Neues Gesetz und Soldatenarbeitszeitverordnung: Es bleibt bei 41 Stunden

Im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz zur nachhaltigen Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr (BwEinsatzBerStG), dessen Entwurf das Bundeskabinett am (heutigen) Mittwoch beschlossen hat, kam beim Punkt Arbeitszeit ein bisschen Verwirrung auf: Hat die Bundesregierung damit den ersten Schritt zur Aushöhlung der erst 2016 eingeführten Soldatenarbeitszeitverordnung getan und nimmt Abschied von der seit gut drei Jahren geltenden Regelarbeitszeit von 41 Wochenstunden für Soldaten, wie hier in den Kommentaren befürchtet wurde?

Ein etwas genauerer Blick in den Gesetzentwurf zeigt: Danach sieht es, entgegen dem ersten Anschein, nicht aus.

Zwar ist in der Neufassung von Paragraf 30c des Soldatengesetzes eine andere Stundenzahl genannt. Hier zum Vergleich die geltende Fassung von §30c Abs 1 Soldatengesetz:

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit der Soldaten beträgt grundsätzlich wöchentlich 41 Stunden. Ausnahmen können gelten für schwerbehinderte Soldaten, für Soldaten mit Erziehungs- und Pflegepflichten, für Soldaten, denen die Führung eines Langzeitkontos gestattet worden ist, für Führungskräfte vom Dienstgrad Brigadegeneral oder von vergleichbaren Dienstgraden an aufwärts sowie bei Bereitschaftsdienst. Arbeitszeit ist die Zeit von Beginn bis zum Ende des Dienstes ohne die Ruhepausen.

und die Neufassung im Gesetzentwurf:

(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Soldaten, die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung verwendet werden, darf 44 Stunden nicht überschreiten. Ausnahmen sind zulässig für Führungskräfte vom Dienstgrad Brigadegeneral oder von vergleichbaren Dienstgraden an aufwärts. Für Soldaten, die außerhalb des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung verwendet werden, gilt das für die aufnehmende Stelle geltende Arbeitszeitrecht. Ist der Rechtsträger der aufnehmenden Stelle dienstherrenfähig, gilt das für dessen Beamte geltende Arbeitszeitrecht entsprechend.

Also künftig 44 statt 41 Stunden? Nein, sagt das Verteidigungsministerium. Denn im Soldatengesetz wird jetzt – neu – eine Obergrenze genannt, aber die Regelarbeitszeit von 41 Stunden pro Woche werde künftig in der Soldatenarbeitszeitverordnung festgelegt.

Die bisherige Fassung dieser Verordnung vom November 2015 nannte die 41 Stunden nicht ausdrücklich, nur mittelbar:

§5
Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann auf Antrag von 41 auf 40 Stunden verkürzt werden für:
1. schwerbehinderte Soldatinnen und schwerbehinderte Soldaten sowie
2. Soldatinnen und Soldaten,
a) die für ein Kind unter zwölf Jahren Kindergeld erhalten … [und weitere Ausnahmen]

Das wird im neuen Gesetz geändert, aus dem Entwurf:

Artikel 11
Änderung der Soldatenarbeitszeitverordnung
Die Soldatenarbeitszeitverordnung vom 16. November 2015 (BGBl. I S. 1995) wird wie folgt geändert:
1. § 1 wird wie folgt gefasst:
㤠1 Geltungsbereich
Diese Verordnung gilt für alle Soldatinnen und Soldaten, die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung verwendet werden.“
(…)
4. § 5 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
a) Dem Satz 1 wird folgender Satz vorangestellt:
„Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 41 Stunden.“
b) In dem neuen Satz 2 wird der Satzteil vor Nummer 1 wie folgt gefasst:
„Sie kann auf Antrag auf 40 Stunden verkürzt werden für:“.

Und da sind sie dann wieder, die 41 Stunden als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Ausnahmen davon gelten künftig auch, wie erwähnt, für Piloten der Alarmrotte und der Seenotrettung (und sind dort zunächst bis 2026 befristet).

Unterm Strich: Die Juristen haben die Bestimmungen für die regelmäßige Arbeitszeit der Soldaten aus dem Soldatengesetz in die Soldatenarbeitszeitverordnung verlegt – um die Systematik der gesetzlichen Regelung für Bundesbeamte anzupassen, aber ohne die Regelung inhaltlich zu verändern.

In der offiziellen Antwort des Verteidigungsministeriums auf meine entsprechende Frage klingt das so:

Mit der Neufassung des Absatzes 1 wird der sachliche Geltungsbereich des soldatischen Arbeitszeitrechts gesetzlich so festgelegt, dass grundsätzlich für jede Soldatin und jeden Soldaten eindeutig bestimmbar ist, ob sie oder er ihm unterliegt. Damit wird in der Anwendungspraxis aufgetretenen Unsicherheiten Rechnung getragen und Rechtsklarheit geschaffen.
Durch die Beschränkung auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung in Satz 1 wird das soldatische Arbeitszeitrecht in das bestehende Arbeitszeitregime innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes eingefügt. In Umsetzung des verfassungsmäßigen Auftrages der Streitkräfte obliegt die Erfüllung der militärischen Aufgaben der Bundesrepublik Deutschland exklusiv dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Besonderheiten des militärischen Dienstes, die spezifische arbeitszeitrechtliche Regelungen erfordern und rechtfertigen, fallen nur dort an. Mit Ausnahme des den Anwendungsbereich bestimmenden Einschubs ist Satz 1 wortgleich mit § 87 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes. Ebenso wie dort, wird gesetzlich eine Obergrenze von 44 Stunden bestimmt, die bei der Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit in der Soldatenarbeitszeitverordnung nicht überschritten werden darf. Unter Beibehaltung der Rechtslage im Wesentlichen wird damit die Regelungssystematik mit der beamtenrechtlichen harmonisiert. Die unverändert bleibende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von gegenwärtig 41 Stunden findet ihre rechtliche Grundlage nunmehr ausschließlich in der Soldatenarbeitszeitverordnung (Artikel 11 Nummer 4).

Nachtrag: In den Kommentaren wird darauf hingewiesen, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit sehr darauf gepocht habe, dass das in einem Gesetz festgeschrieben werde. Ich weiß nicht, ob das in der Debatte noch mal eine Rolle spielen wird, aber vorsorglich mal eine Fundstelle dazu: das Plenarprotokoll der ersten parlamentarischen Beratung des Gesetzes zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr (Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz – BwAttraktStG) am 30. Januar 2015:

Mit der Agenda und dem Artikelgesetz sind wir gewiss kein Trendsetter in Deutschland, sondern wir gehen jetzt ganz viele Dinge an, die eigentlich woanders schon Selbstverständlichkeiten sind. Mit dem Artikelgesetz garantieren wir zum Beispiel unseren Soldatinnen und Soldaten hier in Deutschland zum ersten Mal seit Bestehen der Bundeswehr eine geregelte Dienstzeit im regulären Betrieb. Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit.

Fürs Archiv außerdem der Bericht auf bundeswehr.de dazu als pdf-Datei:
Seit 1. Januar 2016: Arbeitszeit von Soldaten gesetzlich geregelt

(Foto: Screenshot der Bundeswehr-Webseite mit Erläuterung der neuen Soldatenarbeitszeitverordnung Anfang 2016)