Erstmals Verwundete der Bundeswehr im Blauhelm-Einsatz in Mali (Zusammenfassung)
Im Blauhelm-Einsatz der Vereinten Nationen in Mali sind erstmals deutsche Soldaten bei einem Angriff verwundet worden, einige von ihnen schwer. Der Anschlag eines Selbstmordattentäters mit einer Autobombe am (heutigen) Freitagmorgen nördlich von Gao im Norden des westafrikanischen Landes traf einen Bundeswehrkonvoi, der malische Einheiten begleitete. Die Verwundeten wurden in Rettungsstationen der deutschen, französischen und chinesischen Streitkräfte in Gao behandelt und sollen so schnell wie möglich ausgeflogen werden.
Bei dem Anschlag um 0628 Uhr Ortszeit (08.28 Uhr deutscher Zeit) wurden nach Bundeswehrangaben zwölf deutsche Soldaten verwundet , drei von ihnen schwer. Außerdem wurde ein belgischer Soldat der UN-Mission MINUSMA ebenfalls verwundet. Während zwei der drei Schwerverwundeten stabil seien, wurde der dritte am Nachmittag operiert, teilte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit
Den Angriff hatte am Vormittag zunächst die UN-Mission bekanntgegeben:
Heute Morgen wurde eine temporäre Operationsbasis der MINUSMA-Truppe in der Nähe des Dorfes Ichagara, in der Gemeinde Tarkint, Region Gao, Ziel eines Anschlags mit einer Fahrzeugbombe. 15 Blauhelme wurden verletzt, ihre Evakuierung ist im Gange.
Die Zahl von 15 wurde dann im Laufe des Tages von der Bundeswehr auf 13 korrigiert. Ein Kollege des französischen Nachrichtensenders France 24, der die Region beobachtet, meldete via Twitter, dass es die Tat eines Selbstmordattentäters war: Nach Angaben mehrerer lokaler Quellen wurde eine Patrouille des deutschen Kontingents der MINUSMA in Al Moustarat nördlich von Gao von einer Autobombe getroffen, die von einem Selbstmordattentäter gesteuert wurde. Mehrere deutsche Soldaten werden verletzt.
Nach Angaben der Vereinten Nationen begleiteten die Blauhelme eine Einheit der malischen Armee auf dem Weg nach Kidal. Die temporäre Basis, in der die Deutschen angegriffen wurden, war nach einem Anschlag auf die Malier am Vortag eingerichtet worden:
La base temp. de la Force MINUSMA, cible d’une attaque terroriste par véhicule suicide ce matin, avait été établie pr sécuriser le passage de la 3e compagnie du Bataillon de l’armée malienne reconstituée en route pr #Kidal et qui avait fait l’objet hier d’une attaque par un #EEI. pic.twitter.com/EC69jlMi76
— MINUSMA (@UN_MINUSMA) June 25, 2021
Kramp-Karrenbauer verwies darauf, dass nach dem Anschlag die Rettungskette gegriffen habe – eine wichtige Aussage, weil die Bundeswehr keine eigenen Hubschrauber mehr in dieser Mission im Einsatz hat, sondern erst demnächst wieder eigene Helikopter dorthin bringen will. Die Verwundeten wurden mit Maschinen der Vereinten Nationen, einem Chinook der britischen Truppen in der Mission Barkhane und von der Bundeswehr gecharterten zivilen Hubschraubern nach Gao geflogen. Von dort sollen sie, sobald es ihr Zustand erlaubt, mit einem für medizinische Evakuierung ausgerüsteten A400M der Luftwaffe nach Deutschland gebracht werden.
Der Anschlagsort liegt rund 140 Kilometer nördlich von Gao (ggf. auch etwas weiter; lt. Bundeswehr 180 Kilometer; ohne Koordinaten ist das schwierig zu verifizieren):
Der MINUSMA-Einsatz gilt als die gefährlichste Blauhelmmission der Vereinten Nationen. Immer wieder werden sowohl die Soldaten dieser internationalen Truppe, aber auch andere militärische Missionen wie die französisch geführte Anti-Terror-Operation Barkhane in dem westafrikanischen Land angegriffen.
Die Bundeswehr selbst war bislang von solchen Angriffen verschont geblieben,allerdings nur knapp: Im vergangenen Jahr fuhren gleich zwei Mal belgische Soldaten mit ihren Dingo-Patrouillenfahrzeugen, wie sie auch die Bundeswehr verwendet, in eine Sprengfalle. Die Belgier waren in Konvois zusammen mit den deutschen Soldaten unterwegs. Ebenfalls im vergangenen Jahr wurden irische Soldaten angegriffen – die mit einem von der Bundeswehr ausgeliehenen Eagle-Patrouillenfahrzeug unterwegs waren.
Bei MINUSMA sind derzeit knapp 900 deutsche Soldaten im Einsatz. Nach dem absehbaren Ende der Mission in Afghanistan wird es der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Die Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Mission war erst im Mai verlängert worden. Nach dem Anschlag zeichnet sich eine politische Debatte über diese Mission ab – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Frankreich angekündigt hat, seine Anti-Terror-Mission Barkhane in Mali und der Sahel-Region einzustellen. Die Sicherheitslage gerade für die Blauhelmsoldaten könnte dann noch kritischer werden.
(Archivbild: Maschinengewehrschtze und Ersthelfer Stabsgefreiter Marco S. überprüft die Waffe des Gefechtsfahrzeugs vor einer Patrouille der UN-Mission MINUSMA in Gao/Mali am 05.02.2021 – Frank Wiedemann/Bundeswehr)
Hier noch als Ergänzung der erste „Zwischenfall“ mit Beteiligung der Bundeswehr bei MINUSMA:
https://augengeradeaus.net/2016/07/erstmals-deutsche-soldaten-in-mali-unter-beschuss-keine-verwundeten/
Fast 5 Jahre her.
Welche Pläne hat man denn in der Schublade für die ja sich schon seit Jahren abzeichnende Lageverschärfung?
Man doch auch aus AFG schon so viel gelernt und will das im Sommer diesen Jahres nochmal tun (obwohl ISAF seit 2014 beendet ist).
MINUSMA ist die ISAF-Mission der VN (=mission impossible), was muss noch alles passieren, damit man das in Berlin auch verstehen wird?
Ist es weiterhin wichtiger Frankreich einen Gefallen zu tun und sich als grosser Truppensteller bei den VN hervor zutun (besonders seitens AA)?
Beginnt Fundamentalkritik? Wie häufig die Frage, musste erst was passieren?
„Wert, Sinn und Strategie des Einsatzes dort sind strittig, Ausrüstungsmängel erhöhen die Lebensgefahr. Dafür trägt auch der Bundestag die Verantwortung“.
(Jungholg/Welt)
@fritzfelgentreu
„Die Kritik an den Voraussetzungen der zwei Mali-Missionen greift mE zu kurz. Die Ausrüstung des MINUSMA-Kontingents ist im Grunde adäquat. Ob bess. Ausrüstung heute geholfen hätte, kann noch niemand wissen. Aber die Frage nach dem Funktionieren der Rettungskette ist berechtigt“.
Ich fürchte,
a. der BT ist voreilig in die Sommerpause abgerauscht.
b. ein unwillkommenes Wahlkampfthema liegt nahe.
Noch eine kleine Erinnerung, wie der Einsatz begann – mit einer dreifach wechselnden Begründung (Niederlande ablösen, Migration, Solidarität mit Frankreich):
https://augengeradeaus.net/2015/11/amsterdam-oder-paris-egal-hauptsache-afrika/
Schon damals war abzusehen, dass es eigentlich keinen Sinn macht – vorallem wenn man nicht weiß, was man eigentlich will.
Es ist mal wieder wie immer. Leider muss erst wieder etwas passieren bevor man anfängt (besser: versucht!) richtige Nägel mit Köpfen zu machen. Zudem sind die Köpfe der Nägel auch noch sehr brüchig.
„Es war nur eine Frage der Zeit“ ,die mal wieder Eindrucksvoll zeigt, dass das Friede-Freude-0700 Uhr/1630 Uhr- Eierkuchen Image der Truppe, eben nicht aus Friede-Freude-Eierkuchen besteht!
Nach diversen Einsätzen im Reiseunternehmen UN, EU…bleibt nur die persönliche Bewertung: Nein Danke!
Als grundsätzlichen Hinweis:
Die gesamte Debatte – und damit meine ich die deutsche politische Debatte, nicht nur die Diskussion hier – scheint nach diesem Anschlag von tiefster Ahnungslosigkeit geprägt. Solche Anschläge geschen seit Jahren in Mali mindestens im Wochentakt, erst heute sind sechs malische Soldaten bei einem komplexen Angriff gefallen. Zu glauben, die UN-Mission müsse nur deshalb neu diskutiert werden, weil es nach sieben Jahren Beteiligung an MINUSMA erstmals die Bundeswehr erwischt hat, offenbart eine recht naive Nabelschau. Zu behaupten, die Deutschen seien wegen eines (!) Anschlags das Ziel als schwächstes Glied in der Kette der UN-Truppensteller, ist eine Beleidigung für die Truppen aus dem Tschad oder Burkina Faso, die einen ziemlich hohen Blutzoll in Mali gezahlt haben. (Dass die Mission insgesamt und das militärische Engagement in Mali eine Debatte braucht, ist davon unabhängig und unbestritten.)
Und noch ein Hinweis: Hier ist nicht der Stammtisch des Freundeskreises der Kriegsverbrecher. Die Empfehlung „die Glaubwürdigkeit des deutschen Kontingents durch empfindliche Schläge gegen die Urheber des Angriffs wiederherzustellen“, lassen wir an jenem Stammtisch, hier findet das nicht statt.
Abseits von Stammtischen finde ich aber auch bezeichnend, dass alle Kräfte aus dem neu gewonnen Raum herausgelöst werden – ohne eine weitere Präsenz (MINUSMA-weit?) dort sicherzustellen.
Zudem wird dies von der Ministerin noch als eine besondere (Fürsorge-)Leistung herausgestellt. Das zeigt plakativ das Verständnis für bewaffnete Konflikte.
Warum gab es den Anschlag?
Wohl um die Präsenz in der Fläche zu verhindern. Das wurde somit erreicht.
Krieg ist Wiile und Gegenwille.
Wir haben keinen Willen und müssen deswegen erneut scheitern.
Wer sich am Begriff Krieg stört, kann – im UN-Sprech – auch von „Peacekeeping without Peace“ reden.
Das Ergebnis ist das selbe.
Es ist doch jedesmal das selbe…wir fahren in der Gegend spazieren und machen etwas um uns selbst zu beschäftigen.
Die Aufklärung meldet Ergebnisse, die Führung entscheidet nichts außer das man nichts entscheidet.
Ich war jetzt in über 10 Einsätzen…unter anderem auch in Mali bei MINUSMA…die Truppe leistet sehr viel, aber sie darf halt einfach nichts.
Wir wissen wo das Gegenüber (Feind darf man ja nicht sagen) steht, aber es passiert einfach nichts.
Der Außenminister verspricht vor Ort Dinge… zurück in Deutschland hat er es vergessen und sagt das Gegenteil.
Es ist nicht gewollt robust zu sein!
[Ich empfehle einen Blick in das Mandat der UN und der Bundeswehr bei MINUSMA. Die Aussage „es ist nicht gewollt robust zu sein“ ist eine Frage, die nicht auf der operativen oder gar taktischen Ebene vor Ort entschieden wird. Sondern von Bundesregierung und Parlament bei der Entscheidung, an welcher der Missionen sich die Bundeswehr beteiligt – ich erinnere an die Diskussion über Takuba. Insofern dringende Bitte, diese Ebenen nicht zu vermischen, das führt nämlich auch zu dieser etwas bizarren Debatte. T.W.]
Dieses Vorgehen mit VBIED ist übrigens in der Gegend des Angriffes nicht neu:
http://www.thedefensepost.com/2019/01/29/mali-soldiers-killed-tarkint-complex-attack-gao/amp/
Es war ein Stich in ein Wespennest, da die Nationalstraße RN18 den einzigen Zugang nach Kidal (JNIM-Hochburg) und nach Algerien bildet. Da gibt es genug Leute, die vorallem eines wollen:
Keine fremden Augen und Ohren.
Wenn jemand dorthin kommt, dann hat man die Reaktion schon parat (s.o.).
Guten Morgen liebe Diskutanten, hallo Herr Wiegold,
zunächst einmal danke ich dem Moderator für den wichtigen Hinweis von gestern Abend. Stammtischparolen haben hier nichts zu suchen! Grundsatzdebatten über die auswärtige Politik wohl auch nicht, denn sie führen nicht weiter!
Ich würde gerne den Fokus auf die „funktionierende Rettungskette“ nach dem Anschlag, so Frau Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrem kurzen Statement am Freitagabend (25.06.2021) richten: Wie kann es sein, dass die am MINUSMA-Einsatz beteiligten Nationen die SAR-/MEDEVAC-Missionen an „privat“/“zivil“ vergeben? Erst vor wenigen Wochen wurde aus dem Verteidigungsausschuss bekannt, dass der Betreiber bei einem luftgebundenen Krankentransport den Einsatz abbrechen musste (ich meine, nur DIE ZEIT berichtete). Und jetzt, nach Abzug der letzten CH-53 GS im April, steht man mit bloßem Hintern dar! Die für den (C)SAR-Einsatz vorgesehenen NH90 der Bundeswehr soll(t)en erst im Juli kommen. Liegt es am Klarstand der Einsatzmaschinen (der Dreimonatsbericht sagt NEIN) oder am fehlenden Personal (Überstunden, zu wenig Einsatzerfahrung/Flugstunden auf dem Muster/…; ich meine JA)? Hier ist m. E ein Umdenken gefordert – und das JETZT! Unsere Soldatinnen und Soldaten im Auslandsensatz haben ein Anrecht auf gute medizinische Versorgung – VOR ORT und nicht erst im A400M-MedEvac oder in der Heimat in den Bw(Z)K und anderswo!
[Dringende Bitte: Das Thema zivile vs. militärische Hubschrauber hat, so weit bisher bekannt, bei diesem Vorfall keine Rolle gespielt, und ich bitte dringend darum, dieses bereits in einem anderen Thread umfangreich diskutierte Thema hier als OT nicht weiter zu verfolgen. T.W.]
Ein Fachjournalist erläutert bei France24 etwas mehr den Kontext der Ereignisse:
https://mobile.twitter.com/France24_en/status/1408424750192291845
Besonders interessant die verstärkte Absicht von JNIM die Europäer anzugreifen und seine Verwunderung wie unvorbereitet die Deutschen aus seiner Sicht waren.
Er erwähnt zudem, dass der Auftrag lautete eine Einheit der malischen Armee in den Norden zu begleiten (Zielort würde nicht erwähnt).
Da Deutschland alle Soldaten nach Gao zurückverlegt hat, stellt sich für mich die Frage, ob dies eine Entscheidung von MINUSMA war oder national getroffen wurde und ob die malische Einheit ihren Auftrag dann ohne uns fortgesetzt hat.
[Danke für den Hinweis – interessant finde ich auch seine Aussage, dass sich JNIM sehr wohl der bevorstehenden Bundestagswahl bewusst sei und gezielt agiert habe. T.W.]
In Mali kontrollieren islamistische Gruppen mit Verbindungen zu Al-Kaida und der Miliz Islamischer Staat weite Teile der Wüstenregion im Norden. Zur Stabilisierung der Lage ist auch die Bundeswehr in einer EU-Ausbildungsmission und einer UN-Friedensmission in dem Land im Einsatz. Obwohl das internationale Engagement in Mali groß ist, kommt Mali nicht zur Ruhe.
Die UN-Mission hat den Auftrag, die Umsetzung des Friedensabkommens und die Präsenz des Staates im ganzen Land zu stärken. Eingetreten ist eher das Gegenteil: Für die Bevölkerung ist der Staat in weiten Teilen des Landes kaum vorhanden. Die Unsicherheit ist noch gewachsen, es gibt mehr Anschläge als vor Beginn der Intervention. In vielen Gebieten haben die Menschen den Eindruck, dass sogar die bewaffneten Gruppen ihnen mehr Sicherheit bieten als der Staat. Das riesige Gebiet im Norden Malis ist zum Niemandsland geworden, in dem der Drogenschmuggel und das Schleusertum blühen.
Das malische Militär sei korrupt, unzureichend ausgebildet und schlecht ausgerüstet und werde so zu einem leichten Ziel für Terroristen. Dazu kommt der zweite Putsch innerhalb von neun Monaten, der ohne Konsequenzen bleibe.
Viele Malier kennen das begrenzte Mandat der Minusma nicht; sie wissen nicht, dass es keine Kampfeinsätze erlaubt und erwarten deshalb zu viel. Zudem werden die Blauhelme verdächtigt, auf Seiten der Tuareg-Rebellen zu stehen oder gar eine Geheimwaffe Frank-reichs zu sein, um den alten Plan eines Sahara-Staates, den Paris in den 1950er Jahren verfolgte, doch noch zu verwirklichen. Diese Sicht ist «auf der Straße» in Bamako verbreitet.
Die Mission hat zwar die Unterstützung der dortigen „Regierung“, aber nicht der Bevölkerung. Bei Friedensdemonstrationen im nordmalischen Gao stand auf Plakaten: „Nieder mit MINUSMA“.
Den Unmut der Bevölkerung bekommen die deutschen Soldaten zu spüren. Sie werden immer mehr zur Zielscheibe. Denn für die Kombattanten ist Deutschland Konfliktpartei.
Zurzeit müssen die UN-Truppen darum kämpfen, von der lokalen Bevölkerung akzeptiert zu werden. Es wird zum Problem, wenn Jugendliche denken, Europa sei die Ursache für das Unglück Afrikas. Eine Generation, die so denkt, kann leicht von Extremisten rekrutiert werden.
Es ist doch wenig überraschend, dass Tod und Verwundung in solchen Missionen immer dann zunehmen, wenn die UN aktiv(er) in Gewaltkonflikte eingreifen. Solch ein „robustes“ Vorgehen, auch mit militärischen Zwangsmaßnahmen, ist auch nötig für Einsätze, die den Auftrag zum Schutz der Bevölkerung umfassen.
Der Ansatz der Missionen sollte geschärft und die Sicherheit der Bevölkerung ins Zentrum gerückt werden.
Um die Zivilbevölkerung schützen zu können, müssten sich UN-Blauhelmsoldaten allerdings erst einmal selbst besser verteidigen. Immer wieder überfallen Milizen die Transporte auf ihrem langen Weg durch die Wüste und töten die Fahrer.
Die UN-Mission ist auf gefährliche Konvois angewiesen. Ihre Stützpunkte liegen weit voneinander entfernt, jede Versorgungsfahrt gleicht einem Himmelfahrtskommando.
Folgt EU-Ausbildungsmission und einer UN-Friedensmission jedoch einer Stabilisierungs- und Antiterrorismuslogik und geraten Einsätze immer robuster und proaktiver, werden die UN / EU Truppen Teil des Problems und Konfliktpartei – mit all den Risiken und unbeabsichtigten Folgewirkungen, die damit einhergehen können.
Das eigentliche Problem liegt woanders. Ähnlich in Afghanistan!
Wenn sich politisch nicht bald etwas ändert und der malische Staat selbst nicht für Sicherheit sorgen kann, dann droht die Gefahr, dass das Land wieder im Chaos versinkt und weite Teile unregierbar werden. Mali steht an einem Scheideweg. Und mit ihm die Sinnhaftigkeit des Einsatzes der Bundeswehr.
1. Die ganze Diskussion, was wir da machen bringt nichts. Auftrag ist Auftrag, auch wenn er bei den Haaren herbei gezogen ist, von Leuten, die glauben, wenn man nett ist, sind es die anderen auch.
2. Die Diskussion und Erörterung, die hier im Blog stattfindet, findet nur hier im Blog statt – der Vorfall scheint aus der allg. Presse wieder zu verschwinden.
3. Das Interview mit dem franz. Fachjournalisten offenbart einen weiteren interessanten Aspekt:
Kommunikation zwischen den verschiedenen Missionen und Mandaten. Ich glaube nicht, daß die INTREPs von MINUSMA auch an die Franzosen gehen und vor allem andersrum! Hatte der Stab in GAO die Informationenauf über die vorangegangenen Ereignisse, auf die der Journalist verweist? Konnte die Truppe das richtig auswerten, oder wurde doch der Lw Zug Objektschutz mitgeschickt?
Nie ausgesprochen wird der Zusammenhang von Aufstandsbekämpfung und Peacebuilding bei Teilnahme der Bundeswehr an den Friedens- und Stabilisierungseinsätzen MINUSMA und EUTM in Mali. Die Parlamentarier verlängern regelmäßig die umfangreichen deutschen Beteiligungen an der „Stabilisierung“ des malischen Staates, der Ausbildung der malischen Armee – und damit auch die Beteiligung an einer durchaus umstrittenen Aufstandsbekämpfung / Counterinsurgency-Praxis in Mali.
Ein erster, zwingend erforderlicher Schritt wäre es, die Aufstandsbekämpfung als Einsatzrealität zu akzeptieren. Dies dürfte in der Folge allerdings nicht nur das Wesen des UN Einstzes sondern auch den Charakter unseres Bundeswehreinsatzes nachhaltig verändern.
Fähigkeiten zur Aufstandsbekämpfung- Counterinsurgency sind allerdings in der Bundeswehr nur rudimentär vorhanden. Es gibt keine Konzepte und Doktrin. Weder operativ – noch taktisch. All das hat AFG gezeigt.
Diesen Widerspruch werden wir nicht auflösen, das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr gibt das nicht her.
Auch in Mali wird das Eingestehen von Fehlern bis hin zu Niederlagen wohl im Abzug gipfeln. Da ist das dann völlig egal, ob die ursprünglichen Ziele erreicht wurden.
Dieser Bericht von MINUSMA zeigt recht gut den Aufwand der mit der Verlegung malischer Einheiten nach Kidal verbunden ist: https://youtu.be/9mtVsiwpkz4
Nach meinem Verständnis ist ein solcher Auftrag mit dem Ziel Kidal für die Bundeswehr bisher die Ausnahme.
Spätestens ab Anéfis in den Norden ist JNIM dominierend, daher ist Barkhane dort (noch) auch sehr aktiv. Gerade für MINUSMA ist es eine Hochrisikozone.
Das UN-Lager in Kidal wird am häufigsten angegriffen – von allen UN-Lagern weltweit.
Wie wird sich Deutschland künftig bei solchen Teilaufträgen verhalten?
@dieandereMeinung
In der Reihe TF gibt es durchaus eine Regelung „Aufstandsbewältigung“.
Thomas Melber 26.06.2021 um 10:23 Uhr
„In der Reihe TF gibt es durchaus eine Regelung „Aufstandsbewältigung“…“
Das ist bekannt, doch sie wissen dann sicher auch, dass eine einsatztaugliche Umsetzung frühzeitig gestoppt wurde.
Auch im Heeresamt/Amt für Heeresentwicklung gab es gute Ansätze, wohl auch in der DSO/DSK (Spezielle Operationen)
Doch der Wille zur Umsetzung fehlte.
Aufstandsbewältigung blieb somit als rein taktische Antwort auf ein strategisches Problem in den Kinderschuhen stecken.
Es wurde politisch nicht anerkannt, dass Counterinsurgency ein nicht immer notwendiger, aber grundsätzlich auch nie auszuschließender – und damit integraler – Bestandteil von Stabilisierungsmissionen, dem sich der Träger eines UN-Sicherheitsratsmandates nicht entziehen kann.
Derartige Stabilisierungsmissionen im Rahmen von Koalitionen hätten auch zukünftig ein ressortübergreifendes Instrument deutscher Außen- und Sicherheitspolitik sein müssen.
Vor diesem Hintergrund (und im Hinblick auf die laufende Mission in Mali) müssten sowohl die Bundeswehr als auch das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie das Bundesministerium des Inneren Aufstandsbewältigung/Counterinsurgency als notwendiges gemeinsames Fähigkeitsprofil begreifen.
Dabei müssen entsprechende Kapazitäten sowie Kooperationsstrukturen gefördert und konsequent weiterentwickelt werden. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit mit Partnernationen und internationalen Organisationen.
Das ist in Deutschland nie zu Ende gedacht worden.
Erfahrungen und Lehren aus dem deutschen Afghanistaneinsatz zeigten ja deutlichst, man wollte eigentlich nur den „guten“ „Staatsaufbau“ und hat das „schmutzige“ Thema Counterinsurgency/Aufstandsbewältigung (COIN) dann doch lieber den anderen überlassen.
Im Ergebnis ist die Bundeswehr zu Counterinsurgency nicht in der Lage.
@dieandereMeinung
Zustimmung. Das Ganze ist der sog. Comprehensive Approach. Vorbedingung zum Aufbau von Akzeptanz ist „save and secure environment“.
Da gibt es für Afrika ein tolles Beispiel in einem UN Einsatz in Somalia (ja, genau der).
Dort hat die belgische SF Group mit kleinen Teams kleine Ortschaften in Nord Somalia quasi übernommen und zu safe heavens ausgebaut. Mit den Einheimischen. Die Erfolge wirken bis heute. Allerdings wurde auch dort im Vorfeld eine aggressive „Shaping“ Operation durchgeführt, um die Bedingungen für diesen Einsatz zu schaffen.
Also der politische „Hühnerhaufen“ nach dem Motto „raus so schnell wie möglich“ wundert mich jetzt auch. Was hat man denn erwartet? Das wäre jetzt eher Gelegenheit gewesen, ernst aber unaufgeregt zu erklären, warum hier überhaupt solch ein großes Engagement vorherrscht. Stattdessen wird sich gefühlt vielerorts die Augen gerieben, ob solcher kriegerischen Vorkommnisse in einer militärischen Mission …
https://augengeradeaus.net/2016/11/mali-sammler-angriff-auf-flughafen-in-gao-drohnen-auswertung-in-der-heimat/
Nur als Erinnerung auch der Kommentarbereich.
Haben die pol. Verantwortlichen in den letzten 5 Jahren konzeptionell/strategisch MINUSMA mit Inhalten/Leben gefüllt? Oder weiter Adabei?
Die bundesdeutsche Reaktion auf Macrons Abschiedsdrohung v0r 10 Tagen war überspitzt sinngem. „Wir sind UN und damit andere Baustelle“. Auswirkungen für uns als Truppensteller durch Militärputsche?
Nun gut. Wir befinden uns jetzt bei +/- Afg 07.06.2003. Zum Glück [!] ohne Tote. Jeder kann die pol. Reaktionen und Empfehlungen (DBwV bis Bundeskanzler) von damals nachsuchen.
Personal und Material nach Abzug AFG sollte nun für MINUSMA ausreichend vorhanden sein.
Wenn man denn will. Dazu müsste man aber wissen, was und ob man will.
„Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut!“
Karl Valentin
@dieandereMeinung:
Völlig richtig dass die Bundeswehr nie wirklich COIN verstanden hat.
Aktuell kommen ja auch wieder alte These auf „wer LV/BV kann, der kann auch Einsatz“..
Daran erkennt man schon, dass die Generalität COIN entweder weiterhin ignoriert oder nicht versteht.
Welche Rolle spielt Gewaltandrohung und -anwendung in Stabilisierungsoperationen?
Gerade wegen MINUSMA gibt es dazu seit einigen Jahren eine umfangreiche Diskussion bei den VN und in der Wissenschaft. Ich hatte hier bei mehren Gelegenheiten darauf hingewiesen.
Dieser Wandel der VN-Einsätze wird in Deutschland jedoch alles in Politik, Medien und Wissenschaft weitgehend ignoriert.
Insgesamt stellt sich auch schon bei Mali die Frage wie man legitime Regierungen in fragilen Staaten befördern kann.
Was können die Langzeiteinsätze überhaupt erreichen?
Diese Kernfragen sollten bei der Auswertung des Afghanistaneinsatzes im Zentrum der Debatte stehen.
Ich vermute aber diese Themen werden gar nicht angesprochen und es wird viel über vernetzte Sicherheit geschwafelt. Wobei die militärische Seite vorallem allen anderen erklären wird was sie besser machen müssen.
1. Alles Gute den Verwundeten.
2. Aber als nächstes muss gefragt werden, wie könnte dies passieren? War die Ausrüstung der dt Soldaten mangelhaft oder würden sie nicht ausreichend ausgebildet ein Amokfahrzeug abzuschießen? Wie kann eine Wagenburg von einem Amokfahrzeug getroffen werden, ohne dieses rechtzeitig abzuschießen? Die BW hat keine Schützenpanzer in Mali im Einsatz, welche geeignet hätten sein können, die Angreifer rechtzeitig abzuschießen. Waren Panzerfäuste oder Milan oder Mells vorhanden, um den Angreifer abzuschießen oder fehlte es daran? Denn eins ist klar, nachdem diese Angriffe erfolgreich sind, werden weitere Amokfahrten gegen die Un und Bw erfolgen demnächst.
Wie sehr einmal mehr deklaratorische Zielsetzung bzw. politische Rhetorik und die Realitäten vor Ort auseinander liegen zeigt sich anhand der Reaktion des Außenministers:
„Der hinterhältige Anschlag unterstreicht einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir uns den Terroristen entgegenstellen. Mali und der Sahel müssen vom Fluch des Terrorismus befreit werden.“
https://mobile.twitter.com/AuswaertigesAmt/status/1408458939050692610
Wir stellen uns nun erneut auf taktischer und operativer Ebene nicht entgegen, sondern weichen aus.
Wir weigern uns zudem weiterhin an Takuba teilzunehmen.
Zudem ist die Zielsetzung („Sahel vom Terrorismus befreien“) sehr umfassend.
Auch das eine Lehre aus Afghanistan:
Nicht jeder Terrorist ist unser Problem.
Wir schaffen bzw. stärken diese teilweise sogar mit unserer Präsenz (siehe Kilcullen „Accidental Guerilla“).
Gleichzeitig beginnt erneut eine ziemlich oberflächliche Drohnendebatte.
Nächste Woche kommen die Fachausschüsse im Bundestag zu Sondersitzungen zusammen.
Vielleicht erklärt der Minister Maas dort Mal was er mit dem obigen Zitat praktisch meint. Ich befürchte er weiß es selbst nicht.
Eine sehr gute Analyse des Einsatzes und der deutschen Beteiligung:
https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/sirius-2019-4003/html
Kurz gesagt: Mission Impossible.
@CRM-Moderator:
Das hatte ich heute auch nochmal durchgelesen.
Seitdem hat man natürlich gar nicht wirklich weiter gedacht. Die wenigen die es getan haben sitzen eh schon wieder woanders.
@ Memoria 26.06.2021 um 15:45 Uhr
Danke!
Die Lage in Mali ist äußerst komplex und schwierig. Sie erfordert eine gründliche Lageanalyse, eine klare Vorstellung von dem übergeordneten politischen Zweck und den angestrebten Zielen sowie einen entsprechenden Mitteleinsatz. Alle diese Voraussetzungen sind von Deutschland meiner Meinung nach nicht angemessen berücksichtigt worden.
Die militärischen Aktivitäten des deutschen Kontingents erfolgen u.a als Patrouillen geringer Truppenstärke, die im erweiterten Umfeld der Stützpunkte stattfinden und dem Zweck der Nachrichtengewinnung und Aufklärung (Intelligence Surveillance and Reconnaissance) für Aufträge eigener Truppe aber auch den verbündeten Streitkräften Malis und Eigensicherung (Basis) dienen.
Das ist weit weg von „Bekämpfung von Aufständischen“.
Der Fall Mali zeigt, dass wenn Demokratien Aufstandsbekämpfung betreiben wollen, eine solche Kriegführung unweigerlich viel menschliches Leid verursacht.
Die Teilnahme an Operationen zur Aufstandsbekämpfung sollte also (von Beginn an!) grundsätzlich reiflich überlegt werden, denn sie wird regelmäßig einen extrem hohen politischen, finanziellen, ethischen und vor allem menschlichen Preis fordern.
Der Einsatz der Bundeswehr in solchen Stabilisierungsoperationen, die mit der Bekämpfung von Aufständischen verbunden sind, erfordert also Fähigkeiten und Vorgehensweisen, die jenseits des „allgemeinen“ politischen Verständnisses von Stabilisierungsoperationen (z.B. KFOR) der Bundeswehr liegen. Es ist zwar weithin anerkannt, dass die militärische Planung bei Einsätzen wie der in Afghanistan (ISAF) oder Mali einer vernetzten Sicherheitsstrategie folgen muss und daher eines integrativen Ansatzes bedarf, der über die praktizierten und eingeübten Mechanismen ressortübergreifender Zusammenarbeit hinausgeht, doch es ist halt (nur) „anerkannt“!
Die Frage, wie diese Anforderung in der Praxis konkret umgesetzt, werden soll ist nie beantwortet worden. (Fähigkeiten, Ausbildung, Übung, Konzeptionelle Weiterentwicklung)
Bislang werden die Prinzipien vernetzter Sicherheitspolitik militärisch-operativ nicht in dem Maße umgesetzt, wie es im Rahmen solcher Einsätze notwendig wäre. Der Bundesregierung fehlt es unverändert (trotz der Erfahrungen ISAF) – auf ziviler wie militärischer Ebene – an geeigneten integrierten Planungsstrukturen und Einsatzinstrumenten, um eine militärische Operation mit dem Schwerpunkt der Aufstandsbekämpfung durchzuführen. Das wird sich mit der Ausrichtung auf LV/BV (Schwerpunkt) auch nicht ändern. Experten für Aufstandsbekämpfung bezweifeln, dass die „These“ „wer LV/BV kann, der kann auch Einsatz“ stimmen kann. Solch kühne Behauptungen führten zu den militärischen Niederlagen der USA in Vietnam, im Irak und aktuell in Afghanistan.
Von den USA kann man lernen, die besten Konzepte, Ausrüstung, Ausbildung/Übung und damit verbundene übergeordnete Intentionen wie „Stabilisierung und Staatsaufbau in Krisengebieten“ können eine Gewalteskalation nicht verhindern, wenn alle (!) Voraussetzungen im Einsatz selbst für eine erfolgreiche Aufstandsbekämpfung nicht gegeben sind.
Angesichts der Tatsache, dass besonders in Stabilisierungsoperationen der Bundeswehr das Handeln jedes einzelnen Soldaten strategische Bedeutung haben kann, genügt es auch nicht, die Kontingente lediglich „mal kurz“ in der Einsatzvorbereitung für Fragen der Aufstandsbekämpfungzu sensibilisieren.
Das war auch der Grund, warum man vor einiger Zeit ausgewählte Kräfte des Heeres (DSO) mit dem permanenten Auftrag Aufstandsbekämpfung betraute (Spezielle Operationen/ Operationen gegen irreguläre Kräfte) Doch dieser Auftrag ist nicht mehr Teil des Aufgabenpaketes der DSK. (Nachfolger DSO).
Darüber hinaus müsste eine solche Mission auf strategischer, operativer und taktischer Ebene durchgehend von Fachleuten für Aufstandsbekämpfung begleitet werden. Wie es aktuell aussieht wissen viele hier. Am besten sieht es wohl noch auf der operativen Ebene aus.
Doch die Welt sieht anders aus. In Ausbildungen zur Vorbereitung von Einsätzen scheint deren Ablauf unverändert eingefahrenen Mustern zu folgen, was sich in immer wiederkehrenden Merkmalen zeigt. Die Sicherheitsbedrohungen im Rahmen dieser Szenarien treten oft unverändert als die Soldaten plötzlich angreifende Kämpfer in Erscheinung. Diese „Feindkommandos“, die von anderen Soldaten dargestellt werden, nehmen dann beispielsweise die auszubildende Truppe während einer Patrouille oder im Gespräch mit „Zivilbevölkerung“ unerwartet als Heckenschützen unter Feuer.
Eine andere Quelle von Sicherheitsbedrohungen sind unverändert Demonstranten, die Gewalttaten gegen auszubildende Soldaten an Kontrollpunkten u.ä. ausüben. Diese werden in der Regel durch sogenannte Rollenspieler dargestellt.
Positiv ist, für (Joint) Nachrichtengewinnung und Aufklärung werden zunehmend komplexere, fordernde Übungen entwicklt.
Fehlendes Kontextwissen vieler militärischer Führer in der Aufstandsbekämpfung, wie auch vglw. kurze Stehzeiten von Kommandeuren im Einsatz und der Ansporn in „seiner Rotation“ schnelle Erfolge vorzuweisen führen regelmäßig zu Verkürzungen im operativ – taktischem Ansatz.
Im Einsatz in Mali erfindet sich in jedem Kontingent der Kommandeur neu, „probiert“ aus. Wir wissen, dass Erfahrungen der Vorgängerkontingente nur teilweise übergeben wurden.
Auch im Einsatzführungekommando ist man von Kontinuität der Einsatzauswertung „Aufstandsbekämpfung“ weit weg. Mit den neunen Rotationen (Personalwechsel) fängt man oft von vorn an.
Letzte Anmerkung, im politischen Berlin, konkret BMVg, hatte man eine „panische Angst“ den Begriff „Aufstandsbekämpfung“ zu nutzen. Man wählte dann „Herstellung von Sicherheit und staatlicher Ordnung“. So zögerlich wie der Begriff, so wenig entwickelten sich die Fähigkeiten der Bundeswehr. Das was man konnte, hat man verlernt. Besser wird es nicht werden. Gerade die These: „Wer LV/BV kann auch Einsatz“ wird für solche Stabilisierungsoperationen nicht hilfreich sein.
Bei einer Phoenix-Diskussion mit den 3 Kanzlerkandidaten sah Herr Laschet verschiedene Handlungsmöglichkeiten:
In Mali weniger machen oder in Absprache mit Frankreich mehr. Es hörte sich so an als würde er zu Zweiterem tendieren – auch mit Blick auf die Nachfolge von Barkhane.
Frau Baerbock bekräftigte das grüne Nein zu EUTM (wegen Unterstützung des Tschad). Herr Scholz wurde dazu nicht mehr so genau gefragt.
Allgemein waberte wieder die Vorstellung vom Nichtkampfeinsatz und sogar einer Rolle von MINUSMA bei der Ausbildung herum.
Mit Blick auf das neue VN-Mandat für MINUSMA empfiehlt eine Expertengruppe diese Woche:
„Encourage member states to contribute military personnel trained for high-risk operations, military air assets, and communications technology for use in early warning, so the mission can deliver on its Force Adaptation Plan.“
https://www.stimson.org/2021/prioritization-and-sequencing-of-security-council-mandates-the-case-of-minusma/
Die VN wiederholen weitgehend die Fehler der NATO vor 15 Jahren (wishful thinking).
Wie groß die echten Probleme der malischen Streitkräfte an der Basis sind zeigt diese Reportage:
https://www.arte.tv/en/videos/099960-000-A/mali-the-army-in-the-firing-line/
@
Pham Nuwen sagt:
26.06.2021 um 12:31 Uhr
“
Also der politische „Hühnerhaufen“ nach dem Motto „raus so schnell wie möglich“ wundert mich jetzt auch. Was hat man denn erwartet? Das wäre jetzt eher Gelegenheit gewesen, ernst aber unaufgeregt zu erklären, warum hier überhaupt solch ein großes Engagement vorherrscht. Stattdessen wird sich gefühlt vielerorts die Augen gerieben, ob solcher kriegerischen Vorkommnisse in einer militärischen Mission …
“
+1
Nebenbei hätte man noch erläutern können, wie hier beaffnete Drohnen und/oder Artillerie und/oder andere Fahrzeuge was hätten verbessern können (wenn dies natürlich auch vom weitgehend unbekannten Ereignishergang abhängig ist)
Beim Blick auf die Gesamtlage aller Missionen in Mali wird klar, dass Frankreich zwar Barkhane beenden will, aber deswegen nicht komplett abziehen will.
Es geht vorallem darum ein Signal im französischen Vorwahlkampf zu setzen und die Mission zu reduzieren und zu europäisieren. Nächstes Jahr sollen die Standorte in Timbuktu und Kidal aufgegeben werden.
Gleichzeitig versucht Frankreich MINUSMA zu vergrößern (2.000 Mann) und Takuba zu erweitern.
Dagegen opponieren aktuell jedoch die USA: https://foreignpolicy.com/2021/06/18/biden-sahel-france-mali-exit-plan/
Wenn man sich dann anschaut wie unbedarft unsere Kanzlerkandidaten dazu diskutierten, kann man eine Ahnung davon bekommen, dass Mali wohl noch nicht bald vorbei sein wird.
Wenn man Takuba in EUTM Mali integriert, dann hätten wir nicht Mal mehr die Ausrede mit dem Grundgesetz.
Zu den Kanzlerkandidat und dem „Triell“, Ist via Phoenix nachhör/sehbar.
Wenn Mali in Gänze als Ausbildungsmission unwidersprochen bleibt, auch seitens der Moderation, was erwarten wir dann?
@KPK:
Sogar Botschafter Ischinger sprach ja bei der Einleitung der Frage von Ausbildung.
Ist eben für einen erfahrenen Diplomaten und strategischen Denker zu viel taktisches Detail.
Ist aber ein schönes Beispiel für das Niveau der verteidigungspolitischen Debatte in unserem Land.
Das BMVg will ja irgendwann auch noch mehr Details veröffentlichen, bin Mal gespannt wie man sich da wieder selbst darstellen wird. Ich erwarte die aus Afghanistan seit 20 Jahren bekannten Parolen (bestmöglich ausgebildet und ausgerüstet, Restrisiko, etc.).
Hoffentlich lassen sich Medien und Politik nicht wieder mit solchen Ausreden abspeisen. Die Sondersitzungen der Fachausschüsse werden sicher auch wieder so ein Glanzstück.
@dieandereMeinung:
Da sind wir einer Meinung.
Es wurden über Jahre die Hausaufgaben nicht gemacht.
Mittlerweile wird sogar immer lauter öffentlich negiert, dass man überhaupt Hausaufgaben hat.
Die These von „wer LV/BV…“ wurde vor 20 Jahren ja sehr ähnlich sogar von der FüAk propagiert („Wer das Gefecht der verbunden Waffen beherrscht, beherrscht alle Einsatzarten“).
Für mich das beste Beispiel für die intellektuelle Leere in der Bundeswehr.
Zu OpIK usw. haben sie schon einiges gesagt. Dies waren ja aber auch lediglich taktische Konzepte.
Was wirklich fehlt ist eine fundierte, umfassende, selbstkritische, kontroverse Debatte über verschiedene Ansätze zur Erreichung von Zielen im Bereich internationales Krisenmanagement.
Da würde es schon helfen, wenn jeder Stabsoffizier verstehen würde wie unterschiedlich COIN, CT und FID als Lösungsansätze sind.
Aber wo werden diese Grundlagen gelehrt?
Probleme kann man nur lösen, wenn es ein Problembewusstsein gibt.
Die militärische Führung tut aktuell alles in genau dieses Bewusstsein gar nicht geben kann.
In den USA kam der entscheidende Impuls hierzu übrigens von Präsident Kennedy, der such intensiv mit Konflikttheorien beschäftigte.
Die Politik muss sich überlegen, ob sie in solchen Einsätzen wirklich etwas erreichen will und die unangenehmen Konsequenzen ziehen oder wir lassen diese ganzen Einsätze und konzentrieren uns auf LV/BV, CT und MilEvakOp.
Das ist die wirkliche strategische Frage, die wenig überraschend nun wieder auf dem Tisch liegen sollte.
Stattdessen kleinteilige Diskussionen um Rettungskette (immerhin hat Deutschland national zusätzlich Fähigkeiten organisiert!) und das Dauerthema Drohnen.
@Bw_Einsatz
Aktuelle Information zum Anschlag in Mali:
Alle Soldatinnen und Soldaten der #BundeswehrimEinsatz bei #MINUSMA, die bei der Bergung und Sicherung der Anschlagsstelle unterstützt haben, sind zurück im Camp Castor in Gao.
https://t.co/LTFjpewD6x
Eine besondere Nachbereitung beginnt, nach sicher auch fordernder Sicherung am Anschlagsort. Mehr Informationen für die Öffentlichkeit, ggf später, taktische Erkenntnisse logisch nicht.
@Memoria; @dieandereMeinung:
Es wurde durch sie von Operationen gegen irreguläre Kräfte gesprochen.
Warum hat man diese Fähigkeiten denn aufgegeben? Sind diese Kräfte nicht gut geeignet in Krisensituationen wie Afghanistan oder Mali zum Einsatz gebracht zu werden?
Also zur wirkungsvollen Bekämpfung asymmetrischer Bedrohungen durch irreguläre Kräfte. Schnell verfügbar, luftverlegbar?
Dirk Freudenberg spricht im Buch „Theorie des Irregulären. Partisanen, Guerillas und Terroristen im modernen Kleinkrieg. “
von einem Einsatzkonzept Operationen gegen irreguläre Kräfte( EinsKonz OPIK), Bonn, Stand: 27.03.2006. Bundesministerium der Verteidigung.
Die Bundeswehruniversitäten empfahlen noch 2018 für DEU Studenten in WEST POINT:
„Der Kurs HI381 (History of Irregular Warfare) eignet sich besonders für Geschichtswissenschaftler, jedoch auch für jedes weitere Fach, in welchem sich eine Anrechenbarkeit begründen lässt, da der Kurs tiefgreifende Einblicke in ausgewählte Beispiele von Stabilisierungsoperationen und Operationen gegen irreguläre Kräfte vermittelt.“
Der heutige 4* General Vollmer führte als Divisionskommandeur der DSO aus:
„Spezielle Operationen als Auftrag –
Das Aufgabenprofil der Division umfasst die Vorgabe, zwei zeitlich parallele und geografisch voneinander unabhängige Spezielle Operationen führen zu können. Diese können sein: Militärische Evakuierungsoperationen (MilEvakOp) und Operationen zur Bewaffneten Rückführung, Operationengegenirreguläre Kräfte, Schnelle Anfangsoperationen, Operationen in der Tiefe sowie die Gestellung der Rahmenorganisation für ein multinationales Hauptquartier zur Führung von Operationen der Spezialkräfte. Bei der Durchführung dieser Operationen können weitere nationale und gegebenenfalls auch multinationale Einheiten zu einem Einsatzverband hinzutreten.“
Nun ist die DSO als DSK kleiner geworden, u.a. durch Auflösung einer Luftlandebrigade
Könnte das „Ausbildungszentrum Spezielle Operationen“ hierfür innerhalb der Bundeswehr als Ausbildungstätte zur Blaupause werden?
Es ist ein wenig OT, doch mit Blick auf erforderliche Fähigkeiten in krisenhaften Lagen in Einsätzen wie z.B. Mali bitte ich diese Frage in den Ring werfen zu können.
Ist es nicht auch eine Frage für Fachjournalisten, wenn es um Fähigkeiten für Einsätze geht? Hat man die Bundeswehr in dieses ja mal offensichtlich auf hohem Niveau einsatzbereite Profil in einem falschen Verständnis reduziert?
@Siegfried Dreher:
„Die Bundeswehruniversitäten empfahlen noch 2018 für DEU Studenten in WEST POINT“.
Damit ist eigentlich alles gesagt.
Wo gibt es ähnliches an den Offizierschulen, den UniBw, der FüAk?
In Westpoint und sonst wo fallen deutsche OA ja – zur Überraschung der Gastgeber – vorallem damit auf, dass sie was Kriegs- und Konflikttheorie völlig ahnungslos sind.
Wobei man von ihnen natürlich erwartet, dass sie alle Klassiker und die moderne Literatur dazu besser kennen als alle anderen.
Das Gegenteil ist der Fall, nicht nur in den USA, sondern auch in Frankreich, Großbritannien, etc.
Wir haben uns längst intellektuell abgemeldet und merken nicht mal, dass es ein Problem ist.
Die praktischen Auswirkungen sieht man nun erneut in Mali.
Das will man aber nicht hören, weil wir halt per se gut sind.
@ Siegfried Dreher; 27.06.2021; 18:11 Uhr
Zu ihrer Frage bzw. den Anmerkungen.
In mittlerweilen historischen Aufsätzen kann man zu Operationen gegen Irreguläre Kräfte der DSO folgendes finden:
„Operationen gegen Irreguläre Kräfte dienen dem Zweck, die Bedrohung durch Irreguläre Kräfte (z.B. Organisierte Kriminelle, Guerillas, Terroristen) für im Einsatz befindliche Kräfte besonders auch durch offensive Operationen nachhaltig auszuschalten. Hierbei handelt es sich um zeitaufwändige und äußerst komplexe Operationen, die von Maßnahmen zur Bekämpfung Irregulärer Kräfte zum Beispiel beim überraschenden Zusammentreffen mit diesen im Sinne von Nachsetzen, Stellen und Schlagen zu unterscheiden sind. Zu letzterem sind alle Truppengattungen der Kampftruppen (z.B. die Panzergrenadiertruppe) zu befähigen.
„Operationen gegen Irreguläre Kräfte“ hingegen erfordern das Erkennen, Lokalisieren und Zerschlagen von komplexen Netzwerken Irregulärer Kräfte – dazu sind aufgrund von Struktur, Ausbildung und Ausrüstung Spezialisierte Kräfte der DSO befähigt.“
Der besondere Aspekt ist der Hinweis auf ‚Operation‘, dies im Verständnis, dass Operationen zeitlich und räumlich zusammenhängende militärische Handlungen von Kräften, die auf die Erreichung einer gemeinsamen Zielsetzung ausgerichtet sind.
Die DSO war der Kern des streitkräftegeminsamen Einsatzverbundes „Spezielle Operationen“. Sie war neben der Befähigung zur Durchführung von Luftlandeoperationen und luftgestützten Operationen besonders zur Durchführung spezieller Operationen wie militärische Evakuierungsoperationen, Operationen zur bewaffneten Rückführung, Operationen gegen irreguläre Kräfte, schnellen Anfangsoperationen und Operationen in der Tiefe sowie zum Zusammenwirken mit Spezialkräften befähigt.
Die Spezialisierung der für diesen Auftrag einsatzbereiten Kräfte der DSO für „Operationen gegen Irreguläre Kräfte“ ist vor vielen Jahren dem Gedanken erlegen, eine querschnittlichen Befähigung für solche Aufgaben für alle Einsatzkräfte zu erlangen.
Die heutige DSK wäre wohl auch unter Stärkung der Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung und als Bestandteil der nationalen Risiko- und Krisenvorsorge der Bundeswehr, nach entsprechender neuzuordnender Ausbildung, in der Lage solche Aufträge zu erfüllen.
Schönes Beispiel für das Mikromanagement der deutschen Sicherheitspolitik:
https://mobile.twitter.com/akk/status/1409191451666309120
Die Rückverlegung von Verwundeten ist sicherlich wichtig, aber man sollte sich auf strategischer Ebene ganz andere Fragen stellen. Was wollen wir dort überhaupt erreichen? Können wir das realistisch erreichen? Warum kommt es zu solchen Vorfällen?
Welche Maßnahmen sind notwendig, um sowas künftig zu verhindern?