Operation Sophia: Marineeinsatz jetzt ohne Schiffe

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Die europäische Marinemission EUNAVFOR MED, die im Mittelmeer vor der Küste Libyens die Überfahrt von Flüchtlingen und Migranten nach Europa eindämmen soll, wird vorerst ohne Schiffe fortgesetzt. Das Auswärtige Amt bezeichnete die formale Weiterführung der Operation Sophia als technische Verlängerung, nach Ansicht des deutschen Verteidigungsministeriums kann der Einsatz auch so sein eigentliches Ziel erreichen, nämlich die Schleuser zu bekämpfen, die Migranten und Flüchtlinge nach Europa bringen wollen.

Die 2015 begonnene europäische Mission soll Schleusernetzwerke bekämpfen, die so genannte libysche Küstenwache unterstützen und nur als Teil der seemännischen Verpflichtung Menschen aus Seenot retten soll. Vor allem diese Seenotrettung war war bereits im vergangenen Jahr nach Amtsantritt einer neuen Regierung in Italien praktisch gescheitert:

Der italienische Kommandeur hatte die Einsatzmöglichkeiten der Schiffe aus anderen EU-Nationen deutlich eingeschränkt. Später schickte das italienische Kommando von EUNAVFOR MED die Kriegsschiffe der Operation überwiegend in Seegebiete, wo gar nicht die Gefahr bestand, dass sie Schiffbrüchige retten und nach Italien bringen könnten. Allerdings auch Seegebiete, wo keine Schleuser unterwegs waren.

Die Bundesregierung hatte deshalb bereits im Januar die aktive Teilnahme an der Operation Sophia ausgesetzt und kein Schiff der Deutschen Marine mehr in diese Mission entsandt. Mit dem Beschluss des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees der EU, dessen Mitglieder sich nicht auf eine Verteilung geretteter Flüchtlinge und Migranten auf die Mitgliedsländer einigen konnte, findet faktisch keine Seenotrettung mehr statt.

Etwas detaillierter hat das der Brüsseler Kollege Nicolas Gros-Verheyde in seinem Blog Bruxelles2 erläutert (der ist auch näher dran):

Die Botschafter des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees (PSK) trennten sich am Dienstag (26. März) nach mehrstündigen Diskussionen in guter Stimmung. Eine Lösung ist in Sicht, damit die maritime Operation der EU, Sophia, überleben und den Sommer verbringen kann.
Die Diskussion wurde am Montag (25. März) auf der Grundlage eines von den Krisenmanagementstrukturen des Europäischen Diplomatischen Dienstes (EAD) ausgearbeiteten Optionspapiers eingeleitet. Die Hauptstädte hatten bis zum heutigen Mittwoch Zeit, um diese ausgehandelte Vereinbarung zu bestätigen.  Wie erwartet (oder erhofft), hat keine EU-Haupstadt die Vereinbarung in Frage gestellt, die nun anwendbar ist.
Der Betrieb könnte um sechs Monate verlängert werden. Aber die Marinekomponente wird ausgesetzt. Dies formalisiert die derzeitige Situation, in der es nur sehr wenige Schiffe gibt, und sie vermeiden sorgfältig das Gebiet, in dem sich Menschenhändler befinden – das Hauptziel der Operation. Die vom EAD vorgeschlagene Option einer technischen Verlängerung der Operation mit unverändertem Mandat, während eine neue libysche Küstenwache-Ausbildungsmission von Rom abgelehnt wurde.
Auf operativer Ebene wird nur eine einzige Luftraumüberwachungskomponente über internationalen Gewässern unterhalten. Die Ausbildung der libyschen Küstenwache und der Seeleute könnte auch in der heutigen Form an mehreren Standorten in Europa fortgesetzt werden oder sogar mit Übungen auf See.
Dieser Zeitraum von sechs Monaten (bis zum 30. September) hat zwei Vorteile. Es ermöglicht der Operation, den Sommer zu überleben: eine schwierige Zeit auf politischer Ebene (Europawahlen) und auf praktischer Ebene (sie stellt den Höhepunkt der Ankünfte im Mittelmeerraum dar). Sie ermöglicht es den Europäern, sich reibungslos auf den Übergang zu einer nicht exekutiven Operation zur Ausbildung libyscher Küstenwache und Seeleute vorzubereiten.
EUNAVFOR „ist eine maritime Operation“. Ohne Marineressourcen wird sie „nicht in der Lage sein, ihren Auftrag zu erfüllen“, nämlich „den Menschenhandel abzubauen“, sagte die Sprecherin der Hohen Vertreterin Maja Kocijancic am Mittwoch. „Aber das ist die Entscheidung der Mitgliedstaaten“, fügte sie hinzu und wies darauf hin, dass dies nicht die ursprüngliche Absicht des Vorschlags des Hohen Vertreters war. „Die Position des Hohen Vertreters ist bekannt.“
(…)
Vorerst behält der italienische Vizeadmiral Enrico Credendino das Kommando. „Die Änderung“ betrifft diesen Punkt nicht, versicherte uns ein europäischer Diplomat. Aber der Vizeadmiral, der seit fast vier Jahren – seit Beginn der Operation im Juni 2015 – für die Operation verantwortlich ist, könnte versucht sein, Segel zu setzen.
Derzeit gibt es vier Flugzeuge in der Region: eine polnische M28 Bryza (Polen beteiligt sich am Sophia-Einsatz im Mittelmeer), zwei luxemburgische SW3 Merlin III (abwechselnd) und ein spanisches Casa CN-235 Vigma D4-Flugzeug.
Diese Lösung sieht aus wie eine große Do-it-yourself-Lösung. Ein Gips, der kaum verdeckt, dass die Operation ansonsten abgeschlossen ist, zumindest deutlich reduziert. Und dieses Gefühl scheint geteilt zu werden.
Das Hauptziel der Operation – die Bekämpfung des Menschenhandels – wird nämlich aufgegeben, da es nicht mehr gewährleistet werden kann. Dadurch können die Silben’NAV‘ und’FOR‘ von EUNAVFOR Med entfernt und nur die EUMed Sophia behalten werden. Einen maritimen Betrieb ohne Schiffe zu haben, ist der Höhepunkt des Spottes.
(…)
Wir kehren in der Tat zu Phase 1 der Operation, der dieser Anfänge, im Juni-Juli 2015 zurück, die darin bestand, diese Verkehre zu erkennen oder zu analysieren. Es ist daher die „Ausgangstür“ der Operation: die Übertragung zu einer ordnungsgemäß ausgebildeten und organisierten libyschen Küstenwache und einem libyschen Seefahrerkorps, was mehr als ein paar Monate dauern wird. Seit 2015 wurde das Ziel, 500 Mitarbeiter auszubilden (Stand Ende 2017), trotz aller Bemühungen auf europäischer Seite nicht erreicht.

(Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator; Verwendung mit freundlicher Genehmigung von Bruxelles2)

Die Aussagen dazu in der Bundespressekonferenz in Berlin mit den Sprechern Christofer Burger (Auswärtiges Amt), Fregattenkapitän Frank Fähnrich (Verteidigungsministerium) und Merle Rietschel (Entwicklungsministerium)

Frage: Ich habe eine Frage, die sich vielleicht an das AA, an das BMVg und das BMZ richtet. Es geht um eine kurze Reaktion auf die mehr oder weniger vorgenommene Aussetzung beziehungsweise Einstellung der Mission Sophia. Bedauern Sie das? Finden Sie, dass das genau der richtige Weg ist? Wie sieht die Bundesregierung das?

Burger: Zunächst einmal möchte ich sagen: Deutschland unterstützt weiterhin mit Nachdruck die Mission EUNAVFOR MED Sophia, und wir engagieren uns dafür, dass das Mandat langfristig fortgesetzt werden kann. Wir haben uns immer personell und politisch für diese Operation eingesetzt, vor allem auch, weil sie ein Ausdruck europäischer Solidarität ist. Wir werden auch weiterhin mit Personal im Hauptquartier in Rom zu der Operation beitragen und dadurch auch unsere politische Unterstützung unterstreichen.

Die technische Verlängerung ohne den Einsatz von Schiffen, auf die man sich im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee in Brüssel nun geeinigt hat, war die bestmögliche Übereinkunft und sozusagen der Kleinste gemeinsame Nenner, der in Brüssel zu erzielen war. Der Einsatz von Schiffen kann aber bei einer Einigung in Brüssel umgehend wieder aufgenommen werden. Diese Verlängerung sollte aus unserer Sicht nun dazu genutzt werden, eine gemeinsame europäische Lösung zur Ausschiffung und Verteilung von aus Seenot Geretteten zu finden; denn das ist ja der Knackpunkt und der Ausgangspunkt dafür, dass es nicht gelungen ist, die Mission in der Art und Weise fortzusetzen, in der sie ursprünglich beschlossen worden ist und in der wir sie auch weiterhin unterstützen möchten.

Fähnrich: Ich kann vielleicht noch einmal ergänzen, dass das wirklich nicht das Ende der Operation ist, sondern dass es darum geht, dass man sich inhaltlich darauf verständigt hat, sie zu verlängern – eben ohne Hilfe und ohne Unterstützung durch seegehende Einheiten, Schiffe oder Boote. Nichtsdestotrotz kann und wird die Überwachung des Seegebietes – das ist die Kernaufgabe dieses Mandates zur Bekämpfung des Schleuserwesens – ja aus der Luft stattfinden. Derzeit sind ca. vier solcher Seefernaufklärer der europäischen Länder auch im Einsatzgebiet.

Wie auch schon angesprochen wurde, gilt es abzuwarten, wie sich die nächsten sechs Monate gestalten werden. Aktuell sind wir auch mit Personal im Hauptquartier vertreten. Alles andere, nämlich dafür eine Lösung zu finden, liegt jetzt im europäischen Rahmen.

Rietschel: Eigentlich kann ich nur sagen, dass wir dem als BMZ jetzt nichts hinzuzufügen haben, weil es auch nicht in unserer Ressortkompetenz liegt, die Mission jetzt als einzelne Mission zu beurteilen.

Frage : Herr Burger, wie viele Schiffe von deutscher Seite – ob nun staatliche, militärische oder private von NGOs – sind aktuell auf dem Mittelmeer, um unter anderem Leben retten zu können?

Burger: Ich kann Ihnen dazu jetzt und hier keine Zahlen nennen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich die nachreichen könnte, weil ich nicht weiß, ob wir notwendigerweise über jedes Schiff privater Natur informiert werden. Es ist ja so, wie wir hier schon ganz oft gesagt haben, dass Seenotrettung eine Aufgabe und Verpflichtung aller Seeleute ist. Das heißt, auch Frachtschiffe, kommerzielle Schiffe, Schiffe, die sich dort aus anderem Grund aufhalten, und eben bisher auch die seegehenden Einheiten der Mission Sophia sind dazu verpflichtet, sich daran zu beteiligen.

Zusatz: Wenn Sie darüber trotzdem Zahlen vorliegen haben, würde ich mich über eine Nachreichung freuen.

Frage: Meine Frage bezieht sich auch auf die Mission. In den dreieinhalb Jahren wurden, glaube ich, knapp 49 000 Menschen aus Seenot gerettet. Wenn sich die Bundesregierung jetzt sozusagen zurückzieht, wer soll dann in Zukunft in Seenot geratene Menschen retten? Soll das ausschließlich die libysche Küstenwache übernehmen?

Burger: Ich glaube, die Formulierung, die Bundesregierung ziehe sich zurück, ist in dieser Form nicht korrekt. Wir würden uns sehr wünschen, dass die Mission EUNAVFOR MED Sophia so, wie sie 2015 begonnen wurde, fortgesetzt werden könnte, und wir stehen auch weiterhin dafür bereit, uns daran zu beteiligen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Ich habe ja gerade schon gesagt: Seenotrettung ist eine Aufgabe und Verpflichtung aller Seeleute. Da gibt es sowohl staatliche Schiffe, die mit unterschiedlichem Auftrag unterwegs sind, als auch private Seenotretter, aber eben auch die kommerzielle und die private Schifffahrt.

Fähnrich: Das kann ich einfach noch einmal unterstützen. Das ist wirklich die Aufgabe jedes Seemanns. Der Zungenschlag, der da in der Hinsicht aufgekommen ist, dass die Mission zum Retten der Menschenleben eingesetzt wurde, ist ja auch nicht ganz richtig. Es geht ja wirklich darum, den Schleusern – also denjenigen, die, sage ich einmal, damit Geld verdienen, Menschen diesen Weg über das Mittelmeer zu bieten – das Handwerk zu legen und dafür Mechanismen zu etablieren.

Das ist auch ein Punkt, den ich vorhin noch anzusprechen vergessen habe: Die Ausbildung der libyschen Küstenwache bleibt ja auch als ein weiterer Pfeiler bestehen. Das heißt, es ist ja nicht so, dass wir jetzt aufhören, sondern es wird weitere Punkte geben um, sage ich einmal, zu verhindern, dass sich Menschen in diese Gefahr begeben.

Zusatzfrage: Trotzdem wurden ja Menschen gerettet, wenn auch vielleicht nicht als Ziel dieser Mission, aber im Rahmen dieser Mission. Deshalb stelle ich auch die konkrete Frage – vielleicht können Sie die Zahl nachreichen – an das BMVg: Wie viele Menschen wurden durch deutsche Bundeswehrschiffe gerettet?

Fähnrich: Die Zahl ist ja auch nicht neu. Ich sage einmal, die deutsche Marine hat ca. 22 500 Menschen im Laufe der Mission an Bord genommen und dann an Land gebracht, die Mission an sich knapp 49 000.

Wenn Sie die andere Zahl auch noch gleich abfragen wollen: Es sind auch ca. 160 Schleuser an die italienischen Behörden überstellt worden, und dort ist entsprechend verhandelt worden.

Frage: Herr Burger, Sie sagen, die Aufgabe der Seenotrettung obliegt allen Schiffen, die in der Region sind. Das einzige zivile Schiff, das im Moment dort Rettung betreibt, ist die „Alan Kurdi“. Ruhen die Hoffnungen der Bundesregierung jetzt darauf, dass die „Alan Kurdi“ ihre Aufgabe, die sie als humanitäres Rettungsschiff übernommen hat, auch wirklich ausführen kann?

Burger: Zunächst einmal ist Seenotrettung, wie gesagt, eine Aufgabe aller Schiffe, die sich in einem Seegebiet aufhalten, und eine Verpflichtung für alle Schiffe, nicht nur für solche, die sich explizit mit der Aufgabe der Seenotrettung dorthin begeben. Wir würden uns, wie gesagt, wünschen, dass wir die Mission EUNAVFOR MED Sophia so fortsetzen könnten, wie sie begonnen wurde. Wir würden uns insbesondere wünschen und bemühen uns auch auf allen möglichen Ebenen seit Monaten darum, dass innerhalb der EU ein solidarischer Mechanismus zur Ausschiffung von aus Seenot Geretteten gefunden wird, was dann auch wiederum die Arbeit von privaten Seenotrettern enorm erleichtern würde. Wir haben auch in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass wir bereit sind, Beiträge dazu zu leisten, und haben Vorschläge dafür vorgelegt, wie solche Mechanismen auf europäischer Ebene vereinbart werden könnten. Wir tun, glaube ich, wirklich alles, was wir können, um unseren Beitrag dazu zu leisten, dass Seenotrettung im Mittelmeer möglich ist.

(Aus früheren Erfahrungen weiß ich, dass ich bei diesem Thema besonders strikt moderieren muss. Wer im Ton „Marine als Schleuser-Taxi“ argumentieren möchte, kann das bitte anderswo abladen.)

(Archivbild: Fregatte Schleswig-Holstein unterstützt drei italienische Patrouillenboote, die mehrere Boote mit Flüchtlingen am 31.07.2015 gerettet haben – Bundeswehr/Norman Wald)