenswerter Artikel:
„Bin Laden has completely failed to unite Muslims behind his romantically bloody project. He succeeded — posthumously — in only one respect, which is certainly decisive: he weakened America and accelerated its departure from the Middle East. But the beneficiaries of this process are neither Muslims nor even Arabs: at the global level, they are the Chinese and the Russians.“
https://worldcrunch.com/world-affairs/911-bin-laden-helped-china-russia
In Loyal / Reservistenverband hat Björn Müller mehr zum Thema ausgeführt, auch zu „Koalition der Willigen“, Eingreiftruppe und Nationaler Sicherheitsrat
Motto „Nach dem afghanischen Debakel haben alte Vorschläge für eine bessere deutsche Sicherheitspolitik Konjunktur“
https://www.reservistenverband.de/magazin-loyal/lehren-aus-dem-afghanistan-debakel/
@ „taktisches Ventil“: Nun, die „one Belt, one Road“-Initiative (vulgo: Neue Seidenstraße – wurde mal in den 90ern thematisiert, als in der Region die meisten Bürgerkriege ihrem Ende entgegen gingen und 2011 dachte Hilary Clinton laut darüber nach) lässt sich ja unterschiedlich interpretieren. China rüstet massiv auf, aber hat nach wie vor in der VBA knapp 2.5 Mio. Soldat*innen und im Westen massivste Unruhen, die sie nur leidlich in den Griff bekommen und die zudem schlecht fürs Geschäft sind.
Daher ist OBOR so gut, sich die Nachbarstaaten Zentralasiens auf taktischer Ebene mit gemeinsamen Projekten (Straßen, Eisenbahn, Elektrizität) gewogen zu halten. Beliebtheitspreise gewinnen die Chinesen Dank des immer schlimmer werdenden Han-Nationalismus nicht. Aber auf Projektebene sind sie bei vielen Kennwerten einfach konkurrenzlos gut.
Und Afghanistans Regime Change ist natürlich schlecht für Indien, also gut für China und den besten Verbündeten … Pakistan. Zudem sind die Nato-Störenfriede weg, auch gut. Und mit den Uiguren macht man weiter
… ich glaube nicht, dass Afghanistan sich mit den verschiedenen Terror Franchises dort (Jaamat Ansarullah oder die alte IJU oder ETIM) zum Marsch nach Ürümqi (Hauptstadt von Xinjiang) aufmacht. Aber damit drohen können Sie ;-)
Was die Kritik am vernetzten Ansatz betrifft – ja. Klar. Stimmt vieles. Aber was sind denn Alternativen in einer globalisierten Welt und einer wertebasierten Politik mit Menschenrechtsbezug für ein 82-Mio.-Einwohner-Staat umgeben von FrEUnden und der Schweiz???
Statt krude „Grand Strategy“ rauszuholen, wäre das Versagen auf operativ-taktischer wie auf Leitungsebene aufzuarbeiten. Auch Referatsleiter, Adjus und ALs haben versagt. Minister lesen im seltensten Fall Berichte und Dossiers, sondern reden gern entlang des Werbeflyers. Außer ihre Fachleute instruieren sie dementsprechend…