Bundesregierung will Marine-Mandate verlängern: Irini unverändert, Atalanta als Gelegenheitsjob (m. Ergänzung)

Die Bundesregierung hat die Verlängerung zweier Auslandseinsätze der Deutschen Marine auf den Weg gebracht. Wie bisher soll sich die Bundeswehr an der EU-Mission Irini im Mittelmeer beteiligen. Für die EU-Antipiraterieoperation Atalanta am Horn von Afrika ist dagegen nur noch die temporäre Beteiligung durchfahrender Kriegsschiffe geplant. Die Mandate gehen nun zur Billigung an den Bundestag.

Die von der Europäischen Union geführte militärische Krisenbewältigungsoperation im Mittelmeer der European Naval Forces Mediterranean (EUNAVFOR MED) Irini soll in erster Linie das UN-Waffenembargo gegen Libyen überwachen. Irini löste im vergangenen Jahr in dieser Aufgabe die vorherige EU-Mission Sophia ab, die am Streit der Mitgliedsstaaten über den Umgang mit aus Seenot geretteten Migranten und Flüchtlingen zerbrochen war. Die neue Mission soll faktisch durch die zugeteilte Region im Mittelmeer die Aussicht auf solche Rettungen minimieren, obwohl – auch nach dem deutschen Mandat – diese Aufgabe grundsätzlich bleibt.

In einem Schreiben an die Bundestagsfraktionen hatten Außenminister Heiko Maas und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hervorgehoben, dass Deutschland mit dem bisherigen Einsatz in dieser Mission zur Umsetzung des Embargos wesentlich beigetragen habe:

Entsprechend verhinderte die Operation mit dem Einsatz der deutschen Fregatte Hamburg im September 2020 einen Verstoß gegen das Waffenembargo, indem ein Tanker, der militärisch nutzbares Kerosin nach Libyen transportieren sollte, umgeleitet und dessen Ladung beschlagnahmt wurde. Insgesamt konnten wir mit dem deutschen Beitrag zur Operationsführung einen Abschreckungseffekt gegenüber Schmuggelaktivitäten durch die die aktive Präsenz im Einsatzgebiet feststellen.

Wie im bisherigen Mandat (Bundestagsdrucksache 19/18734), das bis zum 30. April befristet ist, sollen auch im neuen Mandat (Bundestagsdrucksache 19/27661) für diese Aufgabe bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt werden können. Weiterhin ist vorgesehen, dass abwechselnd ein Schiff und ein Seefernaufklärer der Marine in diesen Einsatz geschickt werden.  Am (gestrigen) Dienstag hatte der Einsatzgruppenversorger Berlin offiziell die deutsche Beteiligung an Irini übernommen:

In der Antipirateriemission Atalanta, die bereits seit 2008 läuft, schreibt das neue Mandat den faktischen Rückzug aus diesem Einsatz fest. Im Vergleich zum bisherigen Mandat ( Bundestagsdrucksache 19/18866), das ursprünglich bis zum 31. Mai befristet ist, soll im neuen Mandat (Bundestagsdrucksache 19/27662) die Personalobergrenze von bislang 400 auf 300 Soldatinnen und Soldaten reduziert werden. Bereits seit 2016 entsendet die Deutsche Marine kein Schiff mehr in diese Mission. Der regelmäßige Einsatz von Seefernaufklärern ist ebenfalls beendet, die logistische Unterstützungsbasis in Djibouti wird derzeit abgebaut.

Künftig ist statt dessen eine regelmäßige temporäre Begleitung mit im Einsatzgebiet stehenden seegehenden Einheiten der Marine geplant – im Klartext: Wenn ein deutsches Kriegsschiff ohnehin in der Region unterwegs ist, zum Beispiel bei der geplanten Fahrt der Fregatte Bayern in den Indo-Pazifik, wird es vorübergehend dieser Mission unterstellt.

Das hängt einerseits mit den Kapazitäten der Marine, andererseits aber offensichtlich auch mit der Ausweitung des Mandats durch die EU zusammen: Die hatte im Dezember vergangenen Jahres zusätzliche Aufgaben für Atalanta definiert:

Darüber hinaus trägt die Operation Atalanta im Rahmen ihrer sekundären exekutiven Aufgaben zur Anwendung des Waffenembargos der Vereinten Nationen gegen Somalia gemäß der Resolution 2182 (2014) des VN-Sicherheitsrats und zur Bekämpfung des Handels mit Suchtstoffen vor der Küste Somalias im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen und des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen bei.
Außerdem überwacht Atalanta als sekundäre nicht-exekutive Aufgabe gemäß den Resolutionen 2498 (2019) und 2500 (2019) des VN-Sicherheitsrates und im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen den Handel mit Suchtstoffen, den Waffenhandel, die illegale, ungemeldete und unregulierte Fischerei sowie den illegalen Handel mit Holzkohle vor der Küste Somalias.

Ergänzung: Diese ausgeweiteten Aufgaben sind im neuen Mandat ausdrücklich als neue Punkte zusätzlich zur Pirateriebekämpfung aufgenommen:

c) Durchsetzung des gegen Somalia verhängten Waffenembargos außerhalb von Hoheitsgewässern durch das Kontrollieren von Schiffen, die Somalia anlaufen oder verlassen, wenn hinreichende Gründe zu der Annahme bestehen, dass diese Schiffe Waffen oder militärisches Gerät nach Somalia befördern, oder dass sie Waffen oder militärisches Gerät zu Personen oder Einrichtungen befördern, die von dem durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingesetzten Ausschuss benannt wurden, sowie Beschlagnahme, Registrieren und Entsorgen dieser Gegenstände und – gegebenenfalls – Umleiten der Schiffe und ihrer Besatzungen in einen geeigneten Hafen, um diese Entsorgung zu ermöglichen;
d) Überwachen des illegalen Handels mit Suchtstoffen, der Fischereitätigkeiten sowie des illegalen Holzkohlehandels vor der Küste Somalias;
e) außerhalb von Hoheitsgewässern Betreten und Durchsuchen von Schiffen unter nationaler Flagge mit ausdrücklicher Genehmigung des Flaggenstaates, wenn ein begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass diese für den Handel mit Suchtstoffen eingesetzt werden und das Ergreifen erforderlicher Maßnahmen in Bezug auf dieses Schiff und seine Fracht. Hierzu gehören Beschlagnahme und Vernichtung gefundener Suchtstoffe.
Bei Schiffen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie keine Staatszugehörigkeit haben, ist das Betreten und Durchsuchen außerhalb von Hoheitsgewässern zur Flaggenstaatsverifikation zulässig.
Bei Schiffen ohne Staatszugehörigkeit kann sich die Durchsuchung auch auf Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem illegalen Handel mit Suchtmitteln beziehen. Solche Maßnahmen gegen Schiffe, die keine Flagge führen bzw. bei denen der Verdacht besteht, dass sie keine Staatszugehörigkeit haben, erfolgen durch seegehende Einheiten der Bundeswehr nur, sofern dies der Operationsführung ausdrücklich angezeigt wurde;

Angesichts der zusätzlichen Befugnisse im geplanten neuen Mandat wird dann auch der Zeitrahmen verändert: Obwohl das bisherige Mandat bis Ende Mai gelten würde, soll bereits zum 1. Mai die Neufassung in Kraft treten, wenn der Bundestag zustimmt. Als Folge richtet sich der neue Mandatszeitraum danach, d.h. es wird bis Ende April kommenden Jahres befristet.

Die zusätzlichen Aufgaben führend allerdings nicht zu stärkeren deutschen Aktivität vor Ort. Dauerhaft fortgesetzt werden soll dagegen die deutsche Beteiligung mit Stabspersonal im Hauptquartier der Mission in Rota in Spanien. Dort sind derzeit vier deutsche Soldaten eingesetzt.

Nachtrag 18. März: Am 17. März hat die Bundeswehr ihre Präsenz in Djibouti beendet:

(Archivbild 2007: Der Einsatzgruppenversorger Berlin vor Wilhelmshaven – Bergold/Bundeswehr)