Materiallage der Bundeswehr: Leichte Besserung, aber auch Systeme nur zu einem Viertel einsatzbereit
Die Einsatzbereitschaft der großen Waffensysteme der Bundeswehr hat sich in Teilen gebessert – nach wie vor gibt es aber auch Systeme, bei denen nur ein Viertel einsatzbereit ist. Diese Schwankungsbreite nennt die Bundeswehr in ihrem jüngsten Bericht zur Materiallage. Weiterhin sind die Details geheim, wie 2019 unter der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eingeführt. Die Coronavirus-Pandemie hat, logisch, teilweise den Klarstand verbessert – weil weniger geübt wurde.
In dem am (heutigen) Dienstag vorgelegten offenen Teil des Berichts zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr* nennt Generalinspekteur Eberhard Zorn nicht mehr, wie noch im vergangenen Jahr, die fliegenden Systeme und da vor allem die Hubschrauber als Hauptproblem der Truppe. Tatsächlich ist das Bild differenzierter – und hat eher mit dem Alter von Hubschraubern, Schiffen oder Schützenpanzern zu tun.
Am schlechtesten sieht es bei den alten Systemen mit einer im Verlauf hohen Schwankungsbreite der materiellen Einsatzbereitschaft aus: Hier wird ein Klarstand zwischen 26 Prozent, also einem Viertel der vorhandenen Maschinen, und 89 Prozent genannt, ohne dass das öffentlich konkreten Systemen zugeordnet würde. In diese Kategorie mit insgesamt 26 der 68 insgesamt betrachteten Hauptwaffensysteme fällt allerdings vor allem fliegendes Gerät: Der Tornado-Kampfjet, der Hubschrauber CH-53 und der Seefernaufklärer P-3C Orion. (Educated Guess: das untere Ende des Bereitschaftsstandes dürften die Seefernaufklärer markieren. – Korrektur: nee, es ist wohl ein Hubschrauber…) Aber auch die Betriebsstofftransporter der Marine, seit über einem Jahrzehnt als erneuerungsbedürftig erkannt, oder ältere Varianten des Schützenpanzers Marder gehören dazu. Bei elf dieser 26 Systeme lag die Einsatzbereitschaft nach dem Bericht unter 60 Prozent.
Eine ähnlich große Schwankungsbreite gibt es zwar auch bei Systemen in der Einführungs- bis Wachstumsphase – allerdings sieht der Bericht trotz der Einsatzbereitschaft zwischen 30 und 93 Prozent hier Aussicht auf Besserung. So sei teilweise weder die Dokumentation noch die Ausstattung mit den nötigen Spezialwerkzeugen sichergestellt. Allerdings seien hier Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet. In diese Gruppe gehören elf Systeme, unter anderem der Schützepanzer Puma, der Transportflieger A400M, der Hubschrauber NH90 und der Spezialkräfte-Hubschrauber Airbus H145 M. (Noch ein Educated Guess: Der H145M, ein praktisch industrieverfügbarer Helikopter, dürfte das obere Ende des Klarstands markieren und den Schnitt auf über 70 Prozent heben.)
Halbwegs zufrieden ist der Generalinspekteur dagegen mit den 33 Systemen in der Wachstums- bis Sättigungsphase, die eingeführt sind und stabil funktionieren. Genannt werden hier unter anderem mit einer Einsatzbereitschaft zwischen 60 und fast 100 Prozent Fregatten (allerdings nicht, welcher Typ), der Kampfpanzer Leopard 2, der Transportpanzer Boxer und der Eurofighter. Insgesamt lägen die Systeme dieser Gruppe bei einer verlässlichen hohen materiellen Einsatzbereitschaft von häufig oberhalb 75 Prozent.
Die Coronavirus-Pandemie hatte, auch darauf weist Zorn hin, für die Truppe gegensätzliche Effekte. Während in den Vorjahren die hohe Nutzung von Gerät für die zunehmenden Übungen und Verpflichtungen im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung als Problem für die Einsatzbereitschaft identifiziert wurde, wirkte sich die Pandemie genau getenteilig aus: Feststellbar ist bei einigen Waffensystemen eine Steigerung der materiellen Einsatzbereitschaft, wahrscheinlich aufgrund reduzierter Nutzung bei gleichbleibender Instandsetzungskapazität. Andererseits hatte die Bundeswehr durch die Pandemie die gleichen Probleme wie auch die Industrie: Bei anderen Waffensystemen wirken sich bereits massive Störungen internationaler Lieferketten aus, so dass wichtige Ersatzteile fehlen.
Auf die einzelnen Berichte der Inspekteure von Teilstreitkräften und Organisationsbereichen gehe ich an dieser Stelle nicht näher ein (kann man nachlesen), mit einer Ausnahme, weil das meist untergeht: Der, sagen wir Aufschrei des Inspekteurs des Sanitätsdienstes im Hinblick auf das Gerät, das angesichts der geänderten Anforderungen an die Bundeswehr nötig ist. Die geschützten Patiententransportsysteme, also gepanzerte Verwundetentransporter, seien zwar grundsätzlich einsatzbereit – aber es gebe schlicht zu wenige davon. Und ein Großteil ausgerechnet des Geräts, das zur Versorgung Verwundeter erforderlich sei, sei inzwischen einfach überaltert:
Dem gegenüber befinden sich die container- und zeltgestützten modularen Sanitätseinrichtungen (MSE) und luftbeweglichen Sanitätseinrichtungen(LSE) zur notfallchirurgischen bzw. klinischen Akutversorgung sowie die ungeschützte Rettungsstation zur allgemein- und notfallmedizinischen Erstversorgung in einer eingeschränkten Einsatzbereitschaft, weil deren Verfügbarkeit insbesondere durch technische Defekte aufgrund der hohen Lebensdauer stark reduziert ist. Hinzu kommen Obsoleszenzen von Systemkomponenten, welche teilweise nicht mehr von der Industrie aufgefangen werden können. Notwendige Ersatz- und Austauschteile müssen aus defekten Systemen gewonnen werden. Durch das voranschreitende Alter der Systeme und die verzögert laufende Beschaffung neuen Materials erhöht sich das bereits in den Vorjahren beschriebene Risiko einer Entkopplung vom Stand der Wissenschaft und Technik.
Die in den letzten Jahren entstandenen massiven Material-defizite in Verbindung mit dem grundsätzlichen Verzicht auf eine Ersatzteilversorgung im OrgBer und eine insgesamt verzögerte Regeneration prägen das Lagebild, der aktuell nur noch wenigen umfänglich einsatzbereiten MSE/LSE Systeme.
Wer den Abgleich mit früheren Berichten machen möchte:
September 2014, Dezember 2015, November 2016, Februar 2018, März 2019, November 2019
Und fürs Archiv:
20200609-bericht-materielle-einsatzbereitschaft
200200609-11_Ruestungsbericht
(Wird ggf. später ergänzt)
(Archivbild Mai 2014: Geschütztes Patiententransportsystem San-Boxer bei einer Lehrvorführung an der Infanterieschule Hammelburg – Böhmer/Bundeswehr)
19 Seiten nutzlose Papierverschwendung. Das kann jeder so interpretieren, wie er es gerade braucht. Dabei ist die Bandbreite von „Ogottogott, wir brauchen dringend mehr Geld für unser Material“ bis „Alles klar, läuft doch“ möglich.
Eines habe ich für mich nur festgestellt, wenn Corona die Materiallage signifikant verbessert, dann liegt die Ersatzteilversorgung und Instandsetzung immer noch im Argen.
Als ich noch an einem bestimmten Lfz gearbeitet habe, hätte mehr Geld für Ersatzteile zusammen mit sehr viel konsequenteren Vertragsmanagement gegenüber einer (!) bestimmten Firma aus dem europ. Ausland den Klarstand wohl im zweistelligen Prozentbereich verbessert. Es liegt nicht immer nur am Geld. Böse Zungen behaupten auch, dass manchmal bewusst an der Dokumentation gespart wird, um Projekte schönzurechnen.
Pseudotransparenz und Nebelkerzen. Jahrelanges Nichtstun und Mangelverwaltung mit einheitlicher Schrifttype. Völlig entbehrlich.
Und dann die Details geheim einstufen – auch egal.
@ MFG
Das nannte sich wohl „Herstellung der Versorgungsreife“ eines Waffensystems, heute so weit ich weiß „Herstellung der Einsatzreife“.
Das Problem dabei ist, dazu braucht man innnerhalb der Bw Fachleute auf allen Ebenen, am kompletten Gerät auf Verbandsebene im Einsatz, an der Schule, in der Ausbildung, an den Teilkomponenten in den Logistikzentren der 2. logistischen Ebene und in den Ämtern und im BAAINBw.
Ohne die entsprechenden Fachleute auf der Bw-Seite kann die Industrie machen wie sie gerade lustig ist und dann wird dies nichts.
Ich kann mich nicht erinnern, das jemals ( ! ) eine einzige Technische Dienstvorschrift (Technical Order, T.O.) ohne die intensive Betreuung im Form von Korrekturlesen durch die Truppe (und substantielles Verbessern des Entwurfes) auf jeder Anwendungsebene erstellt worden wäre. Dazu ist es aber notwendig, dass die entsprechende Personen die das Korrekturlesen durchführen auf dem gleichen Kenntnisstand wie die Industrie sind.
Also ohne Ausbildung von Lehr- und Spitzenpersonal, ohne eigene 2. logistische Ebene mit eigenen Fachleuten keine Versorgungsreife und deshalb u.a. die oben dargestellte schlechte Materiallage („Amateure reden über Taktik, Profis reden über Logisitik…“).
Herr Wiegold, der Abschlußbericht zur Berateräffäre ist da. Könnten Sie den mal für uns beleuchten?
Würde vielleicht auch erklären, warum wir obengenannte Zustände haben… Zumindest teilweise.
[Nee, der Abschlussbericht ist noch nicht da, sondern nur ein Teil, nämlich die Voten der Koalitionsfraktionen. Habe mich ehrlich gesagt noch nicht so drum bemüht, weil bei Untersuchungsausschüssen die Voten der Opposition in der Regel viel interessanter sind… Ich schaue mal, stelle das aber ggf. aus diesem Grund auch noch zurück. Und damit Ende des OT an dieser Stelle. T.W.]
@ Georg:
Ihre Ausführungen zum Thema Dokumentation sind im Prinzip korrekt. Man muss anmerken, dass die Erstellung der elektronischen Dokumentation (IETD) nach den speziellen standardisierten Anforderungen der Bw (hoffnungslos veraltet) prozessbedingt ganz erheblich länger als 5 Jahre dauert. Mit den von Ihnen genannten Risiken. Das isso.
Aber übrigens, die Industrie kann auch Dokumentation: Siehe H145M. Da hat keine Bw rumgepfuscht, genau darum. Wenn es mal nicht funktioniert mit der Qualität, könnte das auch wirtschaftliche/industriepolitische Gründe haben. Kosten etwa oder die Firma hat vielleicht auch hier und da gar kein Interesse an einer funktionierenden Bw- Dokumentation. ;-)
Es geht mit der Industrie, man muss nur die eigenen Forderungen im Griff haben. Das gilt nicht nur für das Gerät, auch für die Logistik. Das kapiert nur keiner derer, die was zu sagen haben.
„Amateure reden über Taktik, Profis reden über Logisitik…“ Nur ist heutzutage dummerweise nicht jeder Logistiker Profi.
Was die Rüstung insgesamt angeht, kann ich mich dem Tenor hier bisher nur anschließen. Rüstungsmäßig ist nichts mehr zu retten in dem System. Das wird das Scheitern weiterer anstehender Großprojekte zeigen. Neinein, nicht Corona ist schuld. Das System ist verfilzt und fest im Griff der Apparatschiks und Jasager.
Heute wurde ebenfalls, wie geplant, der 11. Rüstungsbericht veröffentlicht:
https://www.bmvg.de/resource/blob/263830/274c9b18032991fe3233bf1770ce22a5/200200609-download-11-bericht-des-bmvg-zu-ruestungsangelegenheiten-data.pdf
An verschiedenen Stellen, u.a. Eurodrohne, geht es voran.
In beiden Berichten wird aber erneut klar:
politischer Anspruch und Haushaltsmittel passen immer weniger zueinander.
Erstaunt bin ich über den Bereich des CIR, denn dort wird eine materielle Einsatzbereitschaft von taktischen Mitteln beschrieben, hingegen ist das Aufgabengebiet aber im ersten Punkt („er betreibt und schützt das IT-System der Bundeswehr“) weit aus umfangreicher. Unabhängig von der Ironie des Begriffes ‚das IT-System der Bundeswehr‘ dürfte das maßgebliche Waffensystem die medienbruchfreie Bereitstellung von benötigten Informationen sein. Natürlich nur unter der Annahme, man möchte Führungsfähigkeit als das Waffensystem der Waffensysteme auffassen. Und selbst das muss mit echtem Material ermöglicht werden. Ob die ‚Materiallage ITSysBw‘ im zweiten Abschnitt behandelt wird?
Ein paar lose Punkte:
1. Das mit dem Sanitätsmaterial bleibt mir ein Rätsel: Erst wird bei der Initiative Einsatzbereitschaft angekündigt, dass im Sanitätsdienst Verbrauchsmaterial einfacher und dezentral beschafft werden soll. Jetzt schreibt allerdings die Präsidentin BAAIN, dass eine Umstellung auf zentrale Beschaffung von Verbrauchsgütern Sanitätsmaterial erfolgt.
Das hört sich erstmal ziemlich widersprüchlich an.
https://augengeradeaus.net/2020/02/es-ist-in-vieler-hinsicht-unser-jahr-null-rede-der-verteidigungsministerin-bei-der-bundeswehrtagung/
2. Für mich neu im Bundeswehr-Kosmus ist die Nutzung von „Performance Based Logistics“, d.h. „die Vertragserfüllung eines Auftragnehmers ist nicht nur von dessen Leistung, sondern auch vom Ergebnis der Verfügbarkeit eines Systems abhängig.“ Das kenne ich primär von den Briten, die schon früher deutlich stärker auf Privatisierung setzten. Läuft bei denen im EF-Bereich seit 2016 unter TyTan. https://www.baesystems.com/en/product/supporting-the-uk-typhoon-fleet
Auch von den (vom GI angesprochenen) bonus-malus-Verträgen lese ich in dieser Form zum ersten mal. Lasse mich da aber gern korrigieren.
Ich sehe diese zwei Punkte ausgesprochen positiv.
3. Die Einordnung der einzelnen Systeme in „Einführungs- bis Wachstumsphase“, „Wachstums- bis Sättigungsphase“ sowie „Sättigungs- bis Degenerationsphase“ ist ja ganz nett. Faktisch liegt die Einsatzbereitschaft aber bei allen Systemen um die 70%, egal wie neu oder alt sie sind. Nur die Schwankungen unterscheiden sich deutlich. Von daher scheint Alter an sich kein Kriterium zu sein.
Wenn der Eurofighter zu den stabilen Systemen gehört, müssten doch alterstechnisch NH90 und Tiger auch dazugehören.
Und warum tauchen Leopard II und Tornado in unterschiedlichen Kategorien auf, wurden sie doch zur gleichen Zeit eingeführt?
4. Die Abstützung auf die Industrie wird häufig als ein positiver Faktor genannt. Vor dem Hintergrund LV/BV darf ich die Frage stellen, wie viele zivile Techniker als Reservisten erfasst sind (analog das zivile Gerät), so dass die Wartung auch unter widrigen Umständen in polnischen Wäldern weitergehen kann.
Naja ich kann halt nicht 30 Jahre „Geiz ist geil“ Sparpolitik in ein paar Jahren umdrehen. Es machen sich jetzt halt Effekte bemerkbar wo die Entscheidungen über ein Jahrzehnt zurück liegen. Einige Systeme sind zudem total überaltert und hätten schon sehr lange ersetzt werden müssen.
Wichtigster Punkt ist aber, dass es keine Reserven mehr gibt. Wenn ich 90% oder 100% Klarstand haben will, benötige ich eine Materialreserve / Überhang von 20% oder mehr.
Ist halt eine Armee und kein Logistikdienstleister.
@ Interessierter
Zitat:
„Aber übrigens, die Industrie kann auch Dokumentation: Siehe H145M. Da hat keine Bw rumgepfuscht, genau darum. “
Das sollte wohl ein Witz sein, wenn die Industrie den H145M nicht dokumentieren könnte, dann könnte sie kein ureigenestes, selbst hergestelltes System dokumentieren. Bei der Dokumentation geht es nicht darum ob die „Bw darin rumgepfuscht hat“, sondern ob die Industrie teure erfahrene Experten abstellt, die die Dokumentation in der geforderten Qualität erstellen kann. Da ist es bei militärspezifischen Projekten leider so, dass die Industrie eine billige „Bananenpolitik“ mit angelernten Kräften verfolgt, das Produkt, die Dokumentation des Waffensystems reift beim Kunden !
Zitat:
“ Man muss anmerken, dass die Erstellung der elektronischen Dokumentation (IETD) nach den speziellen standardisierten Anforderungen der Bw (hoffnungslos veraltet) prozessbedingt ganz erheblich länger als 5 Jahre dauert. Mit den von Ihnen genannten Risiken. Das isso.“
Na dann würde ich doch vorschlagen, wir kehren zurück zur gedruckten Papiervorschrift. Die ist für die Truppe sowieso besser handelbar, bei Laptop und IT-Netzausfall auch nutzbar, in der Regel informativer und besser nutzbar (da keine Hyperlinks enthalten sind, sondern die für einen Arbeitsschritt notwendigen Anweisungen alle auf einem Blatt und den event. Folgeblättern gedruckt sind). Außerdem kann ich heute noch einen Arbeitskartensatz für die ab 2013 ausgesonderte Phantom F4F benutzen ohne dass man sich Gedanken machen muss ob in der Zwischenzeit das Lesegerät (Laptop) für die Vorschrift veraltet ist, oder sich die Norm für die Zusammenstellung der einzelnen Elemente der Dokumentation geändert hat.
Also wenn die Herstellung der Vorschrift (IETD) für ein Waffensystem und damit die Herstellung der Einsatzbereitschaft für ein Waffensystem heute mehr als 5 Jahre prozessbedingt dauert, dann ist dies ein Fehler im System. Der Fehler liegt in mangelnder Manpower der Industrie und den mangelnden Fachleuten in der Truppe und im Amt, die der Industrie auf die Finger kloppen, wenn sie wieder mal irgendeinen technischen Schwachsinn in eine IETD-Seite geschrieben haben und dies an die Truppe ausliefern. Aber abgerechnet wird warscheinlich immer noch wie zu Papierzeiten pro abgelieferter Seite, egal welcher Mist darin publiziert wird…..
Nachtrag zu dem vorherigen Beitrag :
In dem von @Memoria verlinkten Rüstungsbericht auf Seite 32 heißt es zu dem Problem „Langläuferrisiken für Rüstungsprojekte (>12 Mon)“, die 71 % der Gesamtrisiken in Rüstungsprojekten ausmachen :
Zitat:
„Es ist immer wieder zu beobachten, dass das lange Fortbestehen von Risiken seine Ursache in einem inhaltlich zu weit gefassten Sachverhalt hat. Wird in einem Projekt beispielsweise das „Herstellen der Versorgungsreife“ als ein wesentliches Risiko erfasst, so verbirgt sich dahinter im Grunde eine Vielzahl konkreterer Sachverhalte, etwa das Fehl an Ersatzteilen, eine unzureichende Anzahl von Sonderwerkzeugen, fehlerhafte Stammdaten oder unvollständige technische Dokumentationen.
Um letztgenannten Aspekt in der Praxis zu begegnen, wird u.a. der Qualifikation der Risikomanagerinnen und -manager große Bedeutung beigemessen. Bis Mai 2020 wurden insgesamt 455 Lehrgangsteilnehmerinnen und Lehrgangsteilnehmer in der Thematik des RM ausgebildet. Ungeachtet des mehrheitlich abgeschlossenen Projektaufwuchses im standardisierten RM werden schrittweise auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bereich des PlgABw sowie aus dem Kommando CIR durch entsprechende Schulungsmaßnahmen mit dem RM vertraut gemacht. Darüber hinaus bedarf es angesichts einer ständigen Personalfluktuation in zunehmendem Umfang der Regenerationsausbildung.“
Wenn man hier mal die einzelnen Punkte aus dem „Herstellung der Versorgungsreife“ raus fasst, dann kann man feststellen:
„Fehl an Ersatzteilen“ –> Dazu braucht man Waffensystemfachleute in den Ämtern, die mit der Industrie auf technischer Augenhöhe eine Ersatzteilerstbevorratung festlegen und bestellen können (WaSysKdoLw wurde 2013 aufgelöst).
„unzureichende Anzahl von Sonderwerkzeugen“ und Bodenprüfgeräte kann man ergänzen —> Dazu braucht man Bearbeiter beim BwB bzw BAINBw, die diese Teile dann auch bei der Industrie beauftragen. Die Einführung des NH-90 z.B. in dem Jahrzehnt von 2000 bis 2010 verzögerte sich um mehrere Jahre weil von diesem BPS-Gerät (Bodenprüfgerät und Sonderwerkzeuge) nur 3 von mehreren hundert Geräten bestellt wurden weil das BwB auf Weisung des Ministerium 1000 Dienstposten einsparen musste.
„fehlerhafte Stammdaten“, also Teile die falsch im logistischen System der Bw erfasst sind. –> das „Katalogisieren“ (Vergabe von Planungsnummern, Planungsbegriffen, Modellblättern und Versorgungsnummern) hat die Katalogisierungsabteilung des Logistikamtes der Bw in St. Augustin gemacht. Dies war eine zivile Abteilung, d.h. dort waren langjährig zivile Beschäftigte und Beamte eingesetzt, das LogABw wurde 2013 ersatzlos aufgelöst.
Zudem wurde die Umstellung auf das SAP-System „IH-Planer“ stümperhaft gemacht und jede Abteilung hat „irgendwie“ die logistischen Daten ins System eingepfuscht!
„unvollständige technische Dokumentationen“, sind das Ergebnis von der oben geschilderten mangelnden Qualifikation des eingesetzten Industriepersonals und nicht mehr vorhandene Fachexpertise der Bw, insbesondere der 2. logistischen Ebene durch Bw-Einrichtung, die den industriell verzapten „Mist“ in der Dokumentation wieder ausbügeln konnten.
Und schon sind wir bei einigen Sachen die mit der coronahilfe gemacht werden können. Praxisbsp Marder. Zerlegen und alle 40j alten gummidichtungen, schläuche und Filter durch neue ersetzen. Sind noch nichtmal Spezialersatzteile. Und da gibt es einiges was schnell geht und zügig umsetzbar ist.
@ Interessierter
Nochmal zu technischen Dienstvorschriften zu fliegenden Gerät.
Nach dem offiziellen Abschlussbericht über den „Tiger“-Absturz in Mali, war die abschließende Ursache fehlerhafte Einstellarbeiten an der Rotorkopfsteuerung durch ein 3-köpfiges Industrieteam bei der Truppe.
Das lehrt zweierlei,
1. Schafft es die Industrie nicht mehr, ihre eigenen Fachleute an den Waffensystemen qualitativ hochwertig und handlungssicher auszubilden und
2. Ist wohl die vorhandene industrielle aber auch die militärische Dokumentation über die Einstellarbeiten am Rotorkopf des Tigers so minderwertig, dass eine falsche Vorgehensweise bei den Einstellarbeiten nicht mehr sicher in einer Checkliste (Arbeitskartensatz für einen bestimmten Arbeitsvorgang, hier: Einstellarbeiten am Rotorkopf) abgefangen wird.
Zum Thema Rüstungsprozess schaue man sich einfach mal die Zeitlinien an.
Alleine die Erstellung einer technischen Dokumentation benötigt Jahre und erfordert hierzu versiertes Personal. Bei den durchschnittlichen Stehzeiten auf einem militärischen Dienstposten (3-4 Jahre?) kann ja nichts Dolles bei rauskommen, wenn zwischendrin x-mal der Personalkörper wechselt. Mit Glück dreht einer seine 1-2 Pflichtrunden und kommt nach einem halben Jahrzehnt wieder an der alten Dienststelle raus, um ’sein‘ altes Projekt wieder auszugraben.
Ich fordere nicht nur ein Umdenken beim Rüstungsmanagement, sondern ganz klar auch beim Personalmanagement.
Den Obergefreiten kann ich bis zum Oberstabsgefreiten (OSG) auf einem Diensposten lassen, leicht 8-12 Jahre lang. Er ist ja eingearbeitet und übt seinen Dienst zufriedenstellend aus. Den Oberleutnant versetze ich bis zum Oberstleutnant drölfzig Mal, obwohl ich ihn zuvor noch zielgerichtet eine Fachrichtung habe studieren lassen und stelle sicher, dass er auf keinem Posten auch nur halb so lange Erfahrung sammelt, als der OSG. Diese Vorgehensweise soll mir einer vom Personalmanagement gerne erläutern…
Bei der Materiallage ZSanDst ist dieser fortlaufende personelle Umbruch wirklich fies zur Geltung gekommen, bei den konzeptionellen Grundlagen und in der Ausbildung sieht es übrigens nur wenig besser aus. Fehlnutzung und ausbleibende zeitige Regeneration beim Material sind eine Folge. Die wirklich durchdachten Containerkrankenhäuser sind verschlissen, unter anderem weil der Wechsel von dieser grundsätzlich temporären Infrastruktur auf feste Bauwerke in den Einsatzländern um Jahre verschleppt wurde. Die Planungs- und Aufbautools sowie die begleitenden Lehrgänge sind ebenso veraltet.
Und generell fehlt einfach die Masse, um eine dauerhafte Klasse zu erhalten. MSE-Komponenten muss ich hallenweise einkaufen, nicht in homöopathischen Stückzahlen. Sonst bringt mir das modulare Konzept doch nix, wenn durch den Ausfall einer Komponente das halbe Rettungszentrum lahmgelegt wird (z.B. Sterilgutaufbereitung oder Chirurgie). Da hilft der Teileklau bei einer anderen Einheit genauso wenig.
schön zu lesen dass es zumindest in ein paar Bereichen voran geht…
gerade die stark steigende Anzahl an Flugstunden und Fähigkeiten für den A400M finde ich positiv bemerkenswert.
bzgl wichtiger, weiterhin problematischer Systeme… ist das Hauptproblem meist die hohe Anzahl an unterschiedlichen Versionsständen… zu nennen sind hier:
Eurofighter
Puma
NH90
hier ist aber auch jeweils die Vereinheitlichung geplant… aber ich denke da ziehen noch 2-3 Jahre ins Land bis man massive Verbesserungen bemerken wird.
Beim Puma finde ich positiv dass man jetzt erstmal den Stand für die VJTF2023 abwarten will… wenn diese S1? Variante gut performed wird wohl das 2. Los beauftragt…
leicht off-topic
bzgl des Fotos zu diesem Beitrag… gibt es eigentlich schon irgendwo Bilder von den „neuen“ nutzungsdauerverlängerten Wiesel 1 (neue Panzerung, MELLS integriert usw.)???
“(Educated Guess: das untere Ende des Bereitschaftsstandes dürften die Seefernaufklärer markieren. – Korrektur: nee, es ist wohl ein Hubschrauber…)”
Tiger?
@ Stöber
Das Problem, dass das Personal in der Waffensystembetreuung eine längere Stehzeit im System benötigt hat man anscheinend erkannt und will es verbessern.
Aus dem Rüstungsbericht, Seite 44:
Zitat:
„Auch in den militärischen Laufbahnen wird das BAAINBw innerhalb der bestehenden Möglichkeiten mit Priorität betrachtet. Dabei werden die Möglichkeiten der Dienstpostenbesetzung mit Wiedereinstellern und Seiteneinsteigern sowie Personalbindungsmaßnahmen, wie z. B. Weiterverpflichtungen unter Gewährung von Personalbindungszuschlägen, genutzt. Weiterhin ist das BAAINBw in einen Untersuchungsauftrag zu modernen Karriereformen (Fach-/Projektkarriere) unter Federführung des BMVg eingebunden und hat erste Ergebnisse vorgelegt. Hierbei soll durch einen organisations-bereichsübergreifenden Ansatz ein Fachkräftepool Rüstung/Nutzung geschaffen werden, um die gute bis sehr gute Besetzungslage von militärischen Dienstposten des BAAINBw auch mittelfristig zu halten und zu verbessern. Auch die personelle Unterstützung durch Reservistendienst Leistende trägt zur personellen Einsatzbereitschaft bei und soll zukünftig weiter auf- und ausgebaut werden.“
@ Obibiber
Beim A400M lesen Sie den Rüstungsbericht anscheinend anders als ich. Das Projekt ist nicht nur 148 Monate (!), also mehr als 12 Jahre in Verzug, es wird auch in allen Teilbereichen von „Technisch/Wirtschaftlich“ bis „Sonstige Projektelemente“ in der höchsten Risikostufe „A“ gleich „Rot“ geführt !
@ Kurzarbeiter
Wenn am unteren Ende der Einsatzbereitschaft ein Hubschrauber stehen sollte, dann ist es eher der CH-53 statt der Tiger. Da man die Lw-eigene Systemwerft in Diepholz aufgelöst hat, das Geschwader in Rheine mit sehr vielen erfahrenen zvilen und militärischen Technikern aus poltitischen Gründen nach Holzdorf verlegt hat und die erfahrenen OStFw und StFw mit Personalstärkegesetz mit 50 Jahren gehen ließ, ist man in ein Loch gefallen. Davon wird man sich bis zur Umrüstung auf den neuen Schweren Transporthubschrauber nicht mehr erholen.
Im Rüstungsbericht wird sich auf den Klarstand des CH-53 gar nicht mehr bezogen, keine Risikobewertung mehr abgegeben. Bei den ca. 40 noch verfügbaren CH-53 in den verschiedenen Versionen und 26 % Klarstand ist man bei ca. 10 Maschinen. In AFG sind meines Wissens noch ein paar eingesetzt. Ansonsten zwei Fliegenden Gruppen in Holzdorf und Laupheim mit insgesamt 4 Staffeln. Wenn jede Staffel, jeden Tag EINE einsatzbereite Maschine zur Verfügung hat, dann läuft es gut, also 4 Maschinen im Tagesdurchschnitt im Inland.
[Ich löse mal auf: Wie man so hört, ist es wohl ein Marinehubschrauber… T.W.]
@Georg:
Danke. Die Absicht des BAAINBw war mir bekannt und ist definitiv ein erster Schritt. Stand ja auch in der VBB-Brille, wenn ich mich recht erinnere?
Ein erheblicher Teil der fachlichen (Zu-)Arbeit wäre allerdings nach wie vor auf Ebene Kommando bzw. ‚Fähigkeitskommando‘ zu leisten. Hier ist mir noch keine Absicht bekannt, das Personalkarussell zu bremsen. Hinterher darf der Sachbearbeiter für ein Rüstungsprojekt im BAAINBw zum wiederholten Male einen neuen Bevollmächtigten Vertreter im Kommando ‚einlernen‘ oder steht ganz ohne die erforderliche Zuarbeit der Fachabteilung da. Also so, wie jetzt. :-)
Wann/ob sich das jemals bessert?
Nach Lesen des 11. Rüstungsberichts mal eine etwas längere, Thread-artige Zusammenfassung:
– Gesamttenor: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Die Lage bessert sich, aber die Fortschritte erfolgen mancherorts – wenn überhaupt – nur im Schneckentempo. Im BMVg-Sprech heißt das wohl: Es braucht Zeit, bis die Trendwenden greifen.
– Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man ´nen Arbeitskreis. Oder man denkt sich neue Namen aus. Ob die Hoffnungen, die in die „Initiative Einsatzbereitschaft“ gesteckt werden, sich erfüllen, bleibt abzuwarten. Gab ja vorher schon (und gibt immer noch) Agenda Nutzung, Arbeitsgruppe „Optimierung der Beschaffungs- und Nutzungsorganisation“, TaskForce „Drehflügler“. Wenn das Ergebnis der im Oktober 2014 gegründeten TaskForce „Drehflügler“ (unter Leitung des damaligen InspM) die derzeitige Materiallage ist, dann darf man kritisch bleiben.
– Die Trendwende Finanzen in Zahlen (2019 zu 2014):
Beschaffungen: +56%, Betreiberlösungen: +78%, Materialerhaltung: +61%
Forschung, Entwicklung, Erprobung liegt bei +46%, allerdings geht davon ein großer Teil für die Arbeiten an EF und Tornado in 2019 drauf. Bei 2018 zu 2014 bleiben magere + 14%!
Bei dem Versuch die Bundeswehr auf einen leistungsfähigen Stand 2023 zu bringen, bleibt offen, ob die Mittel für einen vernünftigen Stand 2030+ ausreichen. Buzzwords der USAF dazu: Hypersonic flight, nanotechnologies, directed energy, unmanned systems and autonomous systems
– In 2018 konnten erstmals 500 Mio Euro, die nicht abfließen konnten, der „Rücklage zur Gewährleistung überjähriger Planungs- und Finanzierungssicherheit für Rüstungsinvestitionen“ zugeführt werden. (S. 36) Damit konnten nicht ausgegebene Mittel für die Folgejahre gesichert werden.
– Die Trendwende Personal im Beschaffungsbereich wird mit Nachdruck angegangen: Priorisierung des BAAINBw (derzeit 85% aller Dienstposten besetzt) vor anderen Bedarfsträgern, Direkteinstellungen in den gehobenen und höheren Dienst, „Zivile Karrieretage“, Straffung der aufwendigen „Fachlichkeitsprüfungen“ durch das BAAINBw, Stärkung der militärischen Dienstposten im BAAINBw
Nur: Am Ende der Suche nach 240 IT-Fachkräften standen ganze 15 Einplanungen (keine Aussagen über konkrete Einstellungen im Bericht). Bleibt zu hoffen, dass die Qualität der Einstellungen (sowohl im Sinne der Fachlichkeit als auch im Sinne der militärischen Sicherheit) nicht darunter leidet. Und dass die Politik diesen Mangel bei Beschaffungsentscheidungen berücksichtigt (d.h. Einkauf statt Eigenentwicklung).
– Als rüstungswirtschaftlicher Aspekt von Projekten wird häufig die „Auslastung von Ingenieurskapazitäten“ genannt. Mit Blick auf die Gesamtsituation erscheint dies kontraproduktiv. Wenn fliegende Systeme (z.B. P-3C, NH-90) jahrelang nicht zur Verfügung stehen, weil die Entwicklungs- und Dokumentationsleistungen nicht rechtzeitig abgeschlossen werden können, muss man feststellen: Es gibt diese Ingenieurskapazitäten einfach nicht. Weder bei der Industrie und noch viel weniger beim öffentlichen Auftraggeber.
Es muss deswegen eine Konzentration der begrenzten Kapazitäten auf technologisch hochwertige und militärisch entscheidende Projekte angestrebt werden.
(Durch die Auswirkungen der Covid19-Pandemie können sich hier natürlich kurzfristig Änderungen einstellen, langfristig bleibt die demographische Lage unverändert.)
Zu den Einzelprojekten:
– Die Marine hat (nur?) noch 10 Einheiten zum Minenkampf. Dafür mit den ehemaligen Hohlstablenkbooten jetzt zwei „Plattformen Nachwuchswerbung“. Was auch immer sie damit vor hat… Auf Rhein, Donau und Elbe durch Deutschland cruisen? :-) (S. 11)
– „Der bisherige Realisierungsumfang der Vorhaben der plattformungebundenen Nachtsichtfähigkeit stellt dennoch erst eine Anfangsbefähigung dar. Zur Deckung des strukturellen Gesamtbedarfes bleibt die Bereitstellung der hierfür erforderlichen umfangreichen Haushaltsmittel eine Herausforderung.“ Bei einem konzeptionellen Gesamtbedarf für eine querschnittliche Nachtsehbefähigung von ca. 120.000 „Nachtsichtbrillen“ (gemeint sind dabei wohl alle Nachtsicht-Devices, plattformgebunden wie -ungebunden)) werden in der aktuellen Legislaturperiode nicht viel mehr als 10.000 Stück geliefert werden. Bei dieser Geschwindigkeit wäre die Vollausstattung in schlappen 44 Jahren erreicht… (S. 23)
– Der Kampfbekleidungssatz Streitkräfte (25 Einzelartikel) soll am 01.01.2021 in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, so dass bis zum 31.03.2021 die VJTF 2023 vollständig ausgestattet sein kann.
Wer macht sich eine Erinnerung ins Handy?
Ansonsten bleibt es bei den bereits bekannten Verzögerungen bei Schutzwesten (Klagen unterlegener Bieter) und Gefechtshelmen (zu viele Projekte gleichzeitig in der Beschaffung). Evtl. Probleme können laut Bericht aber kompensiert werden. (S. 24)
– System Sturmgewehr: Parlamentarische Befassung in Oktober 2020, Auslieferung an die Truppe ab Mitte 2023 (S. 26)
– Schützenpanzer Puma: „Die Beschaffung des 2. Loses PUMA steht weiterhin auch unter dem Vorbehalt der erfolgreichen Einsatzprüfung des “Leistungspakets System Panzergrenadier VJTF 2023“ und einer signifikanten Erhöhung der materiellen Einsatzbereitschaft des 1. Loses.“ (S. 34)
Dazu hat sich auch der GI ja eindeutig geäußert, dass er zügige Verbesserungen seitens der Industrie erwartet. Bei den Risiko-/Problem-Ampeln zeigt „nur noch“ Logistik rot. (S. 100)
BTW: Die Sinnhaftigkeit, den Puma an zwei Standorten fertigen zu lassen, erschließt sich mir auch nicht direkt.
– Es ist ein „System zur weltraumgestützten Frühwarnung und Zielvoreinweisung zur Flugkörperabwehr“ seit Mai 2019 in Planung. Klingt interessant und zukunftsweisend. (S. 34)
– NH90: „Das Retrofit der Lfz auf den Bauzustand FOC MR1 bei Airbus Helicopters France (AHF) verläuft planmäßig.“ Das heißt, die Hubschrauber bekommen nicht in Donauwörth ihr Update? Oder heißt das, die Updates in Frankreich verlaufen gut, nur die in Donauwörth nicht?
Außerdem gibt es für fünf Lfz in IOC-Konfiguration ein „Retrofit in Kombination mit Rebuild (Ersatz Lfz- Zelle)“. Das heißt, es gibt de facto fünf neue Hubschrauber!? Warum sind die kaputt? Von so vielen zerstörten Zellen hat man gar nichts gelesen…
Die Punkte „Personal/Ausbildung“ sowie „Logistik“ bleiben rot, ersteres sogar mit zunehmendem Risiko. (S. 58f)
Eine Entscheidung für den Sea Tiger als Ersatz Sea Lynx ist vor diesem Hintergrund nur schwer zu verstehen. Ein Vorgehen analog des Spz Pumas (erst Verbesserung der Einsatzbereitschaft, dann weiterer Kauf von Systemen) erscheint zielführender.
– KH Tiger: „Die materielle Einsatzbereitschaft des KH TIGER stagniert auf einem unzureichenden Niveau“ und wird sich erst mittel- bis langfristig verbessern. Wie das funktionieren soll, wenn in den nächsten Jahren weitere 33 Hubschrauber auf ASGARD umgerüstet werden sollen und dann ab 2025/26 das Retrofit auf TIGER MK III ansteht, bleibt abzuwarten.
Auffällig: Im Gegensatz zu den meisten anderen Rüstungsvorhaben ist beim Tiger der Bereich „Sonstige Projektelemente“ rot markiert (mit steigendem Risiko). Verbirgt sich dahinter das Eingeständnis, dass PARS 3 nicht einsatzfähig ist und es absehbar auch nicht werden wird? Der Rechnungshof hat ja schon die Verschrottung der Raketen gefordert.
– STH: Vertragsverhandlungen zum „Best And Final Offer“ laufen. Aufforderung zum BAFO ist für September 2020 geplant, parlamentarische Behandlung für März 2021.
– EF: „Zudem ist die Realisierung von Verbesserungen beim Selbstschutz, der Nachtsichtfähigkeit sowie der Fähigkeit zur verschlüsselten und störresistenten Kommunikation für das Waffensystem erforderlich.“ Überraschen lassen, was da kommen wird.
In Zusammenhang mit den bisher eher divergenten EF-Weiterentwicklungen in den Nutzerländern und der Aussage „Deutschland verfolgt weiterhin die Ergänzung der laufenden Radar-Entwicklung mit einem Multi-Channel-Receiver“, bleibt die Herausforderung hier ein gemeinsames Vorgehen für einen möglichst standardisierten Eurofighter zu finden.
– Tornado: „Zur Absicherung der Nutzung des WaSys bis 2030 wurden Maßnahmen eingeplant, um die langfristige Systembetreuung sowie die quantitative und qualitative materielle Einsatzbereitschaft abzusichern.“ Dennoch stehen in den Bereichen technisch wirtschaftlicher Anteil und Logistik die Ampeln auf rot. Ist die Einsatzbereitschaft nun gesichert oder nicht?
– A400M: Quantitativer und qualitativer Fähigkeitsaufwuchs gehen langsam voran. Alle Ampeln stehen trotzdem noch auf rot.
– P-3C Orion: Damaged beyond repair und willkommen in der Komplexitätsfalle. Die P3-C sollen gleichzeitig neue Flügel, eine modernisierte Missionsavionik und eine zukunftsfeste Instrumentenflugfähigkeit bekommen. Mission Impossible. Und dieser Aufwand für ganze 8 Maschinen! (Dabei wird der Brand in Manching übrigens gar nicht als Ursache für Verzögerungen erwähnt.) Die Industrie hat einen Personalabzug angekündigt, was zu weiteren Verzögerungen führen wird.
Entsprechend untersucht das BMVg derzeit das weitere Vorgehen und sieht „ggf. die Betrachtung von Handlungsalternativen erforderlich“.
Die mediale Begleitmusik für die vorgezogene Beschaffung neuer MPA läuft.
– C-130J: Kaum droht ein technisch unproblematisches MOTS-System schneller zuzulaufen als geplant, wird es durch rechtliche/politische Probleme ausgebremst: „Insgesamt ist das Programm weiterhin sehr ambitioniert, da zeitgerecht bis zur Indienststellung der gemeinsamen Staffel mit Frankreich die rechtlichen, logistischen und personellen Voraussetzungen zu schaffen sind.“ „Schwierigkeiten zeichnen sich gegenwärtig bei der zeitgerechten Erstellung des für den Betrieb und die Organisation der gemeinsamen Einheit wichtigen deutsch-französischen Regierungsabkommens ab“. Das soll bis zum 30.06.2020 unterschrieben sein. Mal schauen, was da die nächsten 2 Wochen passiert. Und ob das wirklich ein Erfolgsprojekt wird.
– K130, 2. Los: Es geht voran und das Herstellen der Versorgungsreife soll sogar bis zum Abschluss des Projektes vollständig erreicht sein. „Die engen Arbeitsbeziehungen zwischen öffentlichem Auftraggeber (öAG) und der ARGE K130 mit einer Projektleitung vor Ort am Sitz der ARGE K130 wirken sich sehr positiv auf das Projektmanagement aus.“ Dennoch stehen die meisten Risiko-/Problem-Ampeln noch auf rot.
– U212 CD: „Die gefundene technische Lösung muss im verfügbaren Budget liegen. Es kommt allerdings nun darauf an, dass die Industrie ein der strategischen Bedeutung dieses Projekts entsprechendes Entgegenkommen im Angebot und in den Verhandlungen zeigt. Nur so wird sich ein ausgewogenes Bootsdesign auf der Basis eines für alle Seiten akzeptablen zeitgerechten Vertrages erzielen lassen.“ Nationale Champions muss man sich leisten können.
– F125: „Aufgrund der Einschränkungen bei Restpunkten wird jedoch eine operative Nutzung im vollem Umfang und damit die Wahrnehmung von Einsatzaufgaben voraussichtlich erst 2022 möglich sein.“
– TVLS: „Das Projekt TLVS bleibt aufgrund der hohen technologischen und programmatischen Komplexität insgesamt fragil.“ „Die Vielzahl kritischer und risikobehafteter Aspekte im Vorhaben TLVS ist insgesamt weiterhin signifikant und teilweise kaum zu beeinflussenden externen Einflüssen und Rahmenbedingungen geschuldet. Das Projekt verläuft insgesamt noch immer auf einem sehr kritischen Pfad. Nach Abschluss des Vergabeverfahrens kann sich weiterer Entscheidungsbedarf zum Vorgehen im Projekt TLVS im Rahmen einer gesamtplanerischen Bewertung ergeben.“
Ergo: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Vor dem Hintergrund der kritischen Aussagen im Rüstungsbericht zum nachhaltigen Betreiben kleiner, nationaler Flotten von Tornado und Orion, kann die Konsequenz bezüglich TLVS eigentlich nur die Streichung sein.
@ K. B.
Zitat:
„Als rüstungswirtschaftlicher Aspekt von Projekten wird häufig die „Auslastung von Ingenieurskapazitäten“ genannt. Mit Blick auf die Gesamtsituation erscheint dies kontraproduktiv. Wenn fliegende Systeme (z.B. P-3C, NH-90) jahrelang nicht zur Verfügung stehen, weil die Entwicklungs- und Dokumentationsleistungen nicht rechtzeitig abgeschlossen werden können, muss man feststellen: Es gibt diese Ingenieurskapazitäten einfach nicht. Weder bei der Industrie und noch viel weniger beim öffentlichen Auftraggeber.
Es muss deswegen eine Konzentration der begrenzten Kapazitäten auf technologisch hochwertige und militärisch entscheidende Projekte angestrebt werden.“
Zitatende
Es ist richtig, dass es diese Ingenieurskapazitäten, vor allen in der notwendigen Qualität, nicht auf dem Markt gibt. Woran liegt das ?
Erstens ist es so, dass die vorhandenen Ingenieurskapazitäten in die zivilen Projekte gesteckt werden. Manchmal erfolgt auch eine Umsteuerung der Ingenieurskapazitäten im laufenden Projekt (von der A400M Entwicklung in die A380 Problembehebung bezüglich Kabelkonfektionierung).
Zweitens wachsen Ingenieure in der geforderten und notwendigen Qualiät nicht auf Bäumen und werden letztendlich auch nicht auf der Hochschule ausgebildet für ihre Praxisaufgaben, sondern in der Praxis mit der Erfahrung in laufenden Projekten. Dieser personelle Engpass wirkt sich ganz besonders im Upgrade von älteren Projekten wie z.B. die Orion P3-C aus. Hier braucht man Systemingenieure, die die traditioneller Avionik- und Radarkonzepte an die heutige Gerätegeneration der verfügbaren Systeme anpassen können. Solche Ingenieure müssen 20 Jahre lang mit der sich entwickelten Technik groß geworden sein. Das bedeutet diesen Ingenieuren muss man eine berufslebenlange Karriere in der wehrtechnischen Industrie bieten. Daran mangelt es seit den 90er Jahren. „hire and fire“-Mentalität und ausbleibende fehlende Anschluss(entwicklungs-)aufträge für die wehrtechnische Industrie haben diese Ingenieurgeneration nicht entstehen lassen.
Zu allem Überdruss hat die Bw ihre langjährigen Experten auch im Zuge der Reduzierung der Bw mit 50 Jahren nach hause geschickt oder durch Organisationsreformen funktionierende Strukturen in den logistischen Strukturen zerschlagen.
Man erntet, was man gesät hat…
In den Medien liest man dass der tranche1 Ersatz der Eurofighter, die MKS180 (die 2 optionalen Schiffe) u.a. In dieses Paket reinlaufen könnten!?
bzgl Dringlichkeit der Beschaffung und Wertschöpfung wären folgende Großprojekte vllt sinnvoll…
C295 MPA als sofort Ersatz für die Orion und als Übergang bis zum Zulauf der a320 MPA
große Anzahl an H145M (Bei den Helis gibt es ja am meisten Bedarf)
Kampfboote für das seebattailon (Fertigung in Deutschland eines verfügbaren Bootes)
Tanker für die Marine
vllt kann man auch nur 2 weitere k130 ordern statt nochmal 5 (dann hätte man 12 und könnte werftliegezeiten des 1. Loses besser überbrücken)
die Boxer für das Heer
Steigerung der Einsatzbereitschaft SPz PUMA vereinbart.
In diesem Jahr wird die Auslieferung der letzten der insgesamt 350 Fahrzeuge an die Truppe erwartet. Dazu wurde eine Zielvereinbarung fixiert, die u.a. eine derzeit noch fehlende Umlaufreserve aufbauen soll.
Die Einsatzbereitschaft von zzt 30 % (ernüchternd) auf 50 Prozent in II/20 zu steigern, ist das Ziel (1).
https://www.bmvg.de/de/aktuelles/schuetzenpanzer-puma-verbesserung-einsatzbereitschaft-267634
(1) Bei einen neuen WaSys lange nach der Einführung, 6. Dezember 2010 Übergabe der ersten zwei Serienwagen an das damalige BwB, 10 Jahre später eine 50% Einsatzbereitschaft als „Steigerung dargestellt ist, … eine Frechheit.