Deutschland muss keinen Schadenersatz für Luftangriff bei Kunduz 2009 leisten
Mehr als elf Jahre nach dem Luftangriff bei Kunduz in Afghanistan im September 2009, den ein Bundeswehr-Oberst angeordnet hatte, hat das Bundesverfassungsgericht als letzte deutsche Instanz den Schadenersatzanspruch von Angehörigen der Opfer des Angriffs gegen die Bundesrepublik Deutschland abgelehnt. Allerdings ließ das Karlsruher Gericht offen, ob es grundsätzlich in solchen Fällen einen Anspruch geben kann. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ist allerdings noch ein weiteres Verfahren dazu anhängig.
Zwei Angehörige von Afghanen, die bei dem Luftschlag am 4. September 2009 ums Leben gekommen waren, hatten vor deutschen Gerichten auf eine Entschädigung geklagt. Der damalige Oberst Georg Klein, Kommandeur des Provincial Reconstruction Teams (PRT) der internationalen Mission in Afghanistan, hatte nach der Entführung von zwei Tanklastern durch Aufständische einen Luftangriff auf die am Ufer des Kunduz-Flusses steckengebliebenen Fahrzeuge angeordnet, weil er einen Angriff mit diesen Tankern auf das PRT befürchtete. Bei dem Luftschlag kamen zahlreiche Zivilisten ums Leben, die aus den Tanklastern Treibstoff abzapfen wollten.
In erster Instanz hatte bereits das Landgericht Bonn 2013 entschieden, dass dem damaligen PRT-Kommandeur keine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen sei. Ein solches pflichtwidriges Handeln hatten die Angehörigen als Grundlage für einen Entschädigungsanspruch an die Bundesrepublik geltend gemacht. Das Verfassungsgericht entschied in dem am (heutigen) Mittwoch veröffentlichten Beschluss, eine Verfassungsbeschwerde gegen die Urteile der vorangegangenen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof nicht anzunehmen.
Aus der Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
Ob in einem bewaffneten Konflikt eine Amtspflichtverletzung deutscher Soldaten vorliegt, bemisst sich nach der Verfassung, dem Soldatengesetz und vor allem den gewaltbegrenzenden Regeln des humanitären Völkerrechts. Nicht jede Tötung einer Zivilperson im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen stellt auch einen Verstoß hiergegen dar. Ein solcher ist nach dem Urteil nicht deshalb gegeben, weil vor dem Befehl zum Bombenabwurf nicht habe ausgeschlossen werden können, dass sich im Zielgebiet auch Zivilisten aufhielten. Der Oberst i. G. der Bundeswehr habe bei Erteilung des Angriffsbefehls die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft, bei der notwendigen ex ante-Betrachtung eine gültige Prognoseentscheidung getroffen und somit keine Amtspflichtverletzung begangen.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts widersprach aber ihrer Entscheidung ausdrücklich der Einschätzung des Bundesgerichtshofs, dass solche Schadenersatzansprüche nach Handlungen von deutschen Soldaten ausgeschlossen seien:
Nicht ausgeschlossen erscheint dagegen, dass der Bundesgerichtshof die Bedeutung und Tragweite von Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz verkannt hat, als er Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 Grundgesetz) als Folge von Einsätzen der Bundeswehr im Ausland generell verneint hat.
a) Angesichts der grundsätzlichen Bindung aller deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte, die auch bei Handlungen im Ausland besteht, begegnet das Urteil insoweit Zweifeln. Die Haftung für staatliches Unrecht ist nicht nur eine Ausprägung des Legalitätsprinzips, sondern auch Ausfluss der jeweils betroffenen Grundrechte, die den zentralen Bezugspunkt für staatliche Einstandspflichten bilden. Die Grundrechte schützen nicht nur vor nicht gerechtfertigten Eingriffen des Staates in Freiheit und Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger und sind insoweit Grundlage von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen, die die Integrität der grundrechtlichen Gewährleistungen sicherstellen. Wo dies nicht möglich ist, ergeben sich aus ihnen – und nicht allein aus dem auf einer politischen Entscheidung des Gesetzgebers beruhenden einfachen Recht – grundsätzlich auch Kompensationsansprüche, sei es als Schadensersatz-, sei es als Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen. Eine derartige Rückbindung der staatlichen Unrechtshaftung ist heute ein allgemeiner Rechtsgrundsatz im europäischen Rechtsraum.
Dies wird schon wegen des Vorrangs der Verfassung durch die vom Bundesgerichtshof angeführten Gründe, die gegen eine Anwendung des Amtshaftungsrechts auf Auslandseinsätze der Bundeswehr sprechen könnten, insbesondere die Beeinträchtigung der internationalen Bündnisfähigkeit Deutschlands und die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, nicht in Frage gestellt.
Mit anderen Worten: Unabhängig von der konkreten Einzelfallentscheidung für die klagenden Angehörigen der Opfer des Luftangriffs haben die höchsten deutschen Richter sehr deutlich gemacht, dass Aktionen deutscher Streitkräfte in einem bewaffneten Konflikt auch zu Schadenersatzansprüchen gegen Deutschland führen können.
Die Entscheidung im Wortlaut: Beschluss vom 18. November 2020 2 BvR 477/17
(Vorsorglich der Hinweis nach Erfahrungen mit diesem Thema in den Threads früherer Jahre: Für die Debatte bitte ich im Auge zu behalten, was Ärzte ohne Grenzen unter dem Begriff Even War has Rules (Selbst im Krieg gelten Regeln) zusammengefasst hat.)
(Archivbild: Das Wrack eines der am 4. September 2009 durch einen Luftangriff zerstörten Tanklaster, aufgenommen im November 2011 – BRFBlake, Wrecks of the fuel tankers in the Kunduz River 1, CC BY-SA 3.0)
„Der Oberst i. G. der Bundeswehr habe bei Erteilung des Angriffsbefehls die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft, bei der notwendigen ex ante-Betrachtung eine gültige Prognoseentscheidung getroffen (…).“
Liebe SPD, hätte der Herr Oberst in dieser Lage nicht nur einen fadenscheinigen Informanten gehabt, sondern eine bewaffnete Drohne, dann hätte er so lange warten können, bis klar wird, ob sich die Laster in Richtung Feldjager bewegen und detoniert werden.
Die armen Zivilisten…
@ T.W. eine „juristische Feinheit“ – hoffe sie ist nicht allzu anzüglich.
Das BVerfG überprüft das Urteil nicht als letzte Instanz – also keine Superrevisionsinstanz. Sondern prüft lediglich, ob das entscheidende Gericht – nach der Rechtswegerschöpfung – die Bedeutung und Tragweite von Grundrechten verkannt hat und insbesondere, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten wurde.
Insofern ist dieses Verfahren eine Verfassungsbeschwerde nach § 13 Nr. 8 i. V. m. § 90 ff BVerfGG.
Ansonsten herzlichen Dank für die ganze Mühe!
Das Urteil mag für diesen Einzelfall überzeugen.
Innbesondere die grundsätzliche Judizierbarkeit kriegerischer Auseinadersetzungen durch eine Ziviljustiz ist jdeoch mehr als fragwürdig.
Bei sporadischen Kampfhandlungen und Einzelereignissen mag das ja noch theoretisch denkbar sein.
Wie soll aber ein hochintensiver Konflikt geführt werden in dem solche Operationen nicht einmalig sondern im Zweifel täglich/stündlich oder minütlich erfolgen müssen?
Wenn der Staat aber bei jeder Kugel die einer seiner Soldaten abgibt immer ein potentielles HAftungsrisiko im Hinterkopf behalten muss führt das zwangsweise zu einer verringerten Einsatzbereitschaft und damit Bündnisfähigkeit erst Recht wenn der symmetrische oder assymmetrische Gegner völlig frei von solcehn Erwägungen agieren kann.
Dieser fortschreitende Einbruch ziviler Prinzipien in militärische Operationsführung wird diese über kurz oder lang verunmöglichen
@wacaffe
Da sich Deutschland wohl in AFG nicht im Krieg befindet gelten die Regeln des Zivilen, oder? Sonst hätte sich die BReg ‚mal ehrlich machen sollen. Wer nicht „A“ sagt, der kann schlecht „B“ sagen.
Davon ab geht das Urteil natürlich i.O.
„Im August 2010 bestätigte die Bundeswehr, dass die Familien dieser 91 Toten und von 11 Schwerverletzten je 5000 US-Dollar als humanitäre Hilfe im Sinne von „freiwilligen Ex-Gratia-Unterstützungsleistungen“ ohne Anerkennung einer Schuld erhalten sollen. Verzicht auf juristische Ansprüche sei keine Bedingung. Die Beträge sollen auf Bankkonten gehen, die für die männlichen Familienoberhäupter eingerichtet werden sollen. Die bisher geplante Projekthilfe dagegen werde aufgegeben.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriff_bei_Kundus
Wenn noch auf Schadensersatz geklagt wurde, was war das dann?
@ Thomas Melber
„Da sich Deutschland wohl in AFG nicht im Krieg befindet gelten die Regeln des Zivilen, oder? Sonst hätte sich die BReg ‚mal ehrlich machen sollen. Wer nicht „A“ sagt, der kann schlecht „B“ sagen.“
Völkerrechtlich herrscht in Afghanistan für Deutschland und andere in „nichtinternationaler Bewaffneter Konflikt“ der die Anwendung des humanitären Kriegsvölkerrechts zur Folge hat. Der Laie sagt dazu „Krieg“
So auch das Bundesverfassungsgericht und alle Vorinstanzen.
Nur deshalb sind Erwägungen zur Inkaufnahme ziviler Opfer in Abwägung zum militärischen Ziel überhaupt möglich.
Nach Zivilrecht wäre eine solceh Abwägung von vorneherein unzulässig.
Insofern sperrt das humanitäre Völkerrecht die Anwendung zivilen Strafechts, weil es insofern das speziellere Recht ist. Ähnliches müsste konsequnterweise auch für die Staatshaftung gelten, was das BVerfG in obigem Urteil aber ohne Not in Frage stellt.
@wacaffe
„Nur deshalb sind Erwägungen zur Inkaufnahme ziviler Opfer in Abwägung zum militärischen Ziel überhaupt möglich.“
Und weshalb muß dann über die Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft ermittelt werden ob eine Straftat vorliegt?
https://www.neuerichter.de/details/artikel/article/schwerpunktstaatsanwaltschaft-fuer-die-bundeswehr-229/
https://augengeradeaus.net/2011/05/da-ist-sie-die-schwerpunkt-staatsanwaltschaft/
Würde da nicht eine Erklärung des RB und Kontingentführers ausreichen, daß die ROE eingehalten wurden?
@wacaffe sagt: 16.12.2020 um 20:29 Uhr
„Insofern sperrt das humanitäre Völkerrecht die Anwendung zivilen Strafechts, weil es insofern das speziellere Recht ist. Ähnliches müsste konsequnterweise auch für die Staatshaftung gelten, was das BVerfG in obigem Urteil aber ohne Not in Frage stellt.“
Zustimmung zu beiden Punkten. Das BVerfG hat hier ohne Not einen gefährlichen Weg beschritten, auf dem uns noch viel Ungemach drohen wird…
@Undedeutend
„Wenn noch auf Schadensersatz geklagt wurde, was war das dann?“
Na siehe oben: „5000 US-Dollar als humanitäre Hilfe im Sinne von „freiwilligen Ex-Gratia-Unterstützungsleistungen“ ohne Anerkennung einer Schuld „…alles beschrieben, oder?
@ Thomas Melber
Aus demselben Grund, weswegen beim Schusswaffengebrauch durch einen Polizisten keine Erklärung ausreicht, man habe in Notwehr oder Nothilfe gehandelt. Dort wird ebenfalls ermittelt.
Im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt wird – dem Vernehmen nach – auch in Deutschland nicht mehr jeder Schusswaffengebrauch ausufernd untersucht, sondern nur noch, wenn der Verdacht eines Fehlverhaltens im Raume steht.
Im Übrigen bieten nur Ermittlungen die Chance, einen Verdacht ordentlich auszuräumen.
Thomas Melber sagt:
16.12.2020 um 21:18 Uhr
„Würde da nicht eine Erklärung des RB und Kontingentführers ausreichen, daß die ROE eingehalten wurden?“
Die ROE wurde bekanntlich nicht eingehalten !
Zu Erinnerung, Die Nato / ISAF hatte „Red Baron 20“, der die Bombardierung in Kunduz koordinierte, unmittelbar nach dem Luftangriff von seinen Aufgaben suspendierte. Da dieser gegen die ISAF-Regel ROE 429 verstoßen hatte.
@AoR
Jede fliegende Plattform, mit entsprechender Bewaffnung, hätte das leisten können.
Die Entscheidung fiel eben wegen unvollständiger und falscher Informationen und dem Zeitdruck.
Problem ist halt die TOS (time on station). Irgendwann geht den Kampfflugzeugen der Sprit aus. Einer Drohne hätte das auch passieren können. Bei einer kleinen, günstigen Drohne könnte man sogar dann noch auf Station bleiben, solange man einen kontrollierten Absturz hinnimmt.
Eine F-15E oder ein B-52 Bomber hätte auch lange kreisen können, sofern die denn in der Luft nachgetankt worden wären. Das kostet halt Unsummen und die Tanker müssen in der Luft sein und genug Treibstoff dabei haben. Problematisch war/ist auch die Auflösung der Kamerabilder und die Bildschirmgröße im Cockpit.
Entweder arbeitet man da heute mit leichten bemannten Plattformen, wie dem ScorpionJet oder man geht auf unbemannte Plattformen. MBDA hatte da mal vor 8 Jahren ein interessantes Konzept vorgestellt, VIGILUS. Es gab ja mal den Versuch Frachtzeppeline zu bauen. Während das schief ging, sah MBDA darin eine super Trägerplattform für diverse konzeptionelle Waffen.
https://www.youtube.com/watch?v=RQJ3uTZAnak
Einige Programme sind da ja weiter gegangen. So sollen zumindest Aufklärungs- und Kommunikationszeppeline entwickelt werden, die dann über ein Jahr in der Luft bleiben.
https://www.thalesgroup.com/en/worldwide/space/press-release/thales-alenia-space-and-thales-sign-concept-study-contract-french
Im Übrigen hätte es auch gereicht ordentliche Aufklärung, sowie Mörser und ausgewachsene Artillerie zu haben. Im Zielgebiet macht es wenig Unterschied woher die Spreng/Splitterladung kam, die da explodiert.
Artillerie hätte auch mit Leucht- und Nebelgeschossen eine gewisse Warnwirkung erzielen können.
An der Debatte um das Töten aus Distanz ändert das übrigens nichts.
Das BVergG hat hier im wesentlichen eine Banalität festgehalten: Wenn deutsche Truppen Kriegsverbrechen begehen, haftet die BR dafür und leistet Schadenersatz.
Im Tankerfall lag kein Kriegsverbrechen vor, also Ende Gelände.
„Wie soll aber ein hochintensiver Konflikt geführt werden in dem solche Operationen nicht einmalig sondern im Zweifel täglich/stündlich oder minütlich erfolgen müssen?“
In einem solchen Konflikt reduzieren sich automatisch die Anforderungen an das Ausmass an Nachforschungen, die der Entscheidende vor seiner Abwägung anstellen muss.
Wichtig dabei: das Kriegsvölkerrecht fragt nicht, ob das Verhalten verhältnismäßig ist, sondern umgekehrt, ob der Einsatz militärischer Gewalt und ihr Effekt auf Zivilisten klar ausser Verhältnis zum angestrebten Ziel steht.
Vgl die Mitteilung des Generalbundesanwalts vom 19.04.2010 – 8/20106 Ermittlungsverfahren wegen des Luftangriffs vom 4. September 2009 eingestellt
„Dieser setzt in subjektiver Hinsicht die sichere Erwartung des Täters voraus, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Ob-jekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht.“
„Selbst wenn man mit zivilen Opfern einer Militäraktion rechnen muss, ist ein Bombenabwurf nur völkerrechtlich unzulässig, wenn es sich um einen „unterschiedslosen“ Angriff handelt, bei dem der zu erwartende zivile Schaden in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Erfolg steht.“
https://tu-dresden.de/gsw/phil/irget/jfstraf4/ressourcen/dateien/dateien/toetung_im_krieg.pdf?lang=de
RoE sind eine interne Sache. Sie zielten im konkreten Falle auf die Gewinnung von „hearts and minds“ ab. Daraus erwachsen aber keine rechtlichen (Amts)Pflichten gegenüber Dritten.
Dazu der Generalbundesanwalt:
„Verstöße gegen innerdienstliche Vorgaben, insbesondere gegen einzelne
Einsatzregeln (Rules of Engagement) sind nicht geeignet, völkerrechtlich zulässige Handlungen einzuschränken, weil solche Einsatzregeln rein intern gelten und ihnen keine völkerrechtlich verbindliche Rechtswirkung nach außen zukommt. “
P.S. CH53 raus auf Afg, NH 90 rein
https://www.youtube.com/watch?v=-kcxIdx4JkI
[Was das P.S. angeht: a) habe ich auf dem Zettel, aber noch sind die CH-53 nicht raus b) hat das in diesem Thread nichts verloren. T.W.]
@SvD: Sicher, daß geht alles in Richtung „wir haben dies nicht, wir haben das nicht“ und somit fehlende Materiallage zur Auftragserfüllung im Sinne der öffentlichen Debatte.
Ich denke, in dem Zusammenhang wäre eine Drohne das Mittel der Wahl gewesen.
Danke für die tollen Hinweise, sehr interessant.
@ milliway
Endlich sagt es mal einer.
Die angesproche ROE besagte:
ECAS (war es das?) nur, wenn:
1. Overhelming enemy fire
2. Positive identification (enemy)
3. No possibility to retreat
Davon kann man ja in keinem Fall sprechen. Ich war ein paar Wochen später vor Ort. Fahrzeit Lager KUNDUZ dahin: ca. 20min. Mindestens 3 Möglichkeiten um sich gedeckt anzunähern für EOT – eyes on target. Hhhmmmmm…?
@ Milliway und pirat77
Nichts für ungut, aber „Thema verfehlt“.
In der Regel (!) schränken ROE das, was (völker-) rechtlich möglich ist, zusätzlich ein. So war es hier auch. Das Vorgehen war, weil es sich in einem „nicht-internationalen bewaffneten Konflikt“ zutrug, durch das (in Deutschland das humanitäre Völkerrecht umsetzende) Völkerstrafgesetzbuch gedeckt. Und damit endet die strafrechtliche bzw., wenn man so will, haftungsrechtliche Geschichte.
Die ROE spielen (in diesem Fall) eine Rolle, wenn es um das dienst-/bzw. disziplinarrechtliche geht.
Oder übertrieben gesprochen: Wer zu spät zum Dienst erscheint, macht sich womöglich eines Dienstvergehens schuldig, aber keiner Straftat.
Hallo Hans Dampf
Ebenfalls Nichts für ungut, aber die zuvor von mir, oder @pirat77 gemachten Angaben stimmen schon.
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/074/1707400.pdf
Siehe unter andere Seite 273 ff)
Zitat :
Vorgaben der dem Waffeneinsatz zu Grunde gelegten ROE 429 wurden sämtlich nicht erfüllt………
– Die Einsatzregel besagen, dass bei einem Waffeneinsatz nach ROE 429 eine unmittelbare Bedrohung bestehen muss.
(Es hat aber keine Bedrohung bestanden, da die zwei Tanklastwagen sich von Bundeswehr Camp entfernten und sich auf eine Sandbank festgefahren haben.)
– Desweitern musste sichergestellt werden, dass keine Zivilisten gefährdet werden.
– Gemäß der Einsatzregel muss ein „Show of Force“ durchgeführt werden, das wir den F-15E Piloten ausdrücklich verboten hatten.
Trotz, dass wir uns den Tod von etwa 100 Zivilesten schuldig gemacht haben, kennt das Völkerrecht keine unmittelbaren Ansprüche einzelner Geschädigter gegen einen fremden Staat.
So hat auch dass BGH folgerichtig die Klage der Hinterbliebenen abgewiesen.
@ Milliway
Es wird doch vom häufigen Wiederholen doch nicht richtiger – das Völkerstrafgesetzbuch war für die strafrechtliche Betrachtung der Maßstab, nicht die ROE.
Das Verhalten mag ein Verstoß gegen die ROE gewesen sein, aber eben keine Straftat im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches.
Nicht mal in Deutschland ist man so weltfremd anzunehmen, dass es im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzung ausgeschlossen werden kann, dass es unbeabsichtigt zu zivilen Opfern bzw. Kollateralschäden kommt.
Hallo Hans Dampf
Für mich ist hier jetzt Ende, wollte aber noch erwähnen dass wir Drohnen in Einsatz hatten, da einige User glaubten, das der Einsatz von Drohnen dieses tragische Unglück abgewendet hätte, mehr in Bericht.
Es wurden über 100 Zivilisten getötet, darunter 22 Kinder unter 15 Jahren laut Bericht der AIHRC.
Da kein Irrtum vorgelegen hat, ist es mir ein Rätzel wie man glauben kann das keine Straftaten vorliegen. Siehe in diesen Zusammenhang auch die 580 Seiten der Drucksache 17/7400, Link zuvor.
Nur weil wir kein Schadenersatz zahlen müssen, heißt das nicht automatisch dass bei der Bombardierung der Tanklastwagen kein Kriegsverbrechen nach § 8 bis § 12 VStGB vorliegt.
https://www.gesetze-im-internet.de/vstgb/__8.html
Wir haben unter anderen gegen Punkt (1) Absatzes Nr.1 und Punkt (6) Absatzes Nr.1, Nr.2 und Nr.3 verstoßen.
Diese Straftaten sehen eine lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren vor.
So haben wir auch gegen das Völkerstrafgesetzbuch und gegen die Einsatz Regeln (ROE 429) der NATO verstoßen.
Mit den Angriff auf die zivilen Tanklastwagen wollte man ein Exempel statuieren, die Vertuschung dieses Kriegsverbrechen verhinderte bis heute eine Aufarbeitung der Geschehnisse des 3. und 4. Septembers 2009.
So wurden in Deutschland die Ermittlungsverfahren diesbezüglich eingestellt da es keine ausreichende Sachverhaltsaufklärung gab und die Chronologie nicht rekonstruiert werden konnte.
( Eingestellt bedeutet nicht das die Angeklagten Personen auch unschuldig sind !)
Die am Luftschlag in Kundus beteiligten F-15E Piloten wurden hingegen vor der US Militärjustiz bestraft, weil sie keinen „Show of Force“ durchgeführt haben und auf die falschen Angaben der deutschen Einsatz Leitung vertraut haben.
Wir waren durch KZO Drohnen Aufklärung, siehe Wörtliches Zitat aus den von Hausherrn verlinkten Bericht: „Luftschlag am 4. September 2009“. genauestens informiert.
Zitat:
„im Feldjäger-Bericht (s. u.) soll daraufhin das PRT KDZ die entführten Tanker mit Drohnen, über welche die Bundeswehr dort seit einigen Wochen verfügte,[14] bis zum Kunduz-Fluss verfolgt und „67 Taliban-Kämpfer gezählt“ haben.“
Die Taliban forderten die Bevölkerung aus den umliegenden Dörfern auf, Treibstoff aus dem in einer Furt des Kunduz-Fluss festgefahrenen beiden Tanklastwagen abzuzapfen. Durch Gewichtsreduzierung wollt man so die beiden Tankzüge wieder fahrbereit bekommen.
Dieses Passierte unter der Beobachtung unserer Task Force 47. Die Task Force 47 war eine geheime Sondereinheit von Geheimdienstleuten und Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK).
Da bekannt war das sich die beiden Tanklastwagen beim Überqueren des Kunduz-Fluss unmittelbar vor dem Bundeswehr Camp festgefahren haben, verstehe ich nicht warum nicht mit eigenen Kräften des PRT KDZ aufgeklärt wurde.
Und warum wurden der kontaktierten B-1B „Lancer“ völlig falsche Zielkoordinaten mitgeteilt?
In der Verlinkten Anlage 2 BvR 477/17 ist die Rede von Einsatz eines Aufklärungsflugzeugs, in Wirklichkeit war die B-1B „Lancer“ gemeint, die den Auftrag erhalten hatte eine mögliche Bedrohung zu neutralisieren.
Meiner persönlich Meinung nach,
ist Task Force 47 schuld an diesen katastrophalen Luftschlag, da diese vermutlich falsche Erkenntnisse an Oberst Klein weitergeleitet haben.
Da jetzt auch der Untergang der Estonia neu untersucht werden soll, wäre es folgerichtig das wir eine Fähigkeitslücke schließen und nach den Vorbild der USA eine Militärjustiz aufbauen.
So das alle involvierten Personen, insbesondere die Mitglieder der Task Force 47 endlich wegen völkerrechtswidrigen Handlungen gegen Personen angeklagt werden.
Dieses ist auch die richtige Instanz, da zum Beispiel ein tragisches Unglück auf der Gorch-Fock nicht vor einem ordentlichen Gericht gehört und dann noch von der Boulevardpresse breitgetreten wird.
@Hans Dampf sagt: 20.12.2020 um 9:24 Uhr
„Es wird doch vom häufigen Wiederholen doch nicht richtiger – das Völkerstrafgesetzbuch war für die strafrechtliche Betrachtung der Maßstab, nicht die ROE.
Das Verhalten mag ein Verstoß gegen die ROE gewesen sein, aber eben keine Straftat im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches.“
+1 Absolut richtig.
@Milliway sagt: 21.12.2020 um 14:01 Uhr
„Nur weil wir kein Schadenersatz zahlen müssen, heißt das nicht automatisch dass bei der Bombardierung der Tanklastwagen kein Kriegsverbrechen nach § 8 bis § 12 VStGB vorliegt.“
Stimmt, aber im Einstellungsbeschluss des GBA, der eindeutig klarstellt, dass nicht wegen Mangel an Beweisen, sondern wegen Unschuld eingestellt wurde.
@Milliway
Eines ist in diesem Staat in Bezug auf seine Streitkräfte doppelt 100% sicher, nämlich, dass nie eine Militärjustiz aufgebaut werden wird.
Noch mehr Staat im Staat ginge nicht.
Wer das öffentlich vorschlüge, dem würde sofort mit Karl Roland Freisler und dem Volksgerichtshof gekontert werden, bzw im Kontext Nationalsozialismus mit dem Reichskriegsgericht als höchster Instanz der Wehrmachtjustiz ab 1936, nachdem Weimar die Militärjustiz 1920 abgeschafft hatte.
Pardon, m.E. eine abstruse Idee.
Was erforderlich ist, in Teilen ja durchaus umgesetzt, sind Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften.
@ Milliway 21.12.2020 um 14:01 Uhr
Ihre eindeutige Identifikation der TF 47, die sich Ihrer Meinung nach eines Kriegsverbrechens schuldig gemacht hat, ist mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.
Ich war in besagter Nacht der verantwortliche SOCE ( Special Ops Corrdination Element) im RC North. Weder war die TF 47 in dieser Nacht im Einsatz noch unterstand sie dem PRT KDZ.
Ihre Beschuldigung überschreitet ein tolerierbares Mass an
„ Gedankenaustausch“ sondern Sie bezichtigen pauschal Kameraden, deren Verband und dessen Führung eines schweren Verbrechens, über das nach langer Prüfung gerichtlich entschieden wurde.
Ich fordere Sie auf, sich entweder bei den entsprechenden Stellen der Justiz diesbezüglich zu melden- sollten Sie Kenntnis haben, die über Meinung hinausgeht- oder sich solcher diskriminierender Äusserungen zu enthalten.
@Eric Hagen @Miliway
Ich fürchte, das droht zu entgleiten.
@Miliway hat geschrieben:
Dieses Passierte unter der Beobachtung unserer Task Force 47. Die Task Force 47 war eine geheime Sondereinheit von Geheimdienstleuten und Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK).
und
Meiner persönlich Meinung nach,
ist Task Force 47 schuld an diesen katastrophalen Luftschlag, da diese vermutlich falsche Erkenntnisse an Oberst Klein weitergeleitet haben.
Das erste ist eine Tatsachenbehauptung, die nach meiner Erinnerung – Stichwort Red Baron – nicht falsch ist (lasse mich da aber korrigieren), das zweite eine persönliche Bewertung. Der man natürlich widersprechen kann – aber dass die TF47 dabei im Einsatz gewesen wäre, hat er auch nicht behauptet.
Ich weise darauf nur hin, weil ich an dieser Stelle eine unschöne Auseinandersetzung in einer Schärfe befürchte, die hier nicht am Platze ist – zumal Details auch nach aller Zeit ungeklärt sind. Und eine Auseinandersetzung in den Kommentaren trägt kaum zu einer Klärung bei.
@ Eric Hagen sagt:
21.12.2020 um 16:34 Uhr
dafür +1
Ich frage mich immer, was wohl die Reaktion auf die Meldung gewesen wäre, das ein Tanklastzug voll Benzin als VBIED ins PRT gerast wäre?
Ob da auch jemand Partei für die toten des PRT ergriffen hätte und Schadenersatz bzw. den Einsatz eines Kriegsverbrechertribunales gefordert hätte? Eher nicht.
[Ich möchte dringend anregen, jetzt die Debatten der vergangenen elf Jahre nicht wieder von vorne zu beginnen – und erst recht nicht mit schrägen Argumenten. T.W.]
@Klaus-Peter Kaikowsky (KPK) sagt: 21.12.2020 um 16:30 Uhr
„Eines ist in diesem Staat in Bezug auf seine Streitkräfte doppelt 100% sicher, nämlich, dass nie eine Militärjustiz aufgebaut werden wird.“
Da wäre ich mir nicht so sicher. Das Grundgesetz sieht ja genau das vor. Der entsprechende Artikel wurde nur bisher noch nicht gebraucht, weil wir glücklicherweise bisher nicht so häufig in kriegerische Auseinandersetzung bzw. robuste Auslandseinsätze verwickelt waren, dass es hierfür einen faktischen Bedarf gegeben hätte.
Aber Sie wissen ja, dass bis in die 80er-Jahre hinein die entsprechenden Planungen und sogar Vorbereitungshandlungen (ich meine mich zu erinnern, dass sogar die Richterroben festgelegt waren) bereits abgeschlossen waren und jederzeit und kurzfristig im V-Falle hätten aktiviert werden können (durch einfaches Gesetz des BT).
SvD sagt:
17.12.2020 um 17:34 Uhr
„Entweder arbeitet man da heute mit leichten bemannten Plattformen, wie dem ScorpionJet oder man geht auf unbemannte Plattformen.“
Oder man geht einfach mal in sich und überlegt was genau die Plattform können muss:
+ große Reichweite
+ lange Ausdauer
+ ein Innenraum für Operateure
+ ein Cockpit für 2 Piloten um die Ausdauer ohne Probleme zu schaffen
+ eine kleine bis mittlere Waffenlast von 6 gelenkten kleineren Bomben und vielleicht noch 2 Luft-Boden-Flugkörper
Da gibt es ganz viele tolle Muster, angefangen von den MPA (Seefernaufklärern) von verschiedenen Marinen bis hin zu den normalen kleineren Transportflugzeugen, die man dauerhaft umbauen oder eben gleich so bestellen könnte.
Ich würde deshalb den komplett anderen Weg gehen und keine ganz kleinen und leichten Muster nehmen (ihr ScorpionJet), sondern große Muster.
Und die Flugstundenkosten sind auch entscheidend geringer als ein kreisender Eurofighter und man umgeht das Problem mit der Drohnendebatte (bewaffnet).
Gerade im Hinblick auf solche Auslandseinsätze wie Afghanistan und Mali, wären auch nicht wirklich die Besatzungen in großer Gefahr (Abschuss) und man würde andere Muster (Eurofighter) stark entlasten.