Anti-Terror Mission im Sahel: Deutschland ist dafür, aber nicht dabei (und das soll auch keiner merken)
Fürs Archiv: Bei einer neuen Anti-Terror-Mission in der Sahelzone, zu der Frankreich seine Verbündeten aufgerufen hatte, will Deutschland zwar nicht dabei sein – hat aber seine politische Unterstützung erklärt.
Die neue Mission mit dem Namen Takuba (auch Takouba oder Tacouba, dem Touareg-Wort für Säbel), hatte die französische Regierung bereits im vergangenen Jahr angekündigt und um Hilfe der Verbündeten gebeten. Ziel ist der Einsatz von Spezialkräften aus verschiedenen europäischen Streitkräften, die die jeweiligen nationalen Streitkräfte der Sahel-Länder unterstützen sollen, vor allem Mali, Niger und Burkina Faso.
Den offiziellen Startschuss für diese Mission gab es in der vergangenen Woche, als eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet wurde, unter anderem auch von Deutschland. Aus der Veröffentlichung des französischen Verteidigungsministeriums in der englischsprachigen Fassung:
At the request of the Malian and Nigerien authorities, BELGIUM, CZECH REPUBLIC, DENMARK, ESTONIA, FRANCE, GERMANY, the NETHERLANDS, NORWAY, PORTUGAL, SWEDEN and the UNITED KINGDOM politically support the creation of a task force, integrated to the command of operation Barkhane, aiming at tackling the terrorist groups in the Liptako region. Under the name of Takuba, this task force will be mainly composed of European Special Operation Forces supported by key enablers providing a high level of autonomy. It will advise, assist and accompany Malian Armed Forces, in coordination with G5 Sahel partners, the UN mission (MINUSMA) and EU missions (EUTM Mali, EUCAP Mali and EUCAP Niger), with a robust legal basis in compliance with international law. We welcome any contribution, as already declared by BELGIUM, DENMARK, ESTONIA, FRANCE, the NETHERLANDS and PORTUGAL, as well as the planned contribution by SWEDEN (pending parliamentary approval) and call for additional commitments to this common European effort aiming at strengthening security, governance, development and the respect for human rights in Mali and the region, as well as increasing international security.
Die Bundesregierung unterstützt die Mission damit politisch, beabsichtigt aber keine Beteiligung mit Soldaten der Bundeswehr. Entsprechende Anfragen aus Frankreich hatte Deutschland zuvor bereits zwei Mal abschlägig beschieden.
Dass die Bundesregierung ihre Unterstützung der Mission erklärt, soll hierzulande nicht so auffallen: Weder das Verteidigungsministerium noch das Auswärtige Amt veröffentlichten einen Hinweis auf diese gemeinsame Erklärung.
Das ist bereits der zweite Fall. Im Januar hatte die Bundesregierung schon einmal ihre politische Unterstützung für einen militärischen Einsatz auf französische Initiative erklärt, für eine Marine-Überwachungsmission in der Straße von Hormuz, ebenfalls ohne deutsche Beteiligung. Auch diese Erklärung wurde in Deutschland nicht veröffentlicht.
(Die Erklärung zu Takuba wurde von Frankreich bereits am vergangenen Freitag veröffentlicht; ich habe mit diesem Eintrag gewartet, ob und was Verteidigungsministerium oder Auswärtiges Amt in Deutschland dazu sagen. Jedes der beiden Ministerien verwies inzwischen an das andere.)
*Eine Sicherungskopie der Erklärung:
20200327_Takuba_Gemeinsame_Erklaerung_FRA
(Archivbild Januar 2020: Französische Truppen in der Grenzregion von Mali, Burkina Faso und Niger – Französisches Verteidigungsministerium)
Ein Sargnageld für Europa. Zum wiederholten Male lässt Deutschland französische Vorschläge kalt abblitzen und will dies möglichst totschweigen. Denn die Nichtausweitung des deutschen Militäreinsatzes in Mali ist eine schwere Niederlage der Verteidigungsministerin, welche in der Vergangenheit gerade dies angeregt hatte.
Deutschland droht die Isolation und Bedeutungslosigkeit in der EU in allen sicherheitspolitischen Fragen. Frankreich wird nicht unbegrenzt die aussichtslose deutsche Unterstützung erbitten, sondern sich sicher bald überlegen, sich andere Partner zu suchen, z.B. Niederlande, Italien usw., die auch bereits sind, Militär zu schicken und einzusetzen. Deutschland bleibt dann nur noch der Katzentisch in der EU übrig. Dabei haben wir mit dem Ausscheiden von GB keinen anderen wichtigen Verbündeten in der EU mehr als Frankreich.
@T.W.:
Danke für die (erneute) umfassende Darstellung des Themas.
Der krönende Abschluss ist eigentlich der letzte Satz:
„Jedes der beiden Ministerien verwies inzwischen an das andere.“
Komisch, das AA ist ja sonst immer sehr damit bemüht die Federführung in der Sicherheitspolitik zu beanspruchen.
Das gegenseitige Verweisen auf den anderen ist ein schönes Beispiel für mehr Verantwortung und vernetzte Sicherheit.
@Closius
Mehr Polemik war nich drin?
Barkhane und somit auch Takouba sind jeweils Militäroperationen außerhalb legitimierender Bündnisse kollektiver Sicherheit. Deutschland kann also erstmal keine Streitkräfte bei der Eintrittswarscheinlichkeit der Einbindung in bewaffnete Unternehmungen entsenden.
Wie glücklich man in einer FRA geführten Mission geworden wäre bleibt dahingestellt – das wird auch für alle anderen Nationen spannend und wohl lehrreich.
Also macht Deutschland das einzig diplomatisch saubere: erklärt offen seine politische Unterstützung. Bevor man darauf rumhackt kann man ja mal die europäischen Länder befragen, die sich weder mit Truppen, noch politischer Unterstützung beteiligen. DEU bleibt in der gleichen Region bei MINUSMA und dem neuerdings erweiterten Mandat EUTM dabei. Dazu noch die Mission GAZELLE.
Deutlich mehr als die meisten anderen Länder.
@ T. Wiegold:
Ich teile Ihre Kritik an der Intransparenz dieser ambivalenten politischen Entscheidung, die weder das AA noch das BMVg noch die Bundesregierung öffentlich zu kommunizieren vermögen. Ohne Kenntnis der genauen Beweggründe, warum lediglich die Bildung einer neuen SOF Task Force unterhalb der OP BARKHANE – jedoch ohne aktive/direkte DEU Beteiligung – politisch mitgetragen wird, scheint es mir allerdings zu voreilig, DEU gleich wieder in die Isolation und SiPo Bedeutungslosigkeit zu verdammen. Ich stütze mich hier gerne und gerade auf Erfahrungen aus der Lybien-Intervention; seiner Zeit auch ohne DEU Beteiligung und ähnlichen SiPo Bewertungen. Nun kann man das natürlich nicht eins zu eins vergleichen, und Sie haben durchaus korrekt aufgezeigt, dass die BM’in für mehr DEU Verantwortung im Sahel plädierte, aber trotzdem gebieteten die komplexen Konfliktlinien im Sahel eine differenziertere Betrachtung. Daher wünschte ich mir, dass Sie die „TF Takuba“ näher beleuchten würden: Zweck-Mittel Relation, FRA Interessen, Anti-Terror Bekämpfung im Grenzgebiet MLI-NER-BFA. Letztlich sollten auch DEU Interessen im Sahel ehrlich reflektiert werden – da kann es dann schon mal zu unterschiedlichen Bewertungen zwischen BMVg und AA kommen – und dann müssen auch schon mal die militärisch nachvollziehbaren Ratschläge der BM’in einer hoffentlich strategischen DEU Außenpolitik weichen.
Ich war 10 Monate im FHQ MINUSMA 2019-2020 eingesetzt und erlaube mir daher diese differenzierte Bewertung zwischen militärischer Sinnhaftigkeit und strategischer DEU Interessen und der regionalen Nachhaltigkeit. Letztere sehe ich auch bei TF Takuba gefährdet – schon alleine die „absichtliche?“ FRA Namensgebung der neuen Task Force lässt strategischen Weitblick missen.
ENP.
Einfach nur peinlich.
Ich hoffe, dass ich diese Woche keinem französischen Offizier begegne, der Nachfragen zu EU und Afrika hat. Von afrikanischen StOffz mal ganz zu schweigen.
Um der, sicherlich geringen, Gefahr zuvorzukommen, dass ich missverstanden werde: Es mag durchaus gute Gründe geben, Takuba politisch zu unterstützen, aber nicht militärisch. Ich würde allerdings erwarten, dass zumindest diese deutsche Zustimmung auch in Deutschland offen kommuniziert wird und nicht Außenpolitik wie zur Zeit der Erfindung des AA vor 150 Jahren gemacht wird. Dann müsste man auch darüber reden, warum man das eine tut und das andere lässt. Dass es z.B. in Deutschland andere rechtliche Grenzen gibt als in anderen Ländern, ist auch klar – aber Verschweigen ist keine ehrliche politische Handlung.
@Closius
„Deutschland droht die Isolation und Bedeutungslosigkeit in der EU in allen sicherheitspolitischen Fragen. “
Ich denke wir sind da schon laengst ein paar Schritte weiter. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass auch nur einer unser Verbuendeten noch auf DEU vertraut…okay Mazedonien als neues NATO Mitglied (seit letztem Freitag nun die Nummer 30!!) hat uns da vielleicht noch nicht ganz durchschaut! Als Caveat-Champions sind wir entweder gar nicht oder nur am Rande beteiligt. Als wir 2002 in ISAF mitmachten hatte ich noch Hoffnung das sich an der DEU Grundhaltung was aendert (mehr hands-on Engagement und weniger arroganter Oberlehrer)…aber mittlerweile ist mir das auf meine alten Tage egal geworden. Es ist was es ist…und daran wird sich auch nichts aendern. Und ja, ich weiss, viele hier finden das auch gut so!!
@TW
Das AA wurde 1870 aufgestellt. Die Zeit von 1871 bis 1914 war für Mitteleuropa (Ausnahme Balkan) wohl bis dato die längste Friedensperiode, also, so schlecht kann die Politik des AA dann nicht gewesen sein.
@TAKOUBA
Welchen Auftrag haben denn die SOF? Deep OPS? Mit welcher Absicht? Klar ist: wenn die Kameraden unterwegs sind wird es kinetisch. Und für die Gegenseite geht es eher nicht gut aus. Wenn man das politisch unterstützt kann man unsere ROE bzw. das Mandat auch erweitern auf „find, fix, finish“.
@JAS: Verfassungsrechtlich hat Deutschland kein Problem mit Barkane oder G5, wenn die jeweiligen Länder die BW einladen würden. Und es wäre zu erwarten, daß die Länder die BW bitten oder einladen, wenn diese wüssten, daß die BW bereit ist, solche Einsätze durchzuführen oder Personal dafür zu stellen. UN- oder Nato-Mandate braucht Deutschland nur, wenn der Einsatz ohne Zustimmung der jeweiligen Regierung erfolgen soll.
Ich sehe hier einen klaren Widerspruch, daß AKK mehr Verantwortung übernehmen wollte und jetzt Drücken wir uns schon wieder um einen Einsatz bzw. darum, die Realität in der Sahel-Zone zu Kenntnis zu nehmen. Wenn Frau Merkel oder die SPD gegen einen solchen Einsatz sind, dann sollte dies auch wahrheitsgemäß gesagt werden, statt Kopf in den Sand Politik zu betreiben.
@Closius
‚denke auch, daß das Mandat auf „enabling G5 SAHEL“ erweitert wird, in welcher Form auch immer (Pers / Mat).
Zum Glück ist die Kantine geschlossen und die Gefahr, dass ich dem französischen Verbindungsoffizier über den Weg Lauf, damit gering.
interessant wie das von Gott mit großer Sorgfalt auserwählte Personal des AA sich plötzlich nicht in der FF für außenpolitische Richtlinien sieht. 😂
@Jas
Sie schrieben: „Mehr Polemik war nich drin? Barkhane und somit auch Takouba sind jeweils Militäroperationen außerhalb legitimierender Bündnisse kollektiver Sicherheit. Deutschland kann also erstmal keine Streitkräfte bei der Eintrittswarscheinlichkeit der Einbindung in bewaffnete Unternehmungen entsenden.“
—Ihre Einschätzung verkennt meiner Meinung nach die Sachlage. Erstens ist der Begriff des Bündnisses nach Art. 24 Abs. 2 GG durchaus nicht auf die bekannten Einrichtungen wie UN, NATO und EU beschränkt (Beck’scher Grundgesetzkommentar, Heintschel von Heinegg/Frau GG Art. 24 Rn. 12-16.1). Vielmehr genügen Lehre wie Rechtsprechung schon per Gesetz errichtete, durchaus auch zeitlich befristete zwischenstaatliche Einrichtungen, deren Tätigkeit dem im Abs. 2 genannten Ziel zumindest förderlich sein muss.
All diese Kriterien wären bereits gegeben, wenn die Bundesregierung mit den oben aufgezählten Partner-Regierungen einen seine Zielsetzungen nennenden Vertrag einginge, die genannte Mission durchzuführen, sodann diesen durch den Bundestag ratifizieren ließe und schließlich das Vorhandensein von Führungsstrukturen als Anknüpfpunkt rechtlicher Verpflichtungen sicherstellte.
Kurz gesagt: Wenn bloß all die Maßnahmen getroffen würden, die man ohnehin träfe, und zwar auch bei Einsätzen innerhalb der bereits eingerichteten Bündnisse wie bspw. der EU-Mission „Atalanta“.
Zweitens will das Grundgesetz, historisch und besonders auch teleologisch interpretiert, verhindern, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Streitkräfte völkerrechtswidrig einsetzt. Hingegen verbietet das GG durchaus nicht den völkerrechtskonformen Einsatz der Streitkräfte im Ausland, oder gar einen solchen, der dem Völkerrecht gar nicht unterfällt. Die Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex hat dies stets betont.
Wenn nun die Regierung eines fremden Staates die Bundesregierung darum bittet, bewaffnete Kräfte auf ihr Territorium zu entsenden, und die Befugnisse ebendieser Kräfte durch die Gesetze des aufnehmenden Staates bedingt werden – d.h. solange insbesondere keine Teilnahme an einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt i.S.d. Völkerrechtes erfolgt –, wird der Anwendungsbereichs des Völkerrechtes nicht eröffnet.
Es gehört nämlich zu den ureigenen Rechten souveräner Staaten, bei einem entsprechenden Einvernehmen andere Staaten mit der teilweisen oder vollumfänglichen Wahrnehmung ihrer Hoheitsrechte zu betrauen.
Es besteht hier auch insofern keine Regelungslücke, als dass den Regierungen ein weitreichender Ermessensspielraum zukommt, wann sie den Anwendungsbereich der umgangssprachlich als Kriegsvölkerrecht bezeichneten Normen als eröffnet ansehen, wie man dies etwa in Deutschland 2009/2010 hinsichtlich Afghanistans gesehen hat.
Die Regierung kann nämlich die völkerrechtlichen Definitionen eines nicht-internationalen bewaffneten Konfliktes überlaufen, aber nicht unterlaufen – oder einfacher gesagt, sie kann sich in ihrer Ausübung militärischer Gewalt beschränken, ohne dass internationale Normen dies verlangten, aber nicht ohne völkerrechtliche Grundlage militärische Gewalt zur Anwendung bringen.
Wenn die Malier uns z.B. bäten, Spezialkräfte zu entsenden, um in Unterstützung der dortigen Sicherheitskräfte tätig zu werden, wenn das nächste Mal wieder ein Killerkommando in ein Hotel voller ausländischer Touristen rauscht, könnte die Bundesregierung dieser Bitte aus Sicht der Lehre problemlos entsprechen.
Wenn sie denn wollte.
Sie will aber nicht, und das ist keineswegs der Corona-Krise geschuldet. Berlin will sich anscheinend nicht einmal bemühen, Mittel und Wege zu finden, die angedachte Mission anderweitig zu unterstützen, etwa durch logistische oder medizinische Kräfte.
Und ich kann Closius Sicht verstehen, und keinesfalls darin Polemik erkennen, allenfalls Frust. Ihnen wird auch aufgefallen sein, dass sich die Reaktion der Bundesregierung keineswegs auf die von Ihnen geäußerten Bedenken bezieht. Man hat unseren angeblich so geschätzten Verbündeten gerade nicht mitgeteilt: Klasse Idee, aber wir dürfen nicht.
Damit könnten die umgehen.
Stattdessen hat man (wieder einmal) gesagt: Klasse Idee, übernehmt Ihr das mal.
Die wachsenden Irritationen v.a. in Frankreich sind vor diesem Hintergrund meiner Ansicht nach nur allzu verständlich. Denn Deutschlands Außenpolitik wird von Paradoxien geprägt, die uns zu einem problematischen Partner machen und uns zu Recht den Ruf der Unzuverlässigkeit eingetragen haben. Berlin betreibt nämlich gerade keine Außenpolitik, die dem tatsächlichen oder vermuteten Mangel an rechtlicher und innenpolitischer Beinfreiheit gerecht würde, und auf den sich unsere Partner einstellen könnten.
Auf dem internationalen Parkett verhält sich Deutschland vielmehr wie jener Typ, der wohl in jedem Bekanntenkreis einmal vorkommt, und der zwar andauernd Einladungen ausschlägt, aber dennoch richtig pampig wird, wenn er mal nicht eingeladen wird.
Man bedenke, dass Deutschland formell nach wie vor auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erhebt. Anspruch und Wirklichkeit könnten in unserer Außenpolitik weiter auseinander nicht liegen.
@Thomas:
„Letztlich sollten auch DEU Interessen im Sahel ehrlich reflektiert werden – da kann es dann schon mal zu unterschiedlichen Bewertungen zwischen BMVg und AA kommen – und dann müssen auch schon mal die militärisch nachvollziehbaren Ratschläge der BM’in einer hoffentlich strategischen DEU Außenpolitik weichen.“
Ich finde es ist völlig legitim, ja sogar zwingend notwendig, dass verschiedene Ressorts verschiedene Perspektiven auf ein Thema haben. Ich bezweifle im vorliegenden Fall jedoch, dass es eine wirkliche strategische Einordnung der Meinung der Verteidigungsministerin gab (inwiefern allein schon ihre Äußerungen auf militärfachlichem Ratschlag basierten, mag man ja auch schon bezweifeln).
Es fehlt in meinen Augen schlichtweg an einer wirklich strategischen Ausrichtung der deutschen Sahel-Politik.
Die Diskussion darum wird aktuell wieder etwas engagierter geführt:
https://peacelab.blog/2020/03/s2e8-mali-auf-der-suche-nach-einer-politischen-strategie
https://peacelab.blog/2020/03/searching-for-a-strategy-germany-in-the-sahel
Oder hatten sie vor Ort – wenn auch im Rahmen der VN – einen anderen Eindruck?
@Jas, Muck:
Interessant wie sehr die Diskussion erneut um den vorgeblichen Rechtsrahmen kreist.
Die einzige mir bekannte „Begründung“ der Bundesregierung bzw. einer Ministerin zur ausbleibenden Beteiligung an Operation Takuba stammt von AKK bei der 3. Sitzung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (!) im Februar 2020:
„Wir haben die schnellen Eingreiftruppen, wir haben die Spezialkräfte. Aber wir haben eine andere Tradition“ (zitiert nach dpa-Meldung „Kramp-Karrenbauer: Deutschland sieht Grenzen bei Einsatz in Mali“ vom 05.02.20).
Zumindest versteckt sich AKK nicht hinter dem Grundgesetz oder dem Bundestag.
Es ist vorallem innenpolitisch zu heikel, daß ist dann mit Tradition sehr schön umschrieben.
Klar ist das peinlich, wie DEU hier herumlaviert und FRA damit vor den Kopf stößt.
Andererseits, militärisch ist in der SAHEL-Zone nichts zu gewinnen. Der Einsatz wird entweder mit „richtig viel Truppe“ ganz schmutzig durchgezogen oder nach vielen Jahren enden wie Afghanistan.
Ohne politische Veränderungen vor Ort und wirtschaftliche Perspektiven für die Bevölkerung in dieser Region ist dieser Krisenherd nicht zu bewältigen.
Deshalb wäre es ehrlicher, sich hier klar zu positionieren und unseren Partnern ehrlich verständlich zu machen, dass deutsche Interessen hier nicht hinreichend berührt sind, um sich auf lange Zeit militärisch zu engagieren.
@muck
Danke für die Ausführungen. Letztlich liegen aber alle ihre Punkte für ein AdHoc Bündnis in GG konformer Natur nicht vor. Die ist auch mal eben nicht „einfach so“ herzustellen wie sie suggerieren. Daher fehlt einfach die Rechtsgrundlage.
Der Einsatz von Spezialkräften zum Schutz(!) eigener(!) Staatsbürger bei:
„ Wenn die Malier uns z.B. bäten, Spezialkräfte zu entsenden, um in Unterstützung der dortigen Sicherheitskräfte tätig zu werden, wenn das nächste Mal wieder ein Killerkommando in ein Hotel voller ausländischer Touristen rauscht, könnte die Bundesregierung dieser Bitte aus Sicht der Lehre problemlos entsprechen.“
Läuft hier (und als Jurist wissen sie das) unter völkerrechtlichen Aspekten des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.04.19617 (WÜD), in Art. 5 a) und e) des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen von
24.04.19638 (WÜK). Dabei ist der Einsatz von militärischen Spezialkräften hier kein Gebot, sondern lediglich Option des Entsendestaates (GSG9 vs SpezKrBw). Insgesamt handelt es sich hier aber niemals um eine „militärische Operation“ sondern – und das wird bei einem Blick auf die Führungsorganisation bei Geisellagen deutlich – um eine „diplomatische“.
Bitte nicht Dinge vermischen, die nicht zu vermischen sind.
Und den Punkt:
„Und ich kann Closius Sicht verstehen, und keinesfalls darin Polemik erkennen, allenfalls Frust. Ihnen wird auch aufgefallen sein, dass sich die Reaktion der Bundesregierung keineswegs auf die von Ihnen geäußerten Bedenken bezieht. Man hat unseren angeblich so geschätzten Verbündeten gerade nicht mitgeteilt: Klasse Idee, aber wir dürfen nicht.
Damit könnten die umgehen.
Stattdessen hat man (wieder einmal) gesagt: Klasse Idee, übernehmt Ihr das mal.“
kann ich nicht teilen. Beschrieben (und nicht zitiert) wird der Inhalt einer politischen Erklärung die hier im Wortlaut nicht vorliegt. Politische Erklärungen beinhalten aber kaum Entschuldigungen unterzeichnender Staaten warum sie Dinge nicht tun. Sie und ich kennen ja wohl kaum die bis zur Erklärung gelaufenen Verbalnoten der Staaten, aber gehen wir mal davon aus, dass das AA iVm dem BMVg wohl höflich auf das deutsche Recht verwiesen hat bei ihrer Absage zur Truppenstellung – dafür aber Deutschland seine politische Unterstützung zusage.
Und überhaupt- alleine dass DEU politisch die französischen Alleingänge und neueren multinationalem Bestrebungen politisch unterstützt ist bemerkenswert. Beim parallelen Vorhandensein militärischer Unternehmungen im Rahmen von Bündnissen (MINUSMA, EUTM) auch die Op Barkhane und Takouba politisch zu unterstützen ist eher außergewöhnlich.
Da forderten die G5 Sahel Staatschef erst noch mehr Engagement der U.N. und räumten zeitgleich mehr Befugnisse in die Resolution ein:
https://www.dw.com/de/sahel-staaten-bitten-un-um-stärkeres-mandat-für-mali-mission/a-51698050
Und Frankreich verpasst es augenscheinlich in beiden Operationen diese Resolution als Basis für Partner zu nehmen. Mag klappen für Frankreich – is für uns halt schwierig.
Deutschland ist laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Teilnahme an militärischen Operationen nur bei Beschlüssen/Maßnahmen kollektiver Sicherheitsorganisationen wie #UN o. #NATO möglich. „#Tabuka“ ist allein von Frankreich initiierte Militäroperation im Sahel, die nicht hierunter fällt! Von daher besteht für Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Möglichkeit zur militärischen Teilnahme.
@All:
Ich finde, dass allgemeine AA/BMVg-Bashing geht bis auf die fragwürdige, öffentliche Kommunikation dieser Entscheidung am Thema vorbei.
Schon mal was von der Afghanisierung Mali‘s gehört? Das was TAKUBA leisten soll ist doch gelinde gesagt ein Tropfen auf den heißen Stein. Jetzt sollen es also die weltweit für ihre umfangreichen Fähigkeiten (vor allem personelle Durchhaltefähigkeit) und ihre langjährigen COIN und CT- Erfahrungen überall bekannten SpezKr Belgiens, Schweden, Portugal, Estland und Tschechiens richten (Sarkasmus aus)? Verzeihung aber ich komme aus dem Lachen nicht mehr raus. Ich freue mich schon auf die Frage wer Hubschrauber und C4ISTAR stellt.
Mal weg von der Polemik….TAKUBA ist doch schon wieder der Versuch, gesellschaftliche Probleme (Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, Armut, Teilhabe am politischen Prozess) mit dem taktischen Hammer zu lösen. Hat im Irak mit JSOC nicht funktioniert und in Afghanistan mit NSOCC-A auch nicht und da waren DEUTLICH mehr Ressourcen im Spiel.
Für mich klingt das sehr nach Pariser Aktionismus.
Zum Thema Bündnistreue:
Schon mal was von Lancaster House Agreement gehört oder CJEF? Nicht wir sondern GBR ist für Paris ein struktureller Partner in Missionen. So richtig will das bei beiden aber auch nicht funktionieren.
Ich frage mal in die Runde, wie viele Soldaten Frankreich derzeit in NATO-Missionen hat. Ich glaube, es waren um die 150. Verzeihung aber da sehe ich uns bspw. deutlich stärker engagiert (EFP, AFG, IRK, Sea Guardian, etc.).
Zum Schluss:
Diese „wir sind nicht dabei“-Larmoyanz finde ich angesichts unseres Beitrages in 2 Mandaten in Mali und unserer Aktivitäten im Nachbarland Niger unangebracht. Es drängt sich der Gedanke auf, dass einige hier schlichtweg Kopfkino haben und gerne Nachtsichtbilder von Calwern wahlweise im LUH SOF und im Serval während eines Night Raids in Mali sehen wollen.
Einfach nochmal zur Erinnerung der Abschluss der letzten Diskussion um Takuba und das Grundgesetz:
https://augengeradeaus.net/2019/12/akks-wink-an-frankreich-neuer-einsatz-im-sahel-nur-als-eu-mission-unter-un-mandat/comment-page-2/#comment-328406
Folgt man der Logik der Vorschläge der Ministerin vom Jahreswechsel, dann müsste sich Deutschland bei EUTM bald stärker engagieren. Die Diskussion dazu beginnt auf nationaler Ebene wohl erst:
https://augengeradeaus.net/2020/03/eu-weitet-ausbildungsmission-in-mali-aus-begleitung-bis-zur-taktischen-ebene/
Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Kommentatoren hier militärischen Einsätze und noch mehr militärisches Engagement seitens DEU fordern. Ein Blick auf die Einsätze der letzten 25 Jahre zeigt doch, das die Konflikte nicht alleinig militärisch zu lösen sind. Da muss zwingend eine politische Lösung her.
Politische Lösungen haben bisher nur in Ex-Jugoslawien so halbwegs leidlich geklappt. Der goldene Wurf war auch das nicht. Der Rest ist gescheitert.
Atalanta ist als Einsatz eine Ausnahme, aber hier ging es auch nicht in erster Linie um Politik, sondern um das Niederhalten von bewaffneten Banden (Piraten).
Ich sehe im Sahel keine Bemühungen für eine nachhaltige politische Lösung seitens der betroffenen Staaten. Wozu dann militärische Kosmetik betreiben?
@Closius sagt: 31.03.2020 um 22:52 Uhr
„Verfassungsrechtlich hat Deutschland kein Problem mit Barkane oder G5, wenn die jeweiligen Länder die BW einladen würden. Und es wäre zu erwarten, daß die Länder die BW bitten oder einladen, wenn diese wüssten, daß die BW bereit ist, solche Einsätze durchzuführen oder Personal dafür zu stellen. UN- oder Nato-Mandate braucht Deutschland nur, wenn der Einsatz ohne Zustimmung der jeweiligen Regierung erfolgen soll.“
Nur wenn es um Ausbildungs/Mentoring geht. Sobald wir in bewaffneten Auseinandersetzungen kommen reicht die Einladung der Regierung zwar völkerrechtlich aus, aufgrund der aktuellen Lesart von 87a u. 24 (2) GG aber für uns DEU nicht verfassungsrechtlich.
@Roger Näbig und Koffer:
Was ich bei der engen Auslegung des GG, dann weiterhin nicht verstehe:
Warum waren bzw. sind dann in anderen Regionen Einsätze im Rahmen einer Koalition der Willigen (OEF, OIR in Syrien ) bzw. auf Einladung einer Regierung (OIR im Irak) möglich? Eine stringente Linie vermag ich da nicht zu erkennen.
Meine These:
Das GG wird jeweils so interpretiert, wie es tagespolitisch passt.
Unsere französischen Freunde wollen explizit Spezialkräfte – nur einmal angenommen, hypothetisch, Berlin ändert seine Meinung und der Bundestag stimmt ( in der derzeitigen Krisensituation) einem Mandat zu – wieviele Einsatzkräfte aus dem KSK plus logistischer Unterstützung wären tatsächlich verfügbar? Und für wie lange? Und mit ausreichend Material? … Wir sollten nicht so tun, als hätten wir Einsatzkräfte divisionsweise in 24h-Bereitschaft samt Material, das mit laufenden Motoren auf dem Hof steht und nur darauf wartet, in den Einsatz – wo auch immer – auszurücken.
Aber dort, wo wir es haben, da setzen wir es auch ein und unterstützen: Als FRA letztes Wochenende wegen Covid-19-MedEvac anfragte, war das s’il vous plaît noch nicht zu Ende gesprochen, als beim LTG 62 schon die Triebwerke anliefen…. dies als Hinwies an diejenigen, die ihren französischen Kameraden wieder in die Augen schauen möchten.
@Pio-Fritz um 9:55 Uhr
Ich hatte heute morgen ähnlich argumentiert, aber offensichtlich hat das dem Hausherrn nicht gefallen.
Mein Kommentar wurde jedenfalls nicht freigegeben.
[Diese dumpfen „Hier hat der Zensor zugeschlagen! 1!!11!!!!“-Kommentare sind langsam ermüdend. Ein Kommentar von Ihnen heute morgen dazu ist nicht da, und ich habe mich eigens durch hunderte Kommentare im Spamfilter gewühlt.
/ edit: Jetzt doch noch im Spamfilter gefunden und freigegeben.
T.W.]
@Der neue Alte
Eine MedEvacOp zur Entlastung FRA Krankenhäuser, FRA Streitkräfte in deren Lufttransport und im europäischen Luftraum (feindfrei!) wollen Sie sicherlich bei unterstellter Seriosität mit erwartbarem Feuerkampf innerhalb Op TACOUBA nicht wirklich ebenengerecht vergleichen! (?)
„KSK … Einsatzkräfte divisionsweise in 24h-Bereitschaft“ – nirgends werden Sie ähnliche Anmaßung finden, von Verschwörungsfantasten abgesehen, was soll diese Bemerkung somit?
Entscheidend ist, seit dem Karfreitags-Gefecht endet deutsche Solidarität stets dann, wenn es kinetisch wird. Die Zustimmung zu TACOUBA mit dem Hinweis der politischen Unterstützung stellt einen neuerlichen Schlag ins Gesicht solcher Bündnispartner dar, die gemeisame Anforderungen erfüllen.
Wenigstens der Beitrag von 4 StOffz/Offz in das FRA HQ unseres „mächtigen Nachbarn“ Niederlande sollte möglich sein. Das wäre dann ansatzweise gesichtswahrend.
https://www.defensie.nl/actueel/nieuws/2020/03/27/nederland-steunt-mali-bij-gevechtsoperaties-tegen-terroristische-groeperingen
Könnte es nicht sein, dass die Zurückhaltung bei der Kommunikation andere Gründe hat?
1. Ist es nicht so, dass Einsätze von Spezialkräften grundsätzlich nicht an die große Glocke gehängt werden?
2. Wäre es denkbar, dass es auch Probleme bei der Bereitstellung von geeigneten Transportmitteln gäbe? Ist der Serval für die Hitze, den Untergrund und die Distanzen in der Sahel-Zone geeignet? Und wären neben den H145M nicht auch NH90 oder CH53 für den Transport/die Rettungsketten notwendig? Das erscheint mir derzeit als echtes Problem.
[Sie sind sich bewusst, was Sie hier sagen? Sie unterstellen, dass deutsche Streitkräfte illegal, ohne Zustimmung oder auch nur Kenntnis des Parlaments, in eine bewaffnete Mission geschickt werden, die zumindest verfassungsrechtlich umstritten ist? Wenn Sie Belege dafür haben, bitte – aber so argumentieren wir hier nicht. T.W.]
Ich weiss nicht ob dass im Faden schon drin steht. Aber wie ist denn die rechtliche Situation wenn die malische Regierung. (Nicht Fra) Deu offiziell um Unterstützung bitten würde? Auch mit Kampftruppen.
Ich lese bei @Nachhaltig weniger heraus, dass einen verdeckten/geheimen/illegalen Einsatz des KSK im Sahel vermutet.
Sondern es scheint ihm vielmehr darum zu gehen, dass Einsätze von Spezialkräfte wo immer möglich grundsätzlich nicht offen kommentiert werden. Und damit ein „Kein Kommentar“ dabei nicht automatisch die Bestätigung der Nachfrage bedeutet, darf man gemeinhin auch den Nichteinsatz nicht kommentieren.
Deswegen „Zurückhaltung bei der Kommunikation“ damit man eben nicht sagt dass man nicht mitmacht.
Habe ich das richtig gedeutet, @Nachhaltig? Oder hat mein Glaube an das Gute im Menschen hier daneben gelegen?
[Hm. Ihr Glaube an das Gute im Menschen in allen Ehren, aber trotz aller Geheimhaltung: Auch Einsätze von Spezialkräften sind, wenn nicht Gefahr im Verzug ist, an ein vom Bundestag zu billigendes Mandat gebunden. T.W.]
@Klaus-Peter Kaikowsky:
Doch, der Vergleich mit der MedEVACOP war bewußt gewählt. Folge ich dem Frz. Staatspräsidenten E. Macron, dann ist der Kampf gegen Covid-19 ein Krieg. Und in diesem Krieg ist die Feindberührung, von der Sie sprechen, eben eine andere, aber nicht minder gefährliche, als bei einer Kommandoaktion in Sub-Sahara-Afrika. Und im übrigen zeigt sich auch in diesem Einsatz das, was wir alle kennen, die prekäre Materiallage (Stichwort „persönliche Schutzausrüstung“). Und der Einsatz des Sanitätspersonals, inkl. der Reservisten, das ist jetzt der Kampf an der Frontlinie dieses Krieges. Und wenn wir den nicht gewinnen, dann haben sich Diskussionen über Auslandseinsätze jedweder Art ebenso erledigt, wie die Diskussion um Eurofighter und/oder F-18 Super Hornet, weil dafür weder Geld noch das notwendige Verständnis der Öffentlichkeit da sein werden. Noch stärker spürbar als jetzt, wird nach der Coronakrise der Bundesfinanzminister der eigentliche BMVg sein.
Die Bemerkung zu den „divisionsweise“ verfügbaren KSK war sarkastisch gemeint, denn was außer vier StOffz ( die Belgier entsenden drei) haben wir denn zur Verfügung? DEU ist in Mail engagiert und bleibt es, und das muss auch unseren frz. Freunden reichen.
@Der neue Alte
Unglaublich, dass Sie mit (Trumps)/Macrons Kriegsrhetorik – rein wählerorientiert – mit Anspruch ernst genommen zu werden argumentieren.
Dass das KSK nur aus vier StOffz besteht ist ja mal ne Nachricht.
@ T.W.: Hier liegt in der Tat ein Missverständnis vor. Dass auch Einsätze von Spezialkräften durch den Bundestag mandatiert werden müssen und sollen ist mir absolut bewusst und wird durch mich auch gar nicht in Frage gestellt. Soweit ich die Situation verstehe, stehen wir aber noch gar nicht vor einer Mandatierung sondern nur bei einer Anfrage. Selbst wenn die Bundesregierung jetzt überlegen sollte, dort Spezialkräfte zum Einsatz zu bringen, würde ich davon ausgehen, dass sie dies jetzt nicht per Pressemitteilung publik machen würde. Wie gesagt – davon unbenommen ist natürlich die Befassung unseres Parlamentes sobald es darum geht Nägel mit Köpfen zu machen.
Ich finde übrigens, dass Ihr Kommentar mir gegenüber „Sie unterstellen ….“ zu scharf formuliert wurde. Ich möchte darum bitten, dass Sie in Zukunft die Möglichkeit eines Missverständnisses zunächst einmal aus dem Weg räumen, bevor Sie so offensiv formulieren.
@Nachhaltig:
Wie oben im Bericht erkennbar, war die Phase der Anfragen und Antworten der Bundesregierung schon zum Jahreswechsel 2019/2020 beendet.
Insgesamt – es mag am Datum liegen – ist die Diskussion heute hier aus meiner Sicht etwas sonderbar. Im Kern dreht sich die Diskussion für mich weiter um folgende Fragen:
1. Darf Deutschland sich an Takuba beteiligen?
2. Kann Deutschland sich an Takuba beteiligen?
3. Soll Deutschland sich an Takuba beteiligen?
4. Wil Deutschland sich an Takuba beteiligen?
Meine Bewertung:
Zu 1.: Ja, rechtlich gibt es vergleichbare Einsätze
Zu 2.: Ja, siehe die Einsätze bei OEF und ISAF
Zu 3.: Ja, folgt man den „Ansagen“ der Ministerin, dann wäre eine Beteiligung eine logische Folge. Notwendig wäre aber ein deutlich stärkeres politisches Engagement.
Zu 4.: Nein, die Bundesregierung hat nicht den politischen Willen, wobei hier weniger die Gründe unter 3., sondern innenpolitische Gründe (kein Kampfeinsatz) die Meinungsbildung bestimmen. Das kann man als Regierung so entscheiden, aber dann sollte es nicht fortlaufend neue Interviews zur Bedeutung der Sahelzone für unsere Sicherheit und Ankündigungen zu mehr Engagement geben.
Der Bundestag bestimmt Ausformung der Auslandseinsätze, nicht die IBuK legt fest, was bei EUTM/MINUSMA oder jetzt TACOUBA zulässig ist.
Die aktuelle Mandatierung vom 3.4.2019 lässt eine „robuste Ausbildung“ nicht zu. Das Mandat läuft am 31.5.2020 aus. Das BMVg steht mit dem Koalitionspartner in Verhandlungen, ob eine Ausweitung des Mandats im Zuge der Verlängerung möglich ist.
Die Begeisterung in der SPD ist überschaubar.
@Memoria sagt:01.04.2020 um 20:34 Uhr
„…die Bundesregierung hat nicht den politischen Willen, wobei hier weniger die Gründe unter 3., …“
Warum soll sich DEU Ihrer Meinung nach an Takouba beteiligen? Welche Interessen haben wir dort, die einen militärischen Einsatz rechtfertigen? Wo sind die Ziele eines solchen Einsatzes und wie ist die Exit-Strategie?
Ein evt. Flüchtlingsproblem sehe ich nicht als deutsches Interesse, das wäre ein europäisches Problem, das Europa, dank gewisser Staaten, die sich jetzt an Takouba beteiligen wollen, humanitär und politisch nicht in den Griff bekommt.
Evt. aus „Bündnistreue“ zu den Franzosen, die hier einige Kommentatoren beschwören wollen? Wo waren denn die Franzosen im Kosovo oder wo sind sie in Afghanistan? Oder ist Bündnistreue oder -solidarität eine deutsche Einbahnstraße? Ich denke nicht.
@Pio-Fritz:
Es geht es aus meiner Sicht nicht um irgendwelche „Bündnistreue“, sondern um eine kühle Analyse unserer Interessen in der Sahelzone.
Aus der Sicht der Bundesregierung und weiter Teile der Opposition hat die Lage in der Sahelzone mittel- und unmittelbar Auswirkungen auf unsere Sicherheit.
Das Migrationsargument ist auch aus meiner Sicht nicht wirklich überzeugend, da die Mittel nicht zum Ziel passen.
Bei der Beurteilung der Interessen ist für mich der zentrale Punkt die Zielsetzung der dschihadistischen Gruppierungen in der Region. Haben diese eine überregionale Agenda? Wie eng sind wirklich die Bezüge zu AQ und IS (und wieviel ist dabei nur „Werbung“?) Welche Auswirkungen hätte ein Erfolg dieser Gruppen auf unsere Interessen in der Region und unsere Sicherheit im Europa?
Wie hier schon häufiger erwähnt fehlt es an einer sauberen Lagebeurteilung und Strategie (siehe zuletzt hier: https://augengeradeaus.net/2020/03/eu-weitet-ausbildungsmission-in-mali-aus-begleitung-bis-zur-taktischen-ebene/).
Wir beide können da dann auch unsere Sichtweisen zu austauschen.
Ich finde jedoch bei der Beobachtung politischer Prozesse interessanter und oftmals lehrreicher wie Reden und Handeln von Entscheidungsträgern zusammen passen.
Da ist Mali eben ein sehr gutes Beispiel.
Auch ihr Argument mit der Lastenteilung gehört dann dazu.
Die Bundesregierung hat Mali zum Schwerpunktland „erhoben“ – aber es folgt daraus kein planmäßiges Handeln.
Ich weise dazu nochmal auf den oben verlinkten PeaceLab-Podcast und -Aufsatz hin.
In dem übrigens eine militärische Komponente weiterhin als notwendig erachtet wird.
Ihre Position scheint mir da noch etwas weiter zu gehen im Sinne einer allgemeinen Ablehnung solcher Einsätze oder verstehe ich sie da falsch?
@KPK:
„Das BMVg steht mit dem Koalitionspartner in Verhandlungen, ob eine Ausweitung des Mandats im Zuge der Verlängerung möglich ist.
Die Begeisterung in der SPD ist überschaubar.“
Ist das ihre Vermutung oder woher nehmen sie das? Denn üblicherweise findet die Diskussion zwischen AA und BMVg bzw. im Koalitionsausschuss statt und nicht zwischen BMVg und einer Fraktion.
Die Formulierung von Mandaten erfolgt übrigens durch die Bundesregierung, der Bundestag hat – formal – keinerlei Änderungsrecht.
Die Bezeichnung Parlamentsarmee ist oftmals irreführend.
@Pio-Fritz
Evt. aus „Bündnistreue“ zu den Franzosen, die hier einige Kommentatoren beschwören wollen? Wo waren denn die Franzosen im Kosovo oder wo sind sie in Afghanistan? Oder ist Bündnistreue oder -solidarität eine deutsche Einbahnstraße? Ich denke nicht.
Afghanistan 2001-2013 nach dem Beginn des Mali Einsatzes wurden die Truppen abgezogen
Jugoslawien 2001 -2013
zum Nachschlagen
https://fr.wikipedia.org/wiki/Pertes_militaires_fran%C3%A7aises_en_op%C3%A9rations_ext%C3%A9rieures_depuis_1963
@Memoria sagt:02.04.2020 um 10:16 Uhr
„Ihre Position scheint mir da noch etwas weiter zu gehen im Sinne einer allgemeinen Ablehnung solcher Einsätze oder verstehe ich sie da falsch?“
Da haben Sie mich zu restriktiv ausgelegt, ich bin nicht grundsätzlich gegen Einsätze. Ich bin aber gegen die, auch hier oftmals reflexhafte, Forderung nach Beteiligung an irgendwelchen Einsätzen, nur weil irgendein Verbündeter das gerne hätte. Und ich sehe solche allgemein gehaltene Argumente wie „Auswirkung auf unsere Sicherheit“ ohne nähere Begründung und Erläuterung nicht als stichhaltig an. Und blinden Aktionismus lehne ich ab.
Ich habe momentan mit einigen Einsätzen der Bundeswehr politisch gesehen so meine Schwierigkeiten. Im Wesentlichen fehlt es mir an einer vernünftigen Zielsetzung sowie einer Exitstrategie, auch für den Fall, das das Ziel nicht erreicht wird. Dazu müsste man zunächst politisch seine Interessen definieren und kommunizieren, was nicht oder nur unzureichend stattfindet. Das bringt uns dann in die „Endloseinsätze“ wie Afghanistan, Kosovo, UNIFIL und jetzt wahrscheinlich auch Mali.
Das sind natürlich alles Probleme der Politik und daher nicht der Bundeswehr anzulasten. Der Bw ist nur vorzuhalten, das zu jeder noch so abwegigen Einsatzidee der Politik fleißig genickt wird, ohne ausreichend auf die mangelhafte Material- und schlechte Personallage zu verweisen. Am besten sieht man das momentan bei der Marine, die gerade wieder Klimmzüge unternommen hat, um ein Schiff ins Mittelmeer abzustellen.
@Voyageur sagt: 02.04.2020 um 11:01 Uhr
Das widerlegt meine Aussage nicht. Sie sprechen vom Einsatz in Bosnien-Herzegowina, ich vom Kosovo. Das sind zwei verschiedene Einsätze, im Kosovo war FRA auch nach Ihrer Quelle nicht. Und in Afghanistan sind sie momentan auch nicht, sondern schon zu ISAF-Zeiten vor 7 Jahren ausgestiegen, also an Resolute Support nie beteiligt gewesen. Ich habe nichts anderes geschrieben.
FRA verfolgt eben seine Interessen stringent, das ist legitim und ihr gutes Recht. Das selbe muss man dann aber auch DEU und anderen Verbündeten zugestehen.
@Pio-Fritz:
Wir teilen da ja durchaus eine erhebliche Skepsis der Ergebnisse der Einsätze der letzten knapp 2 Jahrzehnte.
Die Auswirkungen auf unsere Sicherheit lässt sich für mich recht genau fassen:
Planen die dortigen Gruppierungen Anschläge im Europa?
Sofern dies positiv beantwortet wird – nach guter Analyse – macht Takuba eben durchaus Sinn, da die Ziele begrenzt sind und die G5 die Exit-Strategie sind. Aber eben nur eingeordnet in eine echte politische Strategie. Und nicht weiter ein „dabei-sein-ist-alles“ (wie schon in Afghanistan aus „Bündnissolidarität“) .
Mir ist weiterhin nicht klar was Deutschland wirklich in der Region will und ich bezweifle, dass es hierüber allein in der Koalition oder nur im Bundeskabinett einen Konsens gibt.
Die einzigen Konstanten unserer Politik in der Sahelzone sind
– die Solidarität mit Frankreich (Logistik bei Serval, Teilnahme EUTM, Teilnahme MINUSMA als Ersatz für Kampfeinsatz gegen den IS),
– die Minimierung des eigenen Risikos und
– die Vermeidung von Kampfeinsätzen.
Als Nebeltöpfe werden dann jeweils Ankündigungen, rechtliche Bedenken, Mandate und weitere Ausreden verwendet.
Wie gut dies funktioniert zeigt die gesamte Diskussion hier erneut.
@Jas
Das ganze ist doch wie im Niger … da ist man offiziell auch nur für MINUSMA dabei, fliegt aber tonnenweise Material für die Franzosen, die mit der Operation Barkane da auf terroristenjagd gehen. Man fliegt also tonnenweise Material durch die Gegend, fragt aber einfach nicht nach wofür dass denn verwendet wird. Und weil keiner Barkane drauf schreibt, unterstürtzt man die Mission auch nicht…
Manchmal muss man die Sache einfach mal beim Namen nennen und ehrlich zu sich selber sein!
@Memoria sagt:02.04.2020 um 11:52 Uhr
„Mir ist weiterhin nicht klar was Deutschland wirklich in der Region will und ich bezweifle, dass es hierüber allein in der Koalition oder nur im Bundeskabinett einen Konsens gibt.“
Da bin ich bei Ihnen, eine Stringenz des Handelns oder eine Strategie ist nicht erkennbar. Böse Zungen behaupten, es wird in diesem Fall ohne Sinn und Verstand rumgeschwurbelt.
Bezüglich der möglicherweise geplanten Anschläge in Europa, falls es denn so sein sollte. Ich bin nicht der Überzeugung, das derartige Vorhaben durch einen Einsatz von SOF in der gesamten Sahel-Zone gestoppt würden. Das Beispiel IS hat doch deutlich gezeigt, das erst die Zerschlagung der Strukturen in Europa die Anschläge abgestoppt hat. Afghanistan hat uns dagegen gezeigt, das solche Gruppierungen auch durch massiven Einsatz von SOF mit Luftunterstützung nicht zu zerschlagen sind. Diese weichen einfach aus und tauchen in der Bevölkerung unter. Nichts anders wird hier auch passieren.
Wir Europäer haben da ein massives Problem mit lessons learned. Die USA noch vielmehr, die haben noch nicht mal aus Vietnam gelernt, oder schon wieder alles vergessen.
@Memoria 10:21
Die Information bekam ich gestern spät per DM = direct message/Twitter, also ausschließlich an mich, aus dem Ministerium unmittelbar.
Da ich persönlich informiert wurde, auf vorherigen Tweet meinerseits, versage ich mir die Namensnennung des Absenders.
@Pio-Fritz
FRA verfolgt eben seine Interessen stringent, das ist legitim und ihr gutes Recht. Das selbe muss man dann aber auch DEU und anderen Verbündeten zugestehen.
Kein Problem für die legitimen Interessen. Was nervt ist nur diese ewige Rumrederei.
Man sollte sagen was man
– machen will
– machen kann
– machen was man gesagt hat, oder wie Norwegen sagen, warum man es nicht machen kann (keine Parlementsmehrheit).
Und wenn legitimen Interessen verhindern etwas zu machen, dann sollte es auch nicht „politisch Unterstützt“ werden.
NB: Barkhane = je nachdem 4500 bis 5500 Soldat*, Einsatzdauer ca 4 Monate = pro Jahr 15000 allein für Barkhane
@Voyageur sagt: 02.04.2020 um 13:59 Uhr
Im Prinzip bin ich bei Ihnen, allerdings hat die Aussage der politischen Unterstützung wohl mehr den Charakter von Unterstützung jenseits eines militärischen Einsatzes. Denn wer den Text aufmerksam liest, der sieht auch, das Großbritannien genauso reagiert hat wie Deutschland.
Diese ganze Tacouba Aktion ist vergebliche Liebesmüh, wenn Frankreich nicht endlich seinen Einfluß auf die Regierungen der betreffenden Länder geltend macht und sich die Lebensumstände für einen Großteil der Bevölkerung verbessern. Wer satt und zufrieden ist, der hat auf Krieg, Umsturz und Ähnliches keine Lust. Somit wäre den islamistischen Gruppen der Nährboden entzogen und das Problem erledigt sich nahezu von selbst.
Barkhane, vier FRA Offz positiv auf Corona getestet.
https://mobile.twitter.com/afpfr/status/1245716364435902469/photo/1
„Vier französische Offiziere, die im Rahmen der Barkhane-Anti-Dschihadisten-Operation in der Sahelzone stationiert waren, wurden positiv getestet #covid_19 , angezeigt an #AFP das Personal. „Einer der Patienten wird vor Ort versorgt und behandelt, drei weitere wurden bereits nach Frankreich zurückgeführt“
Gem AgenceFrancePress und google-Übersetzer.
Die Nachverfolgung der Infektionskette sollte bei überschaubarer Truppe und angesichts der Umweltbedingungen machbar sein.
@KPK:
Vielen Dank für die Antwort, gemeint ist mit dem Mandat dann aber wohl die Erweiterung der Aufgaben von EUTM Mali gemäß dem EU-Beschluss, oder?
Bei dem Thema laufen nämlich die üblichen Gegenargumente (Rechtsrahmen, etc) ins Leere. Wie damals bei der Aufstellung der OMLT.
@Jas
Sie schrieben: „Danke für die Ausführungen. Letztlich liegen aber alle ihre Punkte für ein AdHoc Bündnis in GG konformer Natur nicht vor. Die ist auch mal eben nicht „einfach so“ herzustellen wie sie suggerieren. Daher fehlt einfach die Rechtsgrundlage.“
— Da komme ich jetzt nicht mit. Natürlich muss man die Rechtsgrundlage dem Einsatz voranstellen, aber bei entsprechendem Willen wäre dies, so behaupte ich weiterhin, unproblematisch. Das Grundgesetz will nichts weiter, als dass eine parlamentarische Kontrolle gegeben ist, der Bündniszweck der Friedenswahrung dient und Strukturen vorhanden sind, die eine verantwortliche Hierarchie als Anknüpfpunkt für völkerrechtliche Verpflichtungen schaffen.
Ersteres Kriterium erfüllt ein parlamentarisch ratifizierter Vertrag; der zweite Punkt ist ein No-brainer, da in den Bereich des politischen Ermessens- und Gestaltungsspielraumes fallend; und die drittens erforderlichen Strukturen würden sowieso geschaffen, weil ohnehin irgendwer den Laden schmeißen muss. Aus verfassungsrechtlicher Sicht alles wahrlich kein Hexenwerk.
Sie schrieben: „Bitte nicht Dinge vermischen, die nicht zu vermischen sind.“
— Das Wiener Übereinkommen steht hier nicht in Rede. Daran ist bei dem (von mir bloß aufgrund seiner Aktualität) gewählten Beispiel auch gar nicht zu denken, da aus dem WÜK keine Rechte oder Pflichten jenseits des konsularischen Aufgabenkreises des Entsendestaates hervorgehen – insbesondere aber keine Rechte oder Pflichten, die der Entsendestaat auf fremdem Territorium gegenüber Bürgern des Empfangsstaates oder solchen von Drittstaaten wahrnehmen könnte.
Bei der aufgeworfenen rechtlichen Fragestellung geht es aber ebendarum.
Die Regierungen Malis und Nigers (das ich gestern glatt überlas, mea culpa) haben ausländische Regierungen darum gebeten, Spezialkräfte auf deren Gebiet zu entsenden, um sie bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu unterstützen. Es wird also erbeten, Spezialfähigkeiten vorzuhalten, die man selber nicht hat, und dem eigenen Sicherheitsapparat einen wie auch immer gearteten Zugriff darauf zu ermöglichen.
Zunächst einmal steht es allen Staaten frei, fremde Staaten um Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer Hoheitsrechte zu bitten, oder ihnen deren Wahrnehmung sogar ganz zu übertragen. Art und Umfang der übertragenen Rechte und Pflichten werden entweder vertraglich festgelegt, oder es kommen die nationalen Gesetze durch den beauftragten Staat zur Anwendung. Vor allem bei Kleinstaaten sieht man diese Form der Verflechtung häufiger, aber nicht nur.
So besteht schon seit Jahren ein Abkommen zwischen Italien und der Volksrepublik China über die wechselseitige Entsendung von Polizeikräften, die mit ihren jeweiligen Kollegen vor Ort die Touristenattraktionen bestreifen. Dabei sind sie den nationalen Gesetzen und den Weisungen der jeweiligen Hoheitsgewalt unterworfen, dürfen aber gewisse polizeiliche Maßnahmen (bspw. die Identitätsfeststellung) gegenüber erkannten Bürgern des Entsendestaates in eigener Verantwortung vornehmen. Diese Zusammenarbeit beruht auf einem zwischenstaatlichen Vertrag zwischen den Innenministern beider Staaten.
Vorliegend geht es aber sogar um Spezialkräfte; es wäre unsinnig, davon auszugehen, dass sie nicht mindestens in die Lage versetzt werden sollen, gegenüber im Einsatz angetroffenen Personen verpflichtend tätig zu werden, vor allem auch unmittelbaren Zwang in Anwendung zu bringen. Ziel solcher Maßnahmen wären in erster Linie Bürger Malis und Nigers, gegebenenfalls aber auch aus Drittstaaten. Das könnten internationale Touristen genauso sein wie irgendwelche ‚Foreign Fighters‘.
Es fragt sich also: auf welcher Rechtsgrundlage sollte dies geschehen?
Sollen die entsendeten Kräfte in eigener Verantwortung agieren, ist wohl das Vorliegen eines bewaffneten Konfliktes zu bejahen, mit aus unserer Sicht entsprechenden Konsequenzen für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Sachlage.
Sollen sie hingegen unter (zumindest formeller) lokaler Verantwortlichkeit zum Einsatz kommen – und dementsprechend interpretiere ich den Artikel oben –, hängt die weitere Bewertung davon ab, auf welcher Rechtsgrundlage die lokalen Behörden ihre eigenen Kräfte zum Einsatz bringen würden.
Wäre eine nationale Notstandsgesetzgebung, vulgo Kriegsrecht in Kraft gesetzt, ist wieder an das Vorliegen eines bewaffneten Konfliktes zu denken.
Agieren die lokalen Behörden jedoch unter der Maßgabe, dass es sich bei den regierungsfeindlichen Kräften um Kriminelle handelt, die mit dem Instrumentarium der Strafverfolgungs- und Strafvollzugsbehörden zu bekämpfen sind (Anm.: das lokale Militär kann natürlich originär oder subsidiär mit der Strafverfolgung beauftragt sein), so handelt es sich um eine rein innere und den lokalen Gesetzen unterworfene Angelegenheit. Die hypothetischen ausländischen Kräfte würden Einsatzregeln erhalten, die sich an den einschlägigen lokalen Gesetzen orientieren.
In letzterem Falle, so behaupte ich weiterhin, kann die Bundesrepublik Deutschland einer entsprechenden Bitte der Malier und Nigrer problemlos entsprechen. Das Grundgesetz enthält keine Vorschrift, die es der Bundesrepublik Deutschland verbieten würde, fremde Staaten bei der rechtmäßigen Wahrnehmung ihrer Hoheitsrechte zu unterstützen.
Sie schrieben: „Beschrieben (und nicht zitiert) wird der Inhalt einer politischen Erklärung die hier im Wortlaut nicht vorliegt. Politische Erklärungen beinhalten aber kaum Entschuldigungen unterzeichnender Staaten warum sie Dinge nicht tun. Sie und ich kennen ja wohl kaum die bis zur Erklärung gelaufenen Verbalnoten der Staaten, aber gehen wir mal davon aus, dass das AA iVm dem BMVg wohl höflich auf das deutsche Recht verwiesen hat bei ihrer Absage zur Truppenstellung – dafür aber Deutschland seine politische Unterstützung zusage.“
—Nichts für ungut, aber jetzt werden Sie kleinlich. Bei Closius’ Aussage und meinem Zuspruch handelte es sich doch ganz eindeutig um Meinungen, wie unserer Ansicht nach die deutsche Absage auf französischer Seite interpretiert werden dürfte. Die Gründe für seine bzw. meine Befürchtungen, warum dies so sei, wurden längst erörtert. Es ist müßig, diesen Faden weiterzuspinnen.
@Pio-Fritz:
„Das Beispiel IS hat doch deutlich gezeigt, das erst die Zerschlagung der Strukturen in Europa die Anschläge abgestoppt hat. Afghanistan hat uns dagegen gezeigt, das solche Gruppierungen auch durch massiven Einsatz von SOF mit Luftunterstützung nicht zu zerschlagen sind. Diese weichen einfach aus und tauchen in der Bevölkerung unter. Nichts anders wird hier auch passieren.“
Da ist mein Verständnis von den Problemen und Notwendigkeiten offenbar grundlegend anders.
Transnationale terroristische Netzwerke haben Einsatzräume und davon meist getrennt Räume für Führung, Ausbildung und Ruhe.
Der IS kam unter existentiellen Druck, da seine Quasistaatlichkeit für westliche Streitkräfte ein einfaches Ziel darstellte und auch der Fahndungsdruck in den Einsatzräumen stieg.
In Afghanistan erfolgte ebenso die Wegnahme von Ausbildungs- und Ruheräumen – bis Anfang 2002.
Alles danach war eine Verschwendung sehr hochwertiger Ressourcen. Ja teilweise wurden mehr Probleme produziert als gelöst.
Zu alldem – falls nicht bekannt – ein Literaturhinweis: Kilcullen – Accidental Guerilla.
Was kann man in Deutschland und der EU hieraus heute für die Sahelzone lernen?
Meine Bewertung:
1. Sehr genau untersuchen wer welche Interessen und Ziele verfolgt (nicht jeder „Terrorist“ ist unser Problem)
2. Die die ein echtes Problem sind (also sich nicht anderweitig überzeugen lassen) sind zu finden, zu stellen und zu schlagen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf nachrichtendienstlicher und polizeilicher Arbeit. Wo notwendig ergänzt durch militärische Mittel (siehe dazu die Aktivitäten von Großbritannien und Frankreich in Syrien), um dem Gegner die genannten Räume zu verwehren.
Damit ist aber kein Modell à la ISAF gemeint, sondern eine Mission in der Streitkräfte nur ein kleines Element einer Gesamtstrategie darstellen, die deutlich mehr auf Analyse und unkonventionelle Wege wert legt als die großen Bürokratien der letzten 20 Jahre.
Takuba könnte da ein Baustein sein, wenn es richtig eingeordnet wäre.
@curtess:
Danke für den Hinweis, genau der Widerspruch besteht ja sogar seit Operation Serval (z.B.: https://augengeradeaus.net/2013/01/lammert-kritik-am-deutschen-mali-engagement-zwei-flugzeuge-das-ist-alles/comment-page-2/#comment-51428). Deswegen finde ich es immer wieder bemerkenswert wieviele aufmerksame Beobachter immernoch glauben unsere Nichtteilnahme an kinetischen Einsätzen in „Koalitionen“ sei primär ein verfassungsrechtliches Problem.
@Pio-Fritz:1+
@KPK:
-Die französische Armee vertritt strikt die politischen Vorgaben, die allein von Frankreichs Interessen bestimmt werden; Freunde/Partner, denen evtl Solidarität zukäme, kommen darin nicht vor (de Gaulle).
– Welche Bw-Einsätze haben solidarische Unterstützung über die rein militärisch gebotene Zusammenarbeit hinaus durch Frankreich erfahren? Glücklicherweise ist Deutschland dem Libyenabenteuer des Präsidenten Sarkozy nicht gefolgt, in dessen Folge die Operation SERVAL erfolgen mußte.
– Die Konditionen für unser Engagement in Mali waren eindeutig; UN-Mandat, EU-Ausbildungsunterstützung. Durch Überschätzung französischer Fähigkeiten und mit einem nicht geglückten Einsatzkonzept(mission foutue) der vorgeblichen „Sahel-Spezialisten“ ist nun die Konfliktbewältigung a.d. Ruder gelaufen. Hier sollte zunächst als Minimalzeichen des guten(solidarischen) Willens die politische Unterstützung ausreichen.
– Beware of mission creep.
@briscard:
Wir sind seit Beginn im Mission creep (EUTM sollte ja nur auf 15 Monate begrenzt sein, in MINUSMA stolperte die Politik auch immer weiter hinein).
Wie der aktuelle Rückblick auf das Karfreitagsgefecht zeigt, haben wir nicht wirklich aus alldem gelernt.
Nächster Schritt:
Die Weiterentwicklung von EUTM Mali.
In der Gesamtlage wäre es sinnvoll Stabspersonal bei Takuba zu platzieren.
Aber ohne Ziel, Wille, Lagebild und Plan hilft das auch nicht wirklich.
Beste Voraussetzungen für mission creep.
Immer wieder gern betrieben durch vermeintliche Kompromisse des Kanzleramtes und des AA.