Merkel-Pressekonferenz: Bisschen Kramp-Karrenbauer, wenig Sicherheitspolitik
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in ihrer schon traditionellen Pressekonferenz zur Sommerpause – wenig überraschend – kaum zu sicherheitspolitischen Themen geäußert: Im Mittelpunkt der Journalisten-Fragen standen andere Probleme. Allerdings gab es auch einiges an Nachfragen zur Neubesetzung des Verteidigungsministeriums.
Zur Dokumentation deshalb hier (aus dem Transkript des Bundespresseamtes) gezielt nur die Passagen der Pressekonferenz am (heutigen) Freitag, die sich mit der neuen Verteidigungsministerin Annegret Kamp-Karrenbauer sowie sicherheitspolitischen Themen befassten – alles andere lässt sich genügend anderswo nachlesen:
(…) Ursula von der Leyens Amt als Bundesverteidigungsministerin wird in Zukunft von Annegret Kramp-Karrenbauer wahrgenommen. Ich freue mich auch über diese Personalbesetzung, denn hier zeigt sich, dass wir, glaube ich, wieder eine sehr gute Verteidigungsministerin haben werden. Damit konnte auch das Verhältnis von Frauen und Männern im Kabinett gewahrt werden, was mir ja auch sehr wichtig war. Aber Annegret Kramp-Karrenbauer ist eine erfahrene Persönlichkeit: Sie hat viele Ministerämter im Saarland wahrgenommen, sie war sieben Jahre lang Ministerpräsidentin, und als Parteivorsitzende zeigt sie auch, dass sie das politische Gewicht für dieses Ressort mit einbringt, was natürlich auch sehr wichtig ist und deutlich macht, dass die CDU und damit auch die Union für Sicherheit und Verantwortung auch im Außenbereich stehen.
(…)
Frage: Es wird nächste Woche eine Sondersitzung des Bundestages zur Vereidigung von Frau Kramp-Karrenbauer geben. Halten Sie das für angemessen? Oder was hätte dagegengesprochen, die Vereidigung bei der ersten Sitzung nach der Sommerpause vorzunehmen?
Merkel: Die verfassungsrechtliche Kommentierung hätte dagegengesprochen. Es gibt eine breite Literatur zu der Frage, wann eine parlamentarische Vereidigung stattzufinden hat. Bei der Bedeutung des Verteidigungsressorts weist die gesamte Literatur darauf hin, dass eine baldmöglichste parlamentarische Vereidigung stattfinden sollte, zumal die Bundeswehr auch eine Parlamentsarmee ist. Ich glaube, dass es hier sehr gute Gründe gibt, zum schnellstmöglichen Zeitpunkt diese Vereidigung vorzunehmen. Wir werden dann auch eine Regierungserklärung von Annegret Kramp-Karrenbauer mit den ersten Richtungen, die sie einschlagen möchte, hören. Ich glaube, das ist angemessen, das ist notwendig. Der Anlass des Wechsels im Amt der Verteidigungsministerin ist nun auch einer, der uns nicht betrüben muss, nämlich dass die bisherige Verteidigungsministerin Kommissionspräsidentin wird. Mit dem Tag, an dem sie gewählt wurde, musste sie ihr Amt nach meiner Auffassung auch verlassen, um sich um die neue Aufgabe vorbereitend kümmern zu können. Ich werde selbstverständlich bei der Vereidigung auch anwesend sein.
(…)
Frage : Frau Merkel, es geht um den Satz im Koalitionsvertrag, dass es keine Waffenlieferungen an direkt Beteiligte im Jemenkrieg gibt. Bislang haben wir – seit eineinhalb Jahren – von Ihnen, von der Bundesregierung, nicht erfahren wer diese direkt Beteiligten sind. Können Sie die uns heute bitte verraten?
Merkel: Sie können es ziemlich gut sehen aus den Berichten über unsere Rüstungsexporte, wer keine Waffen bekommt. Da ist es, so glaube ich, relativ erkennbar.
Zusatzfrage : Saudi-Arabien, die VAE, das sind die Hauptkriegstreiber dort im Jemenkrieg, an die wird geliefert, Frau Merkel.
Merkel: Ja.
Zusatzfrage : Die USA sind dort auch beteiligt, also viele andere. Wie kann das sein?
Merkel: Wir haben abzuwägen – das haben Sie ja sicherlich auch verfolgt – zwischen der Frage unserer Verlässlichkeit in der europäischen Kooperation mit unseren Partnern bei der Herstellung von Waffen und Rüstungsgütern und der Frage dieses Satzes im Koalitionsvertrag, den wir natürlich national abgeschlossen haben. Es gibt zum Beispiel eine Beteiligung Deutschlands am Bau von Eurofightern in Großbritannien. Großbritannien verfolgt wie wir das Ziel, den Jemenkrieg möglichst schnell zu beenden. Aber Großbritannien glaubt, dass man durch die Einhaltung seiner Lieferverpflichtungen mehr Einfluss auf die politischen und diplomatischen Möglichkeiten der Lösung eines solchen Konfliktes hat, als wenn man seine Verträge nicht einhält. Da gibt es eine unterschiedliche Bewertung: Wie habe ich mehr Einfluss darauf, diesen Krieg möglichst schnell zu beenden? Wir wollen ihn dadurch beenden, dass wir sagen: Wir liefern euch in der Zeit auch keine Waffen. Wir können aber auch Großbritannien nicht sozusagen in Geiselhaft nehmen, und deshalb haben wir uns entschieden, zumindest den Weiterbau der Eurofighter zu ermöglichen in der Erwartung, dass trotzdem dann nicht geliefert wird. Aber das können wir nicht rechtlich verbindlich, sondern nur als politische Erwartung diskutieren, das werden wir auch weiter mit den Briten besprechen. Ähnliche Fälle haben wir auch mit Frankreich. Da muss man einfach zwischen Verlässlichkeit zwischen europäischen Partnern und seinem eigenen politischen Ziel auch zum Teil Abwägungen treffen.
(…)
Frage : Wenn Sie erlauben, möchte ich gerne beim Thema Iran bleiben. Die Krise zwischen den USA und dem Iran spitzt sich in der persischen Golfregion weiter zu. Wie besorgt sind Sie? Welche diplomatischen Ansätze sehen Sie für die Deeskalation in diesem Konflikt?
Könnte Deutschland eine Vermittlerrolle in dieser Krise spielen?
Merkel: Natürlich bin ich besorgt. Man kann im Augenblick nicht ohne Sorge in diese Region schauen. Deshalb setzen wir uns natürlich für eine diplomatische Lösung ein. Ich unterstütze das, was Emmanuel Macron versucht, nämlich hier immer wieder Gesprächskanäle zwischen Iran und gegebenenfalls den Vereinigten Staaten von Amerika herzustellen.
Dass das unser Anliegen ist, zeigt sich ja auch an der Reise, die Heiko Maas in den Iran unternommen hat. Ich habe auch die Reise von Premierminister Abe sehr begrüßt und habe darüber mit dem amerikanischen Außenminister gesprochen.
Insofern sollte jede Möglichkeit eines diplomatischen Kontaktes gesucht werden, um eine Eskalation zu verhindern. Wir versuchen, darauf unsere Anstrengungen zu lenken. Darüber habe ich natürlich auch mit dem amerikanischen Präsidenten gesprochen.
(…)
Frage: Frau Bundeskanzlerin, im Zusammenhang mit dem Eintritt von Frau Kramp-Karrenbauer in das Bundeskabinett ist ja viel von Wortbruch die Rede gewesen. Können Sie diese Kritik daran verstehen? Dieses Argument ist auch oft von den Sozialdemokraten, von Ihrem Koalitionspartner bemüht worden. Mit welchem Gefühl, mit welchem Gemüt blicken Sie auf Ihren Koalitionspartner, wenn solche Kritik aus der eigenen Regierung kommt?
Merkel: Ich freue mich erst einmal, dass Annegret Kramp-Karrenbauer Verteidigungsministerin ist. Ich persönlich – ohne, dass ich jetzt aus persönlichen Gesprächen berichte – bin immer der Auffassung, dass sich der Parteivorsitz mit einem Staatsamt vereinbaren lässt. Das habe ich als Bundeskanzlerin auch immer so gehalten.
Wir haben jetzt eine spezielle Situation, die nur dadurch gerechtfertigt ist, dass ich gesagt habe, dass ich 2021 nicht wieder antrete. Es gibt immer wieder Entwicklungen in der Politik. Ich denke, da kann es auch immer wieder neue Perspektiven für Entscheidungen geben. Ich will es einmal so sagen: Ich habe mich zum Beispiel für den Spitzenkandidatenprozess mit vollem Herzen eingesetzt, aber irgendwann musste ich im Europäischen Rat erkennen, dass keine Mehrheit für Herrn Timmermans da war. Dann muss man eben in der Politik auch neue Wege gehen können. Ich freue mich jedenfalls, dass sich Annegret Kramp-Karrenbauer entschieden hat, jetzt Verteidigungsministerin zu sein. Sie wird das nach meiner festen Überzeugung sehr gut machen.
Zusatzfrage: Was sagt das über den Zustand der Koalition, wenn die SPD Ihnen Wortbruch vorwirft, also der Verteidigungsministerin?
Merkel: Ich habe das zwar gelesen, aber das kam nicht von der SPD. Wissen Sie, bei uns wird so viel gesprochen. Das gibt es in der CDU; das gibt es in der SPD. Von Menschen, die entscheidend in der Koalition sind, habe ich davon nichts gehört. Es ist mit dem Koalitionspartner alles besprochen worden.
(…)
Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie sind eben bei der Frage nach Annegret Kramp-Karrenbauer selbst auf Ihre Nachfolge gekommen. Hat sie denn jetzt einen Vorsprung qua Bedeutung des Ressorts?
Mit Blick auf die Partei hat Frau Kramp-Karrenbauer zuletzt immer wieder gesagt, sie wolle hundert Prozess ihrer Kraft in die Erneuerung der Partei legen. Jetzt hat sie gesagt: hundert Prozent in ihr neues Amt. Das geht rechnerisch ja nicht ganz auf. Vielleicht können Sie mir als Physikerin helfen, wie das gehen soll.
Merkel: Wo immer sie arbeitet, arbeitet sie gerade mit hundert Prozent. Das ist die Erklärung. Aber für jeden Menschen hat der Tag nur 24 Stunden. Ich glaube – das habe ich ja eben auch gesagt -, dass man ein Staatsamt sehr wohl auch mit dem Vorsitz der Partei verbinden kann, denn in diesem Staatsamt kann sie gerade als Verteidigungsministerin etwas ausüben, was auch zum Kernbereich der Überzeugungen von CDU und CSU gehört.
Wenn ich mich recht erinnere, habe ich nicht über meine Nachfolge gesprochen, sondern über das Ende meiner politischen Tätigkeit. Auf die Nachfolge nehme ich keinen Einfluss, sondern das muss dann die Partei in Zukunft entscheiden. Aber Annegret Kramp-Karrenbauer ist Parteivorsitzende und ist damit natürlich in einer wichtigen und auch entscheidenden Position. Das ist ja gar keine Frage.
Zusatzfrage: Eine inhaltliche Nachfrage: Prädestiniert denn dieses Amt in besonderer Weise gegenüber anderen Ressorts?
Merkel: Als Verteidigungsministerin? – Na ja, es ist sicherlich eines der wichtigen und schwierigen Ressorts in der Bundesregierung. Ich sage es einmal so: Die Frage, wie dann später entschieden wird, wer Kanzlerkandidatin oder Kanzlerkandidatin wird, ist eine Entscheidung der Partei und eine gemeinsame Entscheidung von CDU und CSU.
(…)
(Foto: Merkel vor der Bundespressekonferenz – Thomas Köhler/photothek.net)
Es stellt sich für Deutschland die Frage, wie man den auch für Deutschland wichtigen Schiffsverkehr in der Straße von Hormus über diplomatische Bemühungen hinaus ggf. militärisch sichert, wenn weitere Tanker von iranischen Einheiten gekapert werden.
Wenn man gleichzeitig in einem anderem Zusammenhang ( Jemen) die andere Regionalmacht Saudi- Arabien vor den Kopf stößt wird die Aufgabe noch schwieriger.
Wenn man hier aber militärisch neutral bleibt, dann kann man versuchen, weiter zu vermitteln. Im Gegensatz zu USA und GB gilt D eben nicht als Feind des Iran.
Einmal mehr interessant, dass die nicht eingehalten Zusagen an die NATO und die Unterfinanzierung der Bundeswehr von der Hauptstadtpresse überhaupt nicht aufgegriffen werden. Das scheint wohl weder zu interessieren noch wird es politisch mit der Kanzlerin in Verbindung gebracht.
Beeindruckend wie es der Bundeskanzlerin immer wieder gelingt sich oberhalb der eigenen Sachentscheidungen zu inszenieren.
Gilt ja ebenso für die „Klima-Kanzlerin“. Auch die wird einfach zugegeben, dass die Ziele für 2020 nicht eingehalten werden, aber für 2030 wolle man das schaffen.
Gleiche Argumentationslinie wie bei 1,5% und 2% des BIP.
@Hohenstaufen („Es stellt sich für Deutschland die Frage, wie man den auch für Deutschland wichtigen Schiffsverkehr in der Straße von Hormus über diplomatische Bemühungen hinaus ggf. militärisch sichert, wenn weitere Tanker von iranischen Einheiten gekapert werden.“): Was könnte denn D militärisch leisten? Hätte das, was (wohl in erster Linie der Marine) möglich ist, politisches Gewicht?
„Kernbereich der Überzeugungen von CDU und CSU“
Ich möchte nicht wissen, was nicht zum Kernbereich gehört. Frau Merkel ist nicht erst seit gestern Bundeskanzlerin.